[velvres Kolumne] Typus Spieler

  • Guten Tag!


    Ich bin ein Spieler, ein Brettspieler, um genau zu sein. Kartenspiele dürfen es auch gern einmal sein, aber bitte zur als Opener oder Absacker oder um lange Wartezeiten zu überbrücken. Vielleicht kennen Sie ja das AP-Phänomen, obwohl es mehr ein Syndrom als ein Phänomen ist, aber wem sage ich das. Nein! AP hat nichts mit Aktionspunkten zu tun, aber das war gar kein so schlechter Versuch für einen Schuß in's Blaue. AP steht für Analysis-Paralysis und wer dazu neigt gehört zu den ganz schlimmen Fingern in der Spieleszene. Für solche entartete Spieler kann man die Spieldauer auf jeder Spieleschachtel glatt verdreifachen. Mindestens! Und genau in dem Maß wie die Spieldauer ansteigt sinkt der Spielspaß. Natürlich kann man darüber streiten, oder eben mal schnell eine Würfelschlacht austragen, denn das ist eh viel besser als zu streiten. Also wenn dann schon zünftig und am besten noch mit hunderten von Miniaturen. Nein! Tabletop ist damit nicht gemeint, obwohl es irgendwie in diese Richtung geht, aber ganz so schlimm ist es nicht.


    Manchmal ist mein Hobby ganz schön kompliziert, denn ich bin nich leicht zufrieden zu stellen. Es gibt immer mehr "more of the same", egal ob bei Ameritrash oder dem ganzen Eurogames. Alles ist schon einmal dagewesen und vermengt sich in einem Pool gefüllt mit Einheitsbrei. Meiner Mutter hat früher immer gesagt: "Junge, iss deinen Brei auf", aber ich mochte schon früher keinen Brei und Einheitsbrei im Spieledschungel mag ich erst recht nicht. Inzwischen haut mich nichts mehr so leicht vom Hocker. Das meiste kennt man eben schon oder es kommt einem arg bekannt vor. Echte Perlen werden immer seltener; einige wenige wurden bereits entdeckt. Die Suche nach einer neuen ultimativen Perle entwickelt sich zur Suche nach dem Heiligen Gral. Vielleicht sind wir Spielerinnen und Spieler alle Gralsritter!? Ach ne, das Thema Mittelalter ist ja auch schon ziemlich verbraucht in der Spielebranche.


    Kann man ein neues Spiel überhaupt noch genießen? Ein Gaumen, der erst einmal verwöhnt ist, gibt sich nicht mehr so schnell mit Gewöhnlichem zufrieden. Ist ja beim Essen genau so. Wo wir schon einmal beim Thema sind: Zur Spielemesse in Essen kommen jedes Jahr round about 1000 Spieleneuheiten auf den Markt. Dabei wird es immer internationaler und das ist gut so. Vielleicht haben ja die Asiaten ein paar Perlen für verwöhnte europäische Gaumen parat! Die machen auf jedenfall viele Sachen richtig und schauen über den Tellerrand.


    Kann man bei so vielen Neuheiten ein Spiel überhaupt noch genießen? Hechtet man auf der Suche nach einer Spieleperle aka Heiliger Gral nicht von einem Spiel zum nächsten, ohne sich genug Zeit zu nehmen ein Spiel richtig zu entdecken? Vielleicht ist das Problem ja hausgemacht von den ganzen Verlagen, die uns mit Neuheiten überfluten. Da muß man schon ganz schön strampeln und paddeln um in dieser Flut nicht unterzugehen. Wie gut, dass ich als Spieler nichts anderes zu tun habe als mich tagtäglich auf dem Laufenden zu halten. Regelhefte wälzen, Rezensionen lesen, Videoclips ansehen und auch mal selbst etwas zur Szene beitragen gehört ebenso mit zum Hobby wie das pure Spielerlebnis selbst.


