Was ist für Euch ein Spiel? (am Beispiel Schlafmütze von Amigo)

  • Hallo!


    Ich habe da mal eine Grundsatzfrage: Ab wann gilt "etwas" bei Euch als Brettspiel/Kartenspiel/Spiel im Allgemeinen?



    Der Hintergrund zur Frage ist ein in meiner Spielegruppe erschreckendes (?!?) Erlebnis, was wir am Dienstag hatten. Es kam eine Spieleneuheit von Amigo namens Schlafmütze auf den Tisch und sorgte für fragende Gesichter schon während der Erklärung, die dann in Gelächter während des "Spiels" übergingen.


    Kurz zum Spiel: Das Kartenspiel besitzt Karten von 1-20, jeweils 5x, wenn ich das noch richtig in Erinnerung haben. Die 1er liegen in der Tischmitte aus, der Rest wird gut gemischt und dann gleichmäßig an die Mitspieler verteilt. Diese bilden einen verdeckten Stapel. Im Verlauf des Spiels hat jeder auch noch einen Ablagestapel daneben.
    Ist man an der Reihe, überprüft man zunächst, ob die oberste Karte des eigenen Ablagestapel abgelegt werden kann. Sie passt in die Tischmitte auf einen Haufen, wenn ihr Zahlenwert genau um eins höher ist als die dort ausliegende Karte. Gibt es in der Tischmitte keine Ablagemöglichkeit, versucht man das reihum bei den Ablagestapeln der Mitspielern. Hier darf eine Karte abgelegt werden, die um eins höher oder niedriger als der aktuelle Wert ist. Der Vorgang wird so lang wiederholt, bis man nix vom Ablagestapel mehr los wird.
    Danach zieht man im zweiten Teil eine Karte von seinem Nachziehstapel. Auch diese versucht man unterzubringen. Gelingt dies, überprüft man wieder den Ablagestapel, ob nun was geht und zieht ansonsten eine weitere Karte von seinem Nachziehstapel. Erst wenn man die Karte vom Nachziehstapel auch nicht unterbringen kann, muss man diese auf seinen Ablagestapel legen und der nächste ist an der Reihe.
    Übersieht ein Spieler eine Ablagemöglichkeit, können ihn die Mitspieler mit Schlafmütze titulieren und ihm jeweils noch eine Karte von ihrem Nachziehstapel unterjubeln. Sieger wird der Erste, der keine Karten mehr hat.


    Im Spiel hat man keine Entscheidung (naja ok, ich kann ABSICHTLICH schummeln, um das Spiel abzukürzen und selbst zum Verlierer zu werden und ich kann nach dem Austeilen der Karten eventuell den eigenen Nachziehstapel aus mehreren auswählen...) zu fällen. Die Regeln geben klar vor, was man in welcher Reihenfolge zu tun hat. Selbst wenn zwei Spieler z.B. eine 14 ausliegen haben, muss ich mit einer 13 den im Uhrzeigersinn nächsten Spieler bedienen oder halt davor noch die Tischmitte. Ohne eine winzige Entscheidung ist das für mich eine reine Beschäftigungstherapie. Amigo scheint sich dafür scheinbar ja auch zu schämen, denn einen Autoren findet man bei diesem "Spiel" gar nicht erst.


    Schade um die niedlichen Grafiken, die dafür verheizt wurden...


    Wie seht ihr das? Was sind eure einfachen Kriterien, die ihr an ein Spiel stellt?

  • Hallo Andreas,


    war Deine Männergruppe mit dem Spiel überfordert? :D


    Kann es sein, das ihr gar nicht Zielgruppe dieses Spiel seid?


    Ich kenne den Titel nicht. Aber es scheint mir kein Strategieknüller zu sein; sondern eher ein Reaktionsspiel.
    Vergleichbar mit Sau-Bande - nur etwas für Langsame - eben für Schlafmützen. ;)


    Einfache Spiele mit wenigen Entscheidungsmöglichkeiten können sehr gut sein. Can´t stop zum Beispiel. Es gibt nur die beiden Entscheidungen zu treffen, welche Kombination man mit den Würfeln bildet und ob man weiterwürfelt. Ich würde jederzeit bei einer angebotenen Partie einsteigen. Das Verhältnis von Aufwand und Vergnügen weist hier ein sehr effizientes Ergebnis auf.
    Im Vergleich dazu ist eine Partie Trajan schon wieder grenzwertig. Die Dauer, diesen Titel für die Partie aufzubauen, steht schon wieder konträr zur Spiellust.


    Liebe Grüße
    Nils

  • Ich kenn das Spiel als Eselspiel (Ist sogar in der BGG auffindbar ;)). Allerdings gibt es da noch die Besonderheit, dass man, wenn man eine Ablagemöglichkeit nicht sieht, von jedem anderen Spieler eine Karte auf seinen Stapel bekommt. Ich wette in den Regeln steht irgendwo etwas vergleichbares. :)
    Ja. Die Entscheidungsmöglichkeiten sind da extrem begrenzt, aber trotzdem finde ich das als Spiel wegen dem Deppenkartenmechanismus.

  • Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe geht es bei dem Spiel eigentlich nur darum Fehler zu vermeiden. Und wenn das allen gelingt ist es langweilig. Spielt man es hingegen in hohem Tempo werden Fehler wahrscheinlicher und man kann sich dabei gegenseitig foppen. Ich würde zu Möglichkeit 2 tendieren und wäre dann wahrscheinlich die größte Schlafmütze unter dem Himmel. Am Ende gewinnt dann auch einer aber das ist eher Nebensache. Zur richtigen Zeit in der richtigen Runde kann das Spaß machen - muss aber nicht.


    Allerdings käme ich nie auf den Gedanken zu behaupten so etwas sei kein Spiel.

    Gruß aus dem Münsterland
    Herbert

    ______________________________

    I'm old enough to know what's wise
    and young enough not to choose it

  • Hi,


    Hört sich etwa so an wie Kakerlakensalat: Es geht darum möglichst wenig Fehler zu machen. Wieso sollte das kein Spiel sein? Wenn man das in einem entsprechenden Tempo spielt und verzögerungen auch Sanktioniert, dann ist das sicher auch spassig. Wenn man natürlich nach dem Schema "Ich bin dran. Lass mal überlegen .... diese Karte ziehe ich, passt sie in die Mitte. Nein. Dann schaue ich mal in Ruhe reihum." spielt, dann ist das gepflegