Hallo zusammen.
Weil ja gerade Tainted Grail viel gespielt wird und wir sich im Too many bones Thread da gerade drum herum reden ...
Geht es jetzt hier mal wieder um Story und Immersion beim Brettspiel. Das spricht natürlich mehr die Spiele (und Spieler) an, die sich damit auch beschäftigen. Also mal nicht Thema vs. Mechanik sondern Thema. Und konkreter: Art und Weise des Themas.
Und jetzt will von euch wissen: Auf was steht ihr da so? Also gerade auch im Vergleich zu anderen Medien?(Computerspiel, Roman, PnP Rollenspiel ...)
Weil in Too many bones zum Beispiel ist das Szenario ja nicht so gut ausgearbeitet. Da gibt es die Bösen und die Guten ... und die Guten haben lange Ohren und knuffige Gesichter. Und ständig stolpern sie in absurde Situationen. Eine wirkliche Geschichte gibt es aber gar nicht. Irgendwie erinnert mich das ganze an Kinderserien wie die Gummibärenbande oder die Schlümpfe. Und als Brettspiel finde ich das großartig.
Das Buch dazu möchte ich nicht lesen, den Film nicht ansehen. Das Computerspiel fände ich höchstens zwei Abende interessant.
Aber im Brettspiel mag ich es. Da finde ich das Ganze so trashig witzig bis interessant verschroben.
Andererseits spielen viele hier gerade Tainted Grail (ich auch) ... und ich hab öfter gelesen, dass Spiel wäre bichts für sie und sie würden lieber direkt das Buch lesen.
Und ich bewundere Tainted Grail ja sehr für das was es ist. Ich finde, nie war ein Brettspiel einem ernsthaften Computerrollenspiel näher. Trotzdem frage ich mich ob es mir als schön langes Singleplayer Computer Rollenspiel nicht sogar lieber wäre. Das Buch wäre mir aber nicht lieber.
Jetzt ... warum könnte das so sein. Und da fallen mir ein paar Sachen ein:
- Zeit. Im Brettspiel habe ich viel weniger Zeit für das eigentliche Erzählen, denn insgesamt sitz ich daran weniger lange und meist auch mit Anderen. Wir brauchen Zeit für unsere Spielaktionen, für die Absprache den Upkeep. Und wir haben Aufbau und Abbau.
- Details. Immersion kommt bei mir im Buch, Film und Computerspiel von Details am Rande des Bildes. Den Antworten der NPCs bei Nebensächlichkeiten. Das Bild muss vollständig sein. Da fehlt im Brettspiel schlicht der Platz.
- Identifikation. Ist mir nicht besonders wichtig. Ich will im Spiel wie im Buch wie im Film primär irgendetwas am den Charakteren interessant finden. Ich will mich in denen nicht wieder finden und ich will nicht der Held sein. Das ist aber auch bei vielen anderen Leuten anders. Spiele scheinen mehr darauf ausgelegt zu sein, den Spieler den Held sein zu lassen.
Also ... prinzipiell ist das mit der Immersion und der Story bei mir eine schwierige Sache. Ich mag Medien die mir eher lange, detailreiche Geschichten erzählen. Nur beim Brettspiel nicht. Da ist mir das einerseits zu anstrengend und andererseits gibt es dort auch schlicht zu wenig Möglichkeiten zur Entfaltung, dass da was befriedigendes heraus kommen könnte.
Aus ähnlichen Gründen gehe ich auch nicht gern ins Theater. Zu wenig Möglichkeiten für die epische Geschichte oder die Immersion mit der Welt des Stücks. Funktioniert bei mir nicht.
Mit einer Ausnahme: Improvisationstheater liebe ich. Es ist die reduzierteste Form die im Theater möglich ist. Kostüme oder Kulissen gibt es nicht, Story ist unwichtig, die entsteht nebenbei. Und doch gelingt es einer guten Impro-Truppe das Wesentliche heraus zu arbeiten. Sie bringen Story-Schnipsel, Gesten, Mimik, die jeweils wie durch ein Fenster auf ein unbekanntes Ganzes blicken lassen. Und das Wesentliche kommt man davon mit und hat sich köstlich amüsiert.
So funktioniert für mich auch gutes Story-Telling im Brettspiel. Ein paar wesentliche Fenster öffnen, nicht zu viel zeigen, lieber weg lassen als generisches Irgendwas einsetzen. Und diese Fenster müssen irgendetwas mir der Mechanik zu tun haben. Und das ganze darf auch gerne auch seiner eigenen Unzulänglichkeit bewusst sein und das etwas humorvoll augenzwinkert vermitteln.
Too many bones macht das gut. Space Alert macht das gut (die Grafik hat trotzdem Luft nach oben), Kings Dilemma macht das herausragend gut.
Wie ist das bei euch so? Wie erlebt ihr die Immersion im Brettspiel? Gerade so im Vergleich zu anderen Medien?
Also TLDR: "Cinematisches" Erzählen funktioniert im Medium Brettspiel irgendwie nicht so gut. Deshalb lieber direkt darauf verzichten?