Kennerspiel des Jahres aus Sicht „der anderen“ oder: Wie schwer sind Anleitungen?

  • Haben uns das Wochenende mit den Eltern der Kindergartenfreundinnen unserer Großen getroffen um die Mädelsclique spielen zu lassen und uns über die Kindergärten hier in der Marktgemeinde auszutauschen. Bei den Gastgebern (80m Luftlinie von uns - ja wir sind ein kleines Kaff ^^) eingetroffen, sah ich dort ein #Flügelschlag auf dem Küchentisch liegen. „Ui, holla, spielen die auch? Das wäre ja äußerst praktisch.“ ;)


    Später beim Aufräumen dann mal beide auf das #Flügelschlag angesprochen und wer denn das bei ihnen im Haus spielen würde. Erstaunte Blicke zurück zu mir, dass ich das Spiel kenne, verbunden mit der Frage, worum es denn darin ginge. Mein Atem verzögerte sich. „Wir haben das Spiel von der Oma für die Große (4 Jahre!) geschenkt bekommen. Vermutlich hat sie sich vom Vogel auf dem Cover blenden lassen und die Spielerzahl 1-5 mit der Altersangabe verwechselt. Ich (Anmerkung: Frau des Hauses, Juristin in der Bayrischen Verwaltung) habe mal versucht die Regel zu lesen und komme damit überhaupt nicht klar“.


    Dann habe ich mal im Elevator Pitch das Spiel erläutert, und dass es aus meiner Sicht erst einmal nichts für die Tochter ist (die vereinfachten Regeln hier im unknowns.de sind mir bekannt, doch nützen die mE nichts, wenn die Eltern sich nicht mit dem Spiel auskennen) ich es ihnen aber gerne mal in einer Kennenlernpartie zeige. (Vielleicht komme ich ja doch noch zu meiner Partie ;))


    Dieses Erlebnis hat mir mal wieder vor Augen geführt, dass die Jury doch recht gute Arbeit leistet. Maßstab für das Kennerspiel sind nicht wir, die wir 100+ Spiele im Schrank haben und uns über ausgefranste Counter bei On Mars unterhalten. Maßstab sind alle Familien und Gruppen, die gerne spielen, mal ab und an, doch nicht in der Breite der Spielvielfalt. So wie ich Maßstab für „Essen des Jahres“ wäre, da ich zwar gerne koche und esse, doch auch meist nur zu denselben Handvoll Gewürzen greife. 8o Wenn dort dann an komplexere Spiele gegangen werden möchte, liefert ein Spiel wie Flügelschlag doch sehr gute Kost, wie ich finde.


    Haben den Nachmittag dann damit beendet, dass sie bei der Geburtstagsfeier unserer Tochter demnächst dann mal gerne meinen Spielekeller anschauen dürfen (Bild ist ja in meinem Profil hier und bei der Nennung von 500+ Titeln verzögerte sich ihr Atem merklich) und habe dann noch ein paar Tipps für besser geeignete Spiele für 4-jährige ( #DaIstDerWurmDrin - ich schaue auf Dich! ) verteilt.

    Letting your mind play is the best way to solve problems. (Bill Watterson)

    Bin auch immer mal in der FAIRPLAY zu lesen.

  • ich spiele mit meinen 4 jährigen Zwillingen Stoneage Junior (mit dem Stoneage Kartenspiel als Erweiterung) sowie Memoarrrr! . In beiden spielen brauche ich die Kinder Nichtmal absichtlich gewinnen lassen und ich habe auch meinen Spaß :)


    Auf einem Flohmarkt kaufte ich bspw. ein ungespieltes Carcassone...ungespielt deshalb weil wie mir der Verkäufer sagte, das ausgepackt wurde, regeln gelesen, nicht verstanden, wieder weg geräumt. Und letztens suchte bei Nebenan.de jemand aus der Nachbarschaft einen, der ihm AZUL erklären kann, er habe es geschenkt bekommen könne es sich aus den Regeln aber nicht selbst erschließen


    Jedenfalls, ja, das ist manchmal schon schwierig mit Schwierigkeit einschätzen. Meine 70 jährigen Eltern habe ich bspw, nach und nach ans spielen geführt, die sind mittlerweile sogar bei Century, Splendor und Sankt Petersburg angekommen, oder auch Port Royal mit Erweiterungen etc. Immerhin. Andererseits ist mein Vater von Nova Luna überfordert, er kapiert die Grundregeln nicht, meine Mum findet das Spiel von den Regeln sehr einfach, hat aber (noch) keine Schnitte gegen mich, wird aber immer besser. Mein Dad blickt gar nicht durch. Mit meinen Eltern spiele ich aber auch schon ca 2-3 Jahre, einfach um die beiden etwas im Kopf fit zu halten, und was auf den tisch zu bringen was mehr fordert als MäDN oder Kniffel.


    Andererseits meine Schwester, Ende 40.,..versteht nicht mal Loveletter oder 6 nimmt (noch nicht)....Mit Ihr und Ihrer Familie spiele ich dann Werwörter oder Bluff....Aber bspw. bei Schatzjäger schaute ich nur in ratlose Gesichter, und wie gesagt, Sogar Loveletter und 6 nimmt war für die zu viel. Meine Eltern wiederum können dass alles mitspielen unter meine Aufsicht (alleine nicht). Ist manchmal tatsächlich schwierig ab zu schätzen was geht und was nicht...manches denke ich ist zu schwierig, das ist dann für nicht oder Gelegenheitsspieler plötzlich doch gut machbar, oder umgekehrt.


