Was mich zu der Frage bringt, wie das bei Catan-Turnieren gehandhabt wird. Werden dort einfach nur ruhig Handel vorgeschlagen, die entweder angenommen oder abgelehnt werden und übertriebenes Feilschen ist absolut verpönt oder macht das dort einfach niemand/traut sich nicht zu machen? Oder findet das dort genau so statt?
In dieser Hinsicht unterscheiden sich Turniere insofern von Partien daheim, dass das Durchschnittsniveau der Teilnehmenden tendenziell höher ist (jedenfalls bei den besser besetzten wie der Quali in Herne, DM & WM) und damit die meisten einen besseren Überblick haben, welche Ressourcen überhaupt theoretisch verfügbar sind und wer was tauschen wollen/sollen könnte, um bestimmte Zwischenziele erreichen zu können. Die berühmt berüchtigte Frage nach dem Lehm, der gar nicht verfügbar sein kann, habe ich jedenfalls nur ganz selten erlebt.
Alles andere liegt an den handelnden Personen. Wobei die handelsfreudigen Leute ein wenig aufpassen müssen, insbesondere im fortgeschrittenen Turnierverlauf den Geduldsbogen der anderen am Tisch nicht zu überspannen. Ich habe es mehrfach erlebt, dass nach mehreren erfolglosen Versuchen, die u. a. auf mangelndes „Aufpassen“ zurückzuführen waren, Handel mit der Person künftig recht zügig abgelehnt wurden. Da spielt dann auch viel Psychologie mit rein, schließlich möchte man ja niemanden vergrämen, der vielleicht an einem entscheidenen Punkt durch einen Handel das Zünglein an der Waage sein könnte. Ich habe stets versucht, möglichst harmlos und nett zu wirken und niemanden zu frühzeitig zu vergrätzen (s. Story unten)
Sind die Handelsaktionen zeitlich begrenzt?
Turniere werden nach Möglichkeit nur dann mit Zusatzregeln gespielt, wenn dies unbedingt nötig ist, z. B. um den zeitlichen Rahmen der Spiele beschränken oder besser einschätzen zu können, damit ein Turnier an einem Tag oder Nachmittag stattfinden kann. Ich kann mich dunkel daran erinnern, irgendwann mal was von „Ausrichter/Schiedsrichter kann bei Bedarf die Handelszeit [auf 2 Minuten?] einschränken” gelesen zu haben, sicher bin ich mir da aber nicht. In Turnieren am Tisch habe ich es jedenfalls nicht einmal erlebt, dass ein Schiedsrichter nötig gewesen wäre, um zwei feilschende Personen zu einem Ende ihres Handelns bewegen zu müssen.
Wir handeln auch mit Optionen (ich bekomme jetzt dein Holz und du bekommst die nächsten drei Rohstoffkarten, die ich bekommen werde; alles ist vollkommen frei verhandelbar). Was wir wirklich lediglich beachten ist, dass nur der Spieler, der an der Reihe ist, Handel betreiben darf, also wie es in den Regeln vorgegeben ist. Alles andere ist schließlich nicht explizit verboten. Kann dazu jemand vielleicht was sagen?
Optionshandel etc. ist nicht erlaubt. Es dürfen nur Rohstoffkarten getauscht werden, die aktuell in Besitz der Handelnden sind. Dies muss offen geschehen (s. FAQ und Story unten).
Ärgerlich ist, wenn ein unerfahrener Spieler dabei ist, der auf seinen kurzfristigen Erfolg schielt, durch einen Tausch jetzt zB sein Straßenstück zusammenzubekommen, aber mit dem in Führung liegenden Spieler handelt, also die Situation falsch einschätzt und mit seinem Tausch dafür sorgt, dass der in Führung liegende Spieler sich praktisch uneinholbar nach vorn schiebt […]
Willkommen in der Welt von Turnierspielern Genau diese Leute gilt es, möglichst schon vor dem Aufbau zu identifizieren und für die eigenen Pläne bestmöglich zu instrumentalisieren – wenn man denn maximal erfolgreich sein möchte
Die (hoffentlich bekannte) Faustregel „ab 7 SP wird nicht mehr getauscht“ kratzt bzgl. des Handelns i. ü. nur an der Oberfläche, denn auch diese ist ja keinesfalls in Stein gemeißelt. Je nach Turniersituation reicht ja manchmal auch ein 2. Platz. Da handelt man je nach Aussicht auf Besserung durchaus gern mal mit der führenden Spielerin, um das Spielende perfekt zu timen
Disclaimer
Meine Siedler-Turnier-Zeit ist > 10 jahre her, aber immerhin hatte ich einige Jahre recht erfolgreich bei den Qualis und auch den DM mitgespielt sowie als Organisator diverser Turniere in der Brettspielwelt so meine Erfahrungen gesammelt. Ich gehe davon aus, dass sich seither an der Durchführung nicht allzu viel geändert hat.
