Ich bin schon seit einiger Zeit in den Geschmack des "No Retreat: The Russian Front" (NR) gekommen.
Dieses Spiel behandelt den wohl größten, brutalsten militärischen Konflikt der Menschheitsgeschichte.
Ich selbst bin geborener Soviet und komme aus dem heutigen Weißrussland. Ich kann mir nur kaum vorstellen wie etwa 2/3 der gesamten Bevölkerung dieses Landabschnitts im Krieg ihr leben gelassen haben. Ich kann mir auch nur kaum vorstellen, dass nur einzelne wenige jüdische oder jüdisch/arabisch aussehende Menschen am Leben geblieben sind.
Mein Großvater ist ethnisch "jüdisch" (also vom Aussehen, wenn auch ungläubig), er ist 1940 geboren und musste zusammen mit seiner Mutter nach Osten vor den Deutschen fliehen. Sein Onkel hat in jungen Jahren (wohl um die 20) den gesamten Krieg durchlebt. Vom ersten Tag an stand er an der Front und ist schlussendlich (verwundet) bis nach Berlin gekommen.
Dieser konnte, wie mein Opa sagt, sobald er getrunken hatte nur noch über den Krieg reden. Mein Opa selbst spricht ungern über seine Jugend. Es mangelte an allem, und besonders die "Juden" waren sehr arm dran. Auch seine Eindrücke und Erinnerungen sind sehr "post-apokalyptisch". Seine Kindheit besteht aus Mundraub, Suchen nach Schrott (aus dem Krieg) um es zum Altmetall zu bringen und Suchen nach unverfeuerten Geschossen, um den Sprengstoff dazu zu nutzen im Fluss zu "fischen". Er erinnert sich an viele viele Behinderte Menschen. Häufig Menschen ohne Beine, welche auf einem selbstgebauten "Skateboard"(wie er sagt) rollten, und um die sich kaum gekümmert wurde. Er sagt diese seien ca. 10 Jahre später ganz von der Bildfläche verschwunden... wahrscheinlich einem der vielen möglichen Tode erlegen.
Ich könnte hier noch etwa 2h lang von seinen Erzählungen schreiben... aber ihr seht sicherlicht was ich meine.
Wenn ich ein Spiel wie NR spiele, dann sehe ich das alles nicht. Ich sehe nicht das unendliche Leid der Menschen und die Millionen von Toten. Ich sehe nicht Kanibalismus, Holocaust, Arbeits-Lager, Mord ....
Wenn ich sowas spiele dann sehe ich nur die strategische Komponente. Für mich ist es simpel gesagt in dem Moment nichts anderes als Schach.
Ist das Legitim?
Mein gesunder Menschenverstand sagt mir "ich darf das nicht so einfach..." ich habe den Eindruck ich müsste mir da mehr gedanken drum machen, die Konsequenz meiner "Befehle" realisieren und verstehen, was da gerade abgeht.
Ich habe mal ein wenig gelesen und sehe überall bei solchen Fragestellungen Vergleiche mit Schach, Go und Super Mario... denn das ist alles (abstrakter) Krieg und das letzte ist zumindest Mord an unschuldigen Schildkröten.
Ich sehe den Punkt im Vergleich aber ich erachte das als unfair. Ein Spiel wie GO ist abstrakt. Es handelt nicht von einem Speziellen Krieg. Es könnte auch ein Instrument von Außerirdischen sein, Kriege gewaltfrei zu klären. Go erklärt/verherrlicht/spielt keinen realen Konflikt nach.
In NR will ich nicht unbedingt die Rolle des OKH oder gar Hitlers einnehmen um Lebensraum von den Russen zu rauben. - Wenn ich das Spiel spiele, will ich aber gewinnen... und ich spielte bisher meistens die Wehrmacht... Das ist noch ein weiterer Gewissenskonflikt.
Ich will hier keine Diskussion darüber haben ob es OK ist oder nicht Kriegsspiele zu spielen...
Denn: jeder kann (fast) machen was er will... und ein AntiKriegsspiel spielen ist da noch harmlos und tut keinem weh.
... ich will stattdessen lieber verstehen, was Ihr denkt, fühlt und glaubt, wenn ihr ein solches Spiel spielt. Rechtfertigt ihr euch das? Wie geht Ihr persönlich damit um? Ich fühle mich wirklich schuldig wenn ich denke "Krieg ist spannend", bin ich doch eigentlich im Herzen ein Pazifist.
Danke für jede Meinung!
Alex