Leute, die spielen, aber nicht gewinnen wollen?

  • Hallo Spieler, Mitspieler und Dazukommende


    Soeben entbrannte bei meinem Mann und mir eine "hitzige" Diskussion (zumindest meinerseits, er ist eher etwas lethargischer Natur):


    Dazu kam es, weil mein Mann beim Fits-Tunier mit jemandem sprach, der meinte, es gäbe Menschen, die würden spielen, aber denen wäre das Gewinnen egal. :mmhh:
    Diese Person hatte Leute beim Spielen beobachtet und festgestellt, dass Menschen in der Regel zunächst spielen würden, um zu spielen und es würde im Laufe des Spielens ein Punkt kommen, an dem das Adrenalin einschießt und dann würde es um´s Gewinnen-wollen gehen. Und es wäre die Frage, ob gerade dieses Adrenalin hinderlich für den Siege wäre, weil es zu Fehlern verleiten würde. Bei einigen/etliche/vielen (keine Ahnung) würde dieser Punkt aber gar nicht eintreten, weil diese Menschen einfach nicht gewinnen wollen würden.


    So weit so gut - ich habe dann bei unserem Gespräch mal so dahingeworfen, dass doch wohl keiner spielen, aber nicht gewinnen wollen würde. :nein:
    Mein Mann wiederum meinte, es gäbe solche Menschen (und er kenne solche so gar persönlich, z.B. wenn beim Zusammensitzen nach dem Skilaufen einer vorschlüge, man könne doch was spielen und diese Menschen spielten dann "der Geselligkeit" wegen mit) - aber meiner Meinung nach kann man solche Leute doch ausschließen - das wäre ja so, als würde ich mich der Geselligkeit wegen an eine Tischtennisplatte stellen, aber den Schläger nicht bewegen, also quasi auch nicht gewinnen wollen. Würde ich natürlich nicht tun, aber wäre doch genauso doof wie ein Spiel mitzuspielen, das man eigentlich gar nicht spielen will. Also bei "6nimmt" die Karten der Reihenfolge nach ausspielen oder bei Scrabble immer nur "Ei", "er" oder "so" schreiben". :mauer:


    Mein Mann meinte dann, man könnte Sport und Spiel nicht miteinander vergleichen, aber das kann ja wohl nicht sein, zumindest nicht, wenn es um Sport geht, in dem auch Wettkämpfe ausgetragen werden (immerhin spricht er ja beim TT auch von "Punktspiel"). Ach ja, und es kam das Argument, für sein Tischtennis würde er ja auch bezahlen - aber ich will doch nicht nur gewinnen, weil ich für etwas bezahlt habe (oder weil ich einen Preis bekommen kann) - im Übrigen habe ich für meine Spiele auch schon eine Menge, Menge (eigentlich schon viel zu viel) Geld ausgegeben und ich will auch geschenkte Spiele gewinnen. Also quasi will ich alle Spiele gewinnen!


    So, ich brauche jetzt eure Meinung, eure Erfahrungen, eure Kommentare und gebt auch noch euren Senf dazu!


    Gibt es Spieler, die nicht gewinnen wollen? Darf man Menschen, die spielen, aber nicht gewinnen wollen, zu den Spielern zählen? Kennt ihr solche Menschen und sind sie gesellschaftlich tragbar? Und warum kotzt meine Katze eigentlich immer auf meinen einzigen Teppich?


    :wech:


    Beate

    :kaffee: Ich kümmere mich mal um die Frauenquote hier....

  • :) Nettes Posting am Sonntagnachmittag...


    Generell möchte ich gewinnen, wenn ich ein Spiel angehe - ganz gleich ob abstrakt, Karten, Party oder Brett.
    ABER: Wie hoch das "Gewinnadrenalin" bei mir zur Wirkung kommt, hängt in erster Linie von der Spielgruppe ab. Es gibt tatsächlich Konstellationen, bei denen mir das Gewinnen fast nebensächlich ist.


    Dazu gehören z.B. Partyspiele, bei denen der Spaß, sich zum Affen zu machen und v.a. anderen dabei zuzusehen eindeutig im Vordergrund steht. Da spielt es kaum eine Rolle, welcher Pöppel am Ende ein Feld weiter vorne steht.


    Aber auch anspruchsvolle Spiele, wie (mal wieder) Agricola innerhalb der Familie. Da spiele ich auf absolute Optimierung und bin am Ende ob meiner persönlichen Leistung zufrieden oder unzufrieden, oder auch stolz, wenn meine Tochter taktisch klug angebaut hat, etc.
    Oder ein heftiges Verhandlungsspiel a la Chinatown oder Bohnanza - da bin ich am Ende auch dann zufrieden, wenn ich nicht Sieger bin sondern auch einfach nur eine spannende Partie mitdurchleben durfte.


    Sprich: die Geselligkeit, das gemeinsame "Aufgehen undn Durchleben" iin einem Spiel ist für mich der zentrale Anreiz, zu spielen. Das Gewinnen an sich ist nur noch das I-Tüpfelchen/Sahnehäubchen.


    Also:
    Gewinnen = wichtig
    Gemeinsames Spielerlebnis = wichtiger


    Grüße,
    Tom13


    PS: Hunde machen übrigens das Gleiche.... ;)

  • Ich spiele immer um zu gewinnen, das macht für mich erst den Reiz und Sinn des Spielens aus. Aber ehrlich gesagt wurde es mir gestern dann auch mal ein bisschen mulmig, als ich alle drei Partien des Abends (1x Navegador, 2x Löwenherz) gewonnen hab. So ganz wohl hab ich mich danach dann auch nicht mehr gefühlt, weil ich gemerkt habe das die Stimmung am Tisch, nach meinem dritten Sieg in Folge, dann doch ein wenig getrübt war :(


    Ich habe im letzten Spiel dann auch bewusst sehr riskant gespielt, in der Hoffung dass mich jemand kurz vor Schluss evtl. doch noch abschiesst/einholt, was aber dann nicht mehr eingetroffen ist (1 Runde zu spät). Das hat dann aber wiederum eine gewisse Genugtuung bei mir ausgelöst, es noch irgendwie geschafft zu haben. Komischer Gefühlscocktail.


    Ein schwieriges Thema, das mit Sicherheit aber interessante Diskussionen (wie hier ja jetzt angestossen) hervorbringen kann.

    3 Mal editiert, zuletzt von Elektro ()

  • In der Tat kenne ich Menschen, denen beim Spielen das Gewinnen nicht wichtig ist; im Gegenteil: Sie mögen sogar das gegenseitige "Behindern" nicht. Ich spreche da von meinen Eltern; im Speziellen meinem Vater. Eine zeitlang war deren Lieblingsspiel "Triominos", da man dort ja einfach anlegt, was gut passt, und man auch gemeinsam suchen kann nach möglichst punkteträchtigen Anlegestellen. Klar gewinnt dann ein Spieler; aber eben nicht auf Kosten der anderen Spieler. Ich habe es einmal mitgespielt und war baff angesichts der Langweiligkeit (für mich) dieses Spieles.
    Als ich später das Spiel "Einfach Genial!" kennenlernte, habe ich gleich gewisse Ähnlichkeiten gesehen, und es meinen Eltern geschenkt. Es gefällt ihnen auch recht gut, allerdings der taktische Anteil, der darin besteht, lukrative Ketten zu "schliessen", um so den anderen Spielern diese Punkte nicht zu ermöglichen, der gefällt ihnen nicht so.


    Also: Es gibt durchaus Menschen, den bringt die Geselligkeit eines Spieles Spaß, aber die Konfrontation und das gegenseitige Messen dabei nicht so sehr. Es ist also weniger das Desinteresse am Gewinnen beim Spiel, als vielmehr das Desinteresse am Gewinnen GEGEN die anderen Spieler, um das es dabei geht. Ich habe dann auch mal das Spiel "Die verbotene Insel" mitgebracht, was uns allen dann Spaß machte - eben auch das Gewinnen des Spiels - aber das gemeinsame Gewinnen.


    Ich für meinen Teil halte es so, dass ich durchaus den spielerischen Wettkampf mit meinen Mitspielern schätze; es aber nicht verbissen sehe. Gewinnen gehört halt dazu; das ist das Ziel des Spiels in sich. Ich stelle mir gerade eine Partie "Navegador" vor, bei der kein Spieler das letzte Gebiet entdeckt oder das letzte Gebäude kauft, sondern alle immer weiter Handeln und Spielen, "weil es so viel Spaß macht, zu Spielen, ohne zu Gewinnen!!" ;)

  • Ich würde sogar umgekehrt behaupten, im Kreise der "Wenigspieler" würdest Du entrüstete Blicke dafür ernten, daß Du unbedingt gewinnen willst...


