Lancaster

LANCASTER CITY


Die Anreise:
Es gab eine Zeit, da musste sich das Eurogame nicht groß bemühen, um ein Thema für seine Abstraktionen zu finden: man griff einfach mit der Hand ins dunkle Mittelalter. Kaum ein Brettspiel ohne Mittelalter. Innerhalb von Mittelalter gab es zwei Optionen a) Händler oder b) Ritter. Händler oder Ritter stammen aus einer Welt in der Pop noch analog funktionierte: Beatles oder Stones. Bayern oder Gladbach. Punker oder Popper. Russen oder Amerikaner. Micky Maus oder Fix & Foxi. Langnese oder Schöller. In Lancaster waren es b) Ritter. Die b) Ritter in Lancaster sind eine bipolare Erinnerung an die alte Brettspielwelt vor dem Paradigmenwechsel im Millenium, der in die unendliche, aber auch zerfasernde Multioptionalität der digitalen Welt verweist.

Das Stadion:
Die handelsübliche quadratische Box mit dem Covermotiv b) Ritter. Die drei Ritter auf dem Cover reiten uniform daher. Ritter in ihren Rüstungen sind eben Soldaten. Die Auslöschung des Individuums und des Individuellen, damit man die anonymisierte Blechbüchsenarmee der Augsburger Puppenkiste ohne schlechtes Gewissen in die Schlacht schicken kann. In diesem Falle als Engländer unter der Vereinsfahne von Heinrich V. im Krieg gegen die französischen Lilien vom SV Darmstadt 1453.

Die Heimfans:
Worker Placer platziere Deine b) Ritter.

Der Gästeblock:
Worker Placer, die lieber a) Händler platziert hätten.

Die Startaufstellung:
Oh Prosperität, Dein Name ist Queen Games! In puncto Spielmaterial lässt sich Queen Games nicht lumpen. Meist großzügig inszeniert und gut gestaltet. Oft üppig. Denn Geiz im Brettspiel ist nicht geil. Als Symbol darf hier der Startspielerbrocken in Lancaster dienen: Eine orangefarbene Kante aus gefühlter Deutscher Eiche so groß wie ein Stück französischer Käse als Kriegsbeute. Oh Liebe zum Brettspiel, Deine Seele ist Haptik! Der Sichtschirm ist eine Trutzburg. Die Krönung sind die Ritter, die sich in ihrer holzklotzigen Gestalt vom Namensvetter Ritter Sport inspirieren ließen: Quadratisch. Praktisch. Gut. Das Ganze in vier XL-Größen: Ritter 1 ist ganz flach. Ritter 4 ist ein Dominostein. Wirft man den Dominostein dem z.B. Mitspieler William aus Wut an den Kopf ist eine Platzwunde mit ambulanter Versorgung sicher. Williams Birne wird getackert.

Das Spielfeld:
Viel, viel Platz in Südengland. Man hätte das Spielfeld von Lancaster auch kleiner optimieren können. Hat man aber nicht. Queen Games macht seinem Namen alle Ehre. Davon können sich andere eine dicke Holzscheibe abschneiden. So werden die Stimmsteine für die Gesetzesabstimmungen und die armen Knechte z.B. auf Tableaus abgelegt, die man rein funktional gar nicht bräuchte. Vorbildlich.

Die erste Hälfte:
Lancaster spielt sich straight. Einfach den Ritter Sport Block platzieren. Entweder in Südengland oder im Krieg gegen die französischen Lilien. Zur Not auch im eigenen Castle. Macht aber kaum einer. In Südengland kann man nach dem Recht des Stärkeren gegnerische Ritter rausschmeißen, wenn man stärkere Ritter einsetzt, die man auch mit den Knechten upgraden kann. Gute, alte Einsetzschule. Am Anfang ist die Old School noch ganz harmlos. Kriegt man jene Belohnung für einen Ritter im Derby County nicht, kriegt man eben eine andere. So what.

Die zweite Hälfte:
Aus dem So what wird mehr und mehr ein Hauen und Stechen um die Plätze in der Old England School. Interaktion ist noch milde ausgedrückt. Offene Aggression trifft es besser. Bei den Gesetzesabstimmungen wird unverhohlen auf Mitspieler suggestiv eingeredet: „Du musst mit Nein stimmen, der kriegt dafür XL Punkte. Sonst bist Du blöd.“ Das geht solange gut bis der Erste am Tisch (es ist wieder William) einen Ritter 4 an die Birne kriegt. Der Abnutzungskampf beim Rittereinsatz zieht sich nun, weil jeder der rausgeschmissenen Ritter eine Kettenreaktion in Gang setzt, weil er beim Wiedereinsetzen seinerseits nun einen schwächeren Ritter rausschmeißt, der wiederum einen anderen rausschmeißt, der wiederum einen anderen rausschmeißt, der wiederum einen anderen rausschmeißt. Lancaster Chainsaw Massacre.

Torschütze des Spiels:
Terry Butcher als Prinz Eisenherz mit blutgetränktem Turban. Ritter 4 steckt dabei noch in der Birne.

Déjà-Vu des Spiels:
Mittelalter. Und zwar in den zwei Geschmacksvarianten:
a) Händler (handeln mit den Ritter Sport Sorten Alpenmilch, Edelbitter, Edelvollmilch, Erdbeer Joghurt, Espresso, Halbbitter, Knusperflakes, Knusperkeks, Kokos, Marzipan, Nugat, Rum Trauben Nuss, Pfefferminz, Olympia)
b) Ritter Sport

Drama des Abends:
Macbeth im Englisch Leistungskurs. Und Macbeth macht sich durch ein böses Foul bemerkbar: die orangefarbene Startspielerkante aus Eichenholz fliegt Richtung König. King Duncan wird mit einer Platzwunde vom Platz getragen. Wir wünschen von unserer Sprecherkabine aus gute Besserung.

Haken des Spiels:
Die Erweiterungen gibt’s nur noch in der Lancaster Big Box.

Erkenntnis des Spiels:
I have a dream: Mit Worker Placement von gestern und einem Thema von vorgestern wandelt Lancaster gemeinsam mit Sankt Petersburg und Tadsch Mahal in die Hall of Fame, wo die glorreichen Worker Placement Monumente Agricola und Caylus bereits warten. An der Halle der Zeitlosigkeit angekommen wird Lancaster von Alex Randolph mit einer Pyramide Dominosteine aus Egizia auf einem Silbertablett begrüßt.


Startspieler schwimmt im Geld: