Alles anzeigenEine ausgedehte 2er Partie #ThisWarOfMine mit Neustart. Gespielt wurde 3,5 Stunden.
Was ein fantastisches Spiel! TWoM gehört für mich zum besten, was seit Jahren gedruckt und auf Spieletischen ausgelegt wurde! Doch ist das ein Spiel für Jedermann/-frau? Auf keinen Fall!
Was macht es?
TWoM ist eigentlich gar kein Spiel. Es ist ein Erlebnis. Obwohl diese Aussage oft als Qualitätsmerkmal genutzt wird, trifft sie hier tatsächlich zu. Denn an spielerischen Komponenten verbirgt sich hier recht wenig. Meistens würfeln wir einfach nach Ergebnissen wie in einem Rollenspiel, manchmal haben wir einen Push-Your-Luck-Mechanismus und versuchen unsere Würfelwürfe mit modifizierenden Gegenständen zu verbessern. Wer ein Spiel mit weitreichenden Handlugnsmöglichkeiten und tollen Mechanismen erwartet, der wird hier enttäuscht werden.
Stattdessen aber erzählt das Spiel eine Geschichte, immer wieder aufs neue. Wie viele schon in Reviews und Podcasts sagten: Das Spiel bringt etwas völlig neues, denn es gibt als Ergebnis von Proben Flavortexte aus, die meistens keinen spielerischen Effekt haben, sondern nur die Geschichte weiter erzählen. Und die hat es in sich!
Wie ist es im Vergleich zum PC-Spiel?
Meiner Meinung nach ist das Brettspiel wesentlich besser als das PC-Spiel und in diesem habe ich etliche Stunden verbracht. Der fehlenden Soundkulisse kann man über YouTube (und dem offiziellen Soundtrack) auf die Sprünge helfen. Das Management der vielen Karten ist im Brettspiel natürlich etwas aufwändiger, aber bei weitem nicht so schlimm wie es aussieht. Alles hat seinen Platz und ist bei Bedarf in wenigen Minuten auf bzw. abgebaut. Inkl. Speicherungseffekt. Es sieht also wesentlich schlimmer aus als es in der Praxis dann ist.
Was das Brettspiel aber sehr stark vom PC-Spiel abhebt - und zwar im positiven Sinne - ist die Phase der Plünderungen. Hier treffe ich auf andere Menschen, muss überlegen, ob ich ihnen traue, habe Begegnungen, fälle Entscheidungen. Kurz gesagt: hier passiert am meisten und ich blättere mehr als sonst im Geschichtenbuch. Die Mechanik der Erkundungskarten, die quasi als Zeiteinheiten dienen, die ich aktiv aufwänden kann um bestimmte Dinge zu tun, dabei jedoch immer eine Wahl habe, ist fantastisch und thematisch gelöst!
Im PC-Spiel dagegen verkommt die Plünderungsphase zu einem Minigame in Echtzeit, in dem ich versuche in den mir gegebenen (unbeeinflussbaren) Minuten möglichst viele Räume zu erkunden. Tendenziell hat es dieselben Begegnungen wie das Brettspiel auch, aber im PC-Spiel lernt man eines ganz schnell: Nahrung ist knapp. Wasser noch knapper. Wenn ich überleben möchte, muss ich so schnell wie möglich so viel wie möglich davon finden. Nach den ersten paar Plünderungen kann man ganz unbewusst dazu verfallen, die Räume einfach nur durchzuhasten und eventuelle geschichtsträchtige Begegnungen, die hier eigentlich nur Zeit kosten, auszulassen. Zwar ist das Spiel nicht so gedacht gespielt zu werden, aber man verfällt recht schnell in diesen Modus.
Das Brettspiel nimmt sich für solche Geschichten wesentlich mehr Zeit. Wenn ich auf eine Person treffe, dann kann ich bewusst entscheiden die Zeit dafür zu nehmen oder lieber weiter zu suchen. Ich sehe, wieviel Zeit ich noch zur Verfügung habe und kann sogar durch Abkürzungen mehr Zeit herausschlagen. Das fühlt sich wesentlich besser an und hat einen noch größeren Effekt.
Fazit
Und genau darum geht es: Um den Effekt. Man schaut sich auch nicht jederzeit Filme wie James Ryan an. Dazu muss man in einer gewissen Stimmung sein. Und genau hier passt TWoM ebenfalls. Es kommt selten auf den Tisch. Es ist ein schweres Spiel, das uns auch nach der Partie noch über das Geschehene nachdenken lässt. Darüber hinaus ist das aber auch überhaupt kein Problem, denn das System des einfach losspielens ohne zuvor Regeln zu lesen funktioniert meiner Meinung nach perfekt! Ja, man kann anfangs nicht alles wissen, aber genau darum geht es ja gerade. Man muss mit dem zurecht kommen, was man weiß und was man zur Verfügung hat. Mit euromechanischen Grundsätzen darf man diesem Spiel nicht begegnen. Hier geht es um die Geschichte, nicht um die beste Vorbereitung oder die klügsten Entscheidungen. Wer sich darauf nicht einlassen kann, wird mit TWoM nicht glücklich werden.
Epilog
Unsere drei Damen haben den Krieg leider fast nicht überlebt. Die erste wurde von Banditen angeschossen, die nachts unser Lager überfielen und starb am darauf folgenden Tag an ihren Verletzungen. Ihre empathische Kollegin kam mit dem Verlust nicht klar und floh irgendwann aus der Stadt um ihren Bruder aufzusuchen, der in einem anderen Land lebt. Leider kam sie dort nie an. Die dritte Dame unserer Charaktergruppe schloss sich einer anderen Gruppe von Überlebenden an. Sie hat den Krieg überlebt und wurde später Rechtsberaterin in einer großen Firma.
Was sie in ihrer Geschichte erlebt hat, wird sie wahrscheinlich so lang nicht vergessen - und wir als Spieler auch nicht. Hut ab für dieses tolle und mutige Spiel!
Unterschreibe ich dir in allen Punkten.
Ein nicht zu vergeßener Faktor ist eigentlich, dass es hier um die Geschichte geht. Wenn man sich darauf einläßt, bekommt man Emotionen pur.
Man freut sich schon über Kleinigkeiten.
Ich habe bei meiner letzten Partie, wirklich gedacht, wie froh ich sein kann, nicht in einer solchen Welt zu leben.
Noch nie, und das kann ich immer wieder betonen, hat mich ein Spiel so abgeholt und mich über die Partie hinaus beschäftigt.
Das passiert mir nur bei guten Büchern.
Dass das keine Kost für jeden ist, muss natürlich klar sein.
Der Gernspieler