Lokalisierung durch andere Publisher - Motivation

  • Hallo zusammen,


    meine Wenigkeit wartet bei vielen Spielen häufig auf eine deutsche Lokalisierung, v.a. wegen meinen Mitspielern. Aber ich will hier keine Vor-/Nachteile listen und auch nicht darüber diskutieren, ob das Sinn macht. Ich denke, das wurde in vielen anderen Themen schon gemacht.


    In diesem Zusammenhang stelle ich mir aber häufig eine andere Frage: mit welchen Modellen arbeiten Publisher eigentlich bei Lokalisierungen zusammen?


    Nehmen wir an, dass Publisher A sein Spiel in den Sprachen Englisch, Spanisch, Italienisch vertreibt. Für eine deutsche Lokalisierung fehlt ihm evtl. das Fachpersonal oder aber man nimmt an, dass sich der Aufwand nicht lohnt. Da kann es sicherlich viele Gründe geben, egal. Nach sehr positiver Resonanz wird aber klar, dass es durchaus einen Markt für eine lokalisierte Version gibt. Daher gibt es eine entsprechende Version ein Jahr später, und ein Publisher B vertreibt es dann in Deutschland auf den Markt. So oder so ähnlich sehr bekannt, nicht nur bei Spielen!


    Aber jetzt speziell im Brettspielbereich: wie profitiert Publisher A typischerweise von der Lokalisierung und Vertrieb durch Publisher B?

    Intuitiv fallen mir da zwei Modelle ein: Lizenz oder Provision. Ich mir vorstellen kann, dass Lizenzmodelle bei wirklich großen (Auftrags-)Produktionen, die dann auch im Supermarkt landen und/oder starke Marken nutzen (Marvel, Star Wars & Co), durchaus verwendet werden. Welche Lizenzen werden da verwendet? Sind das dann einmalige Zahlungen? Gibt es Lizenzen für bestimmte Stückzahlen? Eine Lizenz für jeweils ein Jahr (ok, produzierte Spiele würden nach Ablauf sicher nicht vernichtet werden)?

    Sind derartige Lizenzen auch beim typischen Autorenspiel für Kenner/Experten relevant? Oder wählt man hier lieber das Modell: "mach was du willst und in deinem Markt tun musst, damit es erfolgreich ist, und gib uns 5% vom Kuchen". Ja, dafür ist sicherlich auch eine Lizenz erforderlich, aber dann doch eher "ungebunden", da eine Provision vereinbart wurde.


    Warum hat die Frage für mich Relevanz? Naja, größtenteils einfach Neugier. Neulich in der Diskussion über die Endeavor-Erweiterung (Kickstarter) ist mir z.B. wieder ein Satz ins Auge gestochen (hier aus Sicht des Lokalisierungspartners):


    Es ist ganz einfach - wir sind am KS nicht beteiligt (wie auch bei Kemet nicht) - weder bekommen wir mitgeteilt ob und wann da ein Update kommt, noch sind die an uns interessiert


    Aber das nur als Beispiel! Frosted macht da einen prima Job und ich bin sicher, dass das Produkt bald ankommt und super ist. Aber ich habe das in dieser Form schon häufiger erlebt, v.a. im Zusammenhang mit Kickstartern. Ich verstehe die Hintergründe nicht. Warum ist es für den "Hauptpublisher" (KS-Initiator, Rechteinhaber, etc) weniger relevant, dass das deutsche Produkt erfolgreich ist bzw. auch der deutsche Kunde zufrieden ist? Im Endeffekt würde ich Hintergrund-Informationen auch ein bisschen dafür verwenden wollen, um abzuschätzen, ob/wann eine lokalisierte Fassung von einem im Ausland erfolgreichen Spiel kommt. Vielleicht ist es ja für den ursprünglichen Publisher oder auch Autor einfach nicht luktrativ genug (nicht nur wegen potentieller Absatzmenge) und der Hund ist im System begraben.


    Schon einmal vielen Dank für eure Weisheiten ;)

  • Es gibt keine Weisheiten in diesem Business. Jeder Verlag macht es anders, es ist alles Verhandlungssache. Und selbst Verlage ändern von Zeit zu Zeit ihr Vorgehensmodell, sodass die Vergangenheit (so man die als Verbraucher kennen würde) auch nur bedingt Rückschlüsse auf die Zukunft erlaubt. Kurz: Allgemein lässt sich Deine Fragestellung nicht beantworten. Und da es sich bei Lizenz- und Provisionsvereinbarungen um Geschäftsinterna handelt, wirst Du auch bei konkreter Fragestellung kaum eine detaillierte Antwort erhalten!

  • Da du Frosted Games direkt erwähnt hast ein paar Infos, die deine Fragen vielleicht nicht beantworten aber aufzeigen wie komplex das ganze ist.

    Aber jetzt speziell im Brettspielbereich: wie profitiert Publisher A typischerweise von der Lokalisierung und Vertrieb durch Publisher B?

    Häufigster Grund ist, überhaupt auf den Markt zu kommen. Vertrieb ist eine sehr große Sache. Das ist manchmal komplex, manchmal kompliziert. Wenn du was bei Karstadt verkaufen möchtest, bekommst du erstmal einen zentnerdicken Katalog wie du anliefern musst. Du kannst sowas nicht für alle Märkte der Welt kennen, geschweige denn für alle Kanäle. Direktvertrieb macht es einfach. Da interessiert es dich nicht mehr. Aber sein wir ehrlich (und Jamey Stegmeier kann da etliche Posts zu aufzeigen), mehr Masse machst du mit den ganzen Läden als Hilfe im Verkauf. Und hier sind die Läden überall anders.
    Antwort: Mehr Auflage, Verdientes Geld, dass es sonst gar nicht geben und die Option fürs nächste Projekt wieder einen tollen Partner zu haben.

    Kommen wir zum KS, denn da ist die Sache doch deutlich komplizierter und ich bringe jetzt mal ein Beispiel von Kemet mit ein.

    Wenn wir im Kickstarter als Verkäufer mit dabei wären hätten wir viele Einzelheiten zu beachten. Wir würden die Ware in China einsammeln, und nach Deutschland liefern, wir würden den deutschen Bankern das ganze zusenden, dann gibt es dan noch die Österreichischen und natürlich die Schweizer. Für die Abrechnung müssten wir uns in China als Unternehmen melden, weil auf Grund des Reihengeschäfts dort Umsatzsteuer abführen müssten. Und zwar unterschiedliche für die Kunden aus DE, AT und CH. On Top müssten wir uns Frankreich registrieren um die Einnahmen daraus einzusammeln und die französische Umsatzsteuer korrekt abzuführen und das ganze Kickstarter gegenüber auch entsprechend korrekt verbuchen zu können. Und das macht deutlich mehr Arbeit, als es hier niederzuschreiben, wo es auch noch unvollständig ist.

    Bei Kemet, macht Matagot den KS, den Versand und alles und uns kann es egal sein. Wir bekommen aber einen WKZ für jedes Deutsche Exemplar das über KS geht. Ein Bruchteil der Arbeit. Das bedeutet aber natürlich auch, wir haben da keinen Einfluss.

    Was nach dem KS kommt ist wieder normale Arbeit. Wir bringen mit der Hilfe von Pegasus die Spiele in den Retail und erfreuen uns Kunden glücklich zu machen.

    Be seeing you,
    Matthias Nagy

    Das hier ist mein Privat-Account. Alle hier geäußerten Meinungen sind nur meine privaten Meinungen und geben nicht die Meinung von Deep Print Games oder Frosted Games wieder.

  • Da du Frosted Games direkt erwähnt hast ein paar Infos, die deine Fragen vielleicht nicht beantworten aber aufzeigen wie komplex das ganze ist.

    Vielen, vielen Dank! Ich hoffe nur, dass du dich nicht zu einer Antwort genötigt gefühlt hast, weil ich die Endeavor-Erweiterung erwähnt habe. Es war nur ein (aktuelles) Beispiel, und da ist ja alles prima.


    Ja, der Vertrieb is sehr komplex. Kann man sich als Außenstehender kaum vorstellen. Dass es manchmal notwendig ist (Geld spart etc.) die Hilfe eines lokalen Verlags anzunehmen, das war allerdings klar.


    Antwort: Mehr Auflage, Verdientes Geld, dass es sonst gar nicht geben und die Option fürs nächste Projekt wieder einen tollen Partner zu haben

    Genau, mehr Auflage und mehr verdientes Geld! Jetzt sind wir beim Kern. Aber das Geld bekommt ja zunächst einmal Publisher B und nicht A. Da aber auch Publisher A profitieren sollte (?), ist die Frage nach welchen Modellen da gearbeitet wird. Wie gesagt, mich verwirren Aussagen, dass ein Publisher A nicht zu 100% interessiert ist, dass auch Publisher B seine Kunden gut bedient. Mir kommt es immer so vor, als würde es ihnen lieber sein, wenn man die Originalversion kauft. Da haben sie offensichtlich "zu wenig" von der Lokalisierung :) Und da spreche ich primär aus Erfahrung aus Gesprächen z.B. auf der Spiel (in Essen).


    darkpact: Und bei dem allen will ich dich gar nicht persönlich ansprechen. Jeder der aktuell im Geschäft ist, darf/soll da besser nichts dazu sagen, das ist klar. Ich dachte nur, dass bei der geballten Kompetenz hier im Forum auch Pi-Mal-Daumen Sachen zum besten gegeben werden können... von Außenstehenden. Wenn nicht hier, dann sicherlich nirgends.


    Es gibt keine Weisheiten in diesem Business. Jeder Verlag macht es anders, es ist alles Verhandlungssache. Und selbst Verlage ändern von Zeit zu Zeit ihr Vorgehensmodell, sodass die Vergangenheit (so man die als Verbraucher kennen würde) auch nur bedingt Rückschlüsse auf die Zukunft erlaubt. Kurz: Allgemein lässt sich Deine Fragestellung nicht beantworten. Und da es sich bei Lizenz- und Provisionsvereinbarungen um Geschäftsinterna handelt, wirst Du auch bei konkreter Fragestellung kaum eine detaillierte Antwort erhalten!

    Hab ich schon fast befürchtet. Logischerweise geht's mir auch gar nicht um konkrete Geschäftsinterna, sondern nur Allgemeines, damit man es sich vorstellen kann. Aber wenn du wirklich aus Erfahrung sprichst, dann sind das doch schon mal interessante Infos: da scheint es alles zu geben und keine Regeln!

  • Genau, mehr Auflage und mehr verdientes Geld! Jetzt sind wir beim Kern. Aber das Geld bekommt ja zunächst einmal Publisher B und nicht A. Da aber auch Publisher A profitieren sollte (?), ist die Frage nach welchen Modellen da gearbeitet wird. Wie gesagt, mich verwirren Aussagen, dass ein Publisher A nicht zu 100% interessiert ist, dass auch Publisher B seine Kunden gut bedient. Mir kommt es immer so vor, als würde es ihnen lieber sein, wenn man die Originalversion kauft. Da haben sie offensichtlich "zu wenig" von der Lokalisierung :) Und da spreche ich primär aus Erfahrung aus Gesprächen z.B. auf der Spiel (in Essen).

    Es ist immer eine Frage der Perspektive. Zu Glauben das A an jedem lokalisierten Exemplar genauso viel verdient wie an den eigenen Spielen ist unrealistisch. Wer das will als A wird wenig bis keine Lokalisierungen schaffen.
    Aber jedes Exemplar das Publisher B verkauft gibt dennoch einnahmen, on top. Und bei einer Koproduktion wird die Herstellung auch für A deutlich günstiger und er verdient noch mehr an den Spielen, da er selber auch weniger für die an den Drucker bezahlt.

    Und der Kauf von "Originalversionen" ist eher nur ein Deutsches Problem. In Frankreich, Spanien, Italien, Polen, wollen viel mehr Leute lokalisierte Versionen.

    Be seeing you,
    Matthias Nagy

    Das hier ist mein Privat-Account. Alle hier geäußerten Meinungen sind nur meine privaten Meinungen und geben nicht die Meinung von Deep Print Games oder Frosted Games wieder.

  • Soweit ich weiss gibt es im wesentlichen zwei Modelle:


    1.) Publisher A lässt für Publisher B eine gewisse Anzahl von lokalisierten Spiele mit produzieren und verkauft sie an B zu einem günstigen Preis. Dieser Preis muss natürlich unter deutlich dem Händlerpreis liegen, da B ja auch noch etwas verdienen muss. Für A ist damit das Geschäft erledigt (klar ist es auch in As Sinne, dass B gut verkauft. Aber A hat zumindest keinen unmittelbaren finanziellen Nutzen davon, solange es keine weitere Auflage gibt)


    2.) Publisher B produziert die Spiele selbst oder lässt produzieren, aber zahlt pro Spiel einen bestimmten Lizenzbetrag an A. Der ist aber auch üblicherweise geringer als der Gewinn, den A pro selbst verkauftem Spiel hat.


    In beiden Fälle hat A mehr vom Kuchen, wenn er sämtliche Spiele selbst verkaufen könnte. Aber wie so oft gilt, lieber ein kleines Stück von großen Kuchen als ein großes Stück vom kleinen Kuchen. darkpact hat ja schon detailliert beschrieben, warum mit Hilfe von B insgesamt viel mehr Spiele verkauft werden können.

    Fabian Zimmermann - Autor von Tiefe Taschen / GoodCritters