Mechanische/Mathematische Siegpunktmulitplikatoren in Eurospielen

  • Ich (als eher Amispieler) habe in der letzten Zeit mal darüber nachgedacht, was mir an Eurospielen meist so missfällt.

    Seltsam eigentlich: Ich mag es normalerweise sogar richtig gerne, Dinge effizient auszutauschen, zu optimieren, einen „wirtschaftlichen“ Plan für Ressourcen und Co zu entwickeln, aber trotzdem fehlt selbst bei den richtig guten Eurospielen oft für mich so der letzte Funke.


    Mitunter bin ich zu dem Ergebnis gekommen, das ich das Spiel ansich häufig garnicht so schlimm finde. Concordia und Orleans beispielsweise halte ich eigentlich sogar für herausragende Spiele, was die Aktionen und das Spiel ansich angeht. Was mir aber richtig missfällt, sind unthematische Siegpunktmultiplikatoren - Bei Concordia in Form von Karten als Multiplikator, bei Orleans mit einer für mich grausigen Multiplikatorleiste.


    Ich habe alle meine 3 bisherigen Concordiaspiele mit Abstand gewonnen. Rein durch optimiertes Ressourcenmanagement, das zum Ende hin auf wildes Kartenkaufen ausgerichtet war. Hauptsache im letzten Drittel irgendwie auch nur eine Karte jede Runde erhaschen, um möglichst viel meiner durchschnittlichen Ergebnisse zu multiplizieren. Meine Mitspieler, die in jeder Ressourcen-Kategorie eigentlich deutlich besser waren, haben verloren, weil ich mich immer recht durchschnittlich, dafür aber breit aufgestellt und dann effizient multipliziert habe. Das war für alle unbefriedigend.


    Bei Orleans hingegen habe ich eigentlich ziemlich gut gespielt, mich Plättchentechnisch effizient ausgestattet und die Karte super genutzt, aber mangels Interesse mal die Multiplikatorleiste ausser acht gelassen - Und deutlich verloren. Ich fand das Spiel an dem Tag richtig gut - Rückblickend mag ich das immer noch sehr gerne, aber meine eigene, ungespielte Ausgabe verkaufe ich nun doch - Einfach weil mir die Multiplikatorleiste missfällt. Nicht weil ich zu doof bin die zu nutzen, sondern weil ich die Leiste so mathematisch-mechanisch finde und die hohe Relevanz der Leiste einfach nicht mag.


    Terra Mystica hat glaube ich bei mir Glück gehabt, dass in meinen Spielrunden die Relevanz des Landschafts-Plans und des eigenen Tableaus jedem jeweils deutlich wichtiger war, als die Multiplikatornutzung der Kultwertung - Wenn es nach mir gehen würde, könnte die ganze Kultleiste bei dem wirklich tollen Spiel weg :D


    Wie sehen das andere? Mir ist jedenfalls aufgefallen, dass ich zumeist gar keine grundsätzliche Euro-Abneigung habe, sondern mir eher unthematische, mechanisch-mathematische Multiplikatormöglichkeiten missfallen, die dazu einladen, schlussendlich nur rein darauf zu zielen.


    Ich weiß ein tolles, aufbauendes Ressourcenmanagement wirklich zu schätzen - Aber eher kein Formeljonglieren...

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  • Jepp, geht mir auch so. Beispiel: die Schlußabrechnung bei TransAtlantic. Das Spiel an sich finde ich sogar recht gut, aber bei der Endabrechnung verabschiede ich mich dann davon. Hier was, da was, das dann noch mit dem multipliziert und addiert... ein Krampf!

    The dice decide my fate. And that's a shame.

  • Deswegen bin ich so gespannt auf Kolonisten oder mag zb den Euroanteil bei Eclipse total gerne. Ressourcenmanagement kann mir sogar richtig Spaß machen.


    Mich würde Baseliner s Meinung interessieren, den ich hier als Eurospieler sehr zu schätzen gelernt habe. Er ist so etwas wie der Anti-Harry :) Was garnicht schlimm ist, ich lese seine/Deine Berichte recht gerne - Gerade weil Du so einen ganz anderen Ansatz zu mir fährst. Wir haben einen komplett unterschiedlichen Geschmack und bzw. eine stark unterschiedliche Ausrichtung und ich bin immer wieder interessiert daran zu lesen, wie bzw. was Du aus solch einem Spiel rausholst. Trotzdem die Spiel-Motivation eine ganz andere ist, kann ich bei deinen Berichten recht plastisch das Interesse nachvollziehen und mal über den eigenen Tellerrand blicken. :thumbsup:

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    2 Mal editiert, zuletzt von Harry2017 ()

  • Zum Thema an sich: Solange die Endwertung nicht übermäßig lang wird, finde ich komplexere Wertungssysteme am Spielende nicht störend. Ein "multipliziere fünf Sachen mit jeweils eigenem Multiplikator und summiere den Kram auf" finde ich nicht schlimmer als Punkte in 5-10 Bereichen nach irgendwelchen Mehrheiten-Wertungen unter den Spielern zu verteilen. Punktevergaben, die während des Spieles (z.B. an jedem Rundenende) das Hinzuziehen einer Wertungstabelle oder die Anwendung komplexer Formeln erfordern, finde ich da viel kritischer. Multiplikative Endwertungen bringen ja sogar noch zusätzliche Spannung rein, wenn man die einzelnen Werte getrennt abrechnet, also zuerst für jeden Spieler Venus werten, dann Saturn, dann Jupiter, usw. Dann sind ja Führungswechsel eher normal.



    Zu Concordia konkret:

    Meine Mitspieler, die in jeder Ressourcen-Kategorie eigentlich deutlich besser waren, haben verloren, weil ich mich immer recht durchschnittlich, dafür aber breit aufgestellt und dann effizient multipliziert habe.

    Ich will dir nicht zu nahe treten, aber ich glaube, dass deine Mitspieler dann auch einfach nur schlecht gespielt haben. Oder freundlicher ausgedrückt: ebenso unerfahren waren. Breites aufstellen ist in solchen Spielen eigentlich wenig effizient, denn eine Summe vom Typ


    X1*Y1 + X2*Y2 + ... Xn*Yn


    maximiert man für feste Summen der Ixe bzw. Ypsilons alleine (-> die Zahl der Aktionen bzw. gekauften Karten ist begrenzt), indem man einen einzelnen Summanden rauspickt und den hochtreibt. In der gelebten Praxis der "Eurospiele mit multiplikativer Wertung" aber dann doch meist 2-3 Summanden, weil die Mitspieler einem kaum alle Multiplikatoren in einem Bereich überlassen werden.


    Genau so funktioniert meiner Erfahrung nach auch Concordia. Man versucht, z.B. beide Kolonisten-Karten zu holen und alle Land- sowie Seekolonisten aufzustellen. Oder in allen Provinzen vertreten sein und genau die Karten holen, die das belohnen. Winzer und alle Weinstädte. Tuchhändler und alle Tuchstädte. Und so weiter. Zweimal richtig dick punkten, ein- bis zweimal ein bisschen, ein bis zwei Wertungen quasi kampflos weggeben.


    Das muss man auch ein bisschen vorplanen, sonst wird das nix, weil die Ansprüche bzgl. Endwertung und der kurzfristiger Nutzen der Karte oft auseinanderklaffen. Den Winzer muss man ggf. holen, wenn man erst zwei Weinstädte hat, sonst holt ihn ein anderer, aber mit nur zwei Weinstädten bringt der erstmal nicht so viel, d.h. es wirft einen kurzfristig erstmal zurück. Ist's das wert? In solchen Entscheidungen liegt dann auch der Reiz von Concordia. Mit "ich kaufe im letzten Drittel stumpf ein, was ich kriegen kann" gewinnt man eigentlich nur in Anfänger-Runden, die die Bedeutung der Karten als Wertungsmultiplikatoren noch nicht voll begriffen haben.


    Tip: Häufiger Concordia spielen. Tolles Spiel. Ich glaube, du könntest noch viel entdecken.

  • Ich bin kein großer Fan von Wertungen mit Multiplikatoren, bei denen beide Seiten in Spielerhand liegen - sowohl der Grundwert wie auch der Multiplikator.


    1. Es fördert den "Spezialisten" und bestraft den "Allrounder", siehe Rechnungen wie:

    2x2 + 2x2 = 8

    4x4 = 16

    Beide Spieler haben 4 Grundwerte und 4 Multiplikatoren, aber der "Spezialist" hat doppelt so viele Punkte.


    2. Die Wertungen gehen schnell irre weit auseinander.

    A: 5 Farmen, jede ist 6 Punkte wert = 30

    B: 5 Farmen, jede ist nur 4 Punkte wert = 20

    Natürlich hat A besser gespielt, aber sind "zwei zusätzliche Karten" in einem Spiel wirklich "50% besser gespielt"?


    Ein Grund für meine Abneigung könnte sein, dass in solchen Spielen gefühlt immer nur mit natürlichen Zahlen gerechnet wird, wohl damit man es "einfacher" hat.

    "Grundwert x (1+ (Anzahl Multiplikatoren/10))" würde die Punkte näher beisammenhalten, aber es hat wohl keiner Lust, "7x1,3" zu rechnen.

  • MetalPirate


    Ich denke sogar ganz sicher, dass das bei unseren Concordia Spiele so war. Da wird man mit mehr Spielerfahrung natürlich genauer drauf achten. Aber da hat nun selbst der Spielbesitzer (deutlich mehr Euro-Affin als ich) durch meine 3 Siege eigentlich garkeine Lust mehr - Und ich auch nicht :)


    Das soll aber im Detail nicht darum gehen. Mir ist bewusst, dass mehr Spielerfahrung das ganze deutlich verändert. Mir geht es eher darum, dass ich die hohe Relevanz eines rein mechanischen x2 Siegpunkte (als Beispiel) in einem Spiel einfach häufig zu wichtig und gleichzeitig aber auch langweilig im Gegensatz zum schönen Ausbreiten/Aufbauen/strategischen Handeln finde. Ich will ganz allgemein durch Multiplikatoren garnicht gewinnen - muss die aber häufig nutzen, um überhaut eine Chance zu haben.


    (Ausnahmen gibt es natürlich - Kaufe ich in einem Spiel zur weiteren Nutzung etwa eine Maschine als Arbeiterersatz, die in einer Runde Holz x2 ausspuckt, einfach weil sie schneller ist, dann törnt mich das nicht so ab, wie ein Siegpunktmultiplikator am Ende)

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    2 Mal editiert, zuletzt von Harry2017 ()

  • Harry2017 Das Managen von Ressourcen, die Optimierung von Spielzügen, oder auch eine Endabrechnung mit irgendwelchen Multiplikatoren... das alles sind NICHT die Gründe dafür, warum ich die meisten Heavy Euros meide. Übrigens ist es auch nicht das oft aufgesetzte und uninteressante Thema. Mein Problem ist vielmehr, dass der Design-Ansatz bei den typischen Vertretern jenes Euro-Genres oft auf ein aus meiner Sicht spannungsbefreites und höhepunktarmes Spielerlebnis abzielt.


    Mit typischen Vertretern meine ich:

    • geringer bis gar nicht vorhandener Glücksfaktor
    • Beschränkung auf indirekte Interaktion, normalerweise durch Wegnahme von Aktionen (Arbeitereinsatz) oder Karten (beim Draften)
    • Verzahnte Mechanismen, die alleine dem Zweck dienen, das vorliegende Optimierungs-Puzzle zu erschweren

    Resultat dieses Gebräus: Der beste Kopfrechner gewinnt immer. Die Tendenz ist meistens bereits in einer frühen Spielphase absehbar, und weder Zufall noch Mitspieler können etwas dagegen tun. Nicht die Spannung steht im Vordergrund, nicht das Spektakel, nicht das Metaspiel -- sondern nur die Optimierungsaufgabe. Das ist mein Problem. :)

    Soziale Medien fügen Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu.

  • "Grundwert x (1+ (Anzahl Multiplikatoren/10)"

    Dann eben nimm "Grundwert x (10 + Anzahl Multiplikatoren)" und du hast nur noch natürliche Zahlen. ;)

    Scherz beiseite: 7 x 13 überfordert in der heutigen Zeit auch schon viele, und selbst wenn man gut im Kopfrechnen ist, ist das Multiplizieren mit Zahlen über 10 wenig elegant.


    Nur rein scherzhaft ist mein Vorschlag übrigens nicht. Das oben angesprochene Transatlantic nutzt so eine additive Konstante bei den Multiplikatoren, und zwar abhängig von der Spielerzahl. WIMRE 3/2/0 bei 2/3/4 Spielern.

  • Bierbart Oft gehts mir ähnlich, bin häufig da ganz bei dir. Aber: Ich möchte mit diesem Thread garnicht so sehr auf Eurogames allgemein rumhacken (eigentlich sollte oben deutlich werden, dass ich erkannt habe die zumindest teilweise im Ablauf sogar wirklich zu mögen). Mir gehts in diesem Thema besonders um den Mechanismus der Siegpunktmultiplikatoren - Denn ich habe entdeckt, dass mich das mitunter oft am meisten abtörnt.


    Es wäre schade, wenn das Thema in die normale für und wider Eurogames abdriftet :)

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    3 Mal editiert, zuletzt von Harry2017 ()

  • Das war nicht als Anti-Euro-Traktat gedacht (naja, vielleicht doch, aber nur ein bisschen....), sondern vor allem zur Verdeutlichung meines Punktes: Die Euros, die mir gefallen (also solche mit direkter Interaktion wie z.B. Wallenstein), gefallen mir auch dann, wenn sie eine Schlussabrechung mit irgendwelchen Multiplikatoren haben (beispielsweise Through the Ages). Eine hoch gewichtete Schlussabrechnung ist für mich ein sehr nachrangiges Merkmal. Das wollte ich damit sagen. :)

    Soziale Medien fügen Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu.

  • Bierbart :

    Vielleicht sage ich dir etwas, was du eh schon weißt, aber vielleicht ist's auch etwas, was dich auf neue Gedanken bringt. Die ersten beiden deiner drei aufgezählten Punkten hängen direkt an der Spielzeit dran. Bei längeren Eurospielen wird beim typischen-Eurospiel-Zielpublikum weder ein hoher Glücksfaktor toleriert noch die Möglichkeit, einen Spieler per direkter Interaktion für die restlichen eins bis zwei Stunden Spielzeit komplett aus dem Spiel zu schießen.


    Wenn die genannten Punkte der Grund ist, warum dir viele Euros nicht gefallen, dann solltest du ggf. gezielt nach KURZEN Eurospielen Ausschau halten, also geringe Spielzeit zum Auswahlkriterium machen, und du wirst ziemlich sicher mehr vom dem finden, was du in Euros oft vermisst.

  • Meine Top Ten Eurospiele sind (passen leider nicht mehr in die Signatur, nicht schlimm ich spiele ja eh meist trotzdem lieber anderes):


    Terra Mystica

    Istanbul

    Stone Age

    7 Wonders

    Puerto Rico

    Lords of Waterdeep

    Carcassonne

    Schlösser des König Ludwig

    Tzolkin

    Yedo


    Alles tolle Spiele, bei denen entweder ein extremer Siegpunkt-Multiplikator rein fürs Ende nicht vorhanden oder nicht omnipräsent ist, oder sich dieser in meinen jeweils 1-5 Spielen (Carcassonne vielleicht mehr), in den Runden zumindest nicht so übermäßig gezeigt hat.


    Orleans ist ein gutes Beispiel dafür. Ich finde das Spiel, die Idee usw alles richtig richtig gut - Aber ich mag es nicht, mich zu sehr auf dieser doofen Leiste rumzubewegen...die soll weg :D Ich finde die einfach langweilig, sie ist aber zu relevant fürs Spielgeschehen.

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    5 Mal editiert, zuletzt von Harry2017 ()

  • [...]

    7 Wonders

    [...]


    Alles tolle Spiele, bei denen entweder ein extremer Siegpunkt-Multiplikator rein fürs Ende nicht vorhanden oder nicht omnipräsent ist, oder sich dieser in meinen jeweils 1-5 Spielen (Carcassonne vielleicht mehr), in den Runden zumindest nicht so übermäßig gezeigt hat.

    Dann hat dich bei 7 Wonders noch keiner mit Wissenschaftskarten so richtig nass gemacht.

  • Mich würde @Baseliners Meinung interessieren, den ich hier als Eurospielet sehr zu schätzen gelernt habe.

