Sie gehen nicht zu einem Spieletreff oder haben sich in Spielergruppen organisiert. Wenn Sie in Ihrem Bekanntenkreis das Thema Spielen ansprechen, lesen Sie im Gesicht ihres Gesprächpartners im günstigsten Fall folgendes: Habt ihr zuviel Freizeit bzw. habt Ihr keinen Sex mehr miteinander? Sie sind folglich nicht flexibel in der Anzahl der Mitspieler und spielen oft zu zweit.
Sie haben es mit einfachen abstrakten Alternativen zu Schach versucht, beispielsweise mit Abalone, Invers usw., weil Sie schließlich nicht verblöden wollen beim Spielen, aber es stellt sich nach mehrmaligem Spiel der Schach-Effekt ein: Immer der gleiche Gewinner bzw. der gleiche Verlierer bei nicht gleichstarken Spielern. Also greifen Sie zur Kosmos-Reihe Spiele für Zwei oder inzwischen auch zu Queens. Da gibt es wirklich schöne Spiele mit interessanten Spielmechanismen wie z.B. Babel oder Revolte in Rom, und der Glückfaktor sorgt dafür, dass nicht immer der gleiche Spieler gewinnt. Nachdem Sie sich ein paar Spiele zugelegt haben, stellen Sie aber fest, dass der Glücksfaktor Würfel regelmäßig durch Kartennachziehen ersetzt wird und das kleine Spielbrett eigentlich nur zum richtigen Anlegen der Karten dient. Ein Spielerlebnis wie auf einem großen Spielbrett, auf dem sich Spielfiguren und Spielsteine drängen, stellt sich einfach nicht ein.
Also muss ein großes Brettspiel her. Natürlich achten Sie auf die Spieleranzahl ab zwei Spieler, denn Sie wollen ja keine Sauerei des Monats begehen und sind nicht blöd’. Da Sie aber nicht aufs Geradewohl kaufen wollen, informieren Sie sich im Internet auf diversen Spieletestseiten. Dort lesen Sie zu ihrem ins Auge gefassten Spiel „kann ich allen nur empfehlen, ist in allen Spielergruppen sehr gut angekommen, großartiges Spielererlebnis usw.“. Zusätzlich geben auf einigen Spieleseiten weitere Tester und eine Reihe von Mitmenschen, die das Spiel gespielt haben, ihre Benotung ab. Was soll da noch schief gehen?
Gekauft, ausgepackt, Spielanleitung gelesen, beispielhafte Spielsituationen nachgespielt, Unklarheiten noch einmal nachgelesen und los geht es. Das Spielerlebnis unbefriedigend, einige Spielphasen und Aspekte des Spiels funktionieren überhaupt nicht oder werden bedeutungslos und das zum doppelten oder dreifachen Preis der kleinen Spiele. Spielanleitung her, noch aufmerksamer gelesen, noch mehr Spielsituation ausprobiert, nächster Versuch und nächste Pleite! Wieder unterwegs im Internet. Dass Tester total daneben liegen können, kennen Sie aus anderen Lebensbereichen, aber verdammt noch mal, können denn so viele zufriedene Kunden irren?
Sie schauen sich das mit den zufriedenen Kunden einmal genauer an. Auf allen Internetseiten die üblichen Verdächtigen, soll heißen, es tauchen immer die gleichen Namen auf, die die Spiele bewerten. Es stellen sich erste Zweifel bezüglich der Meinungsvielfalt ein. Ferner stellen Sie fest, dass Tester, die das Spiel auf einer anderen Internetseite vorgestellt haben, als Kunden auftauchen und dies nicht kenntlich gemacht wird. Das geht sogar soweit, dass Tester einer Internetseite zu einem Test ihrer Kollegen Kommentare und Benotungen abgeben, ohne dass die enge Verbindung zu dieser Seite ersichtlich ist. Also von wegen Meinungsvielfalt, Sie sind kräftigst manipuliert worden. Jetzt sind Sie sauer aber nicht schlauer.
Trotz eher dürftiger Sprachkenntnisse surfen Sie nun auf boardgamegeek, dem Rolls Royce der Spieleseiten. Sie lesen mehrere Rezessionen und Spieletips zu Ihrem Zwei bis Fünf oder Sechs Personenspiel und stolpern über die dort gestellte Frage, wie sich dieses Spiel denn mit zwei oder drei Personen spielt. Die Antwort erfolgt durch folgende Gegenfrage: Warum ziehen Sie überhaupt in Betracht, sich ein Spiel für bis zu fünf oder sechs Personen zu kaufen, wenn Sie nicht mit fünf oder sechs Personen spielen wollen, jedoch ausreichend Spiele für speziell zwei oder drei Personen angeboten werden. Die Antwort hätte also auch Vollidiot lauten können.
Genervt und lustlos klicken Sie noch etwas weiter, schauen sich andere Spiele an und straucheln irgendwann über die geeklist 17016. Dort wird das gesamte Dilemma deutlich. Nur wenige Spiele machen in jeder angegebenen Spieleranzahl wirklich Spaß. Beispiele: Das Spiel A für zwei bis vier Spieler funktioniert nur zu zweit wirklich gut, Spiel B ebenfalls für zwei bis vier Spieler macht nur zu viert Spaß, Spiel C für zwei bis sechs Personen ist nur für vier und fünf Spieler empfehlenswert und ist äußerst dürftig mit zwei, drei und sechs Spielern. Jetzt wissen Sie endlich, warum Ihr Spiel zu zweit eine absolute Spaßbremse darstellt.
Trotzdem fragen Sie sich, was die vielen Spieleseiten bezwecken sollen und wie Ihre trostlose teure Neuerwerbung auf mehreren Testseiten ohne Einschränkung empfohlen werden konnte. Würden Sie einen verstellbaren Schraubenschlüssel für zwei bis sechs Zoll allgemein mit gut oder sehr gut bewerten, wenn Sie damit nur Schrauben mit vier und fünf Zoll Durchmesser festschrauben bzw. lösen können? Ist ein Bügeleisen rundweg empfehlenswert, welches nur auf Stellung Baumwolle befriedigende Ergebnisse liefert und auf Seide, Wolle, Leinen usw. nicht?