    Für heute habe ich aber genug über uns Spieler geplaudert. Auch wenn das nun viele für Humbug halten, für mich wird es Zeit in die Sandbox zurück zu gehen und still vor mich hinzupuzzeln.

    Nice Dice, wie wir Spieler zu sagen pflegen!


    In diesem Sinne,

    euer velvre

    Ein Bild sagt mehr als 298 Wörter... :floet:

    Einmal editiert, zuletzt von velvre ()

  • Einerseits wiederhole ich meine These, dass wir Spieler durch Youtube und Foren (und nochmals: Youtube!) ZU informiert sind, um noch euphorisch gehyped / überrascht zu sein. Früher gabs halt fast nur das hobbymäßige Spielama, dass keine exklusiven Vorabinfos / Vorabexemplare / professionelle Video-Genconbesuche etc hatte - Sondern einfach aktuell erscheinende Spiele getestet hat.


    Deswegen funktioniert Kickstarter auch so gut: Das funkelde Besondere über einen exklusiven und besonderen / spannenden Finanzierungskanal hat noch etwas „Neues“ an sich.


    Zweitens muss ich sagen, dass mein Geldbeutel sich nach Jahren exzessiven Sammelns echt freut, dass ich nicht mehr so gehyped werde - Wenn jetzt noch mein Kickstartervirus nachlässt, kann ich kostengünstig endlich mal die alten, ungespielten Spiele anspielen :)

    Top 10 (jeweils ohne Reihenfolge)

    2 Mal editiert, zuletzt von Harry2017 ()

  • Sehr geehrter Herr Velvre,


    Keine Sorge, Sie können ganz beruhigt in Ihren Sandkasten hüpfen und sich mit Förmchen und Schäufelchen entspannen. Lauschen Sie dabei verträumten, peruanischer Panflöten-Gesängen und graben bei der Gelegenheit vielleicht auch mal ein Stückchen Katzenkot aus, dass Sie dann in aller Ruhe und ganz beiläufig im Futternapf der Urheberin platzieren... Fühlen Sie sich schon schon besser? Na sehen Sie. :)


    Meine Mutter sagte früher übrigens nicht, ich sollte meinen Brei aufessen; Sie sagte, ich sollte meinen Teller aufessen! Sie können sich sicher verstellen, dass alleine diese Erinnerung mir auch heute noch Bauchschmerzen bereitet. Sie erwähnte bei dieser Gelegenheit gerne auch "die Kinder in Afrika". Ich war inzwischen aber persönlich dort und weiß nun mit Sicherheit, dass sie auch dort keine Teller essen. Die Kinder in Afrika lieben aber eine fürchterlich eintönige Breipampe namens Posho, nicht aber Euro- oder Ami-Essen... Tja. Also, wenn das alleine mal nicht so einiges über unser Brettspiel-Hobby besagt, dann weiß ich es auch nicht.


    Erinnern wir uns nach diesen vielleicht doch etwas zu tiefsinnigen Gleichnissen wieder an eine alte Küchenweisheit: Hunger ist der beste Koch. Ich kann Ihnen versichern, dass nach einem längeren Nahrungsentzug vieles wieder deutlich interessanter schmeckt. Glauben Sie mir ruhig, ich spreche nämlich aus Erfahrung. Ich bin seit geraumer Zeit auf Zwangsdiät und kann die Sorgen exotischer Hobbyköche nun in keinster Weise mehr nachvollziehen, die einen zeit- und geldintensiven Riesenapparat an Gewürzen und Rezepten wie südost-burmesisches Pferdehufragout in Kokosmilch und Zitronengrassoufflé unterhalten, aber ein paar Bratkartoffeln mit Spiegelei nicht zu schätzen wissen. Ich für meinen Teil würde einfach nur gerne mal wieder Battlestar spielen.


    Ich sehe schon, wir verstehen uns. :)


    In diesem Sinne

    Ihr Leser B.

    Soziale Medien fügen Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu.

    Einmal editiert, zuletzt von Bierbart ()