    Baseliner Teeeleeefoooon :)

  • Spieler wie ich, denen Kopfrechnen selbst mit größeren Zahlen als spielerische Übung nichts ausmacht, sind in der Minderheit. Und so wunder ich mich auch nicht, wenn Spiele wie Concordia oder Orleans bei manchen Mitspielern nicht so gut ankamen, wie ich selbst sie sehe.


    Will man im Spieldesign erreichen, dass der Spieler eine von zwei Größen nicht vernachlässigt, ist eine Multiplikatorwertung ein probater Ansatz. Das Produkt zweier Zahlen maximiert sich bei Gleichverteilung. Soweit so gut. Aber... Rechnerei in einem Spiel stört m.E. auch das Spielerlebnis. Es ist ja nicht nur die Endabrechnung, man muss das ja auch während des Spiels schon immer berücksichtigen. Oder aber - wie eingangs beschrieben - freut sich am Spielerlebnis und wundert sich, dass nichts dabei im Hinblick auf die Siegbedingung dabei herum kam.


    Um einiges eleganter ist da die Minimum-Maximierung, also in den zählbaren Kategorien jeweils möglichst weit zu kommen. Kennen wir von Reiner Knizias Spielen wie Euphrat & Tigris und Einfach Genial und habe ich gestern erst in Wendake sehr schön eingebettet wiedergefunden.


    mein Fazit: da hat Harry2017 eine interessante Analyse geliefert. Und ich denke, er hat recht. Ansporn an die Autoren, Rechnerei und mathematische Modelle des Spiels besser hinter dem Thema zu kaschieren - auch wenn nicht jeder ein Reiner Knizia sein kann.

    "So viele Spiele... wann hast Du denn damit angefangen?" - "Wann hast Du damit aufgehört?"

    "pimp my game" - 100+ Bauanleitungen zu Inserts aus Schaumkern, KSR, Bemalungen, ... siehe Linkliste auf meiner Pinnwand

    Einmal editiert, zuletzt von Hartmut Th. () aus folgendem Grund: uhhh [schüttel] - der Satzbeginn gleich des ersten Satzes wollte nach Umstellung einiger Worte ja garnicht mehr passen, das musste ich doch noch kurz korrigieren, um nicht für einen grammatikalischen Vollpfosten gehalten zu werden ;-) Editoren sind nicht immer ein Segen, Goethe wär das nicht passiert.

  • Hmm.
    Erst einmal vielen Dank an Harry2017 fürs Ansprechen dieses Themas. Ich hab mir noch nie so richtig Gedanken dazu gemacht, aber bei manchen Spielen hat mich etwas gestört, auf das ich den Finger nicht legen konnte. Oft ist es die Ansage "wenn Du gewinnen willst, dann MUSST Du X machen", wie z.B. bei Orleans die Forschungsleiste (oder wie auch immer die heißt). Das gibt mir bei Spielen, bei denen man eine Art Engine aufbaut, einfach nicht genug Freiraum, um mich zu entfalten. Wobei allerdings das extreme Gegenteil ja quasi der "Punktesalat" ist - "Du kannst alles machen - wenn du es optimal tust, dann gewinnst Du". Auch das sagt mir nicht so 100%ig zu.

    Allerdings, und da nochmal danke an MetalPirate fürs Anschaulichmachen (obwohl das Beispiel so simpel ist), stört es mich doch oft sehr, wenn Spezialisten (oder Multiplikatoren-Optimierer) besser abschneiden als andere, die z.B. den besseren Motor konstruiert haben. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es nur wenige Spezialisierungsmöglichkeiten gibt (wie bei Orleans z.B.).

    Ich hab vor Kurzem meine ersten Spiele Concordia gespielt. In 2er-Besetzung, das mag nicht optimal sein. Aber bei meinem ersten Spiel habe ich ganz konkret Multiplikatoren-Optimierer gespielt und extrem viel Aufwand auf Karten gesetzt. Dadurch war das Spiel sehr schnell vorbei (wie mir mein Mitspieler verblüfft mitteilte) und ich verlor wegen einer Miskalkulation am Schluss auch nur knapp. Das Spiel wurde darudch aber zum Rennen um Karten, und das war wesentlich weniger spannend als die zweite und dritte Partie, bei denen ich das dann vernachlässigte. Allerdings frage ich mich - wenn das zum Ziel führt, warum nicht immer so spielen? Das Spiel verhindert es ja nicht...
    Naja, Concordia fiel bei mir aus anderen (ausschlaggebenderen) Gründen durch, aber die enorme Wichtigkeit der (richtigen) Multiplikatoren hinterließ schon irgendwie einen schalen Geschmack...

    Jetzt kann ich auf jeden Fall genauer bestimmen, was mir bei einigen Spielen (u.A. Orleans) nicht gefällt. Dafür auf jeden Fall vielen Dank!

    Wer Smilies nutzt, um Ironie zu verdeutlichen, nimmt Anderen den Spaß, sich zu irren.

    Über den Narr wird nur so lange gelacht, bis man selbst Ziel seiner Zunge wird!

    :jester:

  • Ich glaube, das Problem, das manche mit Concordia haben (und was 2014 vielleicht auch den KSdJ-Preis gegen das in meinen Augen klar schwächere Istanbul gekostet hat), ist weniger die mathematische Form der Endwertung, sondern eher die fehlende Verbindung zwischen thematischem Spielziel (-> erfolgreicher Händler sein im römischen Reich) und Gewinnkriterium (-> vom Himmel gefallene Wertung mit irgendwelchen komischen Göttern, die sich auf irgendwelchen Karten befinden, wo sie während des Spiels null Bedeutung hatten).


    Erschwerend kommt hinzu, dass es im ganzen Spiel eine einzige Wertung gibt, nämlich ganz am Ende. Das kann dazu führen, dass ein Anfänger am Spielende das Gefühl hat, während des Spiels eigentlich recht gut gespielt zu haben, aber nach der Schlusswertung ist er völlig abgeschlagen Letzter. Sowas ist nicht Eurospiel-untypisch, ganz und gar nicht, und ein starker Fokus auf eine Endwertung ist immer auch ein Zeichen für ein strategisches Spiel (da muss man eben drauf hinarbeiten) ... aber ich kann sofort verstehen, warum jemand, der kein erfahrener Eurospieler ist, mit einem Spieldesign wie bei Concordia gewisse Probleme haben kann.



    EDIT: In der Concordia-Anleitung steht WIMRE drin, dass man im ersten Spiel nach ein paar Runden eine Probewertung machen soll. Wie so oft gilt auch hier: wenn man sowas auf den ersten Blick "Verrücktes" in einer Anleitung von einem Spiel eines erfahrenen Autors in einem renommierten Verlag findet, dann hat das in der Regel einen Grund.

  • Mich würde @Baseliners Meinung interessieren, den ich hier als Eurospielet sehr zu schätzen gelernt habe.

    Baseliner Teeeleeefoooon :)

    Langsam reiten, Brauner. Ich musste mich noch um die wichtigen Dinge im Leben kümmern: mit den Kindern spielen und Gaia Project im Solomodus spielen;)


    Im Gegensatz zu Harry2017 kann ich nicht behaupten grosse Ahnung vom anderen Ufer, aka AT, zu haben. Ganz früher mal Hero Quest (fand ich fürchterlich), eine Partie Villen des Wahnsinns, Eclipse und vielleicht nich ein, zwei andere Spiele.


    Das Problem von Harry2017 sind je diese Wertungsleisten und Multiplikatoren so wie ich das verstanden habe. Was soll man dazu sagen, ich finde diese toll, wenn das Spiel insgesamt klasse ist. Das häufig angesprochene #Concordia ist klasse. Wenn man die Endabrechnung so macht wie es MetalPirate beschrieben hat, eine Karte nach der anderen abrechnen für alle Spieler, so finde ich das hochspannend.


    Bei #Orleans ist es ja so, dass die Buchleiste für 90% der Strategien essentiell ist, es aber auch ohne geht. Das habe ich schon ein paar mal beschrieben.


    Und gerade sowas ist der Grund, weshalb ich gute Eurospiele so liebe. Das Entdecken der Möglichkeiten. Für mich gibts nichts schöneres. Zum Thema „Thema im Spiel“ habe ich auch schon häufiger geschrieben, dass für mich der Satz gilt „Ist die Mechanik klasse, kommt das Thema von alleine.“ Ich kann sogar das gescholtene #SanMalo“ von den Brands thematisch finden. Ein schönes Würfelspiel.


    Multiplikatoren finde ich also toll, wenn es zum Spiel passt. Ein letztes Beispiel: #Nippon , ein großartiges Spiel bei dem man die Wertigkeit der Multiplikatoren selbst bestimmt. Wie geil ist das denn:)

  • Mir gehts ja garnicht nur unbedingt darum, dass ich (oder meine Mitspieler) einen Multiplikator nicht durchschauen können. Spätestens nach unserer ersten Partie Concordia haben meine Mitspieler die Relevanz auch verstanden, trotzdem hat mich das „irgendwie, egal wie, hauptsache irgendeine Karte kaufen“ weiterhin am Ende weitergebracht.


    Es geht also auch nicht wirklich darum, dass ich oder meine Mitspieler die Relevanz eines Multiplikators im Spiel nicht erkennen - das *X Zeichen ist schon ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl. Hat man ein paar solcher Spiele gespielt, so wird man schon von vornherein sehen, dass da etwas durchaus wichtig ist.


    Mir gehts eher darum, dass ich durch eine dröge Multiplikatorleiste nicht gewinnen will, ohne die aber oft nicht gewinnen kann...und welchen Reiz andere daraus ziehen?


    Ich habe gemerkt: Die Spiele dahinter mag ich oft eigentlich sogar recht gerne - Aufbauen, Engine erzeugen, effizient tauschen usw...Und dabei ist mir dann bei Orleans aufgefallen: Ich mag halt eher häufig den Wertungsmechanismus nicht und das Spiel, das sich als Konzentration auf diesen daraus ergibt.


    Warum verwenden Autoren Multiplikatoren? Warum kürt man nicht das effiziente und hochwertige Aufbauen / Ausbauen im Sinne des Ressourcenmanagements zum Sieger, sondern den, der nach der Aufbauphase den Multiplikator am geschicktesten versteht/ausnutzt?


    Warum ist bei Concordia nicht der, der sich am hochwertigsten aufgebaut und am meisten ausgebreitet hat, der Sieger, sondern der, der den trockenen Multiplikator am besten nutzt?

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  • Harry2017 weil bei vielen Spielen der Kniff ist, dass es Aktionen gibt, die einen effektiver machen, aber nicht Siegpunkte bringen - und Aktionen, die Siegpunkte bringen, aber die Engine eher schädigen.

    Und der Kniff ist, da umzuschalten irgendwann.

  • [Tom]


    Jo, merkt man ja auch in meinem Beispiel oben. Der Kniff ist ja der Multiplikator und das richtige Umschalten...


    Aber: Warum gibts den? Ist es, weil wir lieber 70 zu 60 statt 7 zu 6 gewinnen, weil sich ein Sieg sonst belanglos anfühlt und man das Gefühl hat, man hätte eigentlich alles machen können, wenn man so nah beinander liegt? Ist es rein um des „Kniffs“ Willen, ohne wirklichen Grund?


    Warum wird eher das richtige Umschalten zur Mathematik und nicht die reine Engine bewertet?

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    2 Mal editiert, zuletzt von Harry2017 ()

  • Es gibt einen aktuellen Thread wo diskutiert wird, warum es Multiplikatoren gibt? (Oder meinst Du rein den Unterschied zwischen 60 und 70 bzw. 6 und 7 Punkten?)

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  • Warum wird eher das richtige Umschalten zur Mathematik und nicht die reine Engine bewertet?

    Weil es bei vielen Spielen eine zusätzliche knifflige Entscheidung ins Spiel bringt. "Nutze ich meinen Zug um meinen Engine zu verbessern oder um meine Siegpunkte zu maximieren." Wenn beides das gleich wäre, würde diese Entscheidung wegfallen. Ein Spiel lebt aber (u.A.) von einer Folge interessanter, bedeutungsvoller Entscheidungen. Wenn zu wenige Entscheidungen da sind bzw. diese trivial sind, sind wir auf dem Niveau von Spielen für 3-Jährige. ;)

    Von daher sind zusätzliche Entscheidungsebenen meistens positiv. (Man kann es damit natürlich auch übertreiben oder die zusätzlichen Ebenen so künstlich dranbauen, dass es das Spiel stört. Da zieht jeder seine persönliche Grenze.)

  • Weil es bei vielen Spielen eine zusätzliche knifflige Entscheidung ins Spiel bringt. "Nutze ich meinen Zug um meinen Engine zu verbessern oder um meine Siegpunkte zu maximieren." Wenn beides das gleich wäre, würde diese Entscheidung wegfallen.

    Das hat aber nur bedingt mit "Multiplikatoren" zu tun.


    #Dominion ist imho der "reinste Vertreter" dieser Art der Entscheidung:

    Kaufe ich eine Karte, die mein Deck effizienter macht, oder "entschleunige" ich meine Engine mit Siegpunktekarten, und wann ist der richtige Zeitpunkt zum "switchen"? #Dominion enthält aber (prinzipiell*) keine "Multiplikatoren", eine Provinz ist immer 6 Punkte wert.


    * der Garten (Punkte = Anzahl Karten im Deck / 10) und seine ähnlich gestrickten Kollegen aus diversen Erweiterungen sind im weitesten Sinne "Multiplikatoren", das sind aber Sonderfunktionen von einzelnen Karten, das ist nicht fest in der Spielmechanik verankert wie etwa bei #Concordia.

    Mein Blog (Illustrationen, Brettspieldesign, Angespielte Spiele)

    2 Mal editiert, zuletzt von PeterRustemeyer ()

  • PeterRustemeyer : Du hast natürlich recht. Meine Antwort war auch nicht auf die Frage "Warum gibt es Multiplikatoren?" verfasst, sondern auf die Frage "Warum bewertet man nicht nur den Engine, sondern bringt da noch etwas dazu?" Was dieses "etwas dazu" ist, kann natülich vielfältig sein. Wenn man aber wie bei Orleans eh verschiedene Leisten hat, bietet sich so eine Multiplikatorleiste an, weil sie leicht zu integrieren ist ohne zusätzliches Regelwerk. Bei Concordia hätte man sicher auch auf die Punktemultiplikatoren verzichten können und stattdessen sagen, dass der Kauf einer Karte gleichzeitig erlaubt einen Tempel der entsprechenden Gottheit zu platzieren, der wiederum den Engine auf irgendeine Weise pusht. Das wäre wahrscheinlich auch ein gutes Spiel geworden, hätte aber eventuell einen Teil seiner Eleganz eingebüßt.

  • Ich würde hier gern ein paar Punkte zu bedenken geben:


    Thematisch oder nicht - das ist erstmal ein subjektiver Eindruck. Das kann und will ich auch gar nicht bewerten.


    Allerdings gibt es bei der mechanischen Bewertung von diesen Multiplikatoren einiges zu bedenken. Natürlich ist es Rechnerei, aber meiner Ansicht nach ist es nicht mehr Rechnerei als in vergleichbaren Rechenweisen. Besonders Mac bekommt es aus meiner Sicht immer wieder hin seine Spiele sehr simpel und elegant zu halten. Ich bin kein großer Freund der Tatsache, dass da bei Concordia die Multiplikatoren auf den Aktionskarten stehen - ich mag es lieber, wenn er die Sachen trennt, wie bsw. sehr schön in Navegador. Aber betrachtet die Sache mal mechanisch - und dann wird vermutlich klar, warum die Multiplikatoren in Concordia auf den Karten stehen:


    Welchen Wert hat so eine Karte für den Spieler? Hierbei muss man immer den Wert einer Sache im Verlauf einer Partie sehen: Hat sie einen Wert zu Beginn? Zwischendurch? Am Ende der Partie?


    Wenn jetzt auf den Karten kein Wert im Sinne von SP wäre, warum sollte ich am Ende des Spiels noch Aktionskarten kaufen? Sie hätten keinerlei Wert für mich. Dadurch, dass die Karten sowohl Wert im Laufe des Spiels für mich haben (verbesserte Aktionen, Aktionen mehrfach innerhalb eines Kartenlegezyklus, mehr Karten ablegen für höheren Geldwert beim wieder aufnehmen) und ebenfalls einen SP-Wert (totes Kapital im Verlauf der Partie, dafür ein hoher Wert am Ende), bleibt das Spielelement im Verlauf einer Partie immer gleichwertig. Das Spielende über einen leeren Kartenstapel auszulösen ist nur deshalb möglich, weil es immer einen Grund gibt, Karten zu kaufen.

