Großartiges Spiel, das trotz der Spieldauer (in meinen Runden) trägt

Eines der vorab am meisten erwarteten Spiele der SPIEL'21 war „Arche Nova“. Ein Zoo aus Plättchen bauen und darin Tiere ansiedeln klingt nicht allzu spektakulär oder gar neu, die Mechanik beziehungsweise die Verzahnung verschiedener Mechanismen ist aber das, was „Arche Nova“ glänzen lässt.


Alle Spielerinnen bauen in „Arche Nova“ einen Zoo auf. Dabei ist es nicht nur wichtig, attraktive Tiere zu präsentieren, um Besucher anzulocken, sondern auch viel für den Artenschutz zu tun, denn nur auf die Art kann ich gewinnen. Für das Spiel stehen mir fünf Aktionen zur Verfügung, die durch fünf Karten in fünf nummerierten Plätzen repräsentiert werden. Wenn ich eine Aktion ausführen möchte, hat die Karte eine bestimmte Stärke, je nachdem, an welchem Platz sie liegt. Nach der Nutzung schiebe ich sie wieder nach vorne auf den ersten, schwächsten Platz. Das Prinzip ist nicht neu, aber dennoch spannend, auch wenn natürlich sehr oft die Wahl auf die Aktionen mit der Stärke 3, 4 oder 5 fällt. Es kann aber spielentscheidend sein, eine schwächere Aktion zum richtigen Zeitpunkt auszuführen.


Eine der Aktionen erlaubt mir meinen Zoo mit weiteren Gehegen zu vergrößern. Die Gehege kommen mit 1 bis 5 Hex-Feldern daher und müssen entsprechend auf mein Zoo-Tableau eingebaut werden. Mit einer anderen Aktionskarte kann ich dann ein Tier in einem der Gehege ansiedeln, dessen Karte ich zuvor mit einer weiteren Aktion auf die Hand genommen habe. Für das Ausspielen bringt jede Tierkarte einige Voraussetzungen mit: Neben der Gehegegröße können das auch benachbarte Stein- oder Wasserfelder sein. Aber auch Anforderung an befreundete Zoos anderer Kontinente oder andere Tiere im Zoo sind möglich. Eine ausgespielte Tierkarte bringt mir neben der Attraktivität, die auch mein Einkommen am Rundenende bestimmt, manchmal auch Artenschutzpunkte und andere Aktionen. Eine weitere Aktionskarte lässt mich Sponsorenkarten ausspielen, die Einmal-, Dauer- oder Spielendeeffekte haben. Und mit der letzten Aktionskarte kann ich mich mit Zoos anderer Kontinente anfreunden, in die Universität investieren oder etwas zu Artenschutzprojekten beisteuern.


Das Spielende wird eingeläutet, sobald die zwei gegenläufigen Marker für Attraktivität und Artenschutz sich treffen. Dies ist vielen schon aus „Rajas of the Ganges“ bekannt und funktioniert genauso gut. In der Regel muss ich beide Marker voranbringen, aber dennoch kann ich meinen Fokus mehr auf Artenschutz oder mehr auf die Attraktivität meines Zoos richten, was mir sehr gefällt. Nachdem jeder (außer der Spielerin, die das Spielende provoziert hat) noch einmal dran war, gibt es noch Artenschutzpunkte durch Sponsorenkarten und geheime Zielkarten. Und wessen beiden Marker nun am meisten auseinander liegen, hat gewonnen.


Die obige Beschreibung ist nur eine kurze Zusammenfassung. Die komplette Spielerklärung hat bei uns 45 Minuten gedauert und ich vermutete, dass dies auch nicht kürzer wäre, wenn ich das Spiel jemanden neu beibringen müsste. Trotz der vielen Regeln und der starken Verzahnung spielt sich „Arche Nova“ von Anfang an recht intuitiv. Auch wenn mich die Symbole auf den Karten zuerst erschlagen haben, sind sie so eingängig, dass es nach zwei Runden keine Fragen mehr gab. Und auch das Zusammenspiel der anderen Karten und Boni im Zoo ist ziemlich schnell erfasst, was die Einstiegshürde trotz der Komplexität des Spiels doch niedrig hält. Erschlagen könnte den einen oder die andere die Tischpräsenz. Die Dimension des Spielbretts für die Kartenauslage und Marker plus Zusatzbrett für den Artenschutz und Projekte mitsamt vier Spielertableaus und den ganzen ausgelegten Karten verlangt einen großen Tisch. Leider einen so großen, dass ich gar nicht daran denken muss, mir „Arche Nova“ zuzulegen, weil ich es sonst nur auf dem Fußboden spielen könnte.