    Mein Lieblingsbeispiel ist die Siedlerrunde, in der eine Bekannte von mir mal mitspielen durfte. Die hatten sich SvC selbst gebastelt und wußten nicht, daß die Zahlenchips nach einem bestimmten Schema verteilt werden (gemäß Buchstaben auf der Unterseite); stattdessen wurden so zufällig wie möglich die Zahlen verteilt, dabei aber in Kauf genommen, daß z.B. die 6er neben den 8er liegen;anschließend wurden jeweils willkürlich die beiden Startsiedlungen verteilt und dann erst die Spielerfarbe zugelost. Als meine Bekannte meinte, daß sie mit ihren Städten an der 2, der 12 und der 11 vielleicht nicht ganz so viele Siegchancen habe, würde sie ganz entrüstet gefragt, ob sie denn unbedingt gewinnen wolle? :) Natürlich von der Person, die Siedlungen an der 6 und der 8 zugelost bekam...


    Ich persönlich bin auch nicht immer unbedingt am Gewinn einer Partie interessiert. Manchmal bin ich müde, manchmal bin ich chancenlos, manchmal interessiert mich das Spiel nicht genug, um gewinnen zu wollen; manchmal will ich lieber eine eher unwahrscheinliche Taktik probieren, als stur die bereits allgemein als erfolgversprechend erkannt Taktik nachzuspielen. Manchmal will ich auch lieber eine schöne Geschichte erzählen, das geht mir vor allem bei CoSims so (oder bei Ameritrash-Spielen), als zu gewinnen. Es gibt ja auch sehr chaotische Spiele.


    Was ich an Spielern nicht mag, die nicht gewinnen wollen: Wenn sie nicht zumindest "auf Sieg" spielen, ihre Aktionen also nicht auf das Ziel hin gerichtet erfolgen. Dann werden sie zum Ärgernis am Spieltisch, in meinen Augen. Wenn sie mir allerdings den Sieg dadurch schenken, dann habe ich damit weniger ein Problem! :)

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    Einmal editiert, zuletzt von Sternenfahrer ()

  • Ich spiele auch, um zu gewinnen, aber auch nicht um jeden Preis.
    Ich finde es z. B. ganz furchtbar, wenn man ein Spiel zum ersten Mal spielt, um zu erkunden, wie es funktioniert und so Megagrübler am Tisch sitzen, die für ihre Züge so lange brauchen, dass man zwischendurch rausgehen könnte und eine Zigarette rauchen ohne irgendetwas zu verpassen - hauptsache, sie gewinnen. Meistens gewinnen die Grübler tatsächlich, aber schon auf Kosten der Freude am Spiel.


    Es gibt aber auch viele Spiele, die spiele ich einfach gerne, freue mich am Spiel und finde es okay, wenn ich am Ende letzter bin, aber es hat Spaß gemacht. Ein Beispiel ist Im Wandel der Zeiten. Für mich ist es das absolut beste Spiel und macht Freude.


    Wir hatten mal eine Runde, mit denen wir Game of Thrones gespielt haben. Das ist auch eines der Spiele, bei denen ich vor allem mitspiele, um es zu genießen. Wenn dann alle ihre Züge geplant hatten und ich noch eine Zigarette geraucht hatte, dann saß einer am Tisch und sagte: Was mache ich denn jetzt bloß? Diese Spiele haben dann im Schnitt 6-7 Stunden gedauert, obwohl alle das Spiel kannten. Es hat mir das Spiel total vermiest.


    Allerdings kann ich mich auch furchtbar ärgern, wenn ich geschlafen habe und den Sieg dadurch aus der Hand gebe. Ich kann mich aber auch für meine Gegner freuen, wenn sie durch geschickte Züge gewinnen.


    Wenn wir mit unseren Nachbarn spielen, denen wir neue Spiele erklären, dann geht es vor allem darum, dass sie Freude am Spiel haben und die Spiele mögen und hinterher wieder spielen, da muss ich nicht unbedingt gewinnen. Oft gebe ich dann im Spiel auch Tipps, die gegen mich gehen. Da ist die Freude am Spielen wichtiger als das Gewinnen.


    Identik z. B. spiele ich vor allem zur Unterhaltung.

    :jester:


    Mein Verhalten ist vielleicht manchmal taktisch unklug, dafür aber emotional notwendig

  • Zitat

    Original von Spielteufel
    Ich spiele auch, um zu gewinnen, aber auch nicht um jeden Preis.
    Ich finde es z. B. ganz furchtbar, wenn man ein Spiel zum ersten Mal spielt, um zu erkunden, wie es funktioniert und so Megagrübler am Tisch sitzen, die für ihre Züge so lange brauchen, dass man zwischendurch rausgehen könnte und eine Zigarette rauchen ohne irgendetwas zu verpassen - hauptsache, sie gewinnen. Meistens gewinnen die Grübler tatsächlich, aber schon auf Kosten der Freude am Spiel.


    100% Zustimmung.


    Eine erste Kennenlernpartie spiele ich bewusst nicht auf Sieg um jeden Preis. Weil warum versuchen, alle Optionen ellendig lange zu durchdenken, wenn man eh noch nicht alle Mechansimen im Zusammenspiel kennengelernt hat? Also lieber einfach mal was probieren, um alle Spieloptionen in ihren Wirkungen gesehen und erlebt zu haben und das möglichst zügig, auch wenn dabei keine optimale Züge bei rauskommen.


    Wenn ich in Folgepartien nur gewinnen würde, wenn ich mir extrem viel Zeit lassen würde, dann ziehe ich lieber intuitive Züge vor und erhoffe, dass die Mitspieler sich nicht für sich herausnehmen, das Spiel totzugrübeln. Weil was bringt es mir, wenn ich eine Partie zwar gewinne, der Weg dorthin aber keinen Spass macht - für mich und für meine Mitspieler? Das wäre vertane Freizeit. Somit ist mein Anreiz zu gewinnen zwar stets gegeben, der Weg aber das eigentliche Ziel.


    Cu / Ralf

    Content-Nachschlag gefällig? Brettspieltag.de – Das etwas andere Boulevard-Magazin der versammelten Brettspiel-Szene

  • Gewinnen ist ein teilaspekt des Erlebnis Spiel.


    je länger die Spieldauer desto weniger wichtig ist das Gewinnen. Bei einem Cosim mit über hundert Stunden Spieldauer ist der Weg das Ziel und der Sieg ein netter Nebenaspekt

    Ich gebe hier, auch wenn ich es im Text nicht explizit erwähne, immer meine persönliche Meinung wieder.

  • Ich will das Pferd mal anders herum aufzäumen.... Ich kenne sehr sehr viele Leute, die nur spielen um zu gewinnen. Tun sie das nicht, ist das Spiel meistens sch.... oder zu glückslastig und generell haben alle nur gegen sie gespielt. Die können dann ganz schön ekelhaft werden, was sie übrigens auch werden können, wenn sie gewinnen (sich einen Splint in den Hintern freuen, dass sie drei 10 jährige bei Zug um Zug besiegt haben und die Kids auch noch am Tisch runter putzen).... Ja, sowas habe ich, vor allem bei "Erwachsenen" zwischen 30 und 50 schon häufiger beobachtet. Um es mal gelinde zu sagen, solche Leute machen mich krank und spielen normalerweise nur einen Abend in meiner Spielerunde mit.


    Wenn ich spiele, versuche ich natürlich auch zu gewinnen. Das gehört schon dazu und macht den Reiz aus. Aber wenn ich nicht gewinne, ist das kein Beinbruch. Vor zwei Wochen hat mich ein Bekannter bei Agricola sowas von in den Boden gestampft, ich muß aber sagen, das war seid langem die schönste Partie Agricola die ich gespielt habe. Ich habe einige Fehler gemacht, aber das Beste aus der Situation heraus geholt und das wichtigste war, wir hatten eine ganze Menge Spaß beim Spiel. Darauf kommt es mir an, das es gesellig ist und man zusammen Spaß haben und noch quatschen kann. Ws dann hinterher raus kommt, ist fast irrelevant und gibt immer noch mal Möglichkeiten zum Fachsimpeln.


    Leute die garnicht gewinnen wollen? Ich weiß nicht ob es solche Menschen gibt. Klingt für mich wie eine Ausrede um sich gegen den Misserfolg abzusichern. Zu dieser Phrase greife ich bei Würfelspielen aller Kniffel auch mal gerne, mein Würfelpech ist legendär. Trotzdem will man immer das Beste rausholen. Jemanden dem das sch.... egal ist hatte ich noch nicht am Tisch, stelle mir das aber auch nicht so einfach vor.


    Mein Fazit:


    - Lust am Gewinnen: definitiv JA


    - Gewinnen um jeden Preis: definitv NEIN

  • Ich muss Mets31 in diesem Punkt absolut zustimmen.


    Es gibt etliche Leute, die ein Spiel einzig und allein spielen, um zu gewinnen. Gewinnen sie, wird das den Mitspielern ausgiebig unter die Nase gerieben (Punktevorsprung, überlegene Taktik, Spielfehler der Mitspieler, etc.). Verlieren sie, darf man sich oft eine lange Erklärung anhören, weshalb sie eigentlich hätten gewinnen müssen (Spielfehler der Mitspieler, eigentlich überlegene Taktik, etc.) oder weshalb sie nicht gewinnen konnten (Spieldesign fehlerhaft, alle gegen einen, zu viel Glück, etc.). Ebenfalls sehr häufig anzutreffen bei diesem Menschenschlag sind die "Regelf***er", die jede noch so kleine Regellücke registrieren und zu ihrem Vorteil ausnutzen statt dies mit gesundem Menschenverstand zu betrachten - und sei es noch so absurd. Motto: was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt.
    Und von diesen Personen kann man dann auch oft den Spruch hören: "Wo liegt der Sinn eines Spiels respektive einer Spielteilnahme, wenn man nicht gewinnt?"


    Ich persönlich spiele nicht, um zu gewinnen. Ich spiele, um zu spielen.
    Mir ist ein schönes, spannendes Spiel um ein vielfaches lieber, als unbedingt gewinnen zu müssen. Selbstverständlich werde ich versuchen, zu gewinnen - aber eben nicht um jeden Preis. Und da mir in einem Spiel mit großem Abstand die Atmosphäre das wichtigste Spielelement ist, verfolge ich auch mal Strategien, mit denen ich ziemlich sicher verlieren werde, die sich dafür aber am Spielende wohltuend vom üblichen Einheitsbrei abheben.
    Gleichermaßen bedeutet das für mich, dass Spiele, deren einziger Daseinszweck es ist, durch grüblerische Mechanik-Analyse am Ende ein Maximum an Siegpunkten abzuschöpfen und die damit einzig und allein auf Gewinnen ausgelegt sind, bei mir aufgrund ihrer absoluten Unfähigkeit, auch nur ansatzweise so etwas wie Atmosphäre aufzubauen, komplett durchfallen.

    Wenn dir egal ist, wo du bist, kannst du dich auch nicht verlaufen.

    Einmal editiert, zuletzt von Dirtbag ()

  • Also manchmal spiele ich und sage mir vorher, dass ich die Sache lockerer angehe um Anderen (meist Wenigspielern) ein positiveres Spielgefühl zu geben. Aber im Spiel packt einen doch immer wieder ein gewisser Ehrgeiz - und schwupps! - da ist man wieder auf der Erfolgsstraße :) Aber ich spiele eh meist aus dem Bauch heraus - ich weiss also gar nicht so recht, was ich tue um dann doch nochmal Gas zu geben.


    Ich kenne auch Leute, die Spielen und sich nicht anstrengen um zu gewinnen - diese Leute verlieren aber auch ständig - was dann denen letzlich auch nicht recht ist. Wenn dann noch Beratungsresitenz dazu kommt ist Hopfen und Malz verloren!


    Aber in der Regel läufts - alle haben den Ehrgeiz gewinnen zu wollen um am Monatsende mal auf dem Treppchen stehen zu dürfen und das ist doch das Schönste! :)


    Dann mal bis dann,
    Björn.

  • Zitat

    Original von Dirtbag
    Gleichermaßen bedeutet das für mich, dass Spiele, deren einziger Daseinszweck es ist, durch grüblerische Mechanik-Analyse am Ende ein Maximum an Siegpunkten abzuschöpfen und die damit einzig und allein auf Gewinnen ausgelegt sind, bei mir aufgrund ihrer absoluten Unfähigkeit, auch nur ansatzweise so etwas wie Atmosphäre aufzubauen, komplett durchfallen.


    Also zum Beispiel Agricola und Im Wandel der Zeiten? ;)

  • Ich würde sagen, dass Ich immer Gewinnen will, es sei denn, Ich spiele gegen einen "Unterlegenen" oder mehrere. Dann versuche ich diesen oder diese zum Sieg zu führen, indm Ich einfach verliere.


    Gruß


    Suryoyo

  • Nein, die beiden fallen da nicht drunter. Denn beiden Spielen gelingt etwas, was nur wenigen Spielen in diesem Metier gelingt:
    Bei Agricola soll ich einen Bauernhof aufbauen - und es fühlt sich auch danach an.
    Bei Im Wandel der Zeiten führe ich meine Zivilisation nach meinen Vorstellungen durch die Zeitalter - und auch hier fühlt es sich danach an.
    Beide Spiele können Atmosphäre aufbauen, was mir sehr wichtig ist.


    Zugegebenermaßen steht und fällt das mit den Mitspielern: wenn diese im Hinblick auf Siegpunktgenerierung optimale Züge vornehmen, diese aber vor dem Hintergrund des Spiels völliger Schwachsinn wären, dann fällt die Atmosphäre in sich zusammen, es bleibt nur noch Mechanik übrig. Weshalb ich mir meist genau überlege, mit wem ich welche Spiele spiele. Denn solche Aktionen versauen mir den Spaß an einem Spiel.

    Wenn dir egal ist, wo du bist, kannst du dich auch nicht verlaufen.

  • Ja, da sind wir eben genau an dem Knackpunkt Thema vs Mechanik - ich kenne das nur zu gut aus meiner Zeit als Tabletop-Spieler. Da waren auf dem Brett Aktionen möglich, die unter "realistischen" Gesichtspunkten total hirnrissig waren - aber dennoch regelkonform (und meist sehr überraschend und sehr stark). Da ist Deine Entscheidung, je nach Spielerunde sich die Spiele auszuwählen, ja eigentlich genau richtig.


    Ich habe natürlich bewusst Agricola vorgeschlagen, weil dieses Spiel beide Aspekte herrlich vereint: Auf der einen Seite ein tiefes, sattes Thema, gestützt durch die schönen Grafiken und die Meeples; auf der anderen Seite aber auch ein gnadenloses Optimierungsspiel - wie fast immer, wenn man nur eine bestimmte, festgelegte Anzahl von Zügen hat.


    Und dann ist eben die Frage, ob man einen Spieler hat, der sich den Schilf nimmt, nur damit Du nicht bauen/renovieren kannst, und ob man mit dem gerne spielt...


    Aber die Grenze ist natürlich fliessend zwischen "thematisch Spielen" und "gnadenlos Spielen" - wobei sich da die Frage stellt, ob man denn selbst Agricola spielen kann, ohne dass man gewinnen möchte?
    Also überhaupt nicht auf die Punkte schauen? (Und damit meine ich nicht, daß man nicht exakt auf die Punkte schaut - sondern dass man GARNICHT auf die Punkte schaut; man weiß nicht, was Punkte bringt, und es interessiert einen auch nicht).


    Ich denke, so ein Spielverhalten kann nicht existieren - letztendlich gibt es für jedes Brettspiel Regeln. Diese Regeln schreiben vor, was erlaubt ist, und was nicht - und was eben Siegpunkte bringt, und was nicht. Also alleine durch mein Wissen, welche Aktion siegpunkte bringt, spiele ich schon zwangsläufig um zu gewinnen, oder nicht? Andernfalls könnte ich auch mit Lego oder Playmobil spielen, denn da gibt es weder Regeln - noch "Gewinner"...

  • Zitat

    Original von [Tom]
    Aber die Grenze ist natürlich fliessend zwischen "thematisch Spielen" und "gnadenlos Spielen" - wobei sich da die Frage stellt, ob man denn selbst Agricola spielen kann, ohne dass man gewinnen möchte?
    Also überhaupt nicht auf die Punkte schauen? (Und damit meine ich nicht, daß man nicht exakt auf die Punkte schaut - sondern dass man GARNICHT auf die Punkte schaut; man weiß nicht, was Punkte bringt, und es interessiert einen auch nicht).


    Ich denke, so ein Spielverhalten kann nicht existieren - letztendlich gibt es für jedes Brettspiel Regeln. Diese Regeln schreiben vor, was erlaubt ist, und was nicht - und was eben Siegpunkte bringt, und was nicht. Also alleine durch mein Wissen, welche Aktion siegpunkte bringt, spiele ich schon zwangsläufig um zu gewinnen, oder nicht? Andernfalls könnte ich auch mit Lego oder Playmobil spielen, denn da gibt es weder Regeln - noch "Gewinner"...


    Gar nicht auf die Punkte schauen funktioniert nicht - sämtliche Euros, ganz gleich welches Spiel nun konkret, leben einzig und allein von Siegpunkten, was anderes haben sie nicht zu bieten. Damit stellt sich nicht die Frage, ob man auf die Punkte schaut oder nicht - es bleibt einem schlicht und ergreifend nichts anderes übrig. Ebenfalls bedeutet dies, dass man dieses Spiel nicht spielt, um sich an der Atmosphäre zu erfreuen, die auch bei Agricola (und das ist in dieser Hinsicht schon ein echtes "Schwergewicht") bestenfalls als "fragil" zu bezeichnen ist, sondern um zu gewinnen.


    Das Entscheidende ist aber das WIE:
    Handle ich im Rahmen dessen, was mir das Regelwerk sowie der gesunde Menschenverstand in Bezug auf das Setting erlauben? Damit habe ich kein Problem - ob mir der/die Mitspieler nun Schilf wegnehmen oder auch nicht, so ist es eben. Muss ich halt umsatteln.
    Oder spiele ich auf Gewinn, auf Teufel komm raus, und nutze dafür auch Aktionen, die in den Regeln nicht abgedeckt werden, ergo erlaubt sein müssen und spiele athematisch, indem ich Aktionen durchführe, die zwar nicht illegal, aber doch vor dem Hintergrund so lächerlich absurd sind, dass damit jeglicher Anschein von Setting über Bord geworfen wird und man ebenso gut mit beschrifteten Papier-Schnipseln spielen könnte? Beispiel: Bei Kingsburg direkt vor dem Angriff der Orks statt einer Kaserne in die, abgesehen von einer Holzpalisade, unverteidigte Stadt statt einer Kaserne eine Kapelle zu bauen, weils mehr Siegpunkte bringt. Geht gar nicht! Würde ich selbst auch nicht machen. Und wenns mich den Sieg kostet. ;)

    Wenn dir egal ist, wo du bist, kannst du dich auch nicht verlaufen.

    Einmal editiert, zuletzt von Dirtbag ()

  • Zitat

    Original von Dirtbag
    (...) Mir ist ein schönes, spannendes Spiel um ein vielfaches lieber(...)


    Lieber Dirtbag, ich greife Dein Zitat nur beispielhaft heraus.


    Das ist für mich die interessante Frage: Woher kommt die Spannung, wenn ich nicht gewinnen will? Aus eigener Sicht kann ich nur sagen, daß ich häufig Partien, bei denen ich nicht gewinnen kann (oder mein Handeln keinen Einfluß darauf hat, ob ich gewinne oder nicht), eben als langweilig empfinde.
    Es gibt Ausnahmen (wenn ich z.B. bei einem Szenario, daß ich nicht gewinnen kann, trotzdem versuche, zu verstehen, wie es besser ginge), aber die sind selten.


    Offensichtlich scheint es ja so vielen zu gehen.

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  • Dirtbag:


    Ich bin sehr überrascht von Deiner Ansicht - gerade das "Wegschnappen", nur um einem anderen Spieler zu schaden halte ich für ausgeprägt gewinnorientiert - während das von Dir genannte "athematische" Spielen doch meist nur den eigenen Spieler betrifft. Man kann ja bei Kingsburg auch darauf pokern, dass der Angriff schwach ausfällt...


    Aber ich sehe schon, da gehen die Meinungen weit auseinander - beziehungsweise in verschiedene Richtungen, wie man spielen möchte, und warum - und wie man sich die Spielweise seiner Mitspieler wünscht. Worin wir uns aber wohl einig sind: Spieler, die ohne Gewinnabsicht spielen, gibt es nicht - wahrscheinlich schon deshalb, weil das "Spielen", welches wir meinen, wenn wir von "Spielern" sprechen, das Spielen mit Gewinner und Verlierer ist - und nicht das kindliche Spielen mit Spielzeug.


    Letztlich gab es einen interessanten Podcast, in dem erwähnt wurde, dass ein Mangel in der deutschen Sprache das Wort "Spiel" ist, beziehungsweise "Spielen", weil es so viele verschiedene Dinge betrifft, wie eben Spielen im kindlichen Sinne, Spielen von Brettspielen (mit Regeln und Gewinnern/Verlierern), noch verschärfter das Glücksspiel, bei dem es um den Einsatz von Werten geht; dann aber auch (schau)spielen/(theater)spielen...


    Wenn man also sagt "Heute abend Spiele ich mit Freunden", dann kann ich das als 4jähriger sagen und meine im Sandkasten, oder aber auch als Erwachsener, und meine damit Brettspiele - oder auch im Spielsalon...

  • Zitat

    Original von Sternenfahrer
    Aus eigener Sicht kann ich nur sagen, daß ich häufig Partien, bei denen ich nicht gewinnen kann (oder mein Handeln keinen Einfluß darauf hat, ob ich gewinne oder nicht), eben als langweilig empfinde.
    Es gibt Ausnahmen (wenn ich z.B. bei einem Szenario, daß ich nicht gewinnen kann, trotzdem versuche, zu verstehen, wie es besser ginge), aber die sind selten.


    Offensichtlich scheint es ja so vielen zu gehen.


    Wie Du mir beigebracht hast gibt es ja auch durchaus Szenarien, bei denen einen Seite hoffnungslos unterlegen ist - da wird dann einmal in jede "Richtung" gespielt, und dann geschaut, wer weniger hoch verloren hat. Siehe die ersten Szenarien bei Conflict of Heroes.
    Das erscheint mir bei den asynchronen 2-Spieler-Spielen eh die Beste Lösung zu sein.


    Auf der anderen Seite gibt es Spiele wie die wenig glückslastigen Wallace-Titel (Age of Industry oder auch Tinners Trail), bei denen man eine Runde vor Ende schon sieht, wer gewinnen wird. Und ob man selbst überhaupt noch eine Chance hat. Gerade bei Tinners Trail kann man ja schnell die Siegpunkte zusammenrechnen, die jeder schon hat, plus das Geld, was derjenige in der letzten Runde aus seinen Minen noch holt. Dann weiß man schon, wie es ausgehen wird... falls man sich diese Mühe machen möchte... :)


    Im Besten Falle sind diese Spiele für einen menschlichen Spieler so unübersichtlich, dass man einfach aus dem Bauch heraus zu Ende spielt, statt 15 Minuten lang das Brett zu analysieren -> Hansa Teutonica...

  • Beispiel Agricola:
    Klar kann ich gerade dieses Spiel vollkommen ohne Blick auf die Punkte spielen. Das ist sogar ein besonders schönes Beispiel.
    Ich kann mir persönliche Ziele setzen, die punktemäßig nicht viel Sinn ergeben. Die Punktetabelle betont ja eher einen inhomogenen, diversifizierten Hof (von allem mindestens eins); ich kann aber versuchen, z.B. der größte Viehzüchter zu sein und ganz auf Ackerbau zu verzichten, oder aber ein Steinhaus zu bauen, das so groß wie möglich ist usw.
    Ich persönlich kann auch AGRICOLA spielen (mit Genuß!), ganz ohne am Schluß die Höfe noch abzurechnen. Ich gebe zu, ich kann nicht ausblenden, was ich bereits über die Wertungstabelle weiß; aber einen schönen, "funktionierenden" Hof aufzubauen (ich habe schicke Ausbildungen, die Ernährung ist gesichert, vielleicht eine schöne kleine Anschaffung usw.) ist für mich da schon Lohn der Mühe genug.


    Da gibt's noch weitere Beispiele, ich könnte bei VINHOS versuchen, den "besten" Wein, den das Spiel theoretisch zuläßt, anzubauen, ich könnte bei DER EISERNE THRON versuchen, mein Haus möglichst genau wie im Buch zu spielen (mit entsprechender Bündniswahl), ich kann bei IMPERIAL versuchen, ein bestimmtes Land "zum Erfolg" zu führen (obwohl das gar nicht das eigentliche Spielziel ist) usw. usf.


    Deswegen sollte man in der Diskussion genau abwägen, ob wir zwischen den Fällen "nicht gewinnen wollen" und "ziellos spielen" unterscheiden.

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  • Wie gesagt, mir ist bei Spielen eines EXTREM wichtig, und dem ordne ich alles andere unter: Atmosphäre.


    Mich stört es nicht, gewinnorientiert zu spielen. Und ich spiele selbst auch so. WENN ich dabei nicht athematisch spiele.
    Würde ich mit einer entsprechenden Aktion athematisch handeln und damit die Atmosphäre zerstören, werde ich das nicht tun. Auf keinen Fall. Auch wenn es mich den Spielsieg kostet.


    Setting vor Mechanik. Immer.
    Mit der Hauptgrund, weshalb ich bevorzugt amerikanische Spiele oder Tabletops spiele. So gut wie alle Euros versagen in diesem Punkt einfach gnadenlos.



    Edit:
    Es gibt Ausnahmen, bei denen die Spielmechanik einfach sehr gut funktioniert und durch die Komplexität entsprechend Spaß aufkommt. In solchen Fällen kann ich dann ausnahmsweise mal über die fehlende Atmosphäre hinwegsehen und das Spiel einfach nur mögen, weil es ist wie es ist. Kohle oder Imperial kommen mir da in den Sinn. Aber auch hier sollte mich zumindest das Setting noch einigermaßen interessieren. Hamburgum beispielsweise ist mir einfach nur egal. Vielleicht kann ich das Setting also doch nicht ganz ausblenden. :)

    Wenn dir egal ist, wo du bist, kannst du dich auch nicht verlaufen.