    Alternativen gibt es in Concordia übrigens: Man kann das Spiel auch über schnelles Verbauen seiner Häuschen beenden, bevor ein breit aufgestellter Multiplikator-Spieler, der früh in Karten investiert, überhaupt dazu kommt, seine Multiplikatoren auszufahren.


    Kleiner Exkurs:

    In Transatlantic haben die Karten keine Multiplikatoren. Aber es funktioniert komplett anders, wie man Karten bekommt. Dort bekommt man sie nämlich geschenkt, wenn man eine bestimmte Sache macht. Und, wenn ich mich recht erinnere, beenden sie auch nicht das Spiel...


    Denn, und jetzt kommen wir zum wichtigsten Punkt, der bei der Betrachtung der Rechenweise von Multiplikatoren scheinbar nicht bedacht wurde:

    Multiplikatoren sind nur eine Art seine Punkte zum Schluss zu berechnen. Es ist eine Möglichkeit. Ja. Es ist eben ein Rechenschlüssel. Mehr aber auch nicht. Kein Spiel kommt aus dem Gleichgewicht oder unterstützt Extremstrategien, wenn es vernünftig ausbalanciert ist. Wenn also Extreme über Multiplikatoren möglich sind, dann wird es, wenn das Spiel vernünftig gebalanced ist, auch andere Wege geben, die vielleicht anders errechnet werden, aber auch funktionieren. Das hab ich versucht klar zu machen, indem ich den anderen Weg bei Concordia aufgezeigt habe.


    Ja, man kann mit Multiplikatoren so ein Spiel rocken. Aber auch auf die Fresse fallen. Daher ist Peters Beispiel oben sehr schön und toll erklärt, wie Multiplikatoren gewertet werden und wie sie Extreme unterstützen können. Ein Punkt wie man bsw. Strategien designen kann. Aber die Schlussfolgerung, dass solche Multiplikatoren den Allrounder bestrafen, ist irreführend. Es gibt ja meist noch mehr Spiel als nur Multiplikatoren.


    Ich nehme mal ein Beispiel aus einem Spiel, welches wir alle kennen: 7 Wonders. Dort gibt es die grünen Karten. Gleiche Symbole sammeln bedeutet sich auf einen Wert zu fokussieren und einen Multiplikator zu haben. Grüne Karten eines Symbols werden mit sich selber multipliziert. Habe ich also 3 grüne Karten mit dem gleichen Symbol, sind es 3x3=9 Punkte. Dem gegenüber steht aber der Allrounder, der von jedem Symbol eines hat. Für ein Set aus 3 unterschiedlichen Symbolen gibt es fix 7 Punkte. Dazu hat er noch 3 weitere Punkte, denn er hat ja auch 3x 1x1. Macht unter dem Strich also 10 Punkte für den Allrounder. Beide Spieler haben 3 Karten. Der Allrounder hat aber 1 Punkt mehr... Das ganze ändert sich, wenn der Extremist seine 4te Karte oder gar 5te Karte des gleichen Symbols bekommt. Aber auch hier können wir schön weiter rechnen: Hat der Extremist 6 Karten des gleichen Symbols, dann sind es 6x6=36 Punkte. Hat er Allrounder ebenfalls 6 Karten und aber je zwei des gleichen Symbols, dann bekommt er für 2 Sets 14 Punkte plus noch 3x 2x2 Punkte. Unter dem Strich also 26 Punkte. Das sind jetzt "nur" 10 Punkte weniger als der Extremist. Sicher keine megamäßige Siegstrategie, wenn gleich nach hinten raus sehr lohnenswert. Ein schlauer Designer kriegt es so hin, dass das Spiel schneller zu Ende ist, als ein Extremist es schafft die Multiplikatoren kaputt zu spielen. Irgendwann kippt so was nämlich total. Man muss sich ja nur ausrechnen wie die Sache aussähe, wenn beide Spieler 9 Karten hätten... Das wäre dann 81 : 42 für den Extremist. Ist jetzt die Frage (und ich hab 7 Wonders schon seit Jahren nicht mehr gespielt), ob es überhaupt 9 Karten eines Symboles im Spiel gibt? Ohne nachzuschauen vermute ich, dass es 7 pro Symbol gibt...


    Man kann jetzt Multiplikatoren mögen oder nicht. Aber am Ende des Tages sind sie einfach eine Rechenweise. Wie bekomme ich SP? Wenn die Autoren in der Lage sind ein Spiel ausgewogen zu designen, denn wird durch Multiplikatoren einfach nur ein Wert berechnet. Mehr nicht. Ich nenne mal eine andere Art der Punkteberechnung, die euch sicher auch aus vielen Spielen geläufig ist, das sind die Dreieckszahlen: 1, 3, 6, 10, 15, 21, 28... Stefan Feld verwendet diese Zahlenreihe sehr gern. Bekanntes Beispiel: Die Wertung der Gebietsgrößen in Burgund oder die Wertung der Buchstaben auf den Laborplättchen in Aquasphere. Der Vorteil der Dreieckszahlen ist, dass sie sich langsamer steigern als Quatdratzahlen. Beispiel: Wenn ich 5 Sachen "X" habe, dann bekomme ich bei Quadratzahlen 5*5=25 Punkte. Bei Dreieckszahlen aber nur 15 (1+2+3+4+5=15). Die Sache ist immer noch lohnenswert in vielen Fällen, denn ich bekomme für das 5te X immer noch 5 Punkte - was auch einfacher zu rechnen ist, denn man muss nur addieren. Bei Quadratzahlen sind es für das 5te X eben schon 9 Punkte (von 16 auf 25) und man muss es eben durch Multiplikation errechnen. Sicher sind das alles keine komplizierten Rechenwerte. Aber im Rahmen eines komplexen Spiels will man die Werte eigentlich klein halten und man will sie einfach errechnen müssen/können.