    Wichtig ist bei solchen Sachen, dass alle Informationen offen sind, und ich bspw. immer mitgucken kann dass keine Spielfehler entstehen. Jedenfalls sieht man die Entwicklung bei meinen Eltern. meine Mum fachsimpelt schon über Strategien, und bei Regelerklärungen kommt schon: Ach, das ist wie bei Splendor...usw...ich sehe da eine deutliche Entwicklung.


    Kennerspiele sind für Gelegenheitsspieler denke ich unter Aufsicht oder Anleitung spielbar, wenn alle Informationen offen sind und der erfahrene so immer wieder mit gucken kann ob alle richtig spielen. Wichtig ist auch denke ich eher weniger MAterial, spiele mit bestimmten Zielen, also Aufträgen die erfüllt weren müssen (damit jeder weis worauf er hinsammelt). Ausserdem lass ich beim erklären die story meist weg. Das verwirrt nur. Bei Spelndor und century sammeln wir keine edelsteine und gewürze sondern einfach rot, gelb, grün etc...und zwar je nachdem welche Ziel bzw. Punktekarte man kaufen will..,..das kriegt jeder hin.


    Gute Gateways sind daher tatsächlich Memoarrrr, Splendor, Century (1. Teil ).

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  • Manchmal erschreckt es mich irgendwie schon, wie gross die Hürde für (aus unserer spielerfahrenen Sicht) einfache bis mittelschwere Spiele für die spielerisch wenig ausgebildete "Normalbevölkerung" offenbar doch ist.

    Haben wir da verschrobene Erwartungen? Ist es wirklich so schwierig ohne eine gewisse "Vorbildung" im Regeln lesen und verstehen? Oder ist der Anspruch heutzutage, alles sauber zum Konsumieren vorgekaut zu bekommen (im Ideallfall ohne das Zutun einer eigenen geistigen Verständnis-Leistung), wirklich so hoch? Oder "versaut" gar die digitale Welt (App-Helferlein für jede Alltagssituation, einfache Daddel-Spiele ohne Anspruch...) die Analoge (im Sinne von: Man ist einfach nicht mehr gewohnt etwas mehr Zeit für etwas zu investieren - man will sofort loslegen, und wenn das nicht klappt sucht man sich das nächste einfache Mittel zum Zweck)? :/

  • Oder "versaut" gar die digitale Welt (App-Helferlein für jede Alltagssituation, einfache Daddel-Spiele ohne Anspruch...) die Analoge (im Sinne von: Man ist einfach nicht mehr gewohnt etwas mehr Zeit für etwas zu investieren - man will sofort loslegen, und wenn das nicht klappt sucht man sich das nächste einfache Mittel zum Zweck)?

    Ich fürchte genau das. Sehe ich genauso auch bei meinem Sohn, kein Bock auf irgendwelche komplexen Probleme - Lösungskompetenz eher im Mittelfeld.

    Auf fast alle Fragen kommt die Gegenfrage: Gibts da nicht ´ne APP für? Seufz...

    Bitte senden Sie mir Ihre E-Mail doppelt, ich brauche eine fürs Archiv :/

  • Manchmal erschreckt es mich irgendwie schon, wie gross die Hürde für (aus unserer spielerfahrenen Sicht) einfache bis mittelschwere Spiele für die spielerisch wenig ausgebildete "Normalbevölkerung" offenbar doch ist.

    Das denke ich nicht. Flügelschlag kannst du einem Achtjährigen beibringen. Selbst bei einem Erwachsenen dauert das 5 Minuten, maximal 10. Das Problem, wie im eigentlichen Post beschrieben das Lesen, Verstehen und Umsetzen der Regeln. Da eignet man sich über die Zeit eine gewisse Denke und Struktur, sogar Vokabluar an.


    Ich weiß noch, dass wir damals in Descent 2 nur Bahnhof verstanden haben, bei den simpelsten Mechaniken. Und dazu war der Besitzer auch kein guter Erklärbär.


    Das Problem ist die Selbstschulung anhand einer Anleitung, nicht das Spiel selbst. Erfahrene Spieler lernen Flügelschlag in 120 Sekunden anhand der Schnellanleitung.

  • Oder "versaut" gar die digitale Welt (App-Helferlein für jede Alltagssituation, einfache Daddel-Spiele ohne Anspruch...) die Analoge (im Sinne von: Man ist einfach nicht mehr gewohnt etwas mehr Zeit für etwas zu investieren - man will sofort loslegen, und wenn das nicht klappt sucht man sich das nächste einfache Mittel zum Zweck)? :/

    Sehe ich nicht so. Das Niveau (Komplexität, Umfang, Story, ...) auf dem wir mit Brettspielen angekommen sind ist ja nicht mit dem vor 20 Jahren zu vergleichen - da liegen Welten dazwischen. WIr sind alle schon trainiert und die wenigtens haben in dem Hobby mit Spielen ala On Mars gestartet. Wenn du einen Einsteiger (Spiel-)Spass versprichst und dann 10 Seiten Regeln entgegen knallst, ergibt das führ ihn keinen SInn. Ich glaube fast alle von uns würen auch immer gleich loslegen können, wir haben aber schon gelernt, dass der wir für die Investition von Zeit belohnt werden.

    Außerdem müssen wir auch akzeptieren, ob wir wollen oder nicht, dass es Menschen gibt die am Brettspielen keinen großen Spass finden. Ich kenne auch jemanden der mir vorgehalten hat aufgrund der digitalten Spielererein so komplizierte Brettspiele zu spielen. ich soll lieber ein vernünftiges Buch lesen ;)

  • Interessant ist, dass bspw. mein Vater, der Nova Luna nicht kapiert, Skat, Rommé und andere Sachen seit 50 Jahren spielt, die von den Regeln her weitaus komplexer und komplizierter sind. Aber, das hat er eben gelernt als er ein Junger Mann war. Ist Heute nicht mehr so leicht. Aber eben alles übungssache.


    Meine Eltern habe ich sukkzessive immer mehr abverlangt, begonnen mit qwixxx usw. Und: Spielen wir länger nicht fällt wieder ein neues Spiel lernen schwerer, als wenn ich bspw. Regelmäßig da bin. Also es ist leichter denen jede Woche ein neues Spiel bei zu bringen, als alle 4 wochen mal. Irgendwie sind sie dann besser im Training :)


    Abschreckend sind wie gesagt oft Themen: Loveletter: Wir schreiben der Prizessin einen Liebsbrief. Nee, Danke., Schon vorbei, hört keiner mehr zu. Ich sage es geht einfach darum am Ende der Runde die Höchste Karte auf der Hand zu halten, wenn man nicht bis dahin schon ausgeschieden ist. Je besser eine Karte am Ende , desto schwächer ist sie im verlauf der Runde. Die Storyx lasse ich weg. Die bringe ich später mal. Mittlerweile, nach etlichen Partien Splendor, und Century, rede ich da nichtmehr von Farben, sondern langsam immer wieder mal von Gewürzen oder Edelsteinen. Aber Anfangs verwirrt das nur. Genau wie zuviel Material was man verwalten und überblicken muss.

  • Das denke ich nicht. Flügelschlag kannst du einem Achtjährigen beibringen. Selbst bei einem Erwachsenen dauert das 5 Minuten, maximal 10. Das Problem, wie im eigentlichen Post beschrieben das Lesen, Verstehen und Umsetzen der Regeln. Da eignet man sich über die Zeit eine gewisse Denke und Struktur, sogar Vokabluar an.

    das ist so ja - deswegen schreibe ich immer mehr in einem anderen Stil. Der deutsche Anleitungsstil ist sehr verkopft. Du verlierst da so viele Leute. Meine Eltern sind bei Camel UP verzweifelt. Ich habe es dann umgeschrieben und weniger „schematisiert“ gemacht.

    Das hier ist mein Privat-Account. Alle hier geäußerten Meinungen sind nur meine privaten Meinungen und geben nicht die Meinung von Frosted Games wieder.

    Wenn ihr Fragen zu Frosted Games habt, bitte: FrostedGames

  • Wie vorher schon geschrieben wurde, gehört da ein gutes Stück angelerntes Regelverständnis dazu. Das haben „wir“ hier halt alle. Wie PowerPlant schon sagt: wir „Profis“ lesen Begriffe wie z.B. „Aktionen“, „einsetzen“, „abwerfen“ etc. schon mit einem ganz anderen Grundverständnis, und auch mich überrascht es immer wieder, wie schwierig für andere Spielregeln sein können, die ich mir in 5 Minuten reinpfeife.

    Und es ist schwer, sich dann vorzustellen, dass es einfach Leute gibt, für die selbst die Regel eines „Flügelschlag“ nur Bahnhof darstellt. Die ein „Dominion“ in die Ecke pfeffern, weil es sie es nicht kapieren...


    Allerdings gehört natürlich auch eine gewisse Bereitschaft, ein Wollen dazu.


    Ich weiß noch, dass meine Eltern mir mal „Adel verpflichtet“ geschenkt hatten, Spiel des Jahres halt, damals war ich, Moment – 12. Und ich weiß noch, dass wir es NIE gespielt haben, weil meine Eltern einfach die Regeln nicht kapiert haben, und dann auch gar keine Bereitschaft da war, das zu lernen. Die hatten keinen Bock, das war zu viel, und ich hatte dann natürlich irgendwie auch keine Lust mehr und das Ding verschwand in der Versenkung. Ich meine – „Adel verpflichtet“, Leute…

    Wenn jemand ein Spiel z.B. geschenkt bekommt, und dann halt mal auspackt „weil er halt muss“, war ja ein Geschenk, dann geht der da doch schon ganz anders ran. Oder es eben kauft „weil es Spiel des Jahres ist und man das halt zuhause hat“. Dann ist die Grundeinstellung zum Spiel eine völlig andere wie das, was für uns hier in unserer kleinen Welt halt normal ist, wenn wir ehrfurchtsvoll die Schachtel eines neuen Schatzes öffnen ;)


    Man muss dann versuchen, durch eine gute und auf die Person(en) passende Spielerklärung die Bereitschaft und (hoffentlich) Begeisterung beim anderen zu wecken...

  • das ist so ja - deswegen schreibe ich immer mehr in einem anderen Stil. Der deutsche Anleitungsstil ist sehr verkopft. Du verlierst da so viele Leute. Meine Eltern sind bei Camel UP verzweifelt. Ich habe es dann umgeschrieben und weniger „schematisiert“ gemacht.

    Ich glaube das kommt tatsächlich auf die Empfänger an.


    Ich mache es genau andersrum: ich erkläre eher schemetischer oder besser gradliniger: Bei Century machst du eine von 3 möglichen Aktionene: 1. Karte kaufen, 2. Karte spielen, oder 3. Passen. Karte kaufen gibt es die Möglichkeit entweder Eine KArte aus der einen Reihe (keine Name) oder ne Punkte Karte zu kaufen...usw.


    Bei Splendor auch: du entscheidest dich für EINE von 2 Aktionen entweder 1. chips nehmen, oder 2.KArte Kaufen. Bei Chips nehmen gibt es drei Möglichkeiten entweder 3 verschiedene oder 2 gleiche, oder 1 Goldenen, und eine KArte reservieren. usw. dann werde ich immer konkreter. (wenn du 2 nimmst nur wenn vrher noch mindestens 4 da sind usw..) bei. erstens, 2. usw...halte ich jeweils auch die finger hoch, 1, 2, usw...


    Aktionen sagen wir auch laut an: Ich weis nicht welche Regelvariante es letztendlich geschafft hat aber es gab bei Chocolatiers mal eine Regelversion, in welcher es hieß man macht immer 2 Aktionen hintereinander wenn man an der reihe ist (Das kann aber auch 2 mal dieselbe sein). Wir sprechen dann im Spiel auch immer laut mit: "1. Aktion, ich nehme eine Karte. 2. Aktion, ich reserviere eine Punktekarte. ICh bin Fertig. "


    Viel Angst nehme ich den auch indem ich die erste Partie immer als Lernpartie deklariere, kannst du nichts falsch machen, geht um nix, nur zum üben....wir spielen auch meist 2 oder 3 Partien hintereinander an einem abend und dann über 2 oder 3 Wochen immer das gleiche spiel, so dass ich innerhalb von 4 wochen ein spiel ca 10 mal mit den beiden spiele...aber dann gehts auch wie gesagt mit Eurogames wie sankt petersburg, Port Royal oder Paläste von Carrara.


    Es dauert einfach länger. Das niveau und feeling das ich in einer vielspieler runde schon nach der 1. oder 2 Partie habe, erreiche ich mit meinen Eltern erst nach der 5, 6, oder 10 Partie.


    Wichtig ist die Angst zu nehmen und zu motivieren sich darauf ein zu lassen.


    Übrigens wo ich gerade oben lese Dominion: Das habe ich mich mit meinen Eltern noch nicht getraut: Zu viel Text auf den karten, der simultan gelesen und erfasst werden muss.

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  • Übrigens auch schade, dass es den youtube Kanal ü50spielt anscheinend nicht mehr gibt. Da hatten meine Eltern einen anderen zugang. Brachte ich century mit, abwehrhaltung, dann schickte ich den beiden einen Link zum Erklärvideo von Ü50 spielt plötzlich: Tolles Spiel!

  • Als ich noch im Spieleladen gearbeitet habe war es echt manchmal erschreckend wenn eine Gruppe Studenten reinkam und sagte "Wir haben hier Istanbul gekauft, wir haben 2 Stunden versucht die Regeln zu verstehen und aufgegeben!"...da frag ich mich wie die Texte im Studium lesen und verstehen oder Hausarbeiten schreiben, es ist schon merkwürdig manchmal.

  • Ben2 Das klingt interessant. Wie hast du die Regeln geändert und kamen sie dann besser an?

    lockerer geschrieben. Und eine kleine Erklärung von brettspielbegriffen - die ich durch klaranweisungen ersetzt habe.

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  • Sehr spannende Erfahrungsberichte :)

    ...zeigt vor allen Dingen auf welch hohem, kognitivem Level mittlerweile "Vielspielerspiele" sind!

    Ich Denke das "Regelbewältigung" / ""Einstiegshürde" alles eine Sache der Übung ist, viele von uns beschäftigen sich 4x und mehr die Woche mit diesem Thema, und ich vermute das es da draußen einige Vielspieler gibt, die im Schnitt pro Woche eine neues Spiel lernen und spielen! :)

    Bildlich sehe ich das immer so ... steig mal (als untrainierter) mit eine Gegner in den Ring, der 4 x die Woche Thai Boxen für 1,5 Stunden trainiert ...

    ... geht nich lange gut ... Autsch ^^:box:

  • da frag ich mich wie die Texte im Studium lesen und verstehen oder Hausarbeiten schreiben, es ist schon merkwürdig manchmal.

    Wahrscheinlich Studenten von Geisteswissenschaften.... *SCNR* 8o

    Übung. Meine Frau spielt ALLES mit. Und egal ob Englisch oder Deutsch. Egal ob Twilight Struggle oder Imperium, Madeira oder Tempo kleine Schnecke.


    ABER: Wenn ich ihr eine Anleitung zum Lesen gebe, steigt sie aus. Sie überliest wichtige Infos, kann nicht alles im Spielaufbau erfassen, weil halt wirklich JEDES Wort zählt. In 99% der Fälle liest man tagtäglich NICHT so genau Texte. Auch nicht im Studium, und AUCH nicht in den Geisteswissenschaften. In der Linguistik, da schon. Aber es geht mehr ums große Ganze.


    Bei Brettspielen zählt aber jedes Verb, jedes Komma, jedes UND und jedes ODER :)


    Und das Bedarf vor allem einem: Übung.

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  • Wir hatten kürzlich die Freundin meines Sohnes zum ersten mal beim Spieleabend dabei. Mein Sohn wollte ihr unbedingt seine Lieblingsspiele #AufDenSpurenVonMarcoPolo oder #FiveTribes zeigen. Auf meinen Einwand, dass das dann wohl der letzte gemeinsame Spieleabend bleibt, hat er nur gesagt: " Wieso? Die sind doch nicht schwer?" Naja, wenn man damit aufgewachsen ist.....:saint:

  • Ihr müsst aber auch sehen, dass wir Spieler (Communitiy, Boardgame-Geeks, Vielspieler, wie auch immer man es nennen will) schon eine Historie und Erfahrungszeit mit dem Thema haben und mitgewachsen sind und auch die analoge Spielerei große Schritte getan hat. Ich stelle mir da auch gerne vor, was wäre, wenn ich jetzt das erste Mal in meinem Leben eines der Spiele spielen würde, die da Kennerspiel sind. Da müsste ich ganz, ganz viel Bock, Enthusiasmus, Verständnis mitbringen und den richtigen Freundeskreis haben, um da dran zu bleiben.

    Wir haben mit Siedler, Tikal, Die Fürsten von Catan, Herr der Ringe (Knizia) angefangen (Klar, das ganze Monopoly-, Mädn- und Scotland-Yard-Gedönse davor inbegriffen) und, wenn dabei geblieben, haben wir uns über jeden neuen Kniff gefreut. Der Markt ist einfach so voll und ist echt einige Steps weiter, wo es bestimmt bei manchen zu viel Arbeit wird, da dran zu bleiben. Gibt ja auch genug andere leicht zugängliche, sinnfreie (vor allem digitale) Daddelei, mit der man die Zeit rum kriegt.

  • Als ich noch im Spieleladen gearbeitet habe war es echt manchmal erschreckend wenn eine Gruppe Studenten reinkam und sagte "Wir haben hier Istanbul gekauft, wir haben 2 Stunden versucht die Regeln zu verstehen und aufgegeben!"...da frag ich mich wie die Texte im Studium lesen und verstehen oder Hausarbeiten schreiben, es ist schon merkwürdig manchmal.

    Das ist wohl eher so eine Art Äpfel-Birnen-Vergleich.


    Letztlich sind Spielregeln eine Form der Gebrauchsanweisung, die uns vermittelt, wie wir mit dem vor uns liegenden Spielmaterial umgehen sollen. Das kennen wir, die Sprache ist uns vertraut.


    Für die meisten Menschen sind Gebrauchsanweisungen aber eher langweilig. Schon gar nicht sind sie so angelegt, dass man einen längeren Text lesen muss, um mit einem Gegenstand umgehen zu können. Viele lesen sie gar nicht, gehen einfach intuitiv an die Sache ran. Bei Spielanleitungen geht das so jedoch nicht. Das ist dann eine ganz andere Art von Text, als man ihr im Studium normalerweise begegnet.


    Und: Richten sich -heutige- Spielregeltexte wirklich darauf aus, dass jemand, der noch nie in seinem Leben eine Spielregel gelesen, Spiele immer nur erklärt bekommen hat, den Text auf Anhieb im Selbststudium versteht und ohne fremde Hilfe dann das jeweilige Spiel spielen kann? Ich glaube das nicht. Wie oft höre ich von dem ein oder anderen Mitspieler, der Probleme mit dem Verständnis von Kartentexten hat, dass er wohl Deutsch verstehe, aber nicht den Text auf der Karte.


    Wenn man etwas kann -Spielregeln lesen und verstehen zum Beispiel- ist das immer leicht, schließlich kann man es ja. Man vergisst dann schnell, wie das für jemanden ohne Übung auf diesem Gebiet ist. Schon so manches Mal wurde ich von Freunden gebeten, ihnen ein Spiel zu erklären, das sie sich gekauft haben, mit dessen Spielregel sie aber nichts anfangen konnten.

    Spielerische Grüße Ernst-Jürgen


    TOP 10: 1. Viticulture - Compl. Coll. Ed., 2. Martians - A Story of Civilization, 3. Scythe, 4. Anachrony, 5. Snowdonia: Deluxe Master Set, 6. Räuber aus Skythien, 7. Age of Industry, 8. Nieuw Amsterdam, 9. Siedler von Catan - Entdecker&Piraten, 10. Alubari - A nice cup of Tea

  • Lesen kommt aus der Mode, bzw Leute verlernen das Lesen und dabei zu verstehen, was sie gelesen haben.

    Im heutigen Alltag ist das auch nimmer nötig :D Alles wird heruntergebrochen auf Schlagworte und Schlagzeilen. Der Rest bleibt ungelesen im Kleingedruckten.

    Das ist natürlich eine überspitzte Beobachtung, trifft aber den Nagel auf den Kopf. Fragt Lehrer wie es um das Leseverständnis steht.


    Abwärts ging es damit, seitdem Lucas Arts seine Adventure games vertont hat :D

  • Abwärts ging es damit, seitdem Lucas Arts seine Adventure games vertont hat :D


    It's funny 'cause it's true.

    geekeriki.tv

    YouTube.com/geekeriki

  • Es geht nicht nur ums lesen, meiner Erfahrung nach tun sich manche Leute bei gewissen Mechanismen etc einfach schwer, egal ob erklärt, schon selbst gespielt usw. oder ich bin ein schlechter erklarbar. Ich muss wieder auf Nova Luna kommen: meine mum hat nach dem 1 oder 2 spielen kapiert, muss nur noch schneller werden kannes aber von den Grundregeln her. Mein Rad kann es nach fast 10 Partien immernoch nicht er nimmt irgendwas baut es irgendwo an und wir sagen ihm dann dass er zufällig eine Aufgabe erfüllt hat. Er kann aber nixhnixhtmal sagen was sein Problem ist, was er nicht kapiert, warum es für ihn schwierig ist.



    Ich glaube nicht dass wir hier in der Szene spiele an sich schneller lernen sondern nur eine bestimmte Art von spielen. Mein Vater versuchte mir Mal Skat bei zu bringen, ist bis heute gescheitert....


    Oder: ich bin ein begeisterter Schachspieler, und es ist im Grunde ein sehr einfaches Spiel, das jeder in 10 vielleicht 15 Minuten erlenen kann. Gut Schach spielen dauert dann zwar länger, aber von den Regeln her lernen ist es im Prinzip nur die Gangart der 6 verschiedenen Figuren merken. Da drücke ich meinetwegen jedem Neuling noch ein Schema als Spielhilfe aus. Mehr ist Schach von den Grundregeln nicht: Turm zieht orthogonal, Läufer diagonal usw... Und dennoch, auch unter Vielspielern: können alle Schach? Wollen es alle lernen? Oder haben es alle versucht und auf Anhieb gekonnt? Auch nicht zwingend...obwohl viele hier weit komplexeren lernen und spielen...

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  • Wie vorher schon geschrieben wurde, gehört da ein gutes Stück angelerntes Regelverständnis dazu. Das haben „wir“ hier halt alle. Wie PowerPlant schon sagt: wir „Profis“ lesen Begriffe wie z.B. „Aktionen“, „einsetzen“, „abwerfen“ etc. schon mit einem ganz anderen Grundverständnis, und auch mich überrascht es immer wieder, wie schwierig für andere Spielregeln sein können, die ich mir in 5 Minuten reinpfeife.

    Und es ist schwer, sich dann vorzustellen, dass es einfach Leute gibt, für die selbst die Regel eines „Flügelschlag“ nur Bahnhof darstellt. Die ein „Dominion“ in die Ecke pfeffern, weil es sie es nicht kapieren...

    [...]

    Man muss dann versuchen, durch eine gute und auf die Person(en) passende Spielerklärung die Bereitschaft und (hoffentlich) Begeisterung beim anderen zu wecken...

    Vielen Dank für die ganzen Beiträge, zu denen ich hoffentlich heute Abend noch weiter antworten kann! Auf den Beitrag von Bergziege direkt in der Mittagspause, da dieser in meinen Augen einen Kern des Pudels darstellt: Die Begrifflichkeiten in Regelwerken - quasi das Standard Glossar für die Spielewelt. Und am Anfang eher auf Spielerklärung durch gute Erklärer als durch Regelwerk zu legen, bzw. Regelwerke wie Ben2 mit mehr Klarsprache umzuschreiben und dadurch vielleicht auch Unschärfen in Kauf zu nehmen, die wir Regelfuchser direkt als Auslegungsfragen in Foren posten würden. :)

    Letting your mind play is the best way to solve problems. (Bill Watterson)

    Bin auch immer mal in der FAIRPLAY zu lesen.

  • @DanielRausE: das mit dem Schach kann ich ganz klar mit einem dicken NEIN beantworten 8o Ich wollte Schach nie, mich reizt das null, und als man versucht hat es mir beizubringen, sind wir alle gescheitert. Ich sag immer "ich verstehe Schach nicht", aber wie mein Mann immer sagt: "Du könntest schon, aber du willst es einfach nicht".

    Und genau das ist es halt.

  • Abwärts ging es damit, seitdem Lucas Arts seine Adventure games vertont hat :D

    da hab ja ich Glück dass ich schwerhörig bin, so hab ich bei Monkeys Island und co immer trotz Ton noch zusätzlich den Untertitel angeschaltet gehabt :)

  • @DanielRausE: das mit dem Schach kann ich ganz klar mit einem dicken NEIN beantworten 8o Ich wollte Schach nie, mich reizt das null, und als man versucht hat es mir beizubringen, sind wir alle gescheitert. Ich sag immer "ich verstehe Schach nicht", aber wie mein Mann immer sagt: "Du könntest schon, aber du willst es einfach nicht".

    Und genau das ist es halt.

    Ja eben wie ich oben sage ist bei Nichtspieler und "unseren" spielen auch so, Angst nehmen und motivieren ist der Schlüssel. Und zu viel Material bspw zu ausufernde Stories etc schrecken da m.E. eher ab.

  • Ich habe als Kind noch viele Anleitungen zu Videospielen gelesen. Die waren nicht annähernd so gut wie die zu aktuellen Brettspielen. Das härtet ab.;)

    Mein Vater versuchte mir Mal Skat bei zu bringen, ist bis heute gescheitert....

    So wahnsinnig viele Regeln hat das aber nicht. Ich vermute einfach, dass dein Vater nicht sonderlich gut erklären kann. Das Problem haben wir auch immer mit unseren Eltern. Meine Frau hat schon x-Mal ihre Mutter eingeladen um sich zeigen zu lassen wie man näht, weil die das schon mindestens ihr halbes Leben macht. Das hat nie funktioniert. Drei Youtube-Videos später ging's.

    Gut Erklären muss man halt auch können.


    Ich wünschte allerdings, dass es von Klassikern wie Rommé, Skat, Mahjong Anleitungen wie für aktuelle Spiele gäbe. Man findet zum Selbsstudium aber vor allem riesige Listen von Varianten mit lokalen oder historischen Bezügen oder Turnierregelwerke. Eine knackige auf das wesentliche reduzierte Anleitung habe ich da noch nicht gesehen.

    Mehr ist Schach von den Grundregeln nicht: Turm zieht orthogonal, Läufer diagonal usw... Und dennoch, auch unter Vielspielern: können alle Schach? Wollen es alle lernen? Oder haben es alle versucht und auf Anhieb gekonnt? Auch nicht zwingend...obwohl viele hier weit komplexeren lernen und spielen...

    Ich kann die Regeln von Schach und habe es öfter gespielt. Spaß macht es mir nicht.

    Ich gehe stark davon aus, dass alle Vielspieler die Regeln auf Anhieb könnten und das Leute mit einem Faible für abstrakte konfrontative Zwei-Spieler-Spiele auch ihren Spaß daran haben würden. Mir ist nicht ganz klar auf was du hinaus willst.

  • Wie vorher schon geschrieben wurde, gehört da ein gutes Stück angelerntes Regelverständnis dazu. Das haben „wir“ hier halt alle. Wie PowerPlant schon sagt: wir „Profis“ lesen Begriffe wie z.B. „Aktionen“, „einsetzen“, „abwerfen“ etc. schon mit einem ganz anderen Grundverständnis, und auch mich überrascht es immer wieder, wie schwierig für andere Spielregeln sein können, die ich mir in 5 Minuten reinpfeife.

    Und es ist schwer, sich dann vorzustellen, dass es einfach Leute gibt, für die selbst die Regel eines „Flügelschlag“ nur Bahnhof darstellt. Die ein „Dominion“ in die Ecke pfeffern, weil es sie es nicht kapieren...

    [...]

    Man muss dann versuchen, durch eine gute und auf die Person(en) passende Spielerklärung die Bereitschaft und (hoffentlich) Begeisterung beim anderen zu wecken...

    Vielen Dank für die ganzen Beiträge, zu denen ich hoffentlich heute Abend noch weiter antworten kann! Auf den Beitrag von Bergziege direkt in der Mittagspause, da dieser in meinen Augen einen Kern des Pudels darstellt: Die Begrifflichkeiten in Regelwerken - quasi das Standard Glossar für die Spielewelt. Und am Anfang eher auf Spielerklärung durch gute Erklärer als durch Regelwerk zu legen, bzw. Regelwerke wie Ben2 mit mehr Klarsprache umzuschreiben und dadurch vielleicht auch Unschärfen in Kauf zu nehmen, die wir Regelfuchser direkt als Auslegungsfragen in Foren posten würden. :)

    Genau das kann ich nur unterstreichen. Gib einem grundsätzlich gebildeten Menschen ohne (Brett-)Spielhinterhrund einen Satz in dem das Verb "tappen" vorkommt. Hier im Forum glaube ich, dass mindestens 90% wissen, was dann gemeint ist, aber außerhalb unserer Blase? Wenn das dann aber nicht erklärt wird, ist das Spiel anhand der Regel für so jemanden unspielbar.

    Ach ja? Definier mir "normal"!

  • Interessant ist auch bei meinen Eltern ist es immer ein hin und her ein ständiges ein Schritt nach vorne und zwei zurück: ein Spiel, ein Mechanismus, eine Aktion in einem Spiel kann mein Vater an einem Abend, ne Woche später weiß er von nix mehr und kapiert es nicht ( er hat zwei Wochen vorher alleine ohne Hilfe dasselbe Spiel gespielt und gewonnen). Oder bspw Port Royal: Push ylur Lück, enginebuilding, mit Promis und erweitungen mittlerweile 20 verschiedene Personen: "kann ich nicht kapiert ich nicht so ein Scheißspiel, das werde ich NIE kapieren.".okay bringe ich was anderes mit dann nach 8 Wochen oder so: "hömma, das Piraten Spiel das war doch so schön, wieso bringst du das nichtmehr mit?! " Dann bringe ich es mit, dann kann mein das es dann ne Woche später kann er es wieder nicht. Und ich rede nicht vom gewinnen oder verlieren, es geht um Grundregeln.


    Aber wie gesagt hat auch mit Tagesform und allgemeinem Zustand zu tun. Mein dad baut leider langsam ab. Aber ich habe auch das Gefühl, dass spielen und regeln lernen ihn trainiert, ihm was bringt. Gehe ich jede Woche oder noch öfter zu meinen Eltern zum spielen und bringe in kurzen Abständen neue Sachen auf den Tisch ist mein das allgemein fitter im Kopf auch in anderen Lebensbereichen, als wenn ich mich Mal 4 Woche. Garnicht blicken lasse. Dann wird er wieder tüdeliger. Noch nix dramatisches, noch keine Demenz, kein Alzheimer, aber er wird langsamer im Kopf wenn wir weniger spielen. Es trainiert ihn.

    Einmal editiert, zuletzt von Schlafabtausch ()

  • Und zu viel Material bspw zu ausufernde Stories etc schrecken da m.E. eher ab.

    Ich glaube das Hintergrund und schickes Material eher Interesse wecken als abschrecken. Trockene Zahlenspielereien gibt's auch bei der Steuererklärung. "Zu viel" kann natürlich "zu viel" sein, aber so wie du deinen Ansatz beschreibt, läßt du ja alles weg. Nach meiner Erfahrung sind es vor allem die knallharten Strategen und Optimierer, die auch gern auf Hintergrund-Infos verzichtetn können und eben nicht Familien. Da geht's doch ums Erlebnis.

    Ich glaube auch nicht, dass man jeden zum Brettspiel bekehren muss. Warum auch? (Das heißt nicht das ich das nicht selbst schon mehrfach versucht hätte. Objektiv betrachtet ist das aber eigentlich recht selbstsüchtig: "Mein Hobby ist so toll. Das müssen die anderen doch einsehen.")

  • Gib einem grundsätzlich gebildeten Menschen ohne (Brett-)Spielhinterhrund einen Satz in dem das Verb "tappen" vorkommt.

    Das Beispiel ist schlecht gewählt. Tappen wird offiziell nur von einem Spiel verwendet und ich bin mir sicher, da wird ganz genau erklärt was das bedeutet.

    Ich glaube das mit den Brettspiel-spezifischen Vokabeln auch generell nicht ganz. Sicherlich gibt es Beschreibungen, die sich in Anleitungen gleichen und die man mit Erfahrung schneller kapiert. Das eine gute Anleitung aber generell für Neulinge unverständlich ist, würde ich vorwiegend auf das Nicht-wollen schieben.

  • Flügelschlag kannst du einem Achtjährigen beibringen.

    Vorsicht. Beigebracht bekommen ist etwas völlig anderes als selbst lernen. Wenn man einen guten Erklärer hat und bei Verständnisschwierigkeiten jederzeit nachfragen kann, nimmt man das doch immer gerne an. Viel angenehmer als sich die Regeln selbst drauf schaffen zu müssen, und das gilt schon weit vor der Lacerda-Kategorie von Spielen. Dürften viele doch auch von ihren Spielerunden oder vom Spielen zuhause kennen.


    Die Frage ist nicht, ob man als Vielspieler dem Achtjährigen Flügelschlag beibringen kann. Sondern eher, ob der durchschnittliche 18-jährige in der Lage ist, Flügelschlag ohne Hilfe allein aufgrund der Regeln zu erlernen (wenn er es denn wollte).



