Inis

INIS ATHLETIC



Die Anreise:
Thematisch ist Inis (sprich: Inisch) im Irland der Keltenzeit verortet. Jeder Spieler verkörpert den Häuptling (sprich: Vereinspräsidenten) eines keltischen Stamms, der die zerklüfteten Gebiete der neuentdeckten Insel erforscht und Siedlungen und Kultstätten erbaut. Dabei möchte jeder Vereinspräsident auch Oberhäuptling (sprich: Verbandschef) aller Stämme werden. Doch der Kelte beschreitet zunächst einen steinigen Weg im Spiel wie auch zunächst in Germanien. Die französische Ausgabe von Matagot war nach Essen schnell und still von der Europalette verschwunden. Die Ankündigung einer Deutschen Version des verregneten Eirelands durch Pegasus entfachte keine großen Begeisterungsstürme. Die ersten Posts von Spieleerfahrungen ließen geteilte Lager erahnen, was zum konfliktbetonten Spiel passt: Inis polarisiert.


Das Stadion:
Ein Hünengrab für einen Keltenkönig. Da passt sogar noch ein Helm in die Schachtel. Die Schönheit der Karten taugt als Grabschmuck.


Die Heimfans:
Choreographie L.O.V.E.


Der Gästeblock:
Choreographie H.A.T.E.


Die Startaufstellung:
Geht Zackig. Die Landschaftsplatten: auch zackig. Die Zerklüftung passt zum irischen Küstenklischee. Dazu erhält jeder im flexiblen Draft vier Aktionskarten im hippiesken Tarot-Look sowie 12 Clans als Miniaturen aus dem Kaugummiautomat für den keltischen Fight Club. Im Spiel lassen sich dann noch Heldenkarten und Gebietskarten erwerben. Die braucht man aber auch.

Das Spielfeld:
Überhaupt das Material: der Greenkeeper versteht sein Handwerk. Wie von Matagot gewohnt im französischen Original üppig, großzügig und qualitätsbewusst produziert und von Pegasus in der Deutschen Version mit Deutscher Kartenübersetzung nahtlos in High End Quality adaptiert. Die Fotorealismus-Anmutung auf den Areas ergibt im visuellen Zusammenspiel mit dem Miniaturen-Set aus Plastik-Clans, Plastik-Siedlungen, Plastik-Kultstätten und den schön großen Karten aus mythischem Traumstoff ein wunderschönes Spannungsgefälle. Ein Augenstern für den Gestaltungsmut. Der Inis-Fan brät eine Extrawurst am Imbißstand: die Plastikclans aus dem Kaugummiautomat werden durch klassische Holzpöppel ersetzt.

Die erste Hälfte:
Regelwerk eingängig, Spielablauf simpel: Reihum Karte spielen, Aktion machen. Wer zuerst nach einer Spielrunde mehr von drei Siegbedingungen erfüllt als jeder andere Kelte am Holztisch gewinnt die Partie. Wenn alle gepasst haben, ist die Runde zu Ende. Wenn nicht alle gepasst haben, kann man in die Spielrunde wieder einsteigen. Dadurch wird das Passen selbst zu einem taktischen Moment. Die Hauptaktionskarten und ihre Funktionen sind schnell verstanden. Die größte Downtime in den ersten Spielen ist dem gemeinsamen Verständnis und Verstehen der Karten geschuldet. Die Aktionen sind meist: Clans setzen, Siedlung setzten, Kultstätte setzten, zackiges Gebietsplättchen setzten, Clans verschieben. Wenn Clans in ein Gebiet verschoben werden, wo gegnerische Clans stehen, dann scheppert es: Konflikt ist der Nukleus des Spiels. Aus dem Konflikt wird eine Kampfansage, wenn man sich auf keinen taktischen Waffenstillstand einigt. Kampf kostet Clans, wahlweise Aktionskarten. Tut beides weh. Recht bald wird klar: das Spiel ist ein Gerangel, das auch die Sinnlosigkeit des Krieges spürbar macht, dem man nicht aus dem Wege gehen kann. Es geht zur Sache. Interaktion drückt es noch milde aus. Inis ist ein unerbittlicher Abnutzungskampf, ein ständiges Abschätzen und Belauern. Warten auf den Fehler des Anderen. Inis ist Fussball auf trainertaktischem Niveau. Leben und Tod liegen in Inis nah beieinander.

Die zweite Hälfte:
Aus dem Abnutzungskampf wird Zermürbung, über der das Damoklesschwert des Sudden Death schwebt. Sobald sich einer als potenzieller Sieger herauskristallisiert, gibt’s von allen anderen eine auf die Gesichtsmaske über dem gebrochenen Nasenbein. Dann ist der nächste dran. Oder wieder der gleiche. Dann ein anderer. Inis ist ein permanenter, abgewehrter Siegversuch. Das Wechselspiel aus Offensiv- und Defensivtaktiken, Alle-auf-einen-Attacken, Vergeblichkeit und Nutznießertum sind wesentliche und beabsichtigte Bestandteile der Spielidee und Empfindungswelt von Inis. Das Spiel erfordert Nehmerqualitäten, Stehvermögen und taktisches Geschick auf einem austarierten, feinen Plateau mit Blick über die grüne Insel. Den einen macht das unendlichen Spaß (L.O.V.E.), den anderen ist es Qual und Langeweile (H.A.T.E.).

Torschütze des Spiels:
Michael Ende im Regenmantel.


Déjà-Vu des Spiels:
Inis IST Déjà-Vu: Angreifen. Abwehren. Angreifen. Abwehren. Angreifen. Abwehren. Würde Inis in Griechenland spielen, würde Sisyphos auf der Schachtel stehen. Aber Antike war den Machern des Spiels dann vielleicht doch zu viel thematisches Déjà-Vu im spielmechanischem Déjà-Vu. Angreifen. Abwehren. Angreifen. Abwehren.


Drama des Abends:
Es kann nur einen geben.

Haken des Spiels:
Die unendliche Geschichte mit einem Schrecken am Ende nach einem Schrecken ohne Ende.

Erkenntnis des Spiels:
Inis ist „höggschde Konfrondation“, auf dem Spielfeld wie im Gefühlshaushalt. Die Wut, den Zorn, das zähe Ziehen, die Enttäuschung, die gebündelten Angriffe auf das eitle Spielerego und das subjektive Gerechtigkeitsempfinden, die Inis auslöst, muss man aushalten wollen. Frustrationstoleranz gibt’s nicht im Stanzbogen. Ungeduld, persönliche Eitelkeiten und Weicheier werden es schwer haben in Inis. Ein Area Control Game, welches Control mit allen in der Regel erlaubten Mitteln verteidigt und gleichzeitig zersetzt. Und irgendwann stolpert auch ein Sisyphos. Dann rollt der Stein über ihn den Berg hinab auf das Siegerpodest. Das kann ganz schnell gehen - schneller als einem lieb ist, wenn man nicht selbst der Stein ist. Denn die überraschende Drehung und Wendung, das Plötzliche, das Abrupte, die Änderung des Schicksals steckt gleichermaßen in der Idee des Spiels zu dem der aufmerksame Gastgeber gerne Nervennahrung aus Nussmischungen und Studentenfutter zum Knabbern bereitstellen darf.

Abwehrriegel als Fünferkette beim Waldlauf: