Spielenswerte Spiele mit Quälfaktor?

  • Moin,


    am letzten Wochenende wieder erlebt: Nations ist für mich herausfordernd als Spiel, verteilt aber durch den ständigen Konkurrenzdruck um bessere Karten und das Gerangel auf den Militär-Stabilitäts-Bücher-Leisten und dem Weltwunderbau mit stets zu wenig verfügbaren Architekten erhebliche Nackenschläge - teilweise ausgehend durch die halbzufällige Kartenauslage, teilweise ausgehend von den Mitspieleraktionen, teilweise ausgehend von den Ereignissen und Hungersnöten.


    Als Lenker eines Volkes durch die vier Epochen hat man es nicht einfach. Ständig gibt es überall zu wenig von allem und die Mitspieler scheinen sowieso besser dazustehen. Trotz dieser extremen Konkurrenz-Situation und Mangelwirtschaft macht (mir) das Nations auf einer herausfordernden Ebene durchaus Spass. Der Reiz dabei ist wohl, es trotz allem doch irgendwie zu schaffen, etwas aufzubauen und am Ende es besser als die Mitspieler geschafft zu haben, was sich dann in aufsummierten Siegpunkten ausdrückt.


    So wirklich gut fühlt sich Nations dabei aber nicht an. Manchmal nur phasenweise in einer Partie, manchmal meint man überhaupt keinen Fuss auf den Boden zu bekommen. Fast schon eine Art Selbstbestrafung, weil man sich freiwillig dieser Magel-Konkurrenz-Herausforderung aussetzt. Und am Ende hat man doch irgendwie gewonnen oder so schlecht doch nicht abgeschnitten, wie es sich eigentlich angefühlt hat. Somit ist Nations für mich kein Gute-Laune-Spiel sondern geht stark in die Richtung von "Im Jahr des Drachen", bei dem man sich auch von einem kaum erfüllbaren Ereignis zum anderen geprügelt fühlt.


    Habt Ihr das auch so in Euren Nations-Spielpartien erlebt und kennt Ihr andere Spiele, die einen quälen, aber dennoch spielenswert sind? Und warum spielen wir nicht eher Überfluss-Spiele anstatt uns diesen Herausforderungen auszusetzen?


    Cu / Ralf

    Content-Nachschlag gefällig? Brettspieltag.de – Das etwas andere Boulevard-Magazin der versammelten Brettspiel-Szene

  • kennt Ihr andere Spiele, die einen quälen, aber dennoch spielenswert sind?

    Viele deiner Worte könnte man 1:1 übernehmen, um #Antiquity zu beschreiben. Nur "ein Fehler kann reichen, um sich selbst zu zerstören" fehlte noch ;) #ImJahrDesDrachen mag ich auch sehr.


    Und warum spielen wir nicht eher Überfluss-Spiele anstatt uns diesen Herausforderungen auszusetzen?

    Hm, das schreit ja fast nach Küchenpsychologie ;) Vielleicht weil wir unseren Geist (stets?) mit etwas Besonderem fordern wollen und uns reale Herausforderungen fehlen oder wir deren Risiko scheuen? Im Gegensatz zum Beklettern des Mount Everest sind Fehler bei uns immerhin nicht fatal ;)

  • Aus dem selben Grund, warum wir Filme und Serien sehen, in dem es scheinbar nur Bergab geht und eine Problematik nach dem anderen die Sache schwerer machen, aber am Ende gewinnt der Gute. Die Herausforderung und das Wechselbad der Gefühle sind doch die positiven Elemente eines Spiels. Nations hat diese. Viele Kooperative Spiele leben von genau diesem Gefühl. Schon das alte Herr der Ringe von Knizia (Kosmos) hat dies nur zu deutlich gemacht.

    Be seeing you,
    Matthias Nagy

    Das hier ist mein Privat-Account. Alle hier geäußerten Meinungen sind nur meine privaten Meinungen und geben nicht die Meinung von Deep Print Games oder Frosted Games wieder.

