Heute Morgen wurde mir ein Video von Brettspielblog.net empfohlen. In diesem Video ging es um die Top-10 Solo-Spiele.
Im Grunde ist das nichts Besonderes, da mittlerweile jeder YouTuber solche Listen erstellt und die Idee auf jedwede Ausrichtung des Kanals umzumünzen ist (Top-10 Schminktipps, Top-10 Spiele der Kategorie X, Top-10 Workouts für stramme Backen...). In diesem Fall ist es so, dass er (Ben) nur die Spiele berücksichtigt, die seit seiner letzten Top-10 Solo-Liste erschienen sind. Der Ansatz ist nachvollziehbar, da so nicht immer die gleichen Titel genannt werden, aber inwieweit erfüllt eine solche Liste ihren Zweck?
Ich habe an anderer Stelle bereits geschrieben, dass sich solche Listen vor allem an Personen richten, die oftmals nicht so tief im „Brettspielkosmos" stecken wie es die meisten hier im Forum tun. Natürlich gibt es auch langjährige Abonnenten der Kanäle, die sich nicht in einem Forum herumtreiben und trotzdem nicht schlechter informiert sind. Im Großen und Ganzen sind solche Listen aber eine gute Möglichkeit Traffic auf dem eigenen Kanal zu generieren, da Top-Listen garantiert zu den meistgesuchten Begriffen zählen. Diese Listen werden auch von den Abonnenten gefordert und sind damit ebenfalls eine Art „Fanservice“ des Kanalbetreibers.
Um wieder auf die Ausgangsfrage des Threads zurückzukommen:
Eine Top-10 Liste soll mir die besten Spiele einer bestimmten Kategorie empfehlen und dient damit als eine Art Leitfaden. Diesen Leitfaden benötigen meistens die eher unerfahrenen Brettspieler. Das Prinzip finde ich gut und es erleichtert den Einstieg ins Hobby immens, aber es bietet auch seine Tücken. Im oben verlinkten Thread vergleiche ich diese Listen mit einer Beratung. Die Beratung findet grundsätzlich nicht kundenorientiert statt, sondern zeigt mir nur die Spiele auf, die aus Sicht des Erstellers empfehlenswert sind. Prinzipiell ist eine „gute" Liste auch eine gute Beratung, aber das setzt voraus, dass ich den Ersteller der Liste und seine Präferenzen kenne. Ohne dieses Wissen verliert eine solche Liste deutlich an Wert, da ich nicht weiß, ob sich der Spielegeschmack grundlegend unterscheidet und die Empfehlungen dadurch nicht auf mich anzuwenden sind.
Die verlinkte Top-Liste betrachtet nur Spiele des letzten Jahres. Auf die vorherigen Listen wird verwiesen. Handwerklich ist Ben da nichts vorzuwerfen, da er genau das liefert, was er durch den Titel und die Einleitung ankündigt. Ich frage mich nur, ob eine solche Top-Liste wirklich sinnvoll ist. Natürlich ist es langweilig über Jahre immer die selben Titel in Listen zu sehen, aber wenn es eben nun mal die besten Spiele dieser Kategorie sind, wieso sollte ich dann andere aufführen? Das ist für mich auch die Crux bei dieser Sache. Es werden die vermeintlichen Top-Titel des letzten Jahres aufgeführt, aber diese stehen in gar keiner Relation zu den anderen Spielen. Wie schlägt sich ein „After the Virus" denn gegen ein „Terraforming Mars" und ist „Freitag" nicht vielleicht besser als „Flucht"? Die Tatsache, dass die Liste jedes Jahr erweitert wird, führt aus meiner Sicht zu einer Entwertung des Gedankens.
Das Top-Spiel des Jahres 2018 kann aufgrund fehlender Konkurrenz den ersten Platz in dieser Liste einnehmen, 2017 wäre es aber vielleicht gar nicht unter die Top-10 gekommen. Hier fehlt mir definitiv der Vergleich. Es reicht nicht zu sagen, dass ich „Terraforming Mars" noch immer für ein erstklassiges Solo-Spiel halte und es dabei zu belassen. Ich müsste die „neuen" Spiele an den Titeln meiner alten Top-Liste messen, damit sie in Relation stehen und ich die Liste auch wirklich einordnen kann. Aus meiner Sicht wird ein ohnehin schon sehr undurchsichtiges System von Top-Listen durch solche Varianten noch schwerer zu durchdringen für den „einfachen" Leser/Zuschauer, der über diese Listen eine Empfehlung erhalten möchte. Mit einem Blick auf die Top-Listen der Rezensenten ist es auch ein Glücksspiel, an welchen Autor einer Liste man gerät. Man kann ziemliches Pech haben oder einen Glücksgriff landen. Das Pech wird dadurch potenziert, dass in den letzten Jahren die Anzahl an Brettspielkanälen deutlich gestiegen ist und damit auch viel mehr verschiedene Listen zu einem Suchbegriff im Netz zu finden sind.
Mit Pech meine ich nicht, dass die Top-Liste schlecht wäre, sondern dass sich der persönliche Spielgeschmack zu sehr unterscheidet. Das kann ich als Zuschauer/Leser aber nicht wissen, wenn ich mir nur ein oder zwei Videos des Kanals ansehe. Mit der Zeit lerne ich die Person einzuschätzen und kann mir anhand deren Vorstellung eines Spiels ein eigenes Urteil bilden. Am Anfang ist dies aber nicht möglich für mich. Oftmals schaue ich auch die Personen, die mir auf den ersten Blick sympathisch erscheinen und weiß nicht, ob die Person meine Meinung vertritt oder kompetent ist, nur weil sie vor einem mit Brettspielen gefüllten Ikea Regal hockt.
Eine Top-Liste wird dadurch gut, dass ich sie nachvollziehen kann. Dafür bringe ich entweder selbst schon „Brettspielfachwissen" mit, kenne den Rezensenten oder dieser erläutert anschaulich die Mechanismen und Vorzüge/Nachteile des Spiels (Ausführlichkeit steigert die Dauer des Videos oder die Länge des Textes und wirkt damit auch oftmals unattraktiv). Für den Einstieg sind solche Listen ein zweischneidiges Schwert. Zum einen erleichtern sie den Kauf der ersten Brettspiele garantiert, es besteht aber das Risiko, dass diese spezielle Top-Liste auf mich nicht anwendbar ist und ich mich am Ende frage, was andere an diesem Hobby finden können, wenn ein Top-Spiel bei mir schon so gefloppt ist.
Was haltet ihr von Top-Listen?
Wenn ihr sie schaut/lest, dann um euch zu informieren oder weil ihr die Beiträge der Person einfach mögt, unabhängig vom Inhalt?