These: Majesty - Symbolspiel für mehr Warenwelt als Spielseele (Marc Andre, HiG)

  • MAJESTY ist für mich ein Einerseits-Andererseits. Zunächst einmal gefiel es mir besser als ich vermutet hatte, obwohl es das simple Mainstream-Sammelkartenanlegespiel ist, als das es sich lackgebürstet anbietet.


    Rein spielerisch schimmert die SPLENDOR-Handschrift deutlich hindurch: Mann, sind die Taler Dickmann! Die fetten Münzen schmecken nach Autorenhaptik-SPLENDOR-Selbstzitat, riechen aber hinter ihrem handschmeichelndem Glanz als Preistreiber einer Gewinnkalkulation, um den in Materialrelation happigen Verkaufspreis zu rechtfertigen. Denn ohne dicke Taler und die 90er Jahre Wiederkehr des Schachtelluft kompensierenden schwarzen Plastik-Inlays sinkt MAJESTY materialmässig als preisgünstiges Kartenspiel in sich zusammen.


    Und hier hört man schon den deutlich den Marketingschrei des Verlags. MAJESTY ist doch arg Produkt und "marktgemacht". Man merkt dem Spiel an, wo es hin will. Die Hochglanzschachtel macht keinen Hehl aus ihrer Absicht. Die ökonomische Motivation hat natürlich mit dem Spieldesign selbst nichts zu tun, lässt MAJESTY am Ende des Tages aber halt nicht viel Seele und Identität.


    Darüber hinaus spielt sich MAJESTY sauber, eloquent, geschmeidig glatt und geschliffen wie seine Verpackung und angenehm schnell. Fast Food in High End. So richtig will man dem gemachten Ding den roten Pöppel nicht wünschen, auch wenn das Spiel flufft wie Sahneschaum und die Karten französisch hübsch und räumlich delikat aussehen. Die redaktionelle Professionalität von HiG bleibt weiter ein Faustpfand, auch wenn sie sich seit dem Geniestreich MARCO POLO mehr in Richtung Absatzzahlen geneigt hat.


    Ist dies schon ein Merkmal des Generationenwechsels bei HiG? Oder einfach nur Zufall einer Reihe von Bauchentscheidungen für bestimmte Spiele? Thesenpapier: Der Kontext macht die Musik: ob man mit einer guten Idee/Vision (hier: Spiel) Geld verdient oder primär nur Geld verdienen will und dafür eine Idee (hier: Spiel) verwendet, macht den Unterschied für Herz und Seele. So oder so: HiG ist im modernen Warenverkauf angekommen. MAJESTY ist Brettspielmarkt 3.0.

  • Hallo,

    mir ist der HiG-Wandel ja auch als auffällig erschienen. Man weiß nicht, wie viel Einfluss über den Berliner Vertriebler an der Isar bewirkt wird, seit der Senior seinen Lebensabend auf der "deutschen" Insel genießt. Im Jahr 2011 beschrieb Moritz Ökologie bei seinen Produkten als einen sehr wichtigen Punkt - Nachhaltig wurde als Merkmal betont. Gegenwärtig wird dem vielleicht nicht mehr die große Priorität eingeräumt. Mal sehen, was uns weiterhin erwartet.

    Konkret bei Majesty - das Handling der Chips wird von mir (und meinem Umfeld) eher als umständlich betrachtet. Eine alternative Verwendung der Carcassonne-Zählleiste wird in Erwägung gezogen. Die Qualität der Chips weicht noch erheblich von der eines Splendors ab - irgendwie wirken sie billig. Meiner Meinung nach sind die Chips nur ein Preistreiber, um 100 Karten und 30 Meeple zwei Preiskategorien hinaufzuheben.

    Spielerisch bin ich bisher über Vorstellrunden noch nicht hinaus gekommen. Anders wie ein Splendor ( und als André-Fan) holt mich Majesty nicht ab. Der Reiz der Erkundung bleibt aus - wo die Mixtur von A- und B-Seiten das eigentlich einem aufdrängt. Insgeheim hoffe ich zwar, dass es bei mir noch Click macht, und dass sich bei Majesty der anfänglich weit verbreitete Irrtum über die Qualitäten eines Splendor wiederholt. Aber irgendwie ...


    Liebe Grüße
    Nils

  • Ich frage mich, ob man sich das Spiel nicht allein schon wegen den Geld-Chips kaufen sollte...

    Die kann man dann schön woanders wiederverwenden.

    Die vorhandenen Denominationen (Werte) sind, wenn ich mich recht erinnere, diese: 1, 2, 10, 50, [100], wobei es nur vier Hunderter sind, die eigentlich vier verschiedene Artefakte im Wert von 100 sind. Das zwar für Majesty praktikabel, schränkt aber die allgemeine Verwendbarkeit dann doch etwas ein, denn dafür wären 5er und 20er sehr schön. Würde man diese Chips incl. der fehlenden Werte (und eventuell mit mehr neutalen 100ern) als "Mini-Pokerchips für Brettspiele" verkaufen, würde ich nicht lange zögern und sofort zuschlagen.

  • Natürlich sind die Chips nur Mittel zum Zweck Erhöhung der Gewinnspanne. Leider wirken der amerikanische Brettspielmarkt, und dessen perverse Ökonomisierungsexzesse, auch immer stärker auf den europäischen und deutschen Brettspielmarkt durch.


    Für mich zeigt sich das Phänomen am deutlichsten auf Kickstarter. Ein überwiegender Teil der dort angebotenen Spiele dreht sich nicht um die Realisierung einer Spielidee, sondern ausschließlich um die Maximierung des Profits. Die Struktur der allermeisten Kickstarter, mit Stretchgoals und zig unterschiedlichen Pledgelevels und Addons, ist auf eine Gewinnmaximierung, und nichts anderes, ausgelegt.


    Da ich übertriebene kapitalistische Gier nicht mag, findet Kickstarter ohne mich statt. Und je mehr diese Mechanismen in den „normalen“ Brettspielmarkt Einzug halten, um so mehr ziehe ich mich daraus zurück.

    Einmal editiert, zuletzt von fidel77 () aus folgendem Grund: Formatierung

  • Konkret bei Majesty - das Handling der Chips wird von mir (und meinem Umfeld) eher als umständlich betrachtet. Eine alternative Verwendung der Carcassonne-Zählleiste wird in Erwägung gezogen.

    Die Zählleiste haben wir beim ersten Test des Prototypen verwendet und waren unisono der Meinung, dass das Handling mit dieser Leiste um ein Vielfaches umständlicher ist. Alle folgenden Tests wurden dann mit Jetons durchgeführt.


    Mit den Jetons sind einfach alle Spieler immer involviert und es wird nicht einer zum Zählleistensklaven degradiert

    Ich gebe hier, auch wenn ich es im Text nicht explizit erwähne, immer meine persönliche Meinung wieder.

    Einmal editiert, zuletzt von Klaus_Knechtskern ()

  • Das zwar für Majesty praktikabel, schränkt aber die allgemeine Verwendbarkeit dann doch etwas ein, denn dafür wären 5er und 20er sehr schön. Würde man diese Chips incl. der fehlenden Werte (und eventuell mit mehr neutalen 100ern) als "Mini-Pokerchips für Brettspiele" verkaufen, würde ich nicht lange zögern und sofort zuschlagen.

    über Chips mit den genannten Werten wird intensiv nachgedacht

    Ich gebe hier, auch wenn ich es im Text nicht explizit erwähne, immer meine persönliche Meinung wieder.

  • alle Spieler immer involviert und es wird nicht einer zum Zählleistensklaven degradiert

    Lass das nicht Sylvia lesen - die übernimmt gerne solche Aufgaben. :S
    Uns ist das viele Gewusel mit den Jetons eher negative aufgefallen und uns fällt es schwer, darin einen Zugewinn für das Spiel zu erkennen.
    Auffallend ist eigentlich, dass sich die verschiedenen Tische (3 oder 4) darin einig waren und alle ein ähnliches Handling von Splendor gewohnt sind. Ich weiß auch nicht, wie man das rational erklären kann.

    Liebe Grüße
    Nils

  • Ich hatte bisher das Gefühl, dass die Chips bewusst eine "unpraktische" Nummerierung haben, damit man öfter wechseln muss und mit den Dingern hantiert, statt sie einfach nur zu stapeln. Auch wenn es immer noch Punkte sind und keine richtigen Spielelemente, "damit rumspielen" ist irgendwie auch "spielen".

