Colonia

1. FC COLONIA

Die Anreise:
Es war einmal eine Zeit, da hatten Spiele von Queen Games ihren Platz in der Spielesammlung des Vielspielers. Aber der Trend zum Familienprodukt, lauwarme Durchschnittskost, der verhaltensauffällige Abverkaufs-Preisverfall bei Toys, der viele Erstkäufer verärgerte sowie eine in den letzten Jahren eigenwillige Vertriebspolitik unter der dschungelbuchigen Verniedlichung Mogli Distribution hat Herrn Rajive Gupta und seine Produkte im Vielspielerregal seltener werden lassen. Queen Games Girokonto scheint das nicht zu stören.

Das Stadion:
Die Ankunft der Riesenschachtel bevor es die Luxus-Editionen der Spieleschmiede gab. Ein „großes“ Spiel pflegt hier der um Doppeldeutigkeit bemühte Spieleslang zu sagen. Und zwar ein großes Spiel von - Trara! - Dirk Henn, dem Hausautor von Queen, der sein Lebenswerk offenbar der Stadt Troisdorf vermacht hat. Dirk Henn und Rajive Gupta reihen sich ein in die Tradition der großen Duos, wo der Eine ohne den Anderen nicht denkbar ist: Asterix und Obelix, Tim und Struppi, Dick und Doof, Susi und Strolch, Tom und Jerry, Beppo und Peppi, Starsky und Hutch, Delling und Netzer, Dr Jekyll und Mr Hyde, Siegfried und Roy, Klaus und Klaus, Hunter und Cron und natürlich die ratiopharm Zwillinge.

Die Heimfans:
Keiner mag Colonia. Flundi allein im Fanblock.

Der Gästeblock:
Alle anderen. Keiner mag Colonia.

Die Startaufstellung:
Ich bin eine Kölner Adelsfamilie mit einem Namen wie aus einem dunklen, verzauberten Märchen der Gebrüder Grimm, den wohl nur Rheinländer nicht unheimlich finden: Ger, Kannengiesser, Scherffgen, Hardefust. Von den dunkelmärchenhaften Patrizierfamiliennamen im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gefällt mir Overstolz am besten wegen der gleichnamigen, aber inzwischen verstorbenen kultigen Zigarettenmarke. Lungenkrebs kennt eben keine Kultmarken.

Das Spielfeld:
Mach es zu Deinem Projekt: „Das gehört hier hin“. „Nein, das gehört da hin“. „Passt nicht.“ „Probier’s doch mal hier“. Acht Riesenteile werden zu einem Hornbach-Puzzleplan zusammengebaut. Für das Bauprojekt „Köln im Mittelalter“ braucht man zunächst jedoch einen größeren Tisch aus dem Land der Riesen. Also schnell noch mit Hans die Bohnenranke hochgeklettert. Der Spielplan unterteilt sich in dann in die großstädtischen Teilbereiche Rathaus, Marktplatz, Handwerkerviertel, Straßenfeld, Hafen, Bank und Reliquien, wobei jedes Feld einem Wochentag = Arbeitstag zugeordnet ist.

Die erste Hälfte:
Der Trainingsplan sagt: Am Montag wird die Arbeitswoche vorbereitet. Am Dienstag entsendet man Familienmitglieder ins Rathaus. Am Mittwoch besorgt man sich Rohstoffe. Am Donnerstag werden die Rohstoffe zu Waren verarbeitet. Am Freitag verlädt man die Waren auf Schiffe. Am Samstag gibt es Geldscheine für die Waren in vier verschiedenen Währungen. Und am Tag des Herrn kauft man sich mit den Geldscheinen Reliquien im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Denn Reliquien sind wertvoll: Siegpunkte!

Die zweite Hälfte:
Das Spielchen im Wochentakt wiederholt sich 6x: „Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag Freitag, Samstag, Sonntag, jeder Tag vergeht ohne Ziel. Für mich sieht der Sonntag wie Montag aus, der Alltag ist überall zu Haus, jeden Tag dasselbe Spiel.“ Die Textzeilen hätten vom gelangweilten Kritiker von Colonia kommen können, stammen aber von der großen Daliah Lavi. Ich selbst bin zum Glück kein Kritiker sondern ein Liebender von Colonia. Wenn man das Laufen im Kreis wie eine Zen-Meditation im Kloster des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation betreibt wird man ruhig und genügsam. Möge der Ruhige und Genügsame gewinnen.

Torschütze des Spiels:
Prinz Poldi

Déjà-Vu des Spiels:
Heiliges Römisches Reich deutscher Nation – das klingt nach Geschichtsunterricht in der Oberstufe in seiner reinsten Form bei Herrn Overstolz, der auch Erdkunde und Reli unterrichtet und die filterlose Kultmarke Roth Händle raucht.

Drama des Abends:
Die Reliquien wurden anonym in der Spieleschachtel für Riesen verscharrt. Um die Dinge beim Namen zu nennen hat dem Dream Team Gupta/Henn wohl der kirchenmoralsprengende Humor gefehlt. Vielleicht stand auch die Angst vom Markt als Blasphemiker verurteilt zu werden auch im Jakobsweg. Was wäre das für ein Glaubensfest geworden: Original Nägel vom Kreuz Christi. Der Schädel von Johannes dem Täufer. Das Höschen von Maria Magdalena. Die Zunge Hiobs. Eine Prise Salz von Lots Frau. Aber man will ja keinem Kirchengänger unter den Käufern auf die Jesuslatschen treten. Schon gar nicht in einem „großen“ Spiel. Die Kinder Gottes hätten sich über den Jeck gefreut. Einer hat zum Glück am Ende dann schließlich immer doch den Mut: Was Colonia verpasst hat, hat nun Mea Culpa geleistet.

Haken des Spiels:
You spin me right round, baby
Right round like a record, baby
Right round round round

Erkenntnis des Spiels:
Echte Fründe ston zesamme: Gupta, Henn und Flundi. Der Verleger, der Autor, der Fan. Ein Trio in der Tradition der großen Trios. Wie Tick, Trick und Track. Oder die drei Musketiere. Oder die Marx Brothers. Die Olsen-Bande. Drei Engel für Charlie. Die heiligen Drei Könige mit ihrer Reliquie Colonia.


Stern am Spielehimmel: