[2019] Ragusa

  • Nachdem es außer dem Thread zum Kickstarter noch keine Besprechung zu Ragusa gibt, mache ich mal den Anfang.


    Das Spiel wurde ursprünglich eben über KS finanziert und dann im Anschluss über die Spieleschmiede lokalisiert. Der Autor ist Italiener und heißt Fabio Lopiano. Mittlerweile ist es auch ganz normal über die Spiele-Offensive zu erhalten. Für den grundsätzlichen Spielablauf zitiere ich mich mal aus dem Wochenthread:

    Die Regeln dieses Euros sind im Grunde recht einfach. Bei vier Spielern hat jeder 10 Häuser, die reihum auf den Spielplan gesetzt werden. Hat das jeder erledigt, so ist das Spiel vorbei. Selbst in der Erstpartie hat es gerade einmal eine Stunde gedauert. Der Spielplan, der aus Sechsecken besteht, ist in zwei Bereiche eingeteilt. In der oberen Hälfte befindet sich das Umland von Ragusa, wo wir den Zugang zu den Ressourcen Holz, Stein, Silbererz, Oliven und Weintrauben erhalten. Die untere Hälfte ist die Stadt selbst und auch der deutlich interessantere Bereich. Hier lösen wir mit dem Setzen der Häuser verschiedene Aktionen aus. Die Häuser platzieren wir an den Schnittstellen von drei Sechsecken und bekommen dann auch immer die Aktionen der drei angrenzenden Felder. Der Kniff ist nun, dass wir bei den meisten Stadt-Aktionen nicht nur unser Haus aktivieren, sondern auch alle, die sich schon an diesem Hexfeld befinden. Ich aktiviere dadurch also nicht nur meine Häuser, sondern auch die der Gegner. Selbstverständlich benötigt es aber auch mehr Ressourcen, wenn ich ein zweites oder drittes Haus am selben Hexfeld platziere will, da ich ja dann mehrfach profitiere.

    Das hört sich insgesamt nach recht einfachen Regeln an und für Vielspieler sind sie auch nicht schwer, sind es insgesamt doch eher bekannte Konzepte. Ich habe ja aber auch wegen dem Thread "Kennerspiel des Jahres aus Sicht der anderen oder wie schwer sind Anleitungen" angekündigt, das einmal mit Wenigspielern zu testen. Da hat es sich als schwieriger dargestellt, als gedacht. Vor allem das Konzept der Rohstoffe, zu denen man lediglich den Zugang braucht, die man aber nicht verbraucht, hat für einige Fragezeichen gesorgt. Das hat mich doch sehr verwundert, gibt es das in 7 Wonders doch quasi identisch und war dort sowohl bei meinen Kids, als auch bei den sonst mitspielenden Wenigspielern kein so großes Problem. Ich darf diesbezüglich das Video von Hunter&Cron lobend erwähnen. Die Regelerläuterung ist dort in 15 Minuten kurz, knackig, umfassend und mit dem Fokus auf den Knackpunkten. Ansonsten ist das zweite Problem die Erkennbarkeit, wo ich aktuell bauen kann, also quasi das Ergebnis des Zugangs zu den Ressourcen. Da gab es auch in den ersten Runden einige "Fehleinschätzungen", bei denen ich eingreifen musste. Ich muss diesbezüglich meine Einschätzung aber ein wenig zurücknehmen. Ragusa ist wohl eher kein klassisches Gateway-Game. Im Endeffekt hat es allen Spaß gemacht, aber erst bei den letzten beiden Häusern wurde das Konzept so richtig verstanden. Die Gefahr, dass es mittendrin aber abgebrochen und für schlecht befunden wird, ist für mich doch recht hoch.


    Ansonsten gehe ich noch auf ein paar Aspekte ein, die mir aufgefallen sind (sowohl positiv, wie auch negativ) und da ja gerne auch auf BGG geschimpft wird, werde ich auch meine Einschätzungen zu den "Beschwerden" dort einfließen lassen:


    Interaktion:

    Ich mag interaktive Spiele und und für mich ist Ragusa sehr interaktiv. Das Wegnehmen der Spots und die Aktivierung bereits gesetzter Häuschen lässt hier viel Raum, um mit den Mitspielern zu konkurrieren und taktisch zu agieren. Dabei ist natürlich besonders wichtig, dass ich nicht die gleiche Strategie nutze wie meine Mitspieler. Dann gehe ich nämlich baden und stärke ihre Aktionen mehr als meine.


    Spielfluss:

    Gerade der "Flow" des Spiels ist für mich eine große Stärke. Es ist trotz der Interaktion recht schnell gespielt (4 Spieler < 1 Stunde) und man ist sehr schnell wieder selbst am Zug. Dazu wird zwischen den eigenen Zügen auch immer wieder ein eigenes Haus aktiviert und man ist immer wieder direkt beteiligt. Dazu gehen die ersten Häuser, bei denen man sich "nur" Ressourcen holt sehr schnell und der Fokus liegt auf dem spannenden Endgame. Lediglich beim letzten Haus ist die Karte manchmal schon so voll, dass man nichts wirklich sinnvolles mehr setzen kann, da entweder die Ressourcen fehlen (für ein Dritthaus an einem Hexfeld bspw.) oder weil ich damit nur den Gegnern mehr Punkte als mir bescheren würde.


    Startspielervorteil:

    Auf BGG wurde bereits viel über die "perfekten" Startspots und den angeblich massiven Startspielervorteil geschrieben. Tatsächlich sehe ich das Problem nur bei dem Spiel zu fünft. Der fünfte Spot ist für mich tatsächlich schlechter, aber bei bis zu vier Spielern ist es wirklich ohne nennenswerte Nachteile, wenn man hinten drauf ist.

    Natürlich ist eine Einschränkung vorhanden, da ich weniger oft aktiviert werden kann, aber bei guten Mitspielern versuche ich das auch möglichst zu vermeiden und gehe auf Spots, die noch unbesetzt sind.


    Strategien:

    Die Strategien haben sich in meinen Partien als recht gut gebalanced angefühlt. Ein Sieg konnte sowohl durch eine Spezialisierung auf Mauer, auf Handelswaren, auf Schiffe und auf Bonuskarten sowie mit einer Mischstrategie errungen werden. Wichtig ist eben nur, dass man das Brett liest und möglichst Fremdaktivierungen vermeidet.


    Glück:

    Die Bonuskarten geben maximal 12 Punkte pro Karte. Das ist ein ordentlicher Batzen, muss man doch bedenken, dass bei uns am Ende der Sieg immer im Bereich von 70-100 Punkten vergeben wurde. Wenn ich zu meiner ursprünglichen Bonuskarte noch eine perfekt passende bekomme, kann das schon den Sieg bringen. Auf der anderen Seite hatte ich bei der letzten Partie zwei weitere Karten, die mir insgesamt nur 4 Siegpunkte brachten, wobei mir 8 Punkte auf den Sieger gefehlt haben. Das kann dann schon ein wenig frustig sein, wobei es bei der Spielzeit noch akzeptabel ist und beide Extremfälle nicht die Regel sind.


    Fazit:

    Mir gefällt das Spiel weiterhin gut. Gerade die kurze Spieldauer, der tolle Spielfluss und die Interaktion gefallen mir sehr gut. Es ist für mich ein idealer Füller oder auch ein Spiel nach einem anstrengenden Tag, wenn man ein kurzes, aber doch strategisches Spiel sucht. Insgesamt ist es dann aber doch ein Kandidat, der zwar immer wieder, aber doch nicht sonderlich regelmäßig auf den Tisch kommen dürfte.

    Ach ja? Definier mir "normal"!

  • Startspielervorteil:

    Auf BGG wurde bereits viel über die "perfekten" Startspots und den angeblich massiven Startspielervorteil geschrieben. Tatsächlich sehe ich das Problem nur bei dem Spiel zu fünft. Der fünfte Spot ist für mich tatsächlich schlechter, aber bei bis zu vier Spielern ist es wirklich ohne nennenswerte Nachteile, wenn man hinten drauf ist.

    Ragusa ist für mich eines der Highlights aus Essen (einfach weil ich es weder erwartet, noch auf dem Schirm hatte und dadurch mehr als positiv überrascht wurde). Ich spiele es wirklich immer (!) sehr gerne....habe aber hier im Forum auch schon kritischere Stimmen diesbezüglich vernommen...

    Hauptgrund, dass ich es mag: Die Regeln im Spiel sind sehr einfach, aber es gibt schon wirklich viel zu beachten. Das Spiel wird immer denklastiger, je länger das Spiel voranschreitet. Am Anfang dachte ich noch: Wenn`s in dem Tempo so weiter geht, dauert das Spiel keine 30min...doch weit gefehlt...da gibt es schon viel zu beachten und dabei sind die Aktionen wirklich einfach: Jede Runde setzt man ein Haus ein und macht die diesbezügliche Aktion.

    Ich hatte es auch mehrfach im Wochen-Thread erwähnt, dass ich es wirklich sehr gut finde.

    In einer meiner letzten Partien hatten wir eine ziemlich heftige Diskussion um den Startspielervorteil, der natürlich gegeben ist, das steht ja außer Frage, aber ob er signifikant ist oder nicht, das ist für mich weiterhin fraglich. Auf BGG hatte sich auch einmal der Entwickler in einem langen Posting über die Entwicklung des Spiels diesbezüglich geäußert und ist auf das Thema "Startspielervorteil" eingegangen. In ihren Testrunden konnten sie -so wie ich es noch in Erinnerung habe- keinen signifikanten Startspielervorteil ausmachen.

    Ist halt so wie mit dem Stück Zucker im See: Schmeiße ich ein Stück Zucker in den See, dann wird der See süßer...das ist Fakt. Wird er signifikant süßer? Nein, sicherlich nicht. Ich hatte jedenfalls in meinen 10 Partien (4 mit 4 Spielern, 3 mit 3 Spielern, 3 zu zweit) keinen signifikanten -sprich "merklichen"- Startspielervorteil ausmachen können. Da gibt es mE viel zu viele Stellschrauben im Spiel, als dass der Startspielervorteil ins Gewicht fallen würde. Ich hatte das Spiel allerdings nie zu fünft gespielt....da kann es natürlich stärker ins Gewicht fallen..das .kann ich mir gut vorstellen, aber das Spiel würde ich zu fünft auch gar nicht spielen wollen.....max. zu viert...am besten zu dritt.

    Gesamthaft fand ich das Spiel ausgesprochen gut. Wie gesagt: Eins meiner Essen-Highlights. Gründe hierfür:


    • einfache Regeln (man nehme ein Haus, setze es ein und mache die diesbezügliche Aktion)
    • die Progression im Spiel ist enorm. Spielzüge werde komplexer und dadurch ist das Spiel AP anfälliger. Was am Anfang noch trivial erscheint wird immer verzahnter...
    • Spiel ist sowohl strategisch als auch taktisch und bietet mir eine gute Mischung aus beidem. Man braucht eine Strategie, aber wenn man am Zug ist, gilt es immer noch das Beste aus der gegebenen Situation zu machen (sichere ich mich lieber ab, und setze mein Haus dort ein, wo ich weiß, dass ich am Ende Siegpunkte dafür bekomme, oder zocke ich noch eine Weile und setze es dort ein, wo es taktisch zur Zeit am besten ist (vielleicht auch den anderen abblocken...?!)
    • Angenehme Spieldauer und Spieltiefe


    Das Ganze ist natürlich immer Geschmackssache.

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  • Hier noch ein paar Anmerkungen vom Autor:


    There is no strong first move, because all country regions are pretty much the same.
    At first play, some people might think that the two "wood/stone/silver" spots are stronger than the others, but that is only a perception issue, because however you place your first two country houses, you'll get six resources (so, for example "wood/stone/silver" and "stone/olives/grapes" are exactly the same as "wood/stone/olives" and "stone/grapes/silver").
    As for the first city houses, you have a few strong choices (you could produce commodities, start building walls and towers, get another objective card etc.), just try to not simply follow the players before you.
    Also the timing of when to build in the city is important: you could go very early (say with your second house) to take a spot and have a small immediate gain, but securing several future triggering from other players, but then you will have to go back to the countryside in later turns in order to get access to more resources (critically, another stone, which you will need if you want to place another house in the same district), or you can linger a bit more in the country side and then come strong to the city, with fewer re-triggering but stronger activations, these choices depend a lot on what the other players are doing,
    and in fact you need to pay close attention to the other players (more than most games in this genre).

    First player advantage | Ragusa | BoardGameGeek


    (Gerade dieser Punkt des immer gleichen Vorgehens in den ersten Zügen wurde in meiner letzten Partie ebenfalls kritisch angemerkt...hier gab der Autor auch einmal ein Feedback diesbezüglich).


    ...und in diesen Postings ging der Autor (=Fabio Lopiano) auf den Startspielervorteil ein:

    First Player problem | Ragusa | BoardGameGeek

    First player advantage? | Ragusa | BoardGameGeek

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