  • Meister Wallace quält auch mit Age of Steam. Allerdings dadurch, dass man am Anfang der Runde bereits festlegen muss, wieviel Geld im Laufe der Runde ausgegeben wird. Wenn man sich da verrechnet hat, ist man aus dem Spiel.


    Willst Du hier auch Spiele, bei dem der Quälfaktor eher durch die Mitspieler induziert wird?

  • Für mich ist DAS Spiel für spielenswerte Spiele mit Quälfaktor...


    Robinson Crusoe.


    Das Spiel teilt einem auch ständig Nackenschläge aus. In diesem Spiel gehört es allerdings definitiv dazu und passt thematisch wie die Faust aufs Auge... Allerdings ist das bei Robinson Crusoe auch leichter zu ertragen, weil alle gemeinsam spielen und keiner in Hintertreffen kommt.


    Ob mir das bei Nations so gefällt, weiß ich immer noch nicht, weil man sich in diesem Spiel wirklich in eine Sackgasse manövrieren kann, wenn man nicht vorsichtig spielt...


    Danke für den Thread, definitiv ein schönes Thema.

  • Ich hatte bei jeder Partie Nations bisher immer viel Spaß, und als Qual habe ich es nie empfunden. Ganz anders als bei Im Jahr des Drachen, das ich für deutlich qualvoller halte und an das ich zuerst denken musste, als ich den Threadtitel las. Trotzdem ist Im Jahr des Drachen ein Spiel, das ich immer gerne mitspielen würde. Denn diese Qual macht mir halt Spaß. Aber wie gesagt, bei Nations empfinde ich keine solche Qual.

  • Auch wenn ich kein #Agricola Fan bin, sollte das Spiel hier erwähnt werden, denke ich. Da ist auch sehr oft so ein "Du willst irgendetwas machen? Ernähre erstmal deine Leute, Junge!"-Moment dabei. Insbesondere, wenn man nicht sofort seine Ernährung optimiert, kann das Spiel sehr bitter werden. Mir macht das (anders als bei Nations) aber nicht wirklich Spaß.

  • Ganz ehrlich? Nein. Kenne keine Spiele die quälen und würde sie auch nicht in meiner Sammlung dulden. Spiele hauptsächlich thematische Spiele (Twilight Imperium, Level 7 OP, Civ, Descent, VdW. ...) und habe sowas noch nie erlebt. Ne, wenn ich nicht das Gefühl habe im Spiel etwas bewegen zu können oder nicht mit den Mitspielern tatsächlich interagieren kann (*hust*agricola/nations multiplayer solitaire*hust*), dann wird das Spiel meist nicht noch ein drittes oder viertes mal gespielt.

  • Warum wir gerne diese selbstquälerischen Spiele spielen?!? Ist doch klar: wir sind böse gewesen ...


    Ich finde, dass es - wie bereits von Dir, ravn, gesagt wurde - beglückend ist, dass man trotz starkem Gegenwind und Schiksalsschlägen dennoch gewinnt (oder zumindest zweiter wird). Dabei ist es besonders wertvoll, wenn das Spielergebnis nicht nur vom Zufall abhängt.
    Space Alert wäre da so ein Fall.


    Ich liebe ja Steam von Martin Wallace. Wenn man das nach den Fortgeschrittenen Regeln (Age of Steam) spielt, ist dass wohl auch sehr brutal und quälerisch (hatte aber nur einer in meiner Runde Interesse, dass einmal auszuprobieren). Besonders selbstquälerisch ist nach Mitspielererfahrung auch Agricola zu zweit mit Moorbauern- und 4 Jahreszeiten-Erweiterung.


    Zwischenmenschlich wird gerne auch mit Diplomacy, Intrige, Junta die Mitspielerbeziehung auf die Probe gestellt. Ein sehr guter Freund hat mir damals angedroht, dass er die Freundschaft beendet, wenn mich bei Junta nicht an die vorherige Abmachung halte. Auch Nightfall habe ich als ziemliches "Hau drauf" Spiel in Erinnerung.