    Im Übrigen glaube ich, dass Spiele in sehr unterschiedlichem Maße dafür anfällig sein können, für alle Erstspieler am Tisch durch eine schlechte Erklärung komplett ruiniert zu werden. Viele populären Spiele verdanken ihren kommerziellen Erfolg auch der Tatsache, dass sie eine schlechte Erklärung oder sogar falsches Spielen mit diversen Regelfehlern enorm gutmütig verzeihen.

  • Schönes Material ja. Schöne haptische Chips bei splendor, schöne Kacheln beim Azul, ja. Rondo: wunderschöne und haptische Chips die aus dem Beutel gezogen werden. Bei century freuen sich meine Eltern wenn ich die schöne Spielmatte drunter lege. Das ist wichtig für den Einstieg. Nicht aber die Story: wir sind Edelsteinhändler und wollen unsere Edelsteine gegen kunstGegenstände eintauschen usw. Bei Loveletter: schöne grosse Karten, schöne Holzherzen, das motiviert meine Eltern. Die Story wir schreiben der Prinzessin einen Liebesbrief und wollen ihr den übergeben, verwirrt eher, wir schreiben ja nix sondern spielen Karten aus. Und warum ist es besser dem Brief der Gräfin zu geben als dem König usw? Egal. 7 ist besser als 6 am Ende das kapieren sie. Und freuen sich trotzdem übers schöne Material. Wie gesagt. Nur am Anfang zum Einstieg fürs überhaupt Mal losspielen können und erklären. Nach einigen Partien bringe ich die Story immer wieder mit ein, bei Century sind es heute keine farbigen Steine mehr sondern Gewürze. Aber beim ersten Spiel war es zum Einstieg rot grün gelb braun. Wofür auch immer das stand war egal. Dass du Ingwer tauscht in was ist das am Ende Curcuma und warum das eine wertiger sein soll als das andere. Wurscht, für den Einstieg.


    Wertiges und haptisch schönes Material erfreut meine Eltern. Aber es darf nicht zu vieles verschiedenes sein. Klötzchen Aha. In 4 Farben. OK. Aber cordia? Schiffe, Figuren, die verschiedenen Waren..dazu Plättchen, Karten....zu viel. Beim Aufbau würde mein dad schon einiges in die hand nehmen sich die Sachen angucken und genervt fragen: oh Gott, was ist das denn.was soll ich damit? Ne komm Pack weg. Er würde schon zu machen und sich überfordert fühlen bevor ich zuende aufgebaut habe.

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  • Verstehe ich vollkommen. Ob die thematische Einbettung dem Neuspieler hilft ist sicher auch vom Spiel abhängig. Bei deinen beiden Beispielen bringt sie nichts - da stimme ich dir absolut zu.

    Ich wehre mich nur gegen die Verallgemeinerung. Meinen Kindern Maus und Mystik vorzusetzen ohne die Geschichte vorzulesen wäre das gegenteilige Extrembeispiel.

  • [Schach]

    Ich gehe stark davon aus, dass alle Vielspieler die Regeln auf Anhieb könnten und das Leute mit einem Faible für abstrakte konfrontative Zwei-Spieler-Spiele auch ihren Spaß daran haben würden.

    Ich weiß nicht, ob "Faible für abstrakte konfrontative Zwei-Spieler-Spiele" auf mich zutrifft (das mögen andere beurteilen), aber ich habe zumindest 7 Spiele aus den Top-10 der "abstract games" von BGG zuhause und das meiste davon sind echte oder verkappter 2er-Spiele. Mehr oder minder konfrontativ sind die eigentlich auch alle, weil man in jedem 2er-Spiel natürlich auch sehr direkt gegen den einzigen vorhandenen Gegner spielt.


    Ich persönlich finde jedenfalls, dass Schach im Vergleich zu modernen abstrakten Spielen wie GIPF-Serie & Co einfach nur dröge, langweilig und alt wirkt. Vom Himmel gefallene Sonderregeln wie Rochade oder en passant braucht man auch nicht zum Glücklichsein. Schach hat für mich die gleiche Berechtigung für die Spielewelt wie Monopoly oder MÄDN: ein Relikt aus der Vergangenheit, das irgendwie nicht tot zu kriegen ist. Wenn's schon ein altes, traditionelles Spiel sein soll, dann bitte Go.

  • @DanielRausE deine Beispiele sind ja auch abstrakte Spiele, die ein Thema draufgeklatscht bekommen haben, welches mit der Mechanik nichts zu tun hat. Sind Mechanik und Thema miteinander ordentlich verwoben, kann es das Erklären sogar stark vereinfachen, da man auf bekannte Denkstrukturen zurückgreifen kann (so jetzt bräuche ich ein schönes Beispiel...). Vielleicht #Agricola (nichts für die Familie...): Wie Aussäen funktioniert brauche ich nicht total kompliziert zu erklären, da man mit dem Begriff eine gewisse Vorstellung verbindet, die sich ähnlich optisch und mechanisch im Spiel wiederfindet. Ich nehme nen Samen (in dem Fall den Getreidemarker – wenn er auch aussieht wie Getreide und nicht eine Scheibe ist noch einfacher) und lege ihn auf den Acker.

    Das ist was anders, wenn "Aussäen" bedeuten würde, gib einen gelben Holzwürfel in den allgemeinen Vorrat zurück und rücke dann den grauen Würfel auf Leiste x um y vor, dadurch änder sich...

  • Pärchen (beide damals um die 30, noch ohne zeitnehmende Kinder, gehobener Dienst mit Studium und Führungsposition) schenken mir ihr Andor, weil sie mit der Anleitung nicht klarkommen :D - So geschehen im KSdJ Jahrgang mit Andor...

    Top 10 (jeweils ohne Reihenfolge)