Historia von Giochix
http://www.giochix.it./scheda.php?item=3582&lingua=2
Braucht die Spielwelt wirklich ein weiteres Zivilisationsspiel? Eigentlich nicht, es sei denn, dass es so elegant anders daherkommt wie Historia von Giochix. Nachdem Deus von Pearl Games bei mir als Erste-Wahl-Zivilisationsspiel auf der SPIEL 2014 durchgefallen war, weil es mir schlicht zu wenig Interaktion bot, hatte ich die Chance, Historia am Messesonntag in 5er-Runde anspielen zu können. Dabei waren die Voraussetzungen nicht gerade ideal, weil es uns eher bemüht auf englisch erklärt wurde und simultan ins holländische von meinem Sitznachbarn übersetzt wurde, damit sein Sohn die Erklärung auch verstand inmitten des Messelärms.
Diese Probepartie hat mich aber so überzeugt, dass ich es gerne direkt gekauft hätte. Einzig der überzogene Messepreis mit den Erstauflagen-Käufer-Promos zum zusätzlichen Aufpreis liessen damals noch mein Spieleverstand gewinnen. Kurzfristig, denn inzwischen habe ich es mir doch gekauft, auch weil es die Spielgilde zusammen mit den zwei Promos zum fairen Preis gelistet hat. Andere Versender machen mit den Promos hingegen gut Kasse, wenn man für einen kleinen Stanzbogen um die 7 Euro bezahlen soll. Ohne die beiden Promos wirkte auf mich das Spiel unvollständig, besonders weil damit zwei neue Spielvarianten eingeführt werden, die in Folgepartien für mehr Varianz und Konkurrenz sorgen und damit spielerisch bedeutend sind. Die dritte Promo "Goldenes Zeitalter" ist hingegen ausschliesslich den Kickstartern vorbehalten. Andersherum könnte man auch sagen, dass den Normalkäufern diese Promo vorenthalten wird.
Um was geht es überhaupt? Um Siegpunkte und die häuft man im Laufe von 12 Spielrunden an, die in drei aufbauende Epochen aufgeteilt sind. Durch diese Epochen kommt auch eine gewisse Entwicklung ins Spiel, da gewisse Weltwunder erst später auftauchen und Anführer immer mehr einforden, um Siegpunkte zu gewähren. Wie lange eine einzelne dieser 12 Spielrunden allerdings dauert, das liegt an den Mitspielern. Durch das Ausspielen einer speziellen Revolutions-Karte kann man das Spielrunden-Ende einleiten und damit das Tempo forcieren, sofern man seinen lieben Mitspielern keine Zeit lassen will, sich besser als man selbst zu entwickeln. Die Revolution ist auch dafür da, um ausgespielte Karten wieder auf die Hand nehmen zu können - zumindest einen Teil davon. Der andere Teil bleibt erstmal in der persönlichen Ablage liegen und kann in der folgenden Spielrunde nicht genutzt werden.
Wir sind also mittendrin im Handkarten-Management, denn der Spielablauf wird über 10 Aktionskarten gesteuert. Zeitgleich mit unseren Mitspielern suchen wir uns eine verfügbare Karte aus und führen die dann reihum aus. Das sorgt dafür, dass Wartezeiten minimiert werden, weil alle zeitgleich überlegen und auswählen. Zusätzlich bietet es auch ein gewisses Spannungsmoment, da man nicht genau weiss, was die Mitspieler denn so alles machen werden. Wohl dem, der aktueller Startspieler ist und deshalb agieren kann, bevor einem die Mitspieler in die Quere oder zuvor kommen.
Zu einem wirklichen Zivilisationsspiel gehören Ressourcen, die wir anhäufen und umwandeln und veredeln können, Gebäude und Ausbauten, die gebaut werden wollen und Armeen, die über den Spielplan ziehen. Damit einher geht dann gewöhnlich auch eine abend- bis tagesfüllende Spielzeit wegen der gebotenen Detailverliebtheit. Historia zeigt beeindruckend, dass Zivilisation auch eleganter geht. Es gibt nur eine einzige Ressource und die ist zeitgleich auch zur Ausbreitung auf der Weltkarte nötig. Wer sich also zu breit aufestellt, dem fehlen die nötigen Ressourcen. Wer allerdings kaum auf der Weltkarte vertreten ist, bekommt weniger verwendete Ressourcen zurück in den persönlichen Vorrat und vergibt die Chance auf Siegpunkte, sofern man alle Mitspieler aus seinen Gebieten vertrieben konnte.
Kern von Historia ist eine Entwicklungs-Matrix, die auf der X-Achse in technologischer und auf der Y-Achse in militärischer Fortschritt aufgespannt ist. Durch Aktionskarten kann ich auf dieser Matrix voranschreiten und zwar selbstbestimmt mit welcher Schwerpunktrichtung. Dort besser zu sein oder zu werden, das bringt erweiterte Aktionen und die Möglichkeit, vorab gebaute Wunder zu werten, was Siegpunkte oder sonstige Vorteile einbringen kann.
So bleibt Historia angenehm abstrakt, ohne sich in Details zu verlieren. Die Anleitung vermittelt das Spielgeschehen erstaunlich gut, da war ich von Giochix schon ganz anderes gewohnt. Ebenso passt die verwendete Symbolik und die Spielübersicht für jeden Spieler hilft, die Übersicht zu behalten. Insgesamt ein überzeugender Eindruck, der sich nochmals durch die sogenannten Civbots verbessert. Das sind Dummy-Spieler, die auch in Partien mit eher wenigen Mitspielern für ausreichend Konkurrenz sorgen. Denn Konkurrenz braucht es bei Historia, da Krieg und Überfall nur funktionieren können, wenn auch jemand da ist, der bekriegt und überfallen werden kann. Nur lieb und nett geht es nicht zu, aber vorzeitig aus dem Spiel kann man nicht gekegelt werden. Stattdessen bestimmt die Spielrunde selbst, wie militärisch aggresiv sie spielen will oder ob Einzelne lieber ihre Siegchancen in überlegener Technologie suchen.
So oder so, ich bin auf meine richtige Erstpartie gespannt. Eine Erstpartie, die auch schnell erklärt ist, weil das Regelwerk gradlinig ist und ohne Detailausnahmen auskommt. Somit füllt Historia gut die vorhandene Lücke der zeitlich überschaubaren Zivilisationsspiele, die aber noch ausreichend Tiefgang bieten können. Bleibt die Frage nach dem Wiederspielwert, wenn doch so einige Details zu fehlen scheinen. Diese Frage stellt sich aber für mich erst nach x Partien - wenn ich dann auch die Promo-Erweiterungen dazunehmen, die fortgeschrittenen Regeln mit vorangestellter Draft-Phase spiele oder auch mal die Ereignisse mitspielen lassen, die das Spielgeschehen zufällig variieren.