    Einmal editiert, zuletzt von Dirtbag ()

  • Das Problem beim "Thematischen Spielen" ist ja immer, dass man es oft aus seiner persönlichen Perspektive betrachten kann. Gerade die haarsträubensten Aktionen bei Tabletops lassen sich gerne mit "pseudo-vulkanischer Logik", wie wir sie gerne nennen, erklären - vor Allem, wenn Magie oder SciFi-Tech im Spiel sind. :)


    Um bei Deinem Beispiel zu bleiben: Vielleicht findet der Spieler bei Kingsburg es thematisch, wenn er eine pazifistische, Gottesfürchtige Gemeinde baut, und daher lieber eine Kapelle statt einer Kaserne. ;)

  • Das ist mir schon bewusst, weshalb ich ja auch explizit von Aktionen geredet habe, die (ich zitiere mich mal selber) "(...) vor dem [jeweiligen] Hintergrund so lächerlich absurd sind (...)", dass sie sich nur noch schwer oder nicht mit "pseudo-vulkanischer Logik" erklären lassen bzw. der Versuch dann selbst in Lächerlichkeit endet.
    In solchen Fällen setze ich eigentlich eine gewisse Portion gesunden Menschenverstand voraus, der die Regellücken zwar erkennt, aber ebenso in der Lage ist, die daraus entstehende Situation entsprechend zu beurteilen und nicht auszunutzen, da die dadurch mögliche Aktion gegen jede Logik verstößt. Inklusive pseudo-vulkanischer Logik.
    Mir ist aber durchaus bewusst, dass dies in der Turnier-Szene oder bei Personen, die unbedingt gewinnen müssen, nicht zieht und dann eben mit haarsträubenden Erklärungen versucht wird, das Ganze schönzureden.


    Was die Subjektivität anbetrifft - das ist natürlich korrekt. Aber auch Subjektivität hat irgendwo Grenzen. Um mal bei dem Kingsburg-Beispiel zu bleiben:
    Niemand, der noch halbwegs zurechnungsfähig ist, würde seine Stadt gegen bekanntermaßen nicht verhandlungsbereite Gegner unverteidigt lassen, ganz gleich wie pazifistisch der Betreffende nun sein mag. Aus Sicht der Spielmechanik mag das eine schlüssige Handlung sein, unter den gegebenen Umständen wäre es aber Schwachsinn.

    Wenn dir egal ist, wo du bist, kannst du dich auch nicht verlaufen.

  • Bleiben wir bei Kingsburg: Hier handelt es sich aber doch nicht mal um eine Regellücke? ich verstehe Deine Art, die Situation zu bemessen nicht. Genauso könnte ich doch sagen, dass ein Bauer (Spieler) bei Agricola, der schon eine Scheune voll Schilf hat, nicht zurechnungsfähig sei, wenn er sich noch mehr Schilf holt (um es einem anderen Spieler wegzuschnappen).


    Mir ist allerdings auch klar, dass es sehr schwierig ist, solche Situationen aus der Luft heraus zu konstruieren. Ich finde dennoch, dass man klar zwischen "Regellücke" und "thematisch nicht passend" unterscheiden sollte. Gerade das Erste, nämlich Regellücken, gibt es bei Brettspielen ja äusserst selten, weil viel weniger (Sonder-)Regeln aufeinander prallen, als dies bei Tabletops oder Trading Card Games der Fall ist.

  • Man braucht nur die richtigen Mitspieler, die finden auch bei Brettspielen Regellücken, die man nutzen kann... ;)


    Kingsburg ist nicht gerade das beste Beispiel um zu verdeutlichen, was ich meine. Mir fällt nur leider gerade nichts besseres ein.
    Bei Kingsburg trat exakt diese Situation auf, und zwar bei mir selbst, in einer Spielrunde mit mir bis dato unbekannten Mitspielern. Ich wollte ein Kaserne bauen, hatte aber die Rohstoffe noch nicht alle beisammen, es reicht nur für eine Kapelle. Die ich aber nicht wollte, da ich zuerst meine Verteidigung ausbauen wollte, bevor ich mich für die Stadt nutzlosen Gebäuden (wie der Kapelle) widmete. Es war allerdings die letzte Bauphase der Saison, und so musste ich mir von einem meiner Mitspieler wiederholt "Bau doch die Kapelle, die bringt Siegpunkte!!!! Lass die Kaserne, du verlierst dann nur einen Punkt, aber die Kapelle bringt drei Siegpunkte!!!! Bau die Kapelle, die bringt Siegpunkte!!!!!" (Wem der Aufforderungscharakter noch nicht ausgeprägt genug ist, möge bitte nach Belieben Ausrufezeichen hinzufügen...). Ich hab dann widerstrebend die Kapelle gebaut, damit er endlich ruhig ist...


    Wie gesagt, nicht gerade das beste Beispiel um zu verdeutlichen, was ich meine, da in diesem Fall der liebe Mitspieler auch noch ein gut Teil beigetragen hat, aber alleine diese Rechnerei zerstört für mich schon viele Spiele. Wenn die Stadt unverteidigterweise von nem plündernden und brandschatzenden Haufen Orks überfallen wird, dann hat sie hinterher nicht einen "Siegpunkt" weniger, sondern ist in jeder Hinsicht am Boden. Die Bevölkerung ist dahingeschlachtet, die Gebäude sind zum größten Teil zerstört, Waren werden so gut wie keine mehr vorhanden sein. Da hilft es mir auch nix, dass irgendwo ne Kapelle steht. Es ist keine Regellücke, es ist ein Regelfehler, welcher der Massentauglichkeit zuliebe hingenommen wird. Schließlich will ja niemand seine teuer gekauften Siegpunkt-Gebäude brennen sehen, nur weil er die nutzlosen Militär-Bauwerke ignoriert hat (geben keine Siegpunkte, ergo braucht man sie nicht).

    Wenn dir egal ist, wo du bist, kannst du dich auch nicht verlaufen.

  • Zitat

    Original von Dirtbag


    Es gibt etliche Leute, die ein Spiel einzig und allein spielen, um zu gewinnen. Gewinnen sie, wird das den Mitspielern ausgiebig unter die Nase gerieben (Punktevorsprung, überlegene Taktik, Spielfehler der Mitspieler, etc.). Verlieren sie, darf man sich oft eine lange Erklärung anhören, weshalb sie eigentlich hätten gewinnen müssen (Spielfehler der Mitspieler, eigentlich überlegene Taktik, etc.) oder weshalb sie nicht gewinnen konnten (Spieldesign fehlerhaft, alle gegen einen, zu viel Glück, etc.). Ebenfalls sehr häufig anzutreffen bei diesem Menschenschlag sind die "Regelf***er", die jede noch so kleine Regellücke registrieren und zu ihrem Vorteil ausnutzen statt dies mit gesundem Menschenverstand zu betrachten - und sei es noch so absurd. Motto: was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt.
    Und von diesen Personen kann man dann auch oft den Spruch hören: "Wo liegt der Sinn eines Spiels respektive einer Spielteilnahme, wenn man nicht gewinnt?"


    Ich persönlich spiele nicht, um zu gewinnen. Ich spiele, um zu spielen.
    Mir ist ein schönes, spannendes Spiel um ein vielfaches lieber, als unbedingt gewinnen zu müssen. Selbstverständlich werde ich versuchen, zu gewinnen - aber eben nicht um jeden Preis. Und da mir in einem Spiel mit großem Abstand die Atmosphäre das wichtigste Spielelement ist, verfolge ich auch mal Strategien, mit denen ich ziemlich sicher verlieren werde, die sich dafür aber am Spielende wohltuend vom üblichen Einheitsbrei abheben.
    Gleichermaßen bedeutet das für mich, dass Spiele, deren einziger Daseinszweck es ist, durch grüblerische Mechanik-Analyse am Ende ein Maximum an Siegpunkten abzuschöpfen und die damit einzig und allein auf Gewinnen ausgelegt sind, bei mir aufgrund ihrer absoluten Unfähigkeit, auch nur ansatzweise so etwas wie Atmosphäre aufzubauen, komplett durchfallen.


    Beide Punkte kann ich exakt so unterschreiben, genau meine Sicht. Dirtbag ist mein Freund.

  • Manchmal habe ich das Gefühl, in einem Forum für Süchtige unterwegs zu sein: "Ich muss nicht Gewinnen. Ehrlich nicht! Ich kann auch Spielen, ohne dass ich Gewinnen will! ich möchte es nur nicht..."


    Es wird schon fast Gebetsmühlenartig das Mantra "Ich Spiele, um zu Spielen - nicht um zu Gewinnen" heruntergebetet; manchmal frage ich mich, ob das eine Art Panik-Reaktion auf all die Wenigspieler ist, die gerne den Satz loslassen "Du Spielst ja nur, um zu Gewinnen!"