  • Diese Stückelung hat sich im Test - mit der Gesamtzahl an Chips als limitierender Faktor- bewährt. Und das "Rumspielen" ist ja auch bei Splendor oder beim Pokern immer mit dabei

    Ich gebe hier, auch wenn ich es im Text nicht explizit erwähne, immer meine persönliche Meinung wieder.

  • Ich hatte bisher das Gefühl, dass die Chips bewusst eine "unpraktische" Nummerierung haben

    Das Gefühl habe ich überhaupt nicht. Ich habe vielmehr das Gefühl, dass hier viel getestet wurde und man sich bewusst für eine recht ungewöhnliche Stückelung zwischen Poker- und Brettspielkonventionen entschieden hat.


    Poker kennt 1/5/25/100/500. Immer Faktor 4 oder 5, weil der Faktor zwischen kleinstem und größtem Chip groß ist und man mit wenig unterschiedlichen Werten hantieren will.


    Brettspiele kennen üblicherweise 1/2/5. Faktor 2 oder 2.5, weil man mit wenig Münzen auskommen will und eben normalerweise keine riesigen Wertunterschiede abzubilden sind (wenn doch, dann ist die Nutzung von Pokerchips sofort naheliegend). Wenn aber in Brettspielen 10er gebraucht werden, dann ist oft 1/5/10 die Wahl, z.B. bei Orléans oder in der Regel bei den amerikanischen Spielen; dort scheinen sie keine 2er zu mögen. Ein 1/2/10 habe ich aber noch nie irgendwo anders gesehen. Immer nur 1/5/10. Ich finde das mit der 2 statt der 5 aber erstaunlich clever. Die meisten Werte, mit denen man in Spielen zu tun hat, sind wirklich klein. Alles bis 4 kann man bei 1/2/x mit zwei Münzen abdecken, und das ist meist ausreichend in Spielen. Bei 1/5/10 müsste man dann schon bis zu viermal in das 1er-Münz-Schälchen greifen. Wenn man mit drei Werten bis 10 auskommen will, dann ist es mir bei Brettspielen deutlich lieber, den Faktor 2 "unten" und den Faktor 5 "oben" zu haben, als andersrum.

    Einmal editiert, zuletzt von MetalPirate ()

  • 3er Münzen/Siegpunktechips sind auch recht beliebt.

    Ja, z.B. bei Scythe: 1/3/5/10/20 (wo ich die 5er dann komplett überflüssig finde). Oder WIMRE Brügge: 1/3/10 (so ergibt das eher Sinn). Oder 7 Wonders mit 1/3/6.


    2er habe ich aber bisher nur in der Kombination 1/2/5 (plus ggf. höhere Werte) gesehen. Eine 1/2/10-Aufteilung ist mir zuvor noch nie begegnet.

  • Das Gefühl habe ich überhaupt nicht. Ich habe vielmehr das Gefühl, dass hier viel getestet wurde und man sich bewusst für eine recht ungewöhnliche Stückelung zwischen Poker- und Brettspielkonventionen entschieden hat.

    Das erstaunliche ist diese 1, 2, 10 Aufteilung war schon relativ schnell im Gespräch und hat sich dann viele Test lang bewährt

    Ich gebe hier, auch wenn ich es im Text nicht explizit erwähne, immer meine persönliche Meinung wieder.

  • Das erstaunliche ist diese 1, 2, 10 Aufteilung war schon relativ schnell im Gespräch und hat sich dann viele Test lang bewährt

    Glaube ich sofort. Ich nutze am liebsten Metallmünzen. Entweder Viticulture (1/2/5) oder die generischen Münzen von Eagle Games (1/5/10). Letztere finde ich am hübschesten, auch weil im Gegensatz zu Viticulture stapelbar, aber mir fehlt immer die 2, wenn ich nach drei oder vier Geld greifen will.

  • Um nochmal kurz aufs Thema zurück zu kommen, und als Nachtrag zu dem was ich weiter oben geschrieben habe. Diese Tendenzen im Brettspielmarkt, die ich angedeutet habe, und die mich sehr stören, würde ich normalerweise gerade bei HIG mit am wenigsten verorten. Ein Grund dafür das mir der Verlag bisher immer sehr sympathisch war. Nur damit man das nicht missversteht. Bei Majesty, denke ich aber, hat Flundi den Nagel auf den Kopf getroffen.

