Das Vorgeplänkel
Mich erwischt das Messefieber seit meinem Erstbesuch 2010 jedes Jahr immer noch recht zuverlässig. Meistens kurz nach dem Sommerurlaub im August/Anfang September, wenn sich die allerersten zarten Andeutungen des Herbstes am Horizont abzeichnen, überkommt mich bei den ersten Gedanken an die Messe ein wohliges kribbeln. Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude, so jedenfalls der Volksmund.
Meistens fängt die Vorbereitung damit an, dass ich eine (zunächst noch gähnend leere) Geeklist bei Boardgamegeek erstelle, um bereits von der ersten Recherche nach neuen Spielen einen hilfreichen Merkzettel führen kann, der mich hoffentlich nichts wichtiges vergessen lässt und den Dschungel an Neuheiten auf ein erträglich verwaltbares Maß reduziert.
Der nächste Schritt befasst sich nun damit diese Liste mit Leben bzw. konkreten Titeln zu füllen. Hierzu bediene ich mich meistens den gängigen Online-Medien, allen voran die inzwischen sehr schön aufbereitete Messevorschau der Brettspielbox. Aber auch die ressourcenhungrige Komplett(?)Liste von Cliquenabend ist hilfreich (wenn die Suchperformance denn bei 1400+ gepflegten Titeln nicht wieder versagt).
Kurz vor der Messe wird diese Liste dann meistens noch um messerelevanten Daten wie die Halle und Standnummer ergänzt. Eine weitere kleine Ergänzung um spannenden Promos entsteht dabei fast schon im Alleingang (Dank der ebenfalls hilfreichen Geekliste die bei BGG zur Verfügung gestellt wird), und wird begleitet von Informationen zu weiteren relevanten Terminen wie bspw. der Unknowns-Treff, Spiele-Verabredungen mit Freunden, der Mathtrade oder ähnliches.
In den letzten Jahren ist genau diese Form meiner Vorbereitung ein bisschen zu kurz gekommen, und dieses Jahr sollte keine rühmliche Ausnahme davon sein. So habe ich mich also an einer mehr schlecht als recht gepflegten Geeklist entlang gehangelt und irgendwie immer noch insgeheim gehofft dass sich die "Arbeit" doch bitte von alleine würde. Tat Sie aber nicht.
So bin ich dann mit einem etwas mumligen Gefühl, die nächste Rekordzahlenmesse auch mit einer schwachen Vorbereitung überleben zu müssen, gestartet.
Freitag
Die ersten Bereichte und Vlogs waren bereits noch in der Nacht zum Freitag eingetrudelt mit Nachrichten wie “vollster Donnerstag ever”, “Spirit/Adventure/Sonstwas-Island bei Pegasus nach wenigen Stunden ausverkauft”, “Einlass war pures Chaos, Scanner haben nicht funktioniert”, “30 min Warteschlangen beim Spielekauf” etc.
Meine Vorfreude konnten diese Nachrichten zwar noch nicht ausbremsen, aber erste Zweifel machten sich breit. Kurz nachdem ich meine Tochter um 8:00 in den Kindergarten verabschiedet hatte machte sich der Zweckoptimismus wieder breit und der feste Vorsatz, am Nachmittag auf der Messe noch die ersten spannenden Titel anzuspielen, wurde zum ultimativen Tagesziel auserkoren.
Wäre da nicht eine kleine Gefälligkeit dazwischen gekommen, die uns durch einem Stopp in Frankfurt am Main von diesem Ziel partout und vehement abhalten wollte. Mein Mitfahrer hatte noch einen behördlichen Gang zu erledigen, dessen episches Ausmass uns erst bewusst wurde als die erste Stunde nahezu ergebnislos verstrich. Weitere 1.5 Stunden sollte ich dann im Auto sitzend auf Ihn warten, bis wir endlich die Reise Richtung Essen fortsetzen konnten.
Wie ich mir die Zeit bis dahin vertrieben habe? Ich habe mein gesamtes (und eigentlich für die Messe vorgesehenes) Mobildatenvolumen investiert um Messevideos und Listen auf der Suche nach dem heiligen Spielegral zu durchforsten. Da die meisten Youtuber ja aber just in diesem Momement selbst auf der Messe unterwegs waren, war der mir noch unbekannte Content bis dato überschaubar groß und hat mich gerade mal über die ersten 1.5 Stunden hinweg trösten können. Den Rest der Zeit habe ich dann mit einem Ölstand-Check und diversen Snacks, die eigentlich ebenfalls für die Messe vorgesehen waren, verbracht.
Einige langweilige Auto-Stunden vorgespult (bei denen ich mich an meinem Mitfahrer für die lange Wartezeit noch mit diversen Hunter & Cron Messevideos rächen konnte): um 17:30 Uhr haben wir einen Luxus-Parkplatz direkt vor den Türen der Messe ergattert und sind maximal Stau-entnervt aus dem Auto gefallen um auf dem kürzest möglichen Weg über eine Böschung und Fussgängerbrücke hinweg in die Messehallen zu stürmen um wenigstens noch ein bisschen von der Messeatmosphäre zu schnuppern. Ich mag den Geruch von frischen Stanzbögen an einem herbstlich kühlen Nachmittag
Die Stimmung war zu diesem Zeitpunkt auf der Messe bereits recht entspannt, und sofort machte sich wieder ein wohliges Gefühl breit - die stundenlang aufgebaute Anspannung (schaffen wir es denn heute überhaupt noch auf die Messe?) wich der sofortigen Entspannung und Neugier auf was auch immer die nächsten 3 Tage kommen mag. Nach den ersten Messe-Metern in Halle 3 haben wir auch sogleich den ersten freien Tisch entdeckt und uns direkt dort niedergelassen.
Hexenhaus (#Hexenhaus), Lookout Spiele
Die nette Erklärbärin bei Altenburger hat uns das Spiel innerhalb von 10 min erläutert so dass wir auch direkt losspielen konnten. Hexenhaus ist ein schön illustriertes Legespiel bei dem auch in die dritte Dimension gebaut wird, und damit einen überraschend hohen Knobelanteil hat.
Es will wohl überlegt sein wo und wie man seine Lebkuchenplättchen platziert um das namensgebende Hexenhaus zu errichten. Leider knobelt man relativ interaktionsarm vor sich hin, und nur ab und an trifft man sich mit dem Gegenspieler auf dem gemeinsamen Markt für Fabelwesen, des in Siegpunkte umzuwandeln gilt, um ihm dort bei der Auswahl der passenden Wesen möglicherweise zuvorkommen.
Obwohl das Spiel recht kurz ist, sind die Entscheidungen nicht immer offensichtlich, was durchaus für das Spiel spricht. Mir hat es dennoch nicht ganz so gut gefallen, da ich das Hantieren mit den Treppen, den Lebkuchenplättchen und Bonusplättchen etwas fummelig und unübersichtlich fand. Wenn man hier den Überblick verliert, dann hat man schnell das Nachsehen.
Infos zur Partie
Anzahl Spieler: 2
gespielt: vollständige Partie (ca. 30 min)
Vorläufige Note: 6/10
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Wir waren kaum 10 Meter weiter gelaufen, da wurde uns gegen 18:20 Uhr noch ein Platz an einem Pegasus-Spieltisch angeboten um die aktuelle 2er Runde auf 4 Spieler zu ergänzen.
Adventure Island (#AdventureIsland), Pegasus
Mit Adventure Island hat Pegasus einen Titel im Programm der offenbar viele Spieler-Nerven getroffen hat. Robinson Crusoe Thema, Szenarienbasiert, Solo spielbar, Kooperativ - aus diesen Zutaten wird heutzutage ein erfolgreiches Spiel für den Massenmarkt geschmiedet. Pegasus war aber wohl selbst etwas überrascht vom Erfolg des Spiels auf der Messe - jedenfalls waren bereits nach Tag 1 alle mitgebrachten Exemplare verkauft.
In unserer launigen 4er Runde sind wir zu Beginn des Einstiegsszenarios ganz gut in Schwung gekommen - jeder Spieler hatte Rolle seines Charakters schnell verinnerlicht, und so haben wir Aufgabe für Aufgabe abgearbeitet. Da der Spielerfolg aber hauptsächlich von Würfelwürfen, und weniger von besonders cleveren und mühsam herausgerbeiteten Entscheidungen lebt, ist es am Ende dann noch noch mal knapp geworden - mit dem allerletzten Spielzug konnten wir das Spielziel doch noch erfüllen. Wir waren erleichtert, uns aber auch bewusst dass uns hier mehr die Würfel als die Spieler die entscheidende Rolle spielen.
Dennoch ist das Spiel ansprechend gestaltet und macht nach dem ersten Szenario auch Lust auf mehr - wobei hier die Frage des Wiederspielreizes schnell im Raum stehen dürfte, sobald man dann mal die 5 mitgelieferten Szenarien durchgespielt hat.
Infos zur Partie
Anzahl Spieler: 4
gespielt: vollständige Partie (ca. 40 min)
Vorläufige Note: 5/10
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Um 19:00 Uhr war dieser für uns sehr kurze Messetag dann auch schon wieder vorbei. Gemächlich bewegten wir uns von Halle 5 wieder gen Ausgang, und sind dabei plötzlich inmitten einer Menschentraube am Repos Stand hängen geblieben. Es dauerte nicht lange und wir hatten auch ein leckeres belgisches Freibier in der Hand (7%ig, wie könnte es bei den Schirmherren der 7 Wonders auch anders sein?). Was der Anlass war und wieso wir nicht verscheucht wurden ist uns bis heute nicht klar, und in dem Moment war uns das auch egal, aber so hatte der Tag, der bis dahin hauptsächlich aus Warten und Autofahren bestand, doch noch ein versöhnliches Ende gefunden.
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Als von den fidelen Belgiern dann auch plötzlich noch schwarze Schlüpper ausgegeben wurden merkten wir dass es vllt. an der Zeit war zur Unterkunft zu fahren und den Abend dort ausklingen zu lassen. Dort haben wir uns dann mit Daniel von Boardgame Circus, dem symBadischen Kleinverlag aus Freiburg, und Diana von brettspieler.de zusammengefunden um sein neues Spiel, Ruchlos, auszuprobieren.
Ruchlos (#Ruchlos), Boardgame Circus
Ruchlos kombiniert den erprobten und etablierten Deckbuildingmechanismus mit einer rundenbasierten Wertung die stark an Poker angelehnt ist. Anstatt also die wildesten Kettenzüge und Kombos in sein Deck zu kaufen, kommt es bei Ruchlos eher darauf an die Pokerkombinationen der Mitspieler im Blick zu behalten und die eigene Auslage so zu optimieren dass man bei Rundenende die maximale Punktzahl damit einfahren kann.
Mit den Pulveraffen ist ausserdem ein flexibel einsetzbarer Basiskartentyp dabei der entweder die Ausdünnung des eigenen Decks oder das Angreifen der Gegner erlaubt. Bei Abgabe von 2 Affen können Schätze gehoben werden - entweder für einen Soforteffekt oder die Karte bereicht das eigene Deck langfristig. Nutzlose Züge sind hier also ehrer Seltenheit - meistens kann etwas sinnvolles mit der Kartenhand angestellt werden. Vorsicht ist geboten wenn die Gegner zuviele der teuren Piratenkarten im Deck haben - sie ermöglichen oft das Nachziehen des gesamten Decks und meistens ergeben sich dadurch dann auch die unschlagbaren Pokerkombinationen.
Mir gefällt die Kombination aus Deckbau und Poker - das Spiel von Roland MacDonald (sic!) besticht durch Einfachheit, tolles Artwork und teilweise kniffligen Entscheidungen. Ruchlos erfindert das Genre nicht neu, ist aber eine schöne Alternative zu Dominion und Co.
Infos zur Partie
Anzahl Spieler: 4
gespielt: vollständige Partie (ca. 60 min)
Vorläufige Note: 7/10
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