„Bessere Spiele für bessere Spieler“: Ein Plädoyer von Synes Ernst für Spielekritik mit Niveau

  • Es wäre mir lieber, jemand spricht mit Verstand und Kompetenz. Was nutzt Herzblut, wenn der Inhalt Quatsch ist. Da muss man dann auch keine Dreifachschraube mit der Tastatur bieten, sondern eine kritische Auseinandersetzung mit dem Werk. Und dazu ist auch etwas Kompetenz erforderlich.

    Und jetzt zeig mir bitte noch, wo ich dazu aufgerufen habe, dass Herzblut Kompetenz sticht. Nur, damit ich weiß, ob ich falsche Signale schicke oder du sie empfangen möchtest...

  • Es ist übrigens SEHR WOHL wichtig, die Zielgruppe zu beachten. Nicht im Sinn, dass schlechte Spiele "als Familienspiel reichen". Aber es ist einer guten Rezension unwürdig, als Experte und Kritiker die gleichen Maßstäbe für die Spieltiefe und Möglichkeiten bei Gloomhaven und Memory anzulegen. Das ist sogar ein gutes Beispiel für die oben genannte Diskrepanz: Wer das Spiel mit Zielgruppe, Eigenheiten und Mechanismen und Besonderheiten in seiner Rezension nicht in den Mittelpunkt stellt und in einen Kontext mit ähnlichen Spielen - offen nachvollziehbar oder hintergründig - bringt, wird keine gute Rezension verfassen können. Jedenfalls nicht, eine die der Intention von Synes Ernst entspricht.

    Danke insbesondere für diesen Absatz!


    Ich ärgere mich zum Beispiel jedes Mal, wenn ein "Rezensent" einem Multiplayer-Solitärspiel (wie z. B. Take it easy) vorwirft, es hätte keine Interaktion. Da hat dann auch jemand die Zielgruppe nicht verstanden ...

  • Es wäre mir lieber, jemand spricht mit Verstand und Kompetenz. Was nutzt Herzblut, wenn der Inhalt Quatsch ist. Da muss man dann auch keine Dreifachschraube mit der Tastatur bieten, sondern eine kritische Auseinandersetzung mit dem Werk. Und dazu ist auch etwas Kompetenz erforderlich.

    Und jetzt zeig mir bitte noch, wo ich dazu aufgerufen habe, dass Herzblut Kompetenz sticht. Nur, damit ich weiß, ob ich falsche Signale schicke oder du sie empfangen möchtest...

    Hab ich auch so verstanden. Er ist da nicht allein

    Das hier ist mein Privat-Account. Alle hier geäußerten Meinungen sind nur meine privaten Meinungen und geben nicht die Meinung von Frosted Games wieder.

    Wenn ihr Fragen zu Frosted Games habt, bitte: FrostedGames

  • Hab ich auch so verstanden. Er ist da nicht allein

    Ok, danke. Dann muss ich mein Vorhaben wohl vorziehen. Ich werde bei Unknowns wohl erst wieder schreiben, wenn ich mir einen Anwalt leisten kann, der all meine Beiträge abklopft, um alle Eventualitäten abzubilden, wie man diesen auffassen könnte. :)


    Ich hatte gedacht, dass mit den Beispielen die Aussage klar sein dürfte, dass die geforderte technische Herangehensweise für mich persönlich nicht funktioniert. Dass ich dabei wohl automatisch davon ausgegangen bin, dass ein Autor weiß, wovon er schreibt, ist dann wohl mein Fehler...

  • Es ist übrigens SEHR WOHL wichtig, die Zielgruppe zu beachten. Nicht im Sinn, dass schlechte Spiele "als Familienspiel reichen". Aber es ist einer guten Rezension unwürdig, als Experte und Kritiker die gleichen Maßstäbe für die Spieltiefe und Möglichkeiten bei Gloomhaven und Memory anzulegen. Das ist sogar ein gutes Beispiel für die oben genannte Diskrepanz: Wer das Spiel mit Zielgruppe, Eigenheiten und Mechanismen und Besonderheiten in seiner Rezension nicht in den Mittelpunkt stellt und in einen Kontext mit ähnlichen Spielen - offen nachvollziehbar oder hintergründig - bringt, wird keine gute Rezension verfassen können. Jedenfalls nicht, eine die der Intention von Synes Ernst entspricht.

    Danke insbesondere für diesen Absatz!


    Ich ärgere mich zum Beispiel jedes Mal, wenn ein "Rezensent" einem Multiplayer-Solitärspiel (wie z. B. Take it easy) vorwirft, es hätte keine Interaktion. Da hat dann auch jemand die Zielgruppe nicht verstanden ...

    Genauso kann man dann aber auch sagen, wenn man sich daran stört, ist man ist nicht die Zielgruppe des jeweiligen Rezensenten. Ich persönlich finde es wichtig zu wissen, ob ein Spiel an Interaktionarmut leidet. Egal für welche Zielgruppe es eigentlich konzipiert wurde. Meine Sammlung umfasst Spiele für sämtliche Zielgruppen und daher finde ich die kritik gerechtfertigt.

    Das Argumentation "du bist nicht die Zielgruppe", ist ein Todschlagargument gegen jede (vor allem subjektive) Kritik.

  • Ich ärgere mich zum Beispiel jedes Mal, wenn ein "Rezensent" einem Multiplayer-Solitärspiel (wie z. B. Take it easy) vorwirft, es hätte keine Interaktion. Da hat dann auch jemand die Zielgruppe nicht verstanden ...

    Ist das dann konträr zu dem immer wieder laut werdenden Ruf, dass keine Zielgruppen "erfunden" werden sollen, sondern er Rezensent sagen soll, was er davon hält?


    PS: Ich spiele mit unterschiedlichen Zielgruppen. Da kann es dann schon mal zu Diskrepanzen kommen, die ich dann halt auch aufführe...

  • Ich persönlich finde es wichtig zu wissen, ob ein Spiel an Interaktionarmut leidet.

    Die Info, dass ein Spiel keine oder wenig Interaktion enthält, gehört selbstverständlich in eine Rezension, und zwar bei der inhaltlichen Auseinandersetzung. Aber diese Info muss wertfrei sein! Man darf diesen Punkt nicht als Minuspunkt nennen, wenn offensichtlich ist, dass es gerade Sinn des Spiels ist, keine Interaktion zu haben, wie zum Beispiel bei Take it easy. Darum geht es mir.


    Es gibt leider Menschen, die schreiben dann "Ein Nachteil des Spiels ist, dass keine Interaktion zwischen den Spielern stattfindet." Eine solche Bewertung ist aber Unsinn, denn was der eine als Nachteil empfindet, mag für einen anderen ein Vorteil sein! Vielleicht bin ich ja als Spieler froh, endlich mal was spielen zu können, bei dem mir kein Mitspieler etwas wegnimmt oder zerstört!?


    Deshalb mein Appell: Lasst doch den Leser entscheiden, ob er die fehlende Interaktion für sich als Vorteil oder Nachteil ansieht!

    André Zottmann / Thygra Spiele - u. a. viel für Pegasus Spiele tätig
    Ich gebe hier generell immer meine eigene, ganz persönliche Meinung von mir.

    Einmal editiert, zuletzt von Thygra ()

  • Lass doch den Leser entscheiden, ob er die fehlende Interaktion für sich als Vorteil oder Nachteil ansieht!

    Aber das wird er auch, wenn man das als Nachteil deklariert. Beispiel... Ich lese auf Amazon viel lieber in die negativen Kritiken rein. Dort schaue ich, was wen stört und entscheide für mich, ob mir das dann egal ist oder nicht...


    Ich nehme auch weiterhin Zahnpasta, auch wenn irgendwer im Internet schreibt, das dort drin Fluorid enthalten sei und man gefälligst einen Bogen drum rum machen sollte...

  • Ich ärgere mich zum Beispiel jedes Mal, wenn ein "Rezensent" einem Multiplayer-Solitärspiel (wie z. B. Take it easy) vorwirft, es hätte keine Interaktion. Da hat dann auch jemand die Zielgruppe nicht verstanden ...

    Was bedeutet für Dich "vorwerfen"? In eine Rezension, so wie Ernst sie sieht, muss es rein, damit der Solitär-Hasser auch weiß dass es nichts für ihn ist. Auch in die abschließende Meinung zum Spiel sollte es angeführt werden, wenn es eben für den Rezensenten dadurch besonders gut/schlecht ist.

    Wenn man natürlich reinschreibt, dass es ein schlechtes Spiel ist, weil es nur solitär ist, dann gebe ich Dir natürlich vollkommen recht. Das wäre dann aber auch bei den Rezensions-"Gegnern" hier Konsens, dass sie so etwas nicht wollen.

    Ach ja? Definier mir "normal"!

  • Die Info, dass ein Spiel keine oder wenig Interaktion enthält, gehört selbstverständlich in eine Rezension, und zwar bei der inhaltlichen Auseinandersetzung. Aber diese Info muss wertfrei sein!

    Da stimme ich dir nur teilweise zu. Richtig ist: Es gibt Eigenschaften von Spielen, die klar auf einer Skala von gut bis schlecht zu verorten sind, und es gibt andere Eigenschaften, die bei dem einen Leser (bzw. der einen Zielgruppe) ein Minuspunkt sind, während sie bei anderen neutral beurteilt werden oder gar positiv. Je unterschiedlicher die Wahrnehmung von etwas sein kann, umso neutraler und wertfreier sollte ein Reviewer die entsprechende Eigenschaft schildern -- jedenfalls sofern derjenige den Anspruch hat, viele Leser anzusprechen und nicht einen kleinen Kreis von Fanatikern mit Scheuklappen.


    Ich würde dir jedoch nicht zustimmen, dass sowas wie Interaktion(sarmut) generell völlig wertfrei zu betrachten wäre, auch nicht bei bestimmten Spielegenres. Es gibt nicht nur die klar zu bewertenden und die klar wertfreien Eigenschaften, sondern ganz, ganz viele Grautöne dazwischen. Totale Interaktionsarmut ist für mich z.B. immer negativ besetzt, auch unabhängig von irgendwelchem Zielgruppenzeugs. Ohne jede Interaktion brauche ich nicht mit anderen Menschen spielen, dann könnte ich auch alleine Puzzles lösen.


    Interaktion muss für meinen Geschmack deshalb nicht völlig wertfrei geschildert werden; weniger stark wertend als beispielsweise mechanische oder thematische Schwächen wäre für mich schon völlig okay. Wie stark was gewichtet wird, ist dann ein -- mir sehr willkommenes! -- Unterscheidungsmerkmal zwischen den einzelnen Reviewern. Da habe ich auch überhaupt nichts dagegen, wenn bei einem Reviewer klar ist, dass er beispielsweise Interaktion jenseits von Wattebäuschchen-Schmeißen nicht mag (z.B. Rahdo), auch wenn mein persönlicher Geschmack ein anderer ist. Wer Reviews liest bzw. Videos schaut, anstatt direkt zum Fazit zu springen, kann auch solchen klar persönlich gefärbten, jedoch möglichst fair wertenden Reviews sehr viel Information heraus ziehen. Auf jeden Fall auch mehr als aus dem "für die richtige Zielgruppe ist das sicher ein tolles Spiel"-Geschwurbel, das manche Reviewer regelmäßig verbreiten, weil sie sich nicht trauen, etwas Negatives zu sagen.

  • Die Info, dass ein Spiel keine oder wenig Interaktion enthält, gehört selbstverständlich in eine Rezension, und zwar bei der inhaltlichen Auseinandersetzung. Aber diese Info muss wertfrei sein! Man darf diesen Punkt nicht als Minuspunkt nennen, wenn offensichtlich ist, dass es gerade Sinn des Spiels ist, keine Interaktion zu haben, wie zum Beispiel bei Take it easy. Darum geht es mir.


    Es gibt leider Menschen, die schreiben dann "Ein Nachteil des Spiels ist, dass keine Interaktion zwischen den Spielern stattfindet." Eine solche Bewertung ist aber Unsinn, denn was der eine als Nachteil empfindet, mag für einen anderen ein Vorteil sein! Vielleicht bin ich ja als Spieler froh, endlich mal was spielen zu können, bei dem mir kein Mitspieler etwas wegnimmt oder zerstört!?


    Deshalb mein Appell: Lasst doch den Leser entscheiden, ob er die fehlende Interaktion für sich als Vorteil oder Nachteil ansieht!

    Lasst doch den Leser entscheiden, ob <beliebigen subjektiven Kritikpunkt einsetzen> stört. Dann wird aber die Rezension sehr mechanisch, wenig authentisch und wahrscheinlich am Ende nichtssagend.

    Da sind wir wieder bei dem Thema, was man von einer Kritik/Besprechung/Rezension erwartet. Ich erwarte eine ehrliche und authentische Meinung des Rezensenten zu dem jeweiligen Brettspiel. Das mag vielleicht nicht im Sinne einer echten Rezension sein, aber das ist das, was ich erwarte. Aber genau diese Authentizität fehlt mir bei den meisten "Rezensenten", weshalb ich nur noch wenige Blogs und YT-Channels verfolge.

    Ich brauche keine politisch korrekten Beurteilung von Brettspielen, nur damit sich nicht irgendjemanden (z.B. den Verein der interaktionslosen Brettspieler) auf den Schlipps getreten fühlt. Für mich ist eine Rezension genau das: Die Meinung der Person X über das Spiel Y. Und wenn die Meinung authentisch ist, brauche ich nicht zweiunddrölfzig Bewertungskategorien.

    Ich brauche eigentlich nur zwei Bewertungen: "Das spiel rockt" :punk: und "Das Spiel ist Schrott":down:.


    Natürlich ist das eine sehr exklusive Sichtweise und ich akzeptiere auch jede andere Art der Rezension (bei der ich dann nicht die Zielgruppe bin). 8o

  • Totale Interaktionsarmut ist für mich z.B. immer negativ besetzt, auch unabhängig von irgendwelchem Zielgruppenzeugs. Ohne jede Interaktion brauche ich nicht mit anderen Menschen spielen, dann könnte ich auch alleine Puzzles lösen.

    Ach so, nur weil DU ohne Interaktion nicht spielen würdest, ist dies also ein Kriterium, das man generell negativ benennen soll. Ja nee, is klar ...


    Ich zitiere mich mal selbst:

    Vielleicht bin ich ja als Spieler froh, endlich mal was spielen zu können, bei dem mir kein Mitspieler etwas wegnimmt oder zerstört!?

    Was spricht denn dagegen, in einem Teil der Rezension die inhaltliche Beschreibung wertfrei zu formulieren und in einem anderen (vermutlich dahinter folgenden) Teil der Rezension seine persönliche Meinung kundzutun und dabei dann natürlich auch gerne fehlende Aktion als empfundenen Nachteil zu bezeichnen?


    Unabhängig davon möchte ich noch mal klarstellen, worum es mir ursprünglich ging: Ein Spiel wie Take it Easy, das gerade das Ziel verfolgt, ohne Interaktion gespielt zu werden, ein solches Spiel zu verreißen mit dem Argument "Das Spiel taugt nichts, weil keine Interaktion enthalten ist.", das ist aus meiner Sicht ein No Go. Das hilft nur Menschen, die diese Art von Spiel generell nicht mögen. Aber was ist mit dem Menschen, der diese Art von Spiel mag? Der also zur Zielgruppe gehört? Der möchte doch wissen, wie das Spiel im Vergleich zu anderen Spielen desselben Genres ist. Und wenn der Rezensent diese Info gar nicht liefern kann, dann sollte er aus meiner Sicht lieber ganz auf die Rezension dieses Spiels verzichten und stattdessen ein anderes Spiel rezensieren.

  • Ach so, nur weil DU ohne Interaktion nicht spielen würdest, ist dies also ein Kriterium, das man generell negativ benennen soll. Ja nee, is klar ...

    Ich habe "für mich" geschrieben, das war keine allgemeingültige Forderung. Wenn ich (!) ein Spiel bewerte, z.B. im Rahmen eines Spielberichtes hier bei Unknowns, dann ist totale Interaktionsarmut bei mir immer ein Minuspunkt. Wenn ich das so empfinde, dann sage bzw schreibe ich das auch. Aber selbstverständlich so, dass man nachvollziehen kann, woher ein eventueller negativer Gesamteindruck kommt, so dass derjenige, der mit Multiplayer-Solitär kein Problem hat, das entsprechend "herausrechnen" kann.


    Das von dir genannte Spiel (Take it Easy) kenne ich nicht, aber auch da würde ich es nicht wesentlich anders machen, wenn das Spiel z.B. nach einem Spieleabend als Absacker gespielt würde. Wenn mein Spielbericht dazu beiträgt, andere Leser davor zu warnen, dass irgendwas "parallel nebeneinander her spielen" bedeutet, so dass sie bei der Wahl des Absackers in ihrer nächsten Spielerunde sich im Zweifelsfalle für ein besseres Spiel aussprechen können, dann wäre für mich auch ein Ziel einer Spielebesprechung erreicht.


    Um es nochmal zu betonen: solange nachvollziehbar bleibt, warum man etwas gut oder schlecht findet, habe ich kein Problem damit, wenn einzelne Reviewer bestimmte Sachen mögen oder nicht mögen, und das muss dabei auch keineswegs mit meiner Meinung übereinstimmen.

  • Ziel- bzw. Käufergruppen anzusprechen fällt in den Bereich "Produktberatung". Mit "Kritik" im Sinne von "Kulturkritik" hat das aber nichts zu tun -- es sei denn, man unterstellt, dass "Kritik" und "Produktberatung" gleichbedeutend oder zumindest überwiegend deckungsgleich seien. Dass aber eben genau das der Denkfehler hierbei ist, stellt für mich die zwischen den Zeilen stehende Kernaussage von Synes Ernsts Beitrag dar.


    Übrigens ist es ja auch nicht so, als gäbe es dazu keine Fachbücher, auf die man sich dabei berufen könnte. Das Buch von Stephan Porombka "Kritiken schreiben" (UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz, 2006) liegt aufgeschlagen neben mir. Das Wort "Zielgruppe" kommt in diesem Buch noch nicht einmal vor. Darum würde mich schon interessieren, wo diese Zielgruppen-These überhaupt herkommt.


    Schnell nochmal zurück zum Thema "Wo sind die Vorzeigebeispiele für Brettspielkritiken, die Synes Ernsts Idealvorstellungen entsprechen?". Ich habe weiter oben danach gefragt, aber habe mich dabei nicht präzise genug ausgedrückt. Ich hätte besser konkret nach deutschsprachigen Beispielen fragen sollen, und das aus einem bestimmten Grund: Die wiederkehrende Diskussion um "Brettspiel-Journalismus 2.0", qualifizierte Kritiken, "Kulturgut" ... scheint ein (Medien-)Phänomen des deutschsprachigen Raumes zu sein. Okay, ich weiß tatsächlich nicht, ob und ggf wie darüber auch in Polen, Frankreich oder Portugal diskutiert wird, aber nimmt man die globale BGG-Community zum Vergleich, so fällt auf, dass dieser Themenkomplex dort deutlich weniger Aufmerksamkeit erfährt, und das sicher nicht darum, weil die Leute dort blöder oder weniger "kultiviert" wären, zumal die genannten Beispiele der unterhaltsamsten und anspruchsvollsten Kritiken auffallenderweise vor allem aus dem englischsprachigen Raum kommen.


    Mit anderen Worten: Es sind allem Anschein nach vor allem deutschsprachige Journalisten, die diese Themen auf der Agenda haben und immer wieder pushen. Und mir zumindest ist bislang eben keine deutschsprachige Brettspielkritiken bekannt, die diesen Höchstansprüchen an die eigene Qualität wirklich genügen würde. Ich sehe hier einfach eine ziemlich erstaunliche Diskrepanz. Dass Synes Ernst dabei nur eine Idealvorstellung formuliert, ist klar. Aber hey, so schwer kann's für solch profilierte Kritiker doch nicht sein, einen entsprechende Brettspielkritik auch tatsächlich einmal zu verfassen? Klar, Martin Kleins Rezensionen fallen mir auch positiv auf. Natürlich gibt es in unserer Sprache gibt es natürlich viel Lesenswertes. Nur sind das nach meinem Verständnis durch die Reihe eben nicht Kritiken, wie sie Synes Ernst vorschweben.

    Soziale Medien fügen Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu.

  • Hier laufen 2 Wünsche völlig gegeneinander:


    1. die wertfreie Produktrezension, die dem Leser ermöglicht, sich anhand der Informationen eine eigene Meinung zu bilden


    2. die emotionale Variante, wo Wert auf die persönliche Meinung des Bloggers gelegt wird


    Wenn man sich dann anschaut, warum Blogger überhaupt bloggen, kommt man ziemlich schnell darauf, warum es so wenig bis keine "Rezensionen" der ersten Variante gibt. Stilistisch kann man in beiden Varianten dieselben Informationen reinpacken, ohne Frage. Aber Variante 2 wird nunmal nie wertfrei sein, weil das nämlich normalerweise genau das ist, was die Blogger wollen: ihre persönliche, subjektive Meinung der Allgemeinheit mitteilen.


    Und dann ist vielleicht Würfelspiel xy "scheisse", nur weil der Blogger generell Würfelspiele blöd findet und bei einem anderen wäre genau das Spiel super toll gewesen. Was wird ihm denn hier vorgeworfen? Dass er keine Lust hat, echte Rezensionen zu schreiben? Weil er gar kein Kritiker sein will?


    Selbst unsere „Professionellen“ von der Spielbox schaffen es nicht, wertfrei zu bleiben. Sonst würde nicht der eine 8 Punkte und der nächste 5 Punkte geben. Spielen ja alle dasselbe Spiel mit objektiv denselben Mechaniken, die immer gleich funktionieren.


    Bierbart


    Das Buch beschreibt das Schreiben von Buchkritiken. Spiele sind aber keine Bücher. Spiele haben eine Mechanik und Spieler, die zum „Gelingen“ beitragen müssen. Bücher kann man einfach konsumieren. Und dann interpretieren „was hat der Autor gemeint“ usw. Eine Mechanik funktioniert oder sie funktioniert nicht. Nur selbst mit funktionierender Mechanik kann die Bewertung unterschiedlich ausfallen

    >>>>Maximal genervt von der Wattebauschfraktion<<<<

    3 Mal editiert, zuletzt von Bandida ()

  • Selbst unsere „Professionellen“ von der Spielbox schaffen es nicht, wertfrei zu bleiben

    Könnte daran liegen, dass es eine Einteilung, wie von Dir vorgenommen, so gar nicht gibt? Natürlich sollen Kritiken werten und voller Emotionen sein! Aber doch bitte fundiert!

    Das Buch beschreibt das Schreiben von Buchkritiken.

    Bierbart Womit ja schon das Zielpublikum fest steht. Ein Buch über Buchkritiken geht implizit von Bücherlesern aus. Ein Kochbuch mit lauter Schnitzelrezepten richtet sich auch nicht an Veganer, auch wenn das vielleicht nicht in der Einleitung extra drin steht.

  • Wenn ich (!) ein Spiel bewerte, z.B. im Rahmen eines Spielberichtes hier bei Unknowns, dann ist totale Interaktionsarmut bei mir immer ein Minuspunkt.

    Aber genau darum geht es hier doch überhaupt nicht. Was du hier im Forum als Spielbericht schreibst, hat nichts mit dem zu tun, über das wir hier aus meiner Sicht gerade reden ...

    Und dann ist vielleicht Würfelspiel xy "scheisse", nur weil der Blogger generell Würfelspiele blöd findet und bei einem anderen wäre genau das Spiel super toll gewesen. Was wird ihm denn hier vorgeworfen? Dass er keine Lust hat, echte Rezensionen zu schreiben? Weil er gar kein Kritiker sein will?

    Kann es sein, dass du den Artikel von Synes Ernst gar nicht gelesen hast? Nach meinem Verständnis sagt er, dass es zur Zeit an Kritiken bzw. Rezensionen mangelt, welche sich qualitativ nicht hinter Buchkritiken verstecken müssen. Das heißt aber eben NICHT, dass nun ALLE Blogger nur noch hochwertige Kritiken verfassen sollen.

  • Thygra

    Und dann ist vielleicht Würfelspiel xy "scheisse", nur weil der Blogger generell Würfelspiele blöd findet und bei einem anderen wäre genau das Spiel super toll gewesen. Was wird ihm denn hier vorgeworfen?

    Hier wie "hier in diesem Forum".


    Nein den Grundsatz habe ich schon verstanden Thygra. Meine Frage war ja "Wer soll diese hochkarätigen Rezensionen schreiben", denn der gemeine Blogger hat eben gar nicht den Anspruch, eben das zu tun. Die Kritik von Synest Ernst kann also an den Bloggern nur vorbei gehen. Nur an wen richtet sich nun sein Beitrag?

    >>>>Maximal genervt von der Wattebauschfraktion<<<<

  • Bandida  DamonWilder Das von mir erwähnte Fachbuch ist keine Einführung in die Literaturkritik. Es ist ein Werk, das allgemeingültige Prinzipien einer kulturkritischen Auseinandersetzung darstellt -- unter anderem eben dadurch, dass es Beispiele aus der Literaturkritik heranzieht. Die Grundsätze aber kann man ohne Einschränkung auf eine Brettspielkritik anwenden.

    Soziale Medien fügen Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu.

  • Meine Frage war ja "Wer soll diese hochkarätigen Rezensionen schreiben", denn der gemeine Blogger hat eben gar nicht den Anspruch, eben das zu tun.

    Warum sprichst Du Dich eigentlich für die ganze Blogosphäre aus? Vielleicht wollen einige ja wirklich richtige Rezensionen schreiben und können es nur nicht? Oder wissen gar nicht, was das ist?

  • "Wo sind die Vorzeigebeispiele für Brettspielkritiken, die Synes Ernsts Idealvorstellungen entsprechen?"

    Dazu gehören sicher in weiten Teilen die Kritiken von Guido Heinecke auf dem deutschsprachigen Tric Trac Blog, der aber leider 2015 (?) 2016 eingestellt wurde (nicht mangels Erfolg). Und natürlich - aus meiner Sicht die beste deutschsprachige Kritikerseite: Renzensionen für Millionen von Udo Bartsch, der schon lange Journalist in diesem Bereich ist.

  • Ich ärgere mich zum Beispiel jedes Mal, wenn ein "Rezensent" einem Multiplayer-Solitärspiel (wie z. B. Take it easy) vorwirft, es hätte keine Interaktion. Da hat dann auch jemand die Zielgruppe nicht verstanden ...

    Ist das dann konträr zu dem immer wieder laut werdenden Ruf, dass keine Zielgruppen "erfunden" werden sollen, sondern er Rezensent sagen soll, was er davon hält?

    Was hat das denn mit dem Erfinden von Zielgruppen zu tun. Wenn ein Spiel eine gewisse Intention des Autors umsetzt, aus der eine Zielgruppe deutlich wird, was ja nicht immer der Fall ist, dann wird die nicht herbeigeredet. Aber es wäre doch ein Unding hervorzuheben, dass ein Spiel Mist ist, weil es Spieler nicht mögen, für die es gar nicht gemacht ist.


    Ziel- bzw. Käufergruppen anzusprechen fällt in den Bereich "Produktberatung".

    Da hast du etwas missverstanden. Es geht nicht darum, die Zielgruppe anzusprechen, sondern das Spiel vor dem Hintergrund der angestrebten Zielgruppe zu bewerten. Das ist etwas völlig anderes.

    Hier laufen 2 Wünsche völlig gegeneinander:


    1. die wertfreie Produktrezension, die dem Leser ermöglicht, sich anhand der Informationen eine eigene Meinung zu bilden


    2. die emotionale Variante, wo Wert auf die persönliche Meinung des Bloggers gelegt wird

    Nein. Und zwar gar nicht.

    Wertfreie Produktrezensionen gibt es aus meiner Sicht nicht. Kann es nicht. Denn eine Rezension ist zwingend mit einer Wertung verbunden. Beides ist auch nicht getrennt zu sehen. Du kannst doch wunderbar emotional schreiben und TROTZDEM das Spiel in seinem Wesen in den Mittelpunkt stellen. Genau darum geht es doch.

    Und bitte zieh dich nicht auf "Ich bin nur eine kleine Bloggerin" zurück. Wenn du Rezensionen schreiben willst, schreib Rezensionen. Wenn du das nicht kannst, schreib keine. Wenn deine Rezensionen etwas anderes sind, ist das so. Das hat aber nichts damit zu tun, was in eine Rezension per Defiition hineingehört oder nach Meinung von Synes bei einem Vergleich zur Kulturrezension enthaltenten sollte. Deine Ansprüche sind nicht entscheidend für das Wesen einer Rezension. Du musst die Perspektiove wechseln. Es geht nicht um dich oder Blogger. Es geht darum, was eine Rezension ausmacht/ausmachen sollte. Wer das dann umsetzt oder nicht, ist eine völlig andere Frage.

    Ich brauche eigentlich nur zwei Bewertungen: "Das spiel rockt" :punk: und "Das Spiel ist Schrott":down:.


    Ja, das ist verbreitet. Das erfüllt die Erwartungen und auch den Zweck. Aber genau das ist eben KEINE Rezension. Wenn wir über Rezensionen im Sinne von Kulturrezensionen sprechen geht es eben um ertwas anderes. Wie gesagt: Macht doch, was ihr wollt, lest, was ihr wollt. Aber das Wesen einer Rezension beinhaltet duetlich andere Dinge als nur zu sagen: "Geil, weil es mir gefällt" oder eben anders herum.


    Die Info, dass ein Spiel keine oder wenig Interaktion enthält, gehört selbstverständlich in eine Rezension, und zwar bei der inhaltlichen Auseinandersetzung. Aber diese Info muss wertfrei sein!

    Da stimme ich dir nur teilweise zu.

    Ich auch. Dafür aber weitgehend dir.
    Richtig ist, dass auf die fehlende Interaktion als zentraler Bestandteil des Mechanismus hingewiesen werden sollte. Richig ist auch, dass klar werden muss, dass dies gewollt ist. Es wäre aber falsch, daraus abzuleiten, dass diese nicht negativ sein kann. Im Zusammenspiel mit anderen Aspekten der Beurteilung kann es sehr wohl dazu führen, dass dieser Teil einen Minuspunkt ausmachen kann. Allerdings muss klar sein, dass dies so gewollt ist.


  • Die Grundsätze aber kann man ohne Einschränkung auf eine Brettspielkritik anwenden.

    Ich möchte den Blogger sehen, der sich stundenlang in ein Cafe setzt, um Beobachtungen an den Menschen zu machen, ein Journal zu seinen Beobachtungen macht, nur um dann die Texte "zum Leuchten zu bringen" und alles kontextualisiert und symptomatisiert ;)


    Aber ich will dir mit dem Buch gar nicht widersprechen. Die Frage ist, wie praxisnah das ist. Grundsätze natürlich sehr gut.


    Warum sprichst Du Dich eigentlich für die ganze Blogosphäre aus? Vielleicht wollen einige ja wirklich richtige Rezensionen schreiben und können es nur nicht? Oder wissen gar nicht, was das ist?

    Weil wir das Thema nicht zum ersten Mal haben und bisher alle Blogger, die sich hier tummeln und sich gemeldet haben (inkl. H&C) gesagt haben, dass sie gar nicht den Anspruch haben


    Und bitte zieh dich nicht auf "Ich bin nur eine kleine Bloggerin" zurück. Wenn du Rezensionen schreiben willst, schreib Rezensionen. Wenn du das nicht kannst, schreib keine. Wenn deine Rezensionen etwas anderes sind, ist das so. Das hat aber nichts damit zu tun, was in eine Rezension per Defiition hineingehört oder nach Meinung von Synes bei einem Vergleich zur Kulturrezension enthaltenten sollte. Deine Ansprüche sind nicht entscheidend für das Wesen einer Rezension.

    Auch wenn ich nicht mehr blogge: ich habe das ja jetzt verstanden, dass es beispielsweise Thygra speziell darum ging, dass man das Kind nicht Rezension nennt, wenn man die dafür erforderlichen Punkte nicht beachtet. Völlig ok. Und es geht nicht um meine Ansprüche an eine Rezension. Ich sage lediglich, dass viele Blogger sagen, dass sie gar nicht den Anspruch haben eine zu schreiben (und es vllt. trotzdem so nennen, wobei da viele mittlerweile den Titel geändert haben)

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  • Richtig ist, dass auf die fehlende Interaktion als zentraler Bestandteil des Mechanismus hingewiesen werden sollte. Richig ist auch, dass klar werden muss, dass dies gewollt ist. Es wäre aber falsch, daraus abzuleiten, dass diese nicht negativ sein kann.

    Dies hatte ich auch nicht gemeint. Wie ich später selbst bereits schrieb, könnte man zunächst inhaltlich wertfrei darstellen, dass das Spiel keine Interaktion enthält - und unbedingt auch, dass dies gewollt ist, weil das gerade der Charakter des Spiels ist. Und wenn man später seine persönliche Meinung über das Spiel von sich gibt, kann man natürlich auch deutlich machen, dass man dies als negativ empfunden hat.

  • Ziel- bzw. Käufergruppen anzusprechen fällt in den Bereich "Produktberatung".

    Da hast du etwas missverstanden. Es geht nicht darum, die Zielgruppe anzusprechen, sondern das Spiel vor dem Hintergrund der angestrebten Zielgruppe zu bewerten. Das ist etwas völlig anderes.

    Der Anspruch, ein Spiel vor dem Hintergrund der angestrebten Zielgruppe bewerten zu wollen, wie du es ausdrückst, das wäre meinem Verständnis nach sogar eine ziemlich treffende Definition von Produktberatung.


    "Zielgruppe" -- das ist eine Begrifflichkeit aus dem Marketing. Es ist nach meinem Stand des Wissens kein Begriff aus der Kritik. Falls doch, wo steht das? (Ich frage erstens, weil es mich tatsächlich interessiert, und zweitens, weil ich den Verdacht habe, dass du deine Zielgruppen-These im Zusammenhang mit der Kulturkritik aus der Luft greifst.)

    Soziale Medien fügen Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu.

  • Auch wenn ich nicht mehr blogge: ich habe das ja jetzt verstanden, dass es beispielsweise Thygra speziell darum ging, dass man das Kind nicht Rezension nennt, wenn man die dafür erforderlichen Punkte nicht beachtet. Völlig ok. Und es geht nicht um meine Ansprüche an eine Rezension. Ich sage lediglich, dass viele Blogger sagen, dass sie gar nicht den Anspruch haben eine zu schreiben (und es vllt. trotzdem so nennen, wobei da viele mittlerweile den Titel geändert haben)


    Das hat halt nur mit dem Thema nicht viel zu tun. Die Forderung muss ja niemand erfüllen. Aber Synes erklärt aus meiner Sicht zurecht, dass es vielen Formaten an diesem inhaltlichen Anspruch fehlt. Das heißt aber nicht, dass es die nicht geben darf.

    Das gehört jetzt nur bedingt in diesen Thread. Aber ... Es ist aber in meinen Aufgen auch keine Entschuldigung, sich auf "ich bin ja nur Blogger" zurückzuziehen. Denn die richten sich an die Öffentlichkeit. Dann sollen sie bitte auch gute - wie auch immer definierte - Arbeit liefern. In dem Zusammenhang stellt sich dann halt aber schon die Frage: Ja, was wollen die denn dann? Unterhaltung bieten, das eigene Ego befriedigen? Dafür dann aber REZENSIONSexemplare von den Verlagen anfordern, die anderen Formaten fehlen? Das passt irgendwie nicht zusammen. Was bieten die denn Lesern und Zuschauern, wenn sie sich NICHT mit einem Spiel wirklich auseinandersetzen wollen? Was ist das denn für ein Selbstverständnis? Spiele sind das zentrale Medium in der Spieleszene. Wenn sie dem Spiel aber als Werk nicht gerecht werden wollen, warum betreiben sie dann überhaupt einen Blog? Kaufempfehlungen können es ja auch nicht sein. Denn die sollten ebenfalls fundierter sein. Ich verstehe es nicht. Mir fehlt bei vielen Blogs ganz ehrlich der Anspruch an die eigene Tätigkeit. Inhaltlich nichts sagen außer "toll" oder "doof" und dabei lieb lächeln? Ist es das? Ey, das ist zu wenig. Ehrlich. Aber gut, auch die BILD hat viele Leser. Wobei die zumindest handwertklich in Bezug auf ihr Ziel und natürlich bei einem anderen Status deutlich (!) besser sind.

    Und das alles ist möglicherweise auch ein Ansatzpunkt, warum die Fairplay "damals" mal "wild" auf Teilen des Bloggerwesens rumgehackt hat. Ich hatte die Kritik damals sehr gut nachvolluziehen können. Bei vielen darf man sich eben schon fragen, was das denn sein soll, wenn nicht ein öffentlicher Egotrip ohne Mehrwert.

  • Bierbart

    Es ist übrigens SEHR WOHL wichtig, die Zielgruppe zu beachten. Nicht im Sinn, dass schlechte Spiele "als Familienspiel reichen". Aber es ist einer guten Rezension unwürdig, als Experte und Kritiker die gleichen Maßstäbe für die Spieltiefe und Möglichkeiten bei Gloomhaven und Memory anzulegen. Das ist sogar ein gutes Beispiel für die oben genannte Diskrepanz: Wer das Spiel mit Zielgruppe, Eigenheiten und Mechanismen und Besonderheiten in seiner Rezension nicht in den Mittelpunkt stellt und in einen Kontext mit ähnlichen Spielen - offen nachvollziehbar oder hintergründig - bringt, wird keine gute Rezension verfassen können. Jedenfalls nicht, eine die der Intention von Synes Ernst entspricht.

  • Dass man bei Gloomhaven und Memory andere Maßstäbe anlegt, hat aber in erster Linie mit dem Spiel selbst zu tun, also mit den Eigenheiten und Mechanismen und nicht mit der Zielgruppe. Die ist wohl die Folge davon.


    Aber damit muss sich die Rezension ja nicht beschäftigen. Außer vielleicht, wenn ein Verlag auf die Schachtel schreibt, dass das Spiel der nächste Knaller für Expertenspieler sei, tatsächlich aber ein Spiel à la Tempo kleine Schnecke drin steckt.

  • Genau Alex85 Das Problem ist aber, dass viele Kritiker ein Spiel gern mal schelcht machen, weil sie Gloomhavben mögen und ein Memory vor sich haben. Das meine ich. Die Zielgruppe ist daher bei Spielen schon wichtiger als bei Filmen oder Büchern. Ich kann mich gern darauf einigen, dass sie ein Produkt aus den anderen Wesensmerkmalen des Spiels ist. Aber dennoch muss sie als Sinnbild für das, was ein Spiel sein soll, berücksichtigt werden. Sonst kommt es zum Verriss, weil Memory keine Miniaturen enthält. Ich denke, es ist klar, was ich meine.


    Und Bierbart: Niemand hat gesagt, dass eine Rezension oder die geforderte Kulturrezension keine Produktberatung sein kann. Logisch soll der potenzielle Käufer wissen, ob es sich für ihn lohnt. Der Weg führt aber über die Auseinandersetzung mit dem Werk/Spiel.

  • Der Anspruch, ein Spiel vor dem Hintergrund der angestrebten Zielgruppe bewerten zu wollen, wie du es ausdrückst, das wäre meinem Verständnis nach sogar eine ziemlich treffende Definition von Produktberatung.

    Schon richtig. Aber wenn du die Perspektive wechselst von der Einteilung der Konsumenten (Spieler, Zuschauer, Leser, etc.) zu einer dazu weitgehend korrespondierenden Einteilung des besprochenen Kulturgutes in Subgenres, also in unserem Falle z.B. Familienspiele, Expertenspiele, Absacker, etc., dann bist du dann doch wieder bei Kategorien, die in Rezensionen zuhause sind. Wenn wir Thygra s Punkt mal als "bespreche Absacker mit den Maßstäben für Absacker und Expertenspiele mit den Maßstäben für Expertenspiele" umschreiben, dann wäre ich da ganz bei ihm. Diesen Schritt zu den Genres muss man aber schon machen. Beim "Zielgruppen gehören nicht in Rezensionen" wäre ich nämlich eher bei dir.

  • Ist es dann gar so schlimm?


    Habe mir in letzter Zeit vermehrt Rezensionen/Videos angeschaut und inhaltlich haben viele einen guten Job gemacht und auch gut analysiert. Am Unterhaltungswert lässt sich natürlich noch arbeiten.


    Und weil DamonWilder Guido Heinecke angesprochen hat: Guidos Texte zeichneten sich nicht nur dadurch aus, dass sie gut analysiert waren. Guido Heinecke zeichnete sich vor allem durch seinen besonders unterhaltsamen Schreibstil aus. Und das wird einem zu einem guten Teil mit in die Wiege gelegt. Ist aber inhaltlich am Thema vorbei.


    Es ist aber in meinen Aufgen auch keine Entschuldigung, sich auf "ich bin ja nur Blogger" zurückzuziehen. Denn die richten sich an die Öffentlichkeit. Dann sollen sie bitte auch gute - wie auch immer definierte - Arbeit liefern.

    Ich weiß echt nicht wie du immer darauf kommst, dass du irgendeinem Blogger vorschreiben könntest, was er zu tun oder zu lassen hat. Woher nimmst du dir das Recht denn raus? Ich sage dir doch auch nicht, wie du deine Texte zu schreiben hast. Du kannst das ja gut oder doof finden, das ist deine persönliche Meinung. Aber du hast doch überhaupt gar keine Forderungen an die Freizeitgestaltung eines Individuums zu stellen. Und selbst WENN derjenige das nur macht, um sich selbst labern zu hören.


    NOCH liegt es im Ermessen der Verlage, ob sie Rezensionsexemplare rausrücken oder nicht.

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  • Nur um nochmal einige der hier angeführten Argumente aufzugreifen:


    Zum Thema "Synes Ernst meint nicht die Blogger":


    Zitat

    Die Grundlage für eine Spielekritik, die diesen Namen auch verdient, ist die Kenntnis des Gegenstands, über den man schreibt (oder ein Video macht)

    Wie viele professionelle Journalisten machen Videos?



    Zum Thema "man muss ein Spiel nicht so oft spielen:

    Zitat

    Dazu muss man ein Spiel mehrmals in verschiedenen Gruppen in unterschiedlicher Zusammensetzung spielen. Welche Potenziale in einem Spiel stecken, offenbart sich erst nach mehreren Runden. Was in einer Gruppe für tolle Stimmung sorgt, kann in einer anderen total in die Hosen gehen. Wer glaub- und vertrauenswürdige Aussagen über einen Titel machen will, besonders auch über seine Langzeitwirkung, muss eins: spielen, spielen und nochmals spielen. Ich staune, wie oft diese Grundvoraussetzung für eine kompetente Kritik missachtet wird.


    Zum Thema "Regelnacherzählung":


    Zitat

    Die oberflächliche, schnelle Besprechung erkennt man meistens daran, dass sie schwergewichtig die Spielanleitung nacherzählt. Langweilige Schachtelhuberei ist das, überflüssig dazu, da heute jeder Verlag die Regeln seiner Spiele ins Internet stellt oder in einem Video ausführlich zeigt, wie ein Spiel läuft.

    Wer macht das denn heute noch? Die meisten Blogger haben mittlerweile den Regelteil gesplittet und/oder fassen das Spiel grob zusammen. Aber wer leiert denn noch die Regeln 1:1 runter? (auch hier erkennt man übrigens, dass er sehrwohl die Bloggerszene meint, denn in der Spielbox o.ä. hab ich noch nie ne Regelnacherzählung gelesen)



    Zum Thema "Emotionen":


    Zitat

    Ohne Spielregeln gibt es zwar kein Spiel, aber die Spielregeln allein machen das Spiel nicht aus, bei weitem nicht. Kommt hinzu, dass man alle technischen Details schon längst wieder vergessen hat, wenn man den „besprochenen“ Titel selber einmal spielen will. Ganz anders, wenn ich in der Kritik gelesen habe, welche Emotionen ein bestimmtes Spiel ausgelöst hat und warum – daran erinnere ich mich noch lange.

    Fazit: Die gute Kritik stellt das Spielerlebnis ins Zentrum. Das macht sie lebendig und verleiht ihr im Gegensatz zum Nachbeten der Spielregeln Individualität und Farbe. Vorausgesetzt, die Autorin oder der Autor verfügen über die notwendige Sprachkompetenz, um die durch das Spiel ausgelösten Emotionen auch angemessen zu beschreiben.

    Richtig, denn ohne Emotionen ist ein Spiel nichts. Emotionen sind nicht das "Beiwerk", das man mal eben im Nebensatz abhandeln kann, sie sind der zentrale Bestandteil eines Spiels.



    Zum Thema "Kontextualisierung":


    Zitat

    Doch der Innenblick auf das Spiel reicht mir noch nicht. Ich möchte, dass die Spielkritik den Blick für andere Bereiche der Kultur öffnet und mir zeigt, ob und welche thematischen Beziehungen zwischen dem Spiel und Werken aus Literatur, Theater oder Film bestehen. Diese Integrationsleistung ist zwar schwierig, aber warum kann die Spielkritik nicht, was in der Literaturkritik zum Handwerk gehört?

    Wer setzt sich denn jetzt mit seinen Kumpels abends beim Bier zusammen, legt Conan auf den Tisch, um dann das Thema "Sex im Brettspielbereich" zu erörtern? Will der Leser das wirklich wissen? Man kann bestimmt mal eine Anekdote dazu anbringen, wenn es grad passt (Beispiel die wahre Begebenheit zu Bloody Inn) aber für gewöhnlich ist die Thematik bei den meisten Spielen aufgesetzt. Spiele bieten meistens gar nicht das, was hier bei Büchern geleistet werden kann. Spiele SIND keine Bücher.



    Zum Thema "Zielgruppe":


    Zitat

    Eine klare Linie wiederum kann nur verfolgen, wer nach allen Seiten gleiche Distanz hält und auf keinerlei Interessen, ausser auf jene seines Publikums, Rücksicht nimmt.

    Richtig, denn jeder schreibt für SEINE Leser. Ich habe beispielsweise für Solospieler geschrieben und was ich geschrieben habe, hat oft so rein gar nix mit der Sichtweise eines Mehrspielers zu tun gehabt. Wer über Kinderspiele schreibt, wird einen völlig anderen Eindruck von einem Spiel haben, als jemand, der für Erwachsene schreibt und zufällig mal ein Spiel mit 8+ auf dem Tisch hatte



    Und abschließend zum Thema "wie verfasst man eine Rezension":


    Zitat

    Ich will von der Kritik keine Wischiwaschi-Aussagen, sondern ein eindeutiges Urteil, so subjektiv es auch ist. Solange für das Publikum eine Kritik nachvollziehbar ist, egal ob Verriss oder Empfehlung, solange weiss es diese auch einzuordnen. Und das, obwohl es allgemeingültige Kriterien für die Spielkritik nicht gibt.

    dazu passend:


    Zitat

    Über Literatur-, Kunst-, Theater- und Filmkritik findet man ganze Bücher, seitenweise Abhandlungen oder Wikipedia-Einträge. Für die Spielekritik gibt es das nicht.


    Ausrufezeichen Ausrufezeichen Ausrufezeichen

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    4 Mal editiert, zuletzt von Bandida ()

  • Genau Alex85 Das Problem ist aber, dass viele Kritiker ein Spiel gern mal schelcht machen, weil sie Gloomhavben mögen und ein Memory vor sich haben. Das meine ich. Die Zielgruppe ist daher bei Spielen schon wichtiger als bei Filmen oder Büchern. Ich kann mich gern darauf einigen, dass sie ein Produkt aus den anderen Wesensmerkmalen des Spiels ist. Aber dennoch muss sie als Sinnbild für das, was ein Spiel sein soll, berücksichtigt werden. Sonst kommt es zum Verriss, weil Memory keine Miniaturen enthält. Ich denke, es ist klar, was ich meine.

    Okay, das sehe ich auch so. Aber dieser Zielgruppenbezug kommt ja durch die Einordnung des Spiels, die gefordert wird, automatisch zu Stande. Aber auch bei Filmen und Büchern ist das genauso wichtig. Vgl. Horrorfilm vs. Liebeskomödie oder Agententhriller vs. Lustiges Taschenbuch o.ä.

  • Mensch, Bandida, erstens zitier mich nicht in halben Aussagen. Der Rest wäre genau passend als Ergänzung gewesen. Zweitens sind deine drei Ausrufezeichen ja genau der Grund dafür, warum die Forderung von Synes überhaupt zu diskutieren ist. Sonst wäre ja alles klar.

    Aber noch einmal: Wer sich an die Öffentlichkeit richtet, hat doch einen wie auch immer gearteten Anspruch. Du kannst ja sagen, dass es dir egal ist, was die Öffentlichkeit von deinen Veröffentlichungen hält. Dass die dann aber kritisiert werden dürfen, weil etwas fehlt oder es an Anspruch mangelt oder dem Spiel nicht gerecht wird oder, oder, oder. Das solltest du dann allen zusprechen. Genau das scheinst du aber nicht zu machen. Du stampfst mit dem Fuß auf und wetterst: "Wer soll das machen, wir wollen das doch gar nicht. Immer diese Regeln." Tja, dein gutes Recht. Aber keine "Ausrede" dafür, dass deine Veröffentlichungen dann eben genau das nicht sind, was Synes und andere wünschen. Was bringt es aber denn Lesern, Verlagen und Autoren, wenn du dich nicht ausreichend mit einem Spiel befasst? Und genau das ist doch der Kern, der Hauptkritikpunkt.

  • Reich der Spiele  MetalPirate
    Da bin ich nicht bei euch. Eine Kulturkritik möchte ein beliebiges kulturelles Werk ganzheitlich betrachten. Ob der Rezipient daraus eine Empfehlung für sich ableiten kann oder nicht, sollte dabei keine Rolle spielen. Daher halte ich es für fundamental falsch, eine Rezension bzw. Kritik von vornherein auf einen bestimmten Empfängerkreis zuzuschneiden.


    Ich kann mich daran erinnern, dass du einmal erwähntest, gerne DLF zu hören, MetalPirate? Mache ich auch gerne. Wir sind daher vermutlich beide ganz gut vertraut mit der Art und Weise, wie auf diesem Sender Theaterinszenierungen und literarische Werke rezensiert werden. :) Ich kann mich nicht daran erinnern, in diesen Formaten jemals etwas darüber gehört zu haben, für welche Zielgruppe ein Buch oder eine Aufführung oder auch ein Film geeignet seien. (Wobei das sicher ab und zu sehr lustig wäre: "Der neue Roman von Paolo Coelho bedient in seiner von unerträglichem Kitsch überfrachteten Sprache ein weiteres mal den Eskapismus gelangweilter Zahnarztgattinnen aus Hamburg-Blankenese", oder etwa in der Art). ;)


    Entsprechend wäre meine Herangehensweise an eine Spielekritik: Ich mag beispielsweise kein einziges Spiel von Uwe Rosenberg. Agricola hasse ich regelrecht (weil es all das verkörpert, was mir an Euros nicht gefällt). ABER: Eine Kritik, die dieses kreative Werk versteht und richtig einordnet, das seine Bedeutung für die Entwicklung des Genres würdigen kann, die ein Verständnis für die verschiedenen Facetten des Hobbys Brettspiel zeigt -- die würde ich sofort lesen und außerordentlich wertschätzen. Oder anhören und wertschätzen. Oder anschauen und wertschätzen. Ganz klar!

    Soziale Medien fügen Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu.

    Einmal editiert, zuletzt von Bierbart ()

  • Mensch, Bandida, erstens zitier mich nicht in halben Aussagen.

    Du bist echt gut darin, anderen Vorschriften zu machen :lachwein:


    Was fehlt denn so wichtiges in dem von mir zitierten Teil? Die Kernaussage von dir ist, dass irgendjemand irgendwas zu liefern hätte. Punkt. Warum irgendjemand überhaupt zu liefern hätte, diese Erklärung bleibst du leider schuldig. Solange ich nicht rechtswidrig handle, kann ich veröffentlichen, was und wo ich will. Und wenn ich auch nur ein Video drehe, wie ich ein Spiel vom Dach des 5. Stockwerkes schmeiße.


    Solange es keine Regeln gibt, wüsste ich übrigens auch nicht, woran man sich orientieren sollte, selbst wenn man denn wollte. Und anhand derer dann irgendjemand entscheiden könnte, ob etwas gut oder schlecht ist. Die Bewertung von Rezensionen ist nämlich ebenfalls rein subjektiv.


    Wie gesagt: wünschen könnt ihr viel. Ihr könnt es auch alle 6 Monate aufs Neue wünschen und dann wieder darüber diskutieren, warum denn verdammt nochmal niemand diesem Wunsch entspricht.


    Aber da du ja Journalist bist und zufällig ne eigene Seite hast: mach doch mal. Entsprech doch mal deinen Wünschen 8-))

    >>>>Maximal genervt von der Wattebauschfraktion<<<<

  • Der DLF hat eine klare Zielgruppe, und so sind dann auch die Rezensionen auf einem gewissen inhaltlichen und sprachlichen Niveau. Und dessen sind sich die Rezensenten dort auch sicher bewusst, oder sollten es zumindest sein.

    Wenn man seine Zielgruppe nicht kennt, dann kann man zwar eine Rezension verfassen, weiß aber überhaupt nicht ob sie Leser erreicht.

    Es macht einen deutlichen Unterschied ob ich ein Fachpublikum adressiere, generell Interessierte, oder den 0815 Rezipienten. Darum geht es, nicht um eine Zielgruppe aus Marketingsicht, oder die Empfehlung für eine Zielgruppe. Es gibt aber auch Rezensionen die das bieten, und sagen wenn Du Interaktion magst Finger weg, usw...

  • Wie viele professionelle Journalisten machen Videos?

    Mindestens einer.

    Spiele SIND keine Bücher.

    Das ist korrekt. Deshalb bringen auch alle Versuche nichts, Inhalte aus Buchkritiken 1:1 in Spielkritiken umsetzen zu wollen. Das will aber auch Synes Ernst gar nicht: "Also verdiente das Spiel eine Kritik, die den Vergleich mit der Literaturkritik nicht zu scheuen braucht." Er schreibt nicht, dass eine Spielekritik wie eine Buchkritik sein soll, sondern dass sie so sein soll, dass sie den Vergleich nicht zu scheuen braucht. Ein ganz wichtiger Unterschied.