Hallo zusammen. Ich möchte mal die große Fachkenntnis dieses Forums anzapfen...
An Spielen, bei denen man weitgehend parallel nebeneinander her optimiert, habe ich mich irgendwie satt gespielt. Ich mag keine Spiele mehr spielen, bei denen man nur Optimierungsprobleme durchrechnet und hier und da versucht, ein paar Siegpünktchen mehr heraus zu quetschen als die anderen. Zumal es irgendwie immer schwieriger wird, bei solchen Spielen Mitspieler zu finden, die solche Sachen auch aus dem Bauch heraus spielen können bzw. wollen. Stattdessen wird dann aus einem Spiel mit der Packungsangabe "90 Minuten Spielzeit" allzu leicht ein 3+-Stunden-Klopper, weil alles zu Tode analysiert und durchgerechnet wird. Da geht dann jede spielerische Leichtigkeit flöten. Furchtbar.
Mir gefallen dagegen Spiele, bei denen eine sehr starke Spielerinteraktion dafür sorgt, dass eben nicht alles komplett durchrechenbar ist. Spiele, bei denen man nicht mehr als eine unscharfe, intuitive Idee davon hat, was die anderen kurz-, mittel- oder langfristig so vor haben, aber das bestimmt dann ganz wesentlich, was man selbst tun sollte. Kurz: Ich mag Spiele mit Spielerinteraktion.
Ich mag insbesondere Spiele mit viel Konkurrenz parallel an vielen Fronten, denn dann ist's mit komplettem Durchrechnen ganz schnell vorbei. Man kann nicht überall mitmischen und dann braucht es Intuition. Konkurrenz beim Ausbreiten auf einer Karte, Konkurrenz um zu wenig Ressourcen, Konkurrenz um zu viel wenig gute Aktionen für alle Spieler, Konkurrenz in verschachtelten Mehrheitenwertungen, Konkurrenz um die beste Position in der Spielerreihenfolge, Konkurrenz um jede Runde immer stärker werdende Aktionen, wo man sich irgendwann sagt: "jetzt muss ich's nehmen, sonst kriegt's ein anderer". All sowas. Ich mag Spiele, in denen man versuchen muss, einen taktischen und/oder strategischen Weg zu gehen, wo man ungestört voran kommen kann, während die anderen Mitspieler auf ähnlichen Wegen sich gegenseitig behindern. In diese Kategorie stecke ich z.B. #Navegador und #Concordia.
Ich habe dabei auch überhaupt keine Probleme damit, wenn es dabei fies und gemein werden kann. Es bringt Spannung und Emotionalität, wenn man einen Mitspieler auf dem falschen Fuß erwischen kann, man aber umgekehrt auch immer selbst in der Gefahr lebt, durch die Mitspieler die eigenen Planungen zerschossen zu bekommen. Zuletzt habe ich ein paar Mal #Vanuatu (2nd edition) gespielt, dessen erste Ausgabe damals irgendwie komplett an mir vorbei gegangen war. Herrlich. Ist sofort bei mir auf 9/10 Punkten eingestiegen. Das ist so ein Fall. Vanuatu kann brutal sein. Wenn's ganz dumm läuft, bekommt man in einer komletten Runde keine einzige sinnvolle Aktion hin. Das ist schon auf einem Niveau, wo es sicher nicht mehr für jeden passt, aber mit entsprechender Frusttoleranz ist das ein absolut tolles Spiel.
Eines meiner Lieblingsspiele ist #BoraBora; auch das kann hundsgemein werden. Wer als Startspieler böse grinsend einen 1er-Würfel auf das Aktionsfeld setzt, wo jeder noch hin will, kann Flüche hören... Ich mag auch Spiele, in denen man sich gegen solcherlei Fiesheiten absichern kann, es aber trotzdem manchmal sein lässt, weil Absicherungen auch mit irgendwelchen Kosten verbunden sind, so dass man auch kontrolliert Risiken eingehen muss, wohlwissend, dass nicht alles klappen wird. #Luna ist dafür auch ein schönes Beispiel. Da muss man sogar damit leben, dass die Mitspieler gegen den eigenen Willen die Runde einfach beenden können, während man noch ungenutzte Worker hat -- auch eine sehr schöne Art der Interaktion, eben weil man mit sowas auch einfach nur drohen kann.
Oder #Scoville, wo man per verdeckter All-pay-Auktion auf das Erstwahlrecht in der enorm wichtigen Zugreihenfolge bieten muss, enorm wichtig deshalb, weil manchmal jemand in der falschen Position böse ausmanövriert werden kann. Um das Geld für die wirklich wichtigen Momente im Spiel zu haben, muss man normalerweise sehr knapp bieten, also gezielt Risiken eingehen. Super. #Troyes hat auch viel schöne Interaktion, u.a. weil man dem Mitspieler seine Würfel einfach wegkaufen kann, wenn man genug Geld dafür hat. Bei #ArgentTheConsortium habe ich neulich die 2nd Edition bei Kickstarter gebacken. Das dürfte auch ziemlich sicher nach meinem Geschmack sein.
Was ich allerdings überhaupt nicht mag, ist allzu starke direkte negative Interaktion. Wenn jemand etwas mühsam aufgebaut hat, möchte ich das nicht zerstören oder für mich erobern. Viel Interaktion: ja, gerne ... aber bitte möglichst unter der Schwelle von "ich mache dem Mitspieler etwas mühsam Aufgebautes kaputt". Ich möchte starke Interaktion, inklusive beliebig fieses "Knüppel zwischen die Beine schmeißen", aber sobald der Gegner irgendetwas fertig gebaut hat, dann steht's, herzlichen Glückwunsch dazu.
Was sind eure liebsten Spiele mit hoher, auch fieser, Interaktion, die dabei aber (weitgehend) ohne rein destruktive Elemente auskommen?