    Zudem, kann man ein Spiel besser "im Zaum" halten mit Dreieckszahlen, da es selbst für viel X kleinere Werte gibt. Und trotzdem kann man es hinbekommen, dass ein Fokus auf eine Sache sehr lohnenswert und immer rentabler wird und auch so kann man Strategien designen.

    4 Mal editiert, zuletzt von ode. () aus folgendem Grund: Falsche Werte für 7 Wonders verwendet... Lang lang ist es her...

  • [...] Wenn die Autoren in der Lage sind ein Spiel ausgewogen zu designen, denn wird durch Multiplikatoren einfach nur ein Wert berechnet. [...]

    Dem würde ich so zustimmen. Allerdings würde ich das "wenn" am Anfang betonen. Wenn ein Spiel nicht gut balanciert ist und/oder nicht für alle Spielezahlen und Setup-Variationen ausgereichend getestet wurde, dann erhöhen multiplikative Wertungen (oder genauer: multiplikative Teilwertungen bzw. Produkte in Wertungsummen) signifikant die Chancen, dass irgendeine spezielle Strategie unter gewissen Umständen dominant wird. Das ergibt sich einfach durch die Mathematik. So ein Produkt natürlicher Zahlen kann halt sehr schnell sehr groß werden, viel schneller als die üblichen linearen Systeme der Sorte "X Siegpunkte pro irgendwas".


    Beispiel von der letzten Messe in Essen: The Sanctuary - Endangered Species. Eigentlich ein sehr schönes Spiel mit schönem und originellem Antrieb ("Sichtlinie auf Kartenreihe"). Aber man bekommt am Ende vor allem Punkte für vier Tierarten, und zwar nach der Formel: Anzahl der Tiere im Gehege mal Happyness-Wert der entsprechenden Tiere. Beides kann der Spieler gezielt steigern. Problem: Wer eine "alles auf eine Tierart setzen"-Strategie richtig spielt, gewinnt immer. Happyness auf verschiedene Tiere verteilen ist in 99% der Fälle Humbug. Konkurrierende Strategien wie "Renaturierung auf Maximum" sind nur konkurrenzfähig, wenn man dort bis ganz zum Ende kommt. Das ist anfällig und kann von der zufälligen Kartenverteilung oder von den Mitspielern leicht zerschossen werden. Ich habe das Spiel nach ein paar Spielen und dann etwas Hinsetzen & Nachrechnen wieder verkauft. Nicht gut balanciert. Was sehr schade ist, denn aus den Spielideen in dem Ding hätte etwas Großes werden können.


    Außerdem muss bei über-linearen Bewertungsfunktionen noch nicht mal etwas wirklich "falsch" sein, um negativ zu wirken. Solche Wertungen sind automatisch auch immer überproportional anfällig, im Erstspiel von Anfängern nicht richtig durchschaut zu werden. Autoren können noch so sehr darauf setzen, dass die Spieler z.B. nicht einem Mitspieler zuviele Multiplikatoren überlassen, schon gar nicht (fast) alle Multiplikatoren einer Sorte ... wenn die Erstspielerrunde es trotzdem tut, dann kann dort der (unberechtigte!) Eindruck entstehen, dass das Spiel schlecht balanciert wäre. Unberechtigt, aber real da. Siehe Startbeitrag. Concordia unbalanciert wegen multiplikativer Wertung? Humbug! Mac Gerdts weiß, was er tut. Auch bei Transatlantic, das auch bei mir ein paar Spiele gebraucht hat -- und ich erfasse Spiele eigentlich recht schnell. Da hat der Autor dann "eigentlich" nichts falsch gemacht, aber trotzdem ist das "die multiplikative Wertung stört mich!" der Eindruck, der Leuten wie dem Threadstarter hängenbleibt..

  • Allerdings würde ich das "wenn" am Anfang betonen. Wenn ein Spiel nicht gut balanciert ist und/oder nicht für alle Spielezahlen und Setup-Variationen ausgereichend getestet wurde, dann erhöhen multiplikative Wertungen (oder genauer: multiplikative Teilwertungen bzw. Produkte in Wertungsummen) signifikant die Chancen, dass irgendeine spezielle Strategie unter gewissen Umständen dominant wird.

    Jein. Denn auch ein Ungleichgewicht kann gewollt sein. In dem Fall tippe ich auf eine Art indirekte Interaktion. Nach dem Motto: Ich muss verhindern, dass mein Gegenspieler diese Sache nach hinten ausfährt, denn sonst verlieren ich. Funktioniert oft nur in 2er-Spielen, da bei zu vielen Spielern zu viele Unwägbarkeiten mit rein spielen - auf der anderen Seite gibt es bei mehr Spielern mehr Chancen den Extremisten auszubremsen... In dem Fall gibt es dann aber oft zu verwaschene Spielerbezüge. Nach dem Motto: Warum sollte es mein Fehler sein den Gegenspieler zu stoppen? Die anderen können das doch auch machen!!! Tendenziell verliert dann der Spieler, der den Extremisten allein versucht zu stoppen -> schlechtes Spielgefühl.

    Da hat der Autor dann "eigentlich" nichts falsch gemacht, aber trotzdem ist das "die multiplikative Wertung stört mich!" der Eindruck, der Leuten wie dem Threadstarter hängenbleibt..

    Absolut richtig. Mein Beitrag zielt darauf hin, das Verständnis dieser Zusammenhänge zu erhöhen, da es hier eben auch schon falsch beleuchtet wurde.