Storytime
… aka yze erzählt von früher:
DM-Quali in einer großen Stadt am Rhein Anfang des Jahrtausends. Wenn ich mich recht entsinne, müsste es mein erstes Turnierjahr gewesen sein, bei dem ich in Herne knapp nicht gewinnen konnte und daher ein paar Wochen später die zweite Chance unbedingt nutzen wollte. Die Vorrunden liefen ok und dank eines zügigen letzten Spieles, hatte ich vor dem Finale ein wenig Pause. So ergab sich die Gelegenheit, mit Mitspielerin C. aus dem letzten Vorrundenspiel einige Minuten zu quatschen. Das war total nett und ein wunderbarer Kontrast zum vorherigen Spielgeschehen, bei dem wir erbittert um den Sieg gekämpft hatten.
Nach der Pause kam es, wie es kommen musste: Wir fanden uns erneut als Gegner an einem der zwei Finaltische wieder – mit Seefahrer-Szenario Da wir um unsere Stärke wussten, belauerten wir uns entsprechend. Auch deshalb konnte sich Spieler A. einen kleinen Vorsprung erarbeiten und war in meiner – sicher sehr verklärten – Erinnerung schon auf dem besten Wege, die Partie zu gewinnen – bis zum Knackpunkt: A. wollte mit C. handeln, um dringend benötigtes Schaf (aka Wolle) zu erhalten. C. wollte zwei Karten dafür, die A. ihr auch geben wollte – allerdings verdeckt. Für C. und die Nr. 4 am Tisch war das ok, für mich nicht. [Man muss ja wissen, was die anderen so auf der Hand haben ] Ich sagte also, dass ich schon gerne wüsste, was genau sie tauschen. A. entgegnete, dass das ihre Sache sei. Mein Einwand, dass ich ziemlich sicher sei, dass offen getauscht werden müsse, konnte ihn nicht überzeugen. So ergab sich eine kleine Diskussion, in deren Verlauf A. Stück für Stück aufgebrachter wurde. C. versuchte sich als Mittlerin, aber auch gutes Zureden ihrerseits half nicht, A. zu überzeugen, den Handel einfach offen durchzuführen. Als er auf meine Frage „Müssen wir jetzt dafür wirklich einen Schiri bemühen?“ mit „Ja!“ antwortete, taten wir das halt. Der Schiedsrichter klärte auch ohne FAQ zügig die Sachlage.
Ich habe beim besten Willen keine Erinnerung mehr daran, ob der anlassgebende Tausch danach überhaupt noch stattfand. Was ich hingegen ganz sicher weiß, ist, dass ab diesem Zeitpunkt niemand mehr mit A. tauschte. Wenn dann drei untereinander handeln, wird’s selbst mit guter Ausgangslage recht schwierig und so verlor er folglich das Spiel doch noch. Und das alles, weil er wegen Kleinkram stur blieb, dabei aber dummerweise auf einen mindestens ebenso sturen Besserwisser traf
Diese Episode hinterließ bei mir bleibenden Eindruck und wiederholte sich in meinem Kopf immer wieder, wenn ich bei einem Turnier in ähnliche Situationen kam (auf beiden Seiten!). Man kann noch so gut spielen, wenn man bei Siedler auf der zwischenmenschlichen oder psychologischen Ebene patzt, wird das auf Dauer nix. Man weiß ja nur selten, wie sich ein Spiel oder ein Turnier noch entwicklen wird und auf wen man vielleicht später erneut treffen wird …
Zu dem Themenkomplex hatte ich auch in (Siedler von) Catan: Königsmacher und Pakte zwischen Spielern (bei Turnieren) schon mal ausführlich berichtet.