  • mir liegen diese kleinen Plastikchips von Majesty nicht. Für Chips zu klein, für Geld zu dick. Bin da bei MetallPirate. Metallgeld ist sehr fein, ich habe die von Clans of Caledonia die sich schön stapeln lassen und die richtige Größe haben. Habe auch welche vom Schwerkraftverlag da liegen mir aber die Größenverhältnisse nicht.
    Wenn schon chips dann wie bei Splendor. Majesty ansonsten ist bei mir durchgefallen. Nicht weil es zu einfach ist, spiele gerne auch einfache Spiele. Nur bei Majesty fehlt das gewisse Etwas. Schwer zu beschreiben für mich.

  • 3er Münzen/Siegpunktechips sind auch recht beliebt.

    Ja, z.B. bei Scythe: 1/3/5/10/20 (wo ich die 5er dann komplett überflüssig finde).

    Zu Scythe gibt es auch 2er- und 5er-Münzen

    Spielerische Grüße Ernst-Jürgen


    TOP 10: 1. Viticulture - Compl. Coll. Ed., 2. Martians - A Story of Civilization, 3. Scythe, 4. Anachrony, 5. Snowdonia: Deluxe Master Set, 6. Räuber aus Skythien, 7. Age of Industry, 8. Nieuw Amsterdam, 9. Siedler von Catan - Entdecker&Piraten, 10. Alubari - A nice cup of Tea

  • Mir gefallen die Chips bei Majesty. Nicht nur, weil sie sich gut anfühlen und gut in der Hand liegen, sie sind für mich in dieser Größe und Form einfach perfekt für ein Spiel, in dem viel mit Siegpunkten oder Geld hantiert wird. Man kann diese Chips als überzogenes Gimmick abtun, aber sie tun dem Handling und dem Spielfluss eines Spieles einfach gut. Majesty wirkt für mich auch eher edel als überproduziert, die Optik und Haptik passt imho sehr gut zum eleganten und schlanken Spielprinzip (rein subjektiver Eindruck :)).


    Schau ich mir Funkenschlag deluxe an, so wirken die Plaste-Münzen gar nicht so deluxe und sind eher hinderlich, um seinen Reichtum bzw. seine Armut vor den Mitspielern zu verbergen. Ein Horror sind auch die billigen Plaste-Scheiben aus A few acres of Snow. Paradebeispiel für misslungenes Geld ist das Lookout´sche Nusfjord, bei dem man aufpassen muss, dass man die popeligen 1er Münzen nicht wegatmet. Bei der Kaispeicher-Erweiterung zur Speicherstadt hatte ich tatsächlich etwas Bammel, dass die Metallmünzen zur schachtelinternen Abrissbirne mutieren und habe sie getrennt vom Papp-Material gelagert. So toll sie in der Hand lagen, in dem Fall fand ich sie von Größe und Gewicht etwas zu viel des Guten. Auch ein 18xx spielt sich mit Pokerchips wesentlich angenehmer als mit dem beigelegten Papiergeld.


    Lange Rede, kurzer Sinn: Am Ende des Tages sollte das verwendete Material gut zum Spiel selbst passen und Majesty trifft für mich diesen Punkt recht gut, weil ich es auch gern und viel spiele und es mir auch gar nicht mit anderem Material vorstellen möchte.

    we are ugly but we have the music

    Einmal editiert, zuletzt von Lighthammel ()

  • Majesty spielte sich für mich in meiner Anspielpartie am Herner Spielebus auf der SPIEL 2017 haptisch wirklich gut. Spielerisch zwar ein Leichtgewicht, aber auch Leichtgewichte können Spass machen. Zumal wir nur mit der Einsteiger-A-Seite gespielt haben. Eventuell bietet die B-Seite ja mehr. Und wenn nicht, ist und bleibt es für mich ein perfekt als "Spiel des Jahres" getrimmtes Produkt, das ich gerne wieder mitspielen werde. Auch weil das Spielgeschehen bei uns seine ganz eigene Geschichte geschrieben hat ... arme Müllerin, die an vordester Front immer alle Haue abbekommen hat, um das Königreich zu verteidigen.

    Content-Nachschlag gefällig? Brettspieltag.de – Das etwas andere Boulevard-Magazin der versammelten Brettspiel-Szene