    Nations habe ich noch nicht gespielt, wird aber wahrscheinlich an den nächsten Wochenende auf den Tisch kommen.


    Prinzipiell kann man sich wohl bei jedem Spiel quälen: wenn man sich intensiv mit dem Spielmaterial / -thema indentifiziert und dann mit jedem Verlust heftig mitleidet.

  • Besonders selbstquälerisch ist nach Mitspielererfahrung auch Agricola zu zweit mit Moorbauern- und 4 Jahreszeiten-Erweiterung.


    Als angesprochener Mitspieler muss ich da einhaken. Ich habe einmal Agricola + Moorbauern + 4-Jahreszeiten gespielt und fand es extrem anstrengend, da ich unheimlich viel auf einmal bedenken musste. Es hat Spaß gemacht, aber danach war ich geistig etwas ausgelaugt.
    Das ist aber wohl nicht das, was der OP unter 'Quälfaktor' versteht.


    Ich habe die Ernährung bei Agricola nie als quälend empfunden. Klar es ist manchmal lästig, wenn man so viele Sachen machen möchte und das nicht kann, weil man die Aktionen braucht um die Ernährung zu sichern. Aber es ist machbar. Es passiert mir nie, dass ich mich nicht ernähren kann und ich habe trotzdem immer noch genug Aktionen über, um mich irgendwo anders weiterzuentwickeln (Haus ausbauen, Anschaffunge/Ausbildungen ausspielen, Äcker/Weiden anlegen,...).
    Meine - zugegebenermaßen begrenzten - Erfahrungen mit Im Jahr des Drachen sind da ganz anders. Da hatte ch immer den Eindruck, dass ich zwar alle Katastrophen abwenden kann, aber nur wenn ich 90%-100% meiner Aktionen darauf verwende und dann komme ich dabei meinem Spielziel Siegpunkte zu generieren kaum näher. Also findet man sich irgendwann damit ab und überlegt nicht mehr, wie man alle Katastrophen abwendet, sondern überlegt, welche man abwenden muss und welche man ruhig geschehen lassen kann (bzw. geschehen lassen muss). Das gibt ein ganz anderes Spielgefühl. Ich habe zu Im Jahr des Drachen eine Art Hassliebe entwickelt - einberseits bewundere ich das Design und finde auch, dass das Spiel einen hohen Aufforderungscharakter hates noch mal zu spielen und mal eine andere Strategie auszutesten - andererseits ist das Spielgefühl immer etwas quälend und wenn jemand das Spiel vorschlägt, gucke ich erstmal herum was es denn noch für Spiele im Angebot gibt.
    Es kann natürlich daran liegen, dass ich aus dem Grund IJdD selten gespielt habe und deswegen einfach nicht gut genug in dem Spiel bin. Wenn ich mal einem guten Spieler zuschauen würde, würde ich wahrscheinlich staunen, was alles möglich ist.


    Ich denke das ist oft so, dass dieser 'Quälaktor' mit der Erfahrung abnimmt. Wenn ich heute Galaxy Trucker ohne Erweiterung spiele, dann kommt auch über 90% meines Schiffes an und ich ärgere mich höchstens, wenn ich zu wenig Frachtcontainer eingebaut habe oder wenn mir 1 Besatzungsmitglied für die verlassene Station fehlt. Das war in den Anfangstagen ganz anders, da flog einem bei jdem Flug das Schiff um die Ohren und man war froh überhaupt anzukommen.
    Von daher sollte man wohl unterscheiden zwischen Spielen, die man in den ersten Partien als 'quälend' empfunden hat und Spielen, die auch für Veteranen noch einen 'Quälfaktor' ausmachen.


    Wobei so ein Quälfaktor ja nicht immer schlecht sein muss. Manchmal macht das auch den Reiz eines Spiels aus. Genau so wie man manchmal interessierter ist an Spielen, die man noch nicht gewonnen hat als an Spielen, die man regelmäßig gewinnt. Man sucht einfach die Herausforderung auch mit diesen Wiedrigen quälenden' Aspekten umzugehen.