Die Interaktion im Spiel hält sich stark in Grenzen. Es gibt Karten, die sich auf meine Mitspielerinnen beziehen („Erhalte 3 Geld, wenn irgendjemand einen Vogel spielt.“) und manchmal nahmen wir uns aus der offenen Auslage oder bei den Artenschutzprojekten etwas weg. Ansonsten baut aber jeder für sich seinen eigenen Zoo auf, was zumindest mir sehr gefallen hat. Es ist zwar teilweise etwas schade, dass ich nur ganz wenig auf den Zoo und die Tiere meiner Mitspielerin geschaut habe, aber ich war meist mit meiner eigenen Planung beschäftigt. Und die beschäftigt einen wirklich. Zu zweit haben wir etwas mehr als 3 Stunden gespielt, was neben der Tischgröße mein zweiter Kritikpunkt ist. Wichtig: Ich sehe das nicht kritisch, weil es langweilig gewesen ist. Ganz im Gegenteil! Nach etwa anderthalb Stunden überlegten wir, aufzuhören. Aber wir beide wollten dann doch noch nur diese paar Tiere von der Hand ansiedeln (und nicht „bauen“, wie es uns mehrfach herausrutschte). Und als das geschehen war, wollten wir nur noch kurz das und das erledigen. Es spricht sehr für das Spiel, dass wir mehrmals überlegten aufgrund der Spieldauer aufzuhören, aber einfach nicht wollten. Die Kritik betrifft also die Spieldauer als Ganzes, denn abends mal kurz eine Partie „Arche Nova“ einzuschieben, ist nicht möglich. Es sollte schon bis Mitternacht eingeplant oder lieber tagsüber gespielt werden.


Da es eine geringe Interaktion gibt, spielt sich „Arche Nova“ solitär ebenfalls sehr gut. 27 Züge habe ich Zeit, damit sich der Attraktivitäts- und der Artenschutzmarker treffen, um das Spiel zu gewinnen. Über den Startwert der Attraktivität kann ich das Spiel schwerer oder leichter machen. Dadurch, dass so gut wie nichts am Spiel verändert werden muss (einzig die Pause wird etwas anders gehandhabt), gibt es auch kaum neue Regeln zu erlernen, was mir sehr gefallen hat. Für meine erste Solopartie habe ich circa 90 Minuten gebraucht und bin leider gescheitert, da ich kaum Artenschutzpunkte generieren konnte. Daran habe ich auch gemerkt, dass das Spiel sehr vom Kartenglück abhängt, vor allem bei weniger Spielerinnen, wenn weniger Karten vom Stapel im Durchlauf sind. Wenn aber als Artenschutzprojekte nur Australien, Pflanzenfresser und Fleischfresser ausliegen, in den ersten 20 Zügen aber nur jeweils ein Tier mit eine der Bedingungen in der Auslage erscheint, dann kann ich wenig zum Artenschutz beitragen. Dennoch hat es auch allein Spaß gemacht, den Zoo aufzubauen.


Wie geschrieben ist die Symbolik sehr leicht eingängig. Die X-Marker, um eine Aktion zu verstärken, hätte ich vermutlich noch mit einem kleinen „+1“ versehen und an einer Stelle kam ich bei den befreundeten Zoos bei der Farbgebung durcheinander, da sowohl ein Kontinent als auch das Symbol „Partnerschaft“ die gleiche Hintergrundfarbe haben. Sehr gut gefallen haben mir auch die Tierfotos und anderen Darstellung auf den Karten. Dadurch bekommt das Spiel mehr Realitätsnähe und wirkt nicht zu künstlerisch künstlich. Lustig ist natürlich auch, wenn auf den Karten „bekannte“ Personen wie Elizabeth Hargrave (Autorin von „Flügelschlag“) als Ornithologin oder Christian Hildenbrand (Redakteur bei Amigo, aber gelernter Tierarzt) mit Schlange in der Hand auftauchen. Ich gebe aber zu, dass ich diese kleinen Gags ohne die Erklärerin von Feuerland nicht gefunden hätte. Ein kleiner Kritikpunkt ist noch die Ablagefläche für Geld und X-Marker: Diese war bei uns sehr oft zu klein, aber natürlich konnten wir das Geld einfach neben dem Spieltableau stapeln.


Der Elefant im Raum wurde noch nicht angesprochen: der Vergleich von „Arche Nova“ zu „Terraforming Mars“. Die Ähnlichkeiten, die ich sehe, sind, dass ich Karten in meine eigene Auslage spiele, die Anforderungen an vorher ausgespielte Karten haben, und, dass wir Hex-Plättchen auf ein Tableau legen. Die Spielmechanik und die Aktionen sind gänzlich anders und nicht vergleichbar. Auch die Interaktion ist eine ganz andere, gibt es in „Terraforming Mars“ doch noch einen Area-Control-Aspekt, da alle auf dem gleichen Tableau den Mars besiedeln. Was noch ähnlich ist: Sowohl bei „Terraforming Mars“ als auch bei „Arche Nova“ verliere ich vor lauter Karten ausspielen, weil das alles so schön zusammenpasst, das Spielziel aus den Augen. Aber das spricht wohl eher für die Spiele als dagegen.


Mir haben die bisherigen zwei Partien „Arche Nova“ sehr gut gefallen. So gut, dass ich zwischendurch trotz der Spiellänge nicht aufhören wollte. So gut, dass ich gerne noch mehr Partien spielen würde. Und so gut, dass ich nach Schreiben dieses Textes das Spiel bestellt habe, obwohl ich es tatsächlich nicht auf meinen Tisch bekommen werde – also nicht zeitlich, sondern wegen der Spielplandimension. Ich habe aber die Hoffnung, dass den Mitspielerinnen es auch auf dem Fußboden gefällt. (9,5)