Crowdfunding in Zeiten von Corona

  • Ich bin gerade über folgende Aussage gestolpert

    In der Kategorie "Tabletop Games" von Kickstarter buhlen aktuell 301 Projekte um uns als Unterstützer und unser Geld (-> Quelle).

    Als jemand, der Crowdfunding nur sehr am Rande verfolgt und vielleicht alle 2 Jahre mal ein Projekt unterstützt möchte ich da mal ganz doof ein paar Fragen in den Raum werfen:


    1) In wie weit kann ein Projektersteller momentan überhaupt irgendwelche Zusagen machen?

    - Viele Fabriken sind geschlossen. Bei denen die noch arbeiten, weiß man nicht, wie lange das noch so sein wird.

    - Niemand weiß wie lange der Zustand noch anhält und wie schlimm es noch wird, bevor es wieder besser wird.

    - Niemand kann ehrlich abschätzen, ob am Ende der ganzen Krise noch alle Anbieter am Markt sind.

    - Niemand kann abschätzen, wie stark am Ende der Auftragsrückstau sein wird (sowohl in der Produktion als auch beim Transport)

    - Niemand kann abschätzen, wie sich die Preise als Folge der gesamten Situation entwickeln werden.

    Wenn mir also heute jemand sagt "Ich kann mein Spiel in X Monaten zu einem Preis von Y€ ausliefern", kann ich den überhaupt ernst nehmen? (Klar, 2-3 Monate Verzögerung sind bei Kickstarter ja durchaus einzuplanen und wenn der Anbieter 10% weniger Gewinn macht, ist es sein persönliches Pech/unternehmerisches Risiko. Aber wenn plötzlich irgendwelche Kosten so explodieren, dass der Anbieter Verlust machen würde und dann lieber das Projekt vor die Wand fahren lässt, bekommt man sein Geld ja nicht unbedingt zurück. Klar, dieses Risiko besteht immer aber mir scheint es momentan besonders hoch.)


    2) Findet man momentan überhaupt genug Unterstützer?

    - Wie unter 1) beschrieben, wäre ich momentan sehr vorsichtig irgendwo in Vorkasse zu gehen, da das Risiko höher als sonst ist.

    - Viele Menschen sehen einer Zukunft mit Gehaltskürzungen/Kurzarbeit/... entgegen oder müssen überhaupt um ihren Job bangen. Sind die Leute da überhaupt alle bereit viel Geld in Luxusgüter zu investieren?


    Also kurz gefragt, wie sehr merkt man eigentlich im Crowdfundingbereich die Auswirkungen der Corona-Pandemie?


    (Ich habe das jetzt mal unter Off-Topic gepackt, da hier auch Corona stark reinspielt. Wenn ein Mod meint, dass es woanders besser aufgehoben wäre, darf er es gerne verschieben.)

  • Ich hab' damit kein Problem. Habe erst vor ein paar Tagen #DarkAges unerstützt, und werde auch weiterhin bei Projekten mitmachen, die mich ansprechen.

    Ein paar Wochen Verzögerung wären mir auch egal. Und ich geh' davon aus, dass unser Geld nach der Krise nicht mehr wert sein wird als jetzt ... ganz im Gegenteil ... also ist nun der beste Zeitpunkt zum Ausgeben! :)

  • 1) In wie weit kann ein Projektersteller momentan überhaupt irgendwelche Zusagen machen?

    Er kann, nein: sollte, ein paar Monate mehr Puffer einplanen; alles andere wäre unprofessionell. Und falls die Coronakrise wesentlich länger dauert als alle denken, dann wird ihm niemand dafür den Kopf abreißen wollen. Wie immer ist hier Kommunikation das Wichtigste.


    2) Findet man momentan überhaupt genug Unterstützer?

    Ja. Das zeigen viele finanzierte Projekte, die es immer noch gibt. Allgemein denke ich aber, dass die Zeiten für KS-Macher schwieriger geworden sind. Die unsichere Zukunft durch Corona, nicht nur bei den Projektmachern, sondern auch bei der wirtschaftlichen Situation der Backer, ist da sicher auch ein Faktor. Aber wie ich denke, nur einer von vielen.

    Viele KS-aktive Spieler haben auch schon im letzten Jahr, d.h. vor Corona, ihr Backing-Verhalten eingeschränkt. Auch manche große KS-Verlage haben 2019 die Erfahrung gemacht, dass Backer wählerischer geworden sind und groß angelegte Projekte doch nicht die Millionensummen eingeworben haben, die sich die Macher vermutlich erhofft hatten (Beispiel: CMON mit Trudvang). Von daher könnte ich mir auch gut vorstellen, dass Corona so manchem KS-Kleinverlag, der eh schon am staucheln war, jetzt den Rest gibt. Das ist dann ein Stück weit einfach die normale, notwendige Marktbereinigung. 300+ parallel laufende Kampagnen im Tabletop-Segment von Kickstarter braucht kein Mensch zum Glücklichsein.

  • Also ich hatte auch keine Skrupel, bei der aktuellen Dicetopia-Erweiterung einzusteigen. Den Machern gebe ich gedanklich ein paar Monate mehr und ich gebe nicht mehr aus, als ich zu verlieren bereit bin. Wenn das Produkt aber kommt, dann hat mein Beitrag vielleicht auch einen kleinen Beitrag geleistet, dass die Bude nicht pleite geht.
    Bald kommt der Queen-Games-Kickstarter für Winter Kingdom - der wird auch gebackt. Ungeachtet aller Risiken. Da ich aber vollmundig im anderen Thema verkündet habe, dass etwas neues von Kingdom Builder ein Autobuy wäre muss ich mich ja auch daran halten :)


    Viele Grüße,

    Andreas.

    Einmal editiert, zuletzt von AndreasB78 ()

  • Spieleschmiede hat im Newsletter folgendes bekannt gegeben:


    Hallo BSer,

    zwar befinden sich derzeit 5 Projekte in der Spieleschmiede, jedoch merken wir, dass sich der Corona-Virus natürlich auch auf eure liebste Crowdfunding-Seite auswirkt. Daher haben wir uns dazu entschlossen, in den nächsten Tagen keine neuen Projekte zu starten und von Woche zu Woche die Lage neu zu bewerten, ob nicht zumindest vereinzelte Starts doch sinnvoll sind.

    (...)

  • Und ich geh' davon aus, dass unser Geld nach der Krise nicht mehr wert sein wird als jetzt ... ganz im Gegenteil ..

    du sagst es. Du zahlst dein Geld jetzt. Der Projektleiter kassiert das Geld ein und bezahlt Wochen/Monate später das Material. Wenn in dieser Zeit durch die starke Inflation die zu erwarten ist die Preise steigen, wird er die Teuerungen nicht mehr bezahlen können, daher das Projekt platzt. Der Projektleiter müsste schätzen können wie sich die Inflation in den nächsten Monaten entwickeln wird um jetzt genug Geld einzunehmen. Wenn er das wirklich könnte wäre er am Aktienmarkt besser aufgehoben als aus Spieleentwickler.
    Es sind jetzt soviele Unwägbarkeiten das man unmöglich abschätzen kann wie sich alles entwickeln wird.
    Aber ich bin mit dir einer Meinung sein Geld jetzt auszugeben weil nacher ist es nix mehr Wert. Nur nicht in Kickstarter.

  • So schlimm wird's in der Eurozone wohl nicht werden. Die Kickstarter Macher müssen sich vermutlich nur von ihrem Gewinn ein Stück abschneiden.


    Und selbst wenn, dann sind die paar Hunderter die ich dabei verliere auch schon wurscht :)


    Aber das ist nur mein Bauchgefühl.

  • Man muss bedenken, dass es sich hier teilweise nicht anders verhält wie bei den Spielgeschäften, die zur Solidarität mit und Spielekäufen bei ihnen aufgerufen haben. Ein Unternehmen wie Chip Theory Games stützt sich nahezu ausschließlich auf den Kickstartermarkt, da sie über diesen und den Pledgemanager auch ältere Bestände anbieten und so neu drucken lassen können.

    Bei Petersen Games verhält es sich aktuell glaube ich noch ähnlich, auch wenn sie dort das Modell umstellen wollten. Inwieweit das geklappt hat kann ich nicht sagen, ich denke aber, dass Corona dieser Umstellung zuvor kam. Da sie auch zuvor (laut eigener Aussage von Arthur Petersen) mit finanziellen Engpässen zu kämpfen hatten - diese bisher aber immer überwunden haben - denke ich nicht, dass sie auch nur auf 50 Backer bei ihren Projekten verzichten könnten, ohne das am Ende zu merken.

    Bei Queen Games fiele bei ausbleibender Unterstützung der Backer das Standbein US-Markt weg, an welchen sich die Kampagnen vorrangig richten, jedoch ist Queen Games bei uns im Einzelhandel etabliert und könnte schwächere Projekte demnach besser auffangen als die zuvor genannten Unternehmen.


    Ich kann die Unterstützer verstehen, die sich aktuell zweimal überlegen, ob sie etwas backen. Vorallem, da die Einzelpreise bei Kickstarter mit Versand oftmals deutlich über dem liegen, was für einige hier die Schmerzgrenze darstellt. Durch den Corona-Virus ist das Unterstützen definitiv nicht attraktiver geworden, aber um auf den Vergleich mit den Brettspielgeschäften zurückzukommen, ist es für viele Unternehmen doch überlebenswichtig. Ich werde in der kommenden Cloudspire Kampagne definitiv mitmachen, wobei die Summe für mich dort überschaubar ist, da ich aus der ursprünglichen Kampagne bereits fast alles besitze. Trotzdem ist es für die Ersteller der Kampagne nicht unwichtig, ob sie am Ende des Tages viele Unterstützer wie mich im Boot haben oder nicht.

    Diese Unternehmen benötigen die stetigen Einnahmen von neuen Kickstarterprojekten um das Konstrukt am Laufen zu halten. Da ist es keine Option mal ein halbes Jahr auszusetzen und dann weiterzumachen. Geht die Anzahl der Unterstützer oder die Bereitschaft zum Unterstützen zurück, dann verlieren am Ende beide Seiten:

    Wir, die Unterstützer, verlieren die Möglichkeit Projekte mitanzustoßen, die auf eine andere Weise nie hätten umgesetzt werden können und die Spieleentwickler/Unternehmen verlieren ihre Einkommensgrundlage.


    Aktuell ist es für die wenigsten von uns eine schöne Zeit, aber gerade in solchen Momenten sollte man zusammenstehen, sofern man sich dies erlauben kann. Natürlich wäre es unverantwortlich 300€ in ein Brettspiel zu investieren, wenn man selbst um seine Existenz bangt. Wenn man es sich aber noch leisten kann und sowieso Interesse an dem Spiel hat, dann ist es aktuell wichtiger denn je, dass man seine Unterstützung monetär zeigt. In diesen Projekten geht es nicht nur um die Spiele, sondern auch um die Personen dahinter. Die Jungs von Chip Theory Games beispielsweise würde ich nicht im Regen stehen lassen, wenn ich ihnen helfen kann, denn das ganze Team war auch in all den Jahren davor immer für seine Unterstützer da und hat zu deren Vorteil selbst Abstriche gemacht. Wenn ich dann aktuell etwas davon zurückgeben kann, dann mache ich das von Herzen gerne, besonders wenn ich dafür noch ein tolles Spiel oder eine Erweiterung bekomme. Ob die jetzt im April oder Oktober eintrifft ist mir dabei relativ egal. Ich warte schließlich auch schon knapp zwei Jahre auf das überfällige Cthulhu Wars auf deutsch.

    Man kennt mich aus "Ein Absatz kommt selten allein" und "Hör mal wer da tippt". Die Rolle meines Lebens hatte ich wohl 1987 an der Seite von Michael Douglas in "Wall of Text".

  • - Viele Fabriken sind geschlossen. Bei denen die noch arbeiten, weiß man nicht, wie lange das noch so sein wird.

    Von mehreren Kampagnen, die noch offen sind, habe ich die Rueckmeldung erhalten, dass die Fabriken wieder offen sind und nun ihre Rueckstaende ab arbeiten. Das passt auch zur offiziellen Berichterstattung, dass in China groesstenteils wieder normal produziert wird.

  • Viele Fabriken sind geschlossen.

    Wie kommst du darauf (im Bezug auf Spiele)?

    Quellen habe ich gerade nicht. Ich meine mich zu erinnern, dass ich in den letzten Wochen auch etwas über geschlossene Spielefabriken in China gelesen habe. Passt auch zu dem, was pst geschrieben hat. Dass diese wieder offen sind, habe ich noch nicht mitbekommen.

    Ich will hier keine Falschmeldungen verbreiten und lasse mich gerne eines bessern belehren.

  • Es gibt natürlich eine Menge Spielefabriken in China, aber einige größere mir bekannte hatten lediglich die Pause von Chinese New Year um 1-2 Wochen verlängert, bevor sie den Betrieb wieder aufgenommen hatten. Vermutlich kommt es sehr darauf an, in welchem Teil Chinas eine Fabrik sitzt.

    Unabhängig davon gibt es ja auch viele Spielefabriken in Europa, und die dürften zur Zeit größtenteils alle noch normal fertigen.