    Wenn ich sagen würde: "Ich Spiele, um zu Spielen!" - dann wäre das garnicht so falsch - aber für mich ist ein fester Bestandteil des Spielens der Ehrgeiz, das Spiel auch gewinnen zu wollen. Was heißt schon "Das Gewinnen ist nicht wichtig." - Klar ist es wichtig; es ist ja der Kernaspekt von fast allen Spielen; vor Allem von den Spielen, die die meisten Spieler in diesem Forum gerne Spielen. Nicht umsonst wird in jeder Anleitung darauf hingewiesen, wie man den Gewinner des Spieles ermittelt; viele Spiele sind noch offener und reden gleich von "Siegpunkten", die man sammelt - um eben zu Siegen.


    Also ist doch der Sinn eines Spieles, bei dem man Siegpunkte sammelt, das Siegen. Oder nicht?
    Haben wir dabei Spaß? Klar. Haben wir auch Spaß, wenn wir nicht gewinnen? Natürlich! (Hoffe ich zumindest, dass es bei Euch auch so ist). Was ist denn so schlimm daran, dass man ein Spiel spielt, um zu Gewinnen - und GLEICHZEITIG, weil es einem Spaß macht? Schliesst sich das aus? Wenn man so manchem Wenigspieler zuhört offenbar schon. Aber da lehne ich mich aus dem Fenster und behaupte, diese Wenigspieler spielen, weil sie grad nicht wissen, was sie tun sollen - nicht aus Interesse an dem Spiel, bzw. dem Spielen...


    Ach ja, und die Betonung auf "...aber nicht um jeden Preis!" ist doch selbstverständlich. Welche Aussage, die man sonst zu seinem Hobby oder zu seinem Freizeitvergnügen trifft, beinhaltet denn "UM JEDEN PREIS!" - doch wohl keine; es gibt doch bei fast Allem Limits, die nicht überschritten werden sollen/dürfen...


    Ich sage mal: "Ich spiele, um zu Gewinnen, denn das gehört zum Spielen dazu!" ;)

  • Sehe ich auch so, Tom, und kann eigentlich nur meinen Satz von Posting #3 wiederholen: "Ich spiele immer um zu gewinnen, das macht für mich erst den Reiz und Sinn des Spielens aus. "


    Ich steh dazu :)


    Mich haben die verhaltenen Reaktionen bezüglich des Spielens auf Sieg ehrlich gesagt auch ein wenig verwundert. Aber gut dass wir hier in so einer Runde gemeinsam und offen und ehrlich darüber sprechen können. Daran sieht man ja mitunter auch mal wieder die Vielfalt die in der bunten Welt der Spiele und der Spieler herrscht. Schön!

  • Es ist und bleibt ein schwieriges, weil komplexes Thema.
    Dass es sich um ein Mantra handeln soll, welches gerne heruntergebetet wird, denke ich persönlich nicht. Es ist lediglich der armselige Versuch, die vielfältigen persönlichen Gründe sowie den eigenen Spielstil in einen kurzen und prägnanten Satz zu packen. Was aber ganz offenkundig nicht funktioniert.


    "Um jeden Preis" wird natürlich niemand gewinnen wollen, weshalb diese Aussage immer in Relation zur Umgebung gesehen werden sollte - in diesem Falle zu den Mitspielern, den spielerischen Optionen, dem eigenen Verhalten sowie eventuell vorhandenen Regellücken.


    Beispiel 1:
    Man spielt eine Runde Puerto Rico in bekannter Runde, alle kennen das Spiel bis auf einen, für den das Spiel neu ist. Man könnte sich nun etwas zurücknehmen und nicht eiskalt "Halte deinen linken Nachbarn klein" fahren, schließlich hat man selbst auch mal angefangen. Oder man zieht das durch und stampft den Neuling in den Boden.


    Beispiel 2:
    Man spielt mit einer oder mehreren Personen, die bekanntermaßen sehr empfindlich gegenüber destruktivem Spiel sind. Das betreffende Brettspiel gibt mir durchaus Optionen an die Hand, den Karren der Mitspieler so richtig schön in den Dreck zu fahren, mir stehen aber auch im Hinblick auf Siegpunkte etwas weniger lohnende und friedliche Optionen offen. Kann ich mich soweit zurücknehmen um meinen Mitspielern ein Spiel zu bieten, was sie positiv in Erinnerung behalten und vielleicht nochmal spielen? Destruktives Spielen können sie auch mit etwas mehr Erfahrung noch lernen. Oder geb ich einen Dreck darauf und arbeite ohne Rücksicht auf Verluste auf einen neuen Siegpunkte-Rekord hin?


    Beispiel 3:
    Ein Tabletop-Match, bei dem mir schon von vornherein bekannt ist, dass die Armee meines Gegners aufgrund veralteter Regeln der meinen völlig unterlegen ist. Versuche ich, ihm mit einer fairen, d.h. in etwa gleichstarken Armee entgegenzutreten oder optimiere ich mich meine Armee im Hinblick auf maximale Effektivität gegen diese Fraktion, womit der Gegner eigentlich von vornherein schon keine Chance mehr hat, ich aber gewinne?


    Beispiel 4:
    Die Turnier-Orga hat vergessen, eine extrem wichtige, aber allgemein bekannte Grundregel mit in die Turnierregeln zu schreiben (z.B. Magic: das Deck muss gemischt werden). Sagt mir der gesunde Menschenverstand, dass ich mein Deck trotzdem mische, die Orga hat es halt vergessen reinzuschreiben. Oder sortiere ich mein Deck vor und mische es nicht, da es in den Turnierregeln nirgends erwähnt wird?
    (Nicht aus der Luft gegriffen, sondern tatsächlich passiert - wurde mir von einem Orga-Mitglied erzählt. Der Spieler mit dem vorsortierten Deck hat natürlich gewonnen)


    Die Beispiele sind exemplarisch, aber jedes einzelne davon würde ich als "Gewinnen um jeden Preis" bezeichnen.


    Niemand wird ein Spiel spielen, um zu verlieren. Aber Spielen besteht für mich zumindest nicht nur aus "Gewinnen", das wäre ein reichlich eindimensionale Sichtweise. Im Normalfall spielt man, um ein schöne Zeit zu verbringen. Wie schön diese Zeit dann tatsächlich ist, hängt nicht nur davon ab, ob man nun gewinnt oder nicht, sondern auch von der Interaktion der Spieler miteinander.


    Und viel entscheidener als der Gewinn eines Spiel ist, wie gut der Verlierer verlieren kann. Und da liegt der Hase im Pfeffer.
    Meiner Erfahrung nach sind viele Leute, die den Reiz eines Spiels primär im Gewinnen desselben sehen, sehr schlechte Verlierer. Da wird dann schonmal auf halbem Wege die Flinte ins Korn geworfen ("hat ja eh keinen Sinn mehr, mit deinen Ausbauten/Planeten/Arbeitern/... bekommst du jede Runde sooooo viel, da brauchen wir gar nicht mehr weiterspielen..."), ob das nun den Mitspielern passt oder nicht. Sollte man dennoch weiterspielen, sinkt die Laune mit jeder Minute weiter. Oder alle dürfen sich am Ende langwierige Rechtfertigungen anhören, wie unfair das Spiel doch ist, wie schlecht die Regeln, wie unausgewogen der Spielablauf, was der Startspieler für einen unfairen Vorteil hat, dass sich ja sowieso alle gegen einen verbündet haben, usw.


    Das gehört genauso zu "Gewinnen um jeden Preis" dazu. Muss ich gewinnen, um mir und meinen Mitspielern ein schönes Spiel zu ermöglichen, weil ich sonst unausstehlich werde?


    Oder kann ich ein Spiel auch einfach nur des Spielens wegen genießen? Einen Sieg als erfreuliches und erstrebenswertes Ergebnis sehen, eine Niederlage als solche akzeptieren und nicht weiter darauf herumreiten?
    Und deshalb mit Fug und Recht behaupten: "Ich spiele, um zu spielen".

    Wenn dir egal ist, wo du bist, kannst du dich auch nicht verlaufen.

    Einmal editiert, zuletzt von Dirtbag ()

  • Schöne Beispiele.


    Nur ganz kurz zum Beispiel 1: wenn ich derjenige wäre, der das Spiel nicht kennt, würde ich erwarten dass meine Mitspieler auf Sieg spielen, was auch die "Kleinhaltemethode" einschliessen würde.


    Aber hier tickt wohl jeder etwas anders - meine Motivation entsteht in der Regel (!) daraus, es beim nächsten mal besser zu machen, zu durchschauen was die anderen tun, um somit zu meinem Spiel zu finden. Ich hätte keine Lust, wenn jemand den "Kuschelkurs" mit mit fährt, das würde mich eher demotivieren. Ich will also, dass die Spieler ihr bestes Spiel spielen. Ich brauch ja auch einen Anreiz um sie zu schlagen. Es nützt mir nicht viel wenn ich gewinne nur weil die anderen milde haben walten lassen. So ein Sieg wäre für mich nicht soviel Wert.


