Ist "klug, aber faul" eine Zielgruppe?

  • Puh... Ich war ja nicht dabei, aber wenn es in den Köpfen mancher Vertreter der deutschsprachigen Brettspielelite scheinbar noch immer nicht angekommen ist, dass auch sogenannte "Vielspieler" nicht zwangsläufig die maximale geistige Herausforderung im Spielen suchen, dann ist das in meinen Augen ein echtes Armutszeugnis.

    Ich glaube nicht, dass ich das ausdrücken wollte, und ich glaube auch nicht, dass das so in den Köpfen der "Brettspielelite" drinnen steckt.


    Deshalb ist die Fragestellung von Peter auch nicht so einfach zu beantworten, da er selbst beide Begriffe vermixt hat.

    Eigentlich wollte ich sie mit dem Bindestrich nebeneinander stellen, nicht vermixen.

    Ich bin mir des Unterschiedes wohl bewusst.


    Ich sehe keinen Grund, ein komplizierteres Spiel zu lernen, wenn ich dieselbe Komplexität auch einfacher haben kann.

    Ich sehe einen riesengroßen Grund: Thema.


    Ein Großteil der Spiele, die ich eher in der komplizierten denn in der komplexen Ecke verordnen würde, und die dennoch zu meinen Lieblingsspielen gehören, hat seine "Kompliziertheit" alleine aus diesem Grunde: Immersion, Geschichten erzählen, ein besseres Abbild der "Wirklichkeit" liefern.


    Du könntest etwa ein #TwilightStruggle redaktionell runterbürsten auf ein knappes Dutzend verschiedene Karten, die Defconleiste und das Atomprogramm rausschmeißen, und dann nur noch die zwei Kernmechaniken "Event oder Aktionspunkte" und "Tauziehen in den Ländern" runterspielen. Das wäre immer noch "ein Spiel", das wäre vermutlich immer noch ein in irgendeiner Weise interessantes Duell für beide Kontrahenten.


    ...aber ich bin mir sicher, dass das so niemals denselben Status erlangt hätte, den es heute hat.

    Mein Blog (Illustrationen, Brettspieldesign, Angespielte Spiele)

  • Gute Beispiele für komplizierte Spiele sind die Erstlingswerke von Phil Eklund. Um möglichst viel von der Wirklichkeit abzubilden, gibt es etliche Sonderregeln, die rein spielerisch wenig bringen, aber vorhanden sind, damit diverse Spezialfälle abgedeckt werden können. Deshalb ist der Zugang zu diesen Spielen auch so schwierig, aber auf spielmechanischer Ebene im Vergleich zu typischen Eurogames bleibt dann recht wenig übrig.


    Hätte mich das Thema "Raumfahrt" nicht interessiert, ich hätte mir High Frontier in der Erstauflage nicht angetan. Spielmechanisch eher Magerkost, aber kompliziert, um möglichst realitätsnah zu sein. Kein Wunder, warum das nur die wirklichen Freaks spielen. Meilenweit von der Massentauglichkeit entfernt. Aber selbst ich möchte auch nicht immer ein High Frontier spielen, eben weil es sich teilweise mehr wie Arbeit als Spiel anfühlt, aber ausreichend faszinierend ist, dass ich dann doch ab und zu mal spielen möchte. Dann aber meist zu zugänglicheren Alternativen greifen, die weniger Vorarbeit erfordern, um herausfordernden Spielspass zu haben.


    Deine Beispiel Coimbra und teilweise Ein Fest für Odin empfinde ich als X mathematische Gleichungen mit Y Unbekannten. Klar kann ich am Spieltisch das alles durchrechnen, Wahrscheinlichkeiten aufstellen, potentielle Strategien gegeneinander aufwiegen und im Geiste Siegpunkte zählen. Aber warum? Da ist mir der Aufwand zu hoch, um möglichst optimal spielen zu können. Rein zügig und intuitiv gespielt, habe ich hingegen gegen langatmige Optimierer keine Chance. Da ist dann das Ergebnis zudem unbefriedigend. Und x Stunden mitzuerleben, wie Mitspieler durch angestrengte Denkarbeit ein Holzklötzchen auf einer Siegpunktleiste um einige Felder weiter voranbringen als ich selbst, der eher intuitv seine Spielzüge absolviert, das ist für mich (inzwischen) keine Freizeitbeschäftigung mehr, die mich reizen würde.


    Ich kenne aber genügend Spieler, die solche Optimier-Klötzchenschiebe-Rechen-Spiele mit möglichst wenig direkter Interaktion und mit möglichst wenig spielbezogener Kommunikation mögen. Nur frage ich mich da oft, ob die nicht auch einfach solo spielen könnten. Aber jeder so, wie er mag.


    Also bin ich faul und fühle mich gut dabei. :)

    Content-Nachschlag gefällig? Brettspieltag.de – Das etwas andere Boulevard-Magazin der versammelten Brettspiel-Szene

  • Ich frage mich, ob es einen Unterschied macht, ob ich kompliziertere und/oder komplexere Spiele spielen könnte, aber nicht will oder ob ich nicht "kann".

    Führt dieser Umstand zu einem anderen Spiel? Oder ist es nicht egal? Wenn ich an einfacheren Spielen, egal aus welchem Grund, Spaß habe, dann werde ich solche kaufen. Wenn ich komplex-komplizierte, dann solche. :/

    Ach ja? Definier mir "normal"!

  • Wie kommst du darauf, dass Verlage so etwas tun?

    Das schrieb doch Peter quasi schon selber:

    Das ist dann die Sorte Spiel, die für den Redakteur so ein bisschen "zwischen den Stühlen" sitzt: Für den analytischen Hirnzwirbler-Expertenspieler "zu wenig Fleisch", für den Familienspieler "zu hoch". Da setzt er dann, wenn er die Idee an sich mag, die Schere an und schnibbelt gefühlt alles raus, was die klassische Zielgruppe auch nur minimalst überfordern könnte.

    Wobei zwar nicht jedes Spiel ein "analytisches Hirnzwirbler-Expertenspiel" sein muss, aber "mehr Fleisch" am Spiel scheint ja den "Familienspieler" zu überfordern.

    Das heißt doch aber nicht, dass ein Redakteur der Zielgruppe "mangelnde Intelligenz" unterstellt, wie du oben geschrieben hast. Da wirfst du sehr unterschiedliche Dinge durcheinander, wie ich hoffentlich mit meinem Beitrag weiter oben klarstellen konnte.

    Ich sehe einen riesengroßen Grund: Thema.

    Okay, Punkt für dich. Ich hatte es vorhin rein vom mechanischen Aspekt her betrachtet. Aber mit dem Thema hast du natürlich Recht.

    Ich frage mich, ob es einen Unterschied macht, ob ich kompliziertere und/oder komplexere Spiele spielen könnte, aber nicht will oder ob ich nicht "kann".

    Führt dieser Umstand zu einem anderen Spiel?

    Aus meiner Sicht nicht.

  • Gestern ging meine innere Logik als Brettspiel-Roboter wiedermal kaputt x_X .:


    Ich hatte versucht meiner Frau das Spiel #Cacao schmackhaft zu machen. (Wir beide mögen Schokolade ^^)


    Gespielt hatte sie es schon mal, aber Brettspiele verschwinden auch mal wieder aus ihrem Gedächtnis. Warum wollte ich nun dieses Spiel ihr wieder vor die Nase halten?


    Wir hatten letzte Woche #EinFestfürOdin das erste mal gespielt (ich war so froh und stolz auf sie :) ohne Murren und obwohl es 3 stunden Ging war es ok für sie). Sie sagte genau das was auf die Komplexität in meinen Augen zutrifft: "Das Spiel ist nicht schwer, es ist aber unnötig viel Zeug auf dem Tisch als das man sich direkt auf etwas fokussieren könnte."


    Sie hatte mir zu vor noch gesagt, sie mag kleine Spiele die fix gehen und nicht ellenlange Regeln haben. Das alles deutete auf Cacao hin. Sie mag Qwirkle, The Game und kann mich aber auch in Räuber der Nordsee und anderen größeren Spielen platt machen. Sie hat nur nicht lust auf den ganzen Regel-Klamauk.


    Nach der Runde Cacao sagte sie: "Das ist viel zu simpel, ich weiß wie viele Teile in dem Spiel sind und gewinnen wäre zu einfach."


    Da ging bei mir meine 0101-Codierung kaputt... . Die taktische Tiefe meines Erachtens kommt doch dadurch dass ich irgendwann versuche meinen Gegenüber taktisch überlegen zu sein mit meinen Zügen. Das wollte sie nicht einsehen :/ . Muss ich sie wohl besiegen damit sie es versteht.


    Jedenfalls glaube ich für sie währen solche Spiele genau richtig. Weniger Regeln, einsteiger freundlicher, aber nicht zu einfach. (korrigiert mich bitte wenn ich etwas falsch verstanden habe, ich kenne nur die ersten 3 Posts aus dem Thema).

    Meine BGG Sammlung

    Meine aktuelle Top 10:

    1 Starcraft: Das Brettspiel | 2 Twilight Imperium: Fourth Edition | 3 Terraforming Mars

    4 Brass: Lancashire & Birmingham | 5 51st State | 6 Mahjong |7 Gaia Project

    8 Viticulture EE All-In | 9 Rallyman Dirt | 10 Ascension: Deckbuilding Game