    Wenn ich bei einem neuen Spiel das erste Spiel direkt gewinnen würde, gegen Veteranen am Tisch, würde ich mir womöglich etwas veräppelt vorkommen. Und daher verhalte mich auch nicht besonders milde wenn ich neue Spieler am Tisch habe und ich das Spiel bereits kenne. Ich setze vorraus, dass die Spieler es akzeptieren wenn ein erfahrener Spieler ohne wattebauschige Rücksicht spielt und gewinnen möchte, und dass deren Eigenmotivation mitunter auch dadurch erst geschürt wird, es nicht nur bei einem Versuch zu belassen sondern das Spiel mit all seinen Feinheiten und Rafinessen zu entdecken und den Weg der Verbesserung zu suchen. Das ist für mich der Reiz, den Spiele ausüben.


    Und ganz ehrlich: der Erfolg gibt mir in meiner Spielrunde durchaus recht - da ich derjenige in der Gruppe bin, der neue Spiele in die Runde bringt und diese erklärt, gewinne ich zu Beginn im Schnitt häufiger als meine Mitspieler. Die Mitspieler sind aber meistens hoch motiviert noch weitere Partien zu spielen, um mich zu schlagen bzw. selbst auch mal zu gewinnen. Wenn sie es dann schaffen, freut es mich dann auch wirklich, da ich sehe dass sie sich Gedanken machen und Spass daran haben ihr Spiel zu optimieren. Das ist für mich der Reiz, den Spiele ausüben.


    Letztendlich profitieren ja alle davon - alle lernen das Spiel besser zu spielen, einzuschätzen, und die Tricks und Rafinessen herauszuarbeiten. Die Siegverteilung wird mit der Zeit ausgeglichener, der Spielfluss besser, die Spiele enger und spannender. Das geht eben durch Motivation. Und die erhält man mitunter dadurch, indem man zuschaut wie es die "Profis" machen, nicht unbedingt über den "Kuschel- bzw. Schönspielkurs".


    Das Thema ist bei Kindern sicherlich etwas anders zu sehen - bei erwachsenen Menschen setzte ich diese Motivation beim Spielen dagegen in der Regel vorraus.


    Und für mich gilt daher: auf Sieg spielen geht vor "(thematischem) Schönspielen" :)

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  • Anschliessend kann man die Frage stellen, warum wir überhaupt Brettspiele (das Wort Gesellschaftsspiele klingt irgendwie doof) spielen?


    Für mich, in durchs Regelwerk klar abgesteckten Grenzen und in Interaktion mit den Mitspielern, ein Erlebniszeitraum zu erzeugen, der gemeinsam Vergnügen bereitet. Das können lustige Situationen bei Times Up sein, oder auch knifflige Optimierungsaufgaben als Herausforderung bei Agricola, oder da thematische Eintauchen in alternative Spielwelten mit Earth Reborn.


    Das Gewinnen ist dabei für mich nur ein kleiner Teilaspekt. Eine Belohnung für gutes oder im Vergleich zu den Mitspielern besseres Spiel. Trotzdem ist der Spielsieg kein Garant, dass das Spiel auch wirklich Vergnügen bereitet hat und damit ist der Spielsieg für mich eigentlich nix wert.


    Klar erwarte ich dabei, dass alle gewinnen wollen - im Rahmen ihrer Möglichkeiten, durch Spielpraxis, Ausgangssituation und Spielverlauf sowie eigene Spielentscheidungen begrenzt. Cyclades ist so ein Spiel, so zwingend die Mitspieler gegenhalten müssen, damit das Spiel funktioniert. Wer da zu früh aufgibt, macht den möglichen Spielspass für alle kaputt.


    Cu / Ralf

    Content-Nachschlag gefällig? Brettspieltag.de – Das etwas andere Boulevard-Magazin der versammelten Brettspiel-Szene

  • Na, dann will ich auch mal meinen Senf dazugeben.


    Zitat

    Original von [Tom]
    Manchmal habe ich das Gefühl, in einem Forum für Süchtige unterwegs zu sein: "Ich muss nicht Gewinnen. Ehrlich nicht! Ich kann auch Spielen, ohne dass ich Gewinnen will! ich möchte es nur nicht..."


    Ich nicht - es gibt ja unterschiedliche Meinungen im Forum.


    Zitat

    Original von [Tom]
    Es wird schon fast Gebetsmühlenartig das Mantra "Ich Spiele, um zu Spielen - nicht um zu Gewinnen" heruntergebetet; manchmal frage ich mich, ob das eine Art Panik-Reaktion auf all die Wenigspieler ist, die gerne den Satz loslassen "Du Spielst ja nur, um zu Gewinnen!"


    Ich spiele in erster Linie, um eine schöne Partie zu haben - das Gewinnen hat nur eine untergeordnete Bedeutung für mich.
    Ich selbst spiele so gut wie nie mit Wenigspielern, daher kann das keine Panik-Reaktion von mir sein.


    Zitat

    Original von [Tom]
    Wenn ich sagen würde: "Ich Spiele, um zu Spielen!" - dann wäre das garnicht so falsch - aber für mich ist ein fester Bestandteil des Spielens der Ehrgeiz, das Spiel auch gewinnen zu wollen. Was heißt schon "Das Gewinnen ist nicht wichtig." - Klar ist es wichtig; es ist ja der Kernaspekt von fast allen Spielen; vor Allem von den Spielen, die die meisten Spieler in diesem Forum gerne Spielen. Nicht umsonst wird in jeder Anleitung darauf hingewiesen, wie man den Gewinner des Spieles ermittelt; viele Spiele sind noch offener und reden gleich von "Siegpunkten", die man sammelt - um eben zu Siegen.


    Ich versuche immer, nachvollziehbar zu spielen, und ich erwarte auch von meinen Mitspielern, daß jeder "logisch" spielt, denn ansonsten könnte ich keinen Spaß an einem komplexen Spiel haben (und ich spiele hauptsächlich komplexere Spiele). Das schließt natürlich auch ein, daß jeder sieg-orientiert spielt. Mit dem "Spielen, um zu Gewinnen" hat das aber nicht viel zu tun.


    Zitat

    Original von [Tom]
    Also ist doch der Sinn eines Spieles, bei dem man Siegpunkte sammelt, das Siegen. Oder nicht?
    Haben wir dabei Spaß? Klar. Haben wir auch Spaß, wenn wir nicht gewinnen? Natürlich! (Hoffe ich zumindest, dass es bei Euch auch so ist). Was ist denn so schlimm daran, dass man ein Spiel spielt, um zu Gewinnen - und GLEICHZEITIG, weil es einem Spaß macht? Schliesst sich das aus? Wenn man so manchem Wenigspieler zuhört offenbar schon. Aber da lehne ich mich aus dem Fenster und behaupte, diese Wenigspieler spielen, weil sie grad nicht wissen, was sie tun sollen - nicht aus Interesse an dem Spiel, bzw. dem Spielen...


    Warum Wenigspieler wenig spielen und nicht mehr spielen, das hat bestimmt unterschiedlichste Gründe, die sich meiner Kenntnis entziehen - und es interessiert mich auch nicht sonderlich.


    Ich selbst spiele, um ein schönes Spielerlebnis zu haben. Das hat in erster Linie mit dem Spiel zu tun, aber natürlich auch mit den Mitspielern und mit mir selbst.


    Deshalb spiele ich bevorzugt Spiele, die mir erlauben, tief in die Welt dieser Spiele einzutauchen. Das erlauben mir z.B. Cosims und Fantasy-Games. Nur in seltenen Fällen gehören da noch Eurogames dazu, die m.E. hauptsächlich designed sind, um auf unterschiedliche Art und Weise Siegpunkte anzuhäufen - was mich mehr und mehr langweilt, da die unterlegte Story zumeist den abstrakten Mechanismus dieser Spiele kaum verbergen kann.


    Auch die Auswahl der Mitspieler / des Mitspielers ist für mich wichtig - deshalb bin ich auch so gut wie nie bei offenen Spiel-Runden, denn da habe ich diesbezüglich kaum Einfluss auf die Zusammensetzung der Spielrunde. Ich verabrede lieber Partien mit Leuten, von denen ich weiß, wie sie ticken, für Spiele, die eine Geschichte erzählen und meine Phantasie beflügeln können.


    Zitat

    Original von [Tom]
    Ach ja, und die Betonung auf "...aber nicht um jeden Preis!" ist doch selbstverständlich. Welche Aussage, die man sonst zu seinem Hobby oder zu seinem Freizeitvergnügen trifft, beinhaltet denn "UM JEDEN PREIS!" - doch wohl keine; es gibt doch bei fast Allem Limits, die nicht überschritten werden sollen/dürfen...


    Wohl wahr.


    Zitat

    Original von [Tom]
    Ich sage mal: "Ich spiele, um zu Gewinnen, denn das gehört zum Spielen dazu!" ;)


    Ich sage mal: "Ich spiele, um mich von einem Spiel gefangen nehmen zu lassen - wenn dann auch noch ein Sieg rausspringt, nehme ich das gerne mit".
    Und ich kann mich auch am Sieg eines anderen erfreuen, vor allem, wenn er ihn durch eine überraschende und gut umgesetzte Idee erreicht hat.


    .


    Ich glaube nicht, daß jemand wirklich objektiv sein kann - alle Meinungen sind subjektiv.
    Natürlich gilt das auch für mich.

  • Zitat

    Original von Warbear
    (...). Das schließt natürlich auch ein, daß jeder sieg-orientiert spielt. Mit dem "Spielen, um zu Gewinnen" hat das aber nicht viel zu tun. (...)


    Wo ist der Unterschied zwischen "sieg-orientiertem Spiel" und "Spielen, um zu gewinnen", dem Wortsinn nach?
    Das erschließt sich mir nicht. Ich hätte beide Formulierung als untereinander austauschbar gesehen.


    Spiele ich ein Spiel so, daß meine Züge mit Blick auf das Spielziel (=Sieg) ausgerichtet sind, oder mache ich einfach irgendwas, damit mein Zug beendet ist und der nächste an die Reihe kommt, während ich von meinem Urlaub erzähle?


    Das ist doch die eigentliche Frage von Boudie.

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  • Zitat

    Original von Elektro
    Und ganz ehrlich: der Erfolg gibt mir in meiner Spielrunde durchaus recht - da ich derjenige in der Gruppe bin (...)


    Richtig, dir gibt der Erfolg in deiner Spielgruppe recht. Das bedeutet erstens, dass sich die Spieler untereinander kennen und um die Schwächen und Stärken ihrer Gegenüber wissen, zweitens, dass es sich durchwegs um sehr erfahrene Spieler handelt, die zwar dieses spezielle Spiel nicht kennen mögen, wohl aber genug Erfahrung haben, um erwarten zu können, dass sie mit den Tücken und Eigenarten zurecht kommen.


    Zitat

    Original von ElektroLetztendlich profitieren ja alle davon - alle lernen das Spiel besser zu spielen, einzuschätzen, und die Tricks und Rafinessen herauszuarbeiten. Die Siegverteilung wird mit der Zeit ausgeglichener, der Spielfluss besser, die Spiele enger und spannender. Das geht eben durch Motivation. Und die erhält man mitunter dadurch, indem man zuschaut wie es die "Profis" machen, nicht unbedingt über den "Kuschel- bzw. Schönspielkurs".


    Das Thema ist bei Kindern sicherlich etwas anders zu sehen - bei erwachsenen Menschen setzte ich diese Motivation beim Spielen dagegen in der Regel vorraus.


    Auch das mag stimmen - eine entsprechende Spielerunde vorausgesetzt.
    Menschen sind aber verschieden: nicht alle empfinden eine bodenlose Niederlage als so motivierend, dass sie sich dem Spiel von nun an intensiver widmen wollen. Das gilt für Vielspieler wie für "Wenigspieler", die vielleicht gerade erst dabei sind, den Zugang zum Hobby zu finden. In solchen Fällen den Fuß vielleicht mal etwas vom Gas zu nehmen hat in meinen Augen nichts mit einem sogenannten "Kuschel- oder Schönspielkurs" zu tun, sondern mit Fairness. Sollte sich im Laufe des Spiels rausstellen, dass der Neueinsteiger das durchaus verkraftet oder selbst entsprechend spielt, kann man ja wieder "wie ein echter Mann" spielen. Die Spiele sind in der Regel flexibel genug, um einen erfolgreichen Strategiewechsel während des Spielens zu erlauben.


    Weiß man aber schon im Vorfeld, dass der oder die Mitspieler mit gewissen Mechanismen (meist von destruktiver Natur) schlecht zurecht kommen und darüber durchaus den Spaß am Spiel verlieren können, diese Option aber trotzdem fleißig nutzt, kann man kaum noch davon reden, dass man dies nur mache, weil man keinen "Kuschelkurs" fahren wolle. Das ist imho einfach nur eine schlechte Ausrede für Egozentrik in Reinkultur. Der Gewinn allein zählt, und wenn ich dafür meinen Mitspielern den Abend versau.


    Bei erwachsenen Menschen erwarte ich eine differenzierte Beurteilung der Situation, keine Kategorisierung im Vorfeld.

    Wenn dir egal ist, wo du bist, kannst du dich auch nicht verlaufen.

    Einmal editiert, zuletzt von Dirtbag ()

  • Wie gesagt - deine Beispiele finde ich ja gut, und treffen einige der Punkte auch im Kern. Deshalb schreibe ich auch bewusst "in der Regel", und in "meiner" Spielrunde. Mir ist schon klar dass diese Masstäbe nicht universell ansetzbar sind.


    Ich möchte an dieser Stelle meine subjektive Einschätzung und Erfahrung zum Besten geben. Und bewusst Spielabende für andere zu versauen? Sowas käme mir nichtmal im Ansatz oder gar im Traum in den Sinn. Für mich ist spielen ein gemeinschaftliches Erlebnis. Hat auch nur ein einziger der Spieler am Tisch kein Spass, reduziert das auch meinen Spass ganz erheblich.


    Was ich hier allerhöchstens "ankreide" (wenn überhaupt - es soll ja jeder so spielen wie es ihm Spass macht), ist der Spielzug, lieber eine Veteidigung aufzubauen anstatt eine Kapelle (für den eventuellen Spielsieg) zu bauen. Das mag vielleicht thematisch Sinn machen, aber im eigentlichen Sinne des Spiels eher weniger. Ich spiele in dem Fall ganz klar auf den Sieg, also auf die Kapelle. D.h. aber doch nicht automatisch, dass ich dadurch den Spieleabend nachhaltig für alle versaue. Diesen Gedankengang empfände ich als absurd.

    7 Mal editiert, zuletzt von Elektro ()


  • "Spielen, um zu Gewinnen" heißt für mich, daß der primäre Zweck des Spielen das Gewinnen ist.
    Wenn man mal wieder Lust hat zu gewinnen, dann macht man halt bei einem Spiel mit - das könnte auch was ganz anderes sein, denn es kommt ja auf das Gewinnen an, nicht auf das Spielen.


    Ich spiele aus Lust am Spiel. "Sieg-orientiert spielen" heißt hier für mich, daß jeder seine Spielweise möglichst so ausrichtet, daß er damit unter normalen Umständen gewinnen kann. Tut das einer nicht (weil er nicht kann, vielleicht weil er müde geworden ist, oder weil nicht will), so hat das zwangsläufig Auswirkungen auf den Spielspass der anderen, die ihre Planungen ja auf einigermaßen "logische" Spielzüge aller aufbauen.


    Beides empfinde ich als total unterschiedliche Dinge.
    Ich habe das in meinem Posting deutlich herauszustellen versucht.
    Kann man das wirklich nicht rauslesen?


    .


    Ich glaube nicht, daß jemand wirklich objektiv sein kann - alle Meinungen sind subjektiv.
    Natürlich gilt das auch für mich.

  • Zitat

    Original von Elektro
    Ich möchte an dieser Stelle meine subjektive Einschätzung und Erfahrung zum Besten geben. Und bewusst Spielabende für andere zu versauen? Sowas käme mir nichtmal im Ansatz oder gar im Traum in den Sinn. Für mich ist spielen ein gemeinschaftliches Erlebnis. Hat auch nur ein einziger der Spieler am Tisch kein Spass, reduziert das auch meinen Spass ganz erheblich.


    Das wollte ich nicht unterstellen. Ich habe das ganze bewusst etwas überspitzt formuliert - mit Extremen zeigt sich vieles einfacher auf, da sie gemeinhin eben extrem prägnant in ihrer Aussage sind.
    Allerdings ist Diplomatie nicht gerade meine Stärke, weshalb ich da ganz gern mal übers Ziel hinaus schieße. ;)


    Zitat

    Original von ElektroWas ich hier allerhöchstens "ankreide" (wenn überhaupt - es soll ja jeder so spielen wie es ihm Spass macht), ist der Spielzug, lieber eine Veteidigung aufzubauen anstatt eine Kapelle (für den eventuellen Spielsieg) zu bauen. Das mag vielleicht thematisch Sinn machen, aber im eigentlichen Sinne des Spiels eher weniger. Ich spiele in dem Fall ganz klar auf den Sieg, also auf die Kapelle. D.h. aber doch nicht automatisch, dass ich dadurch den Spieleabend nachhaltig für alle versaue. Diesen Gedankengang empfände ich als absurd.


    Verständlich, dieser Spielzug ist auch nicht das Optimum. Was mich in dem Fall nicht weiter störte, da mich das Spiel sowieso nicht besonders gefesselt hat und ich mich deshalb lieber mit dem Aufbau einer stimmigen Stadt beschäftigte als mit dem Spielsieg.

    Wenn dir egal ist, wo du bist, kannst du dich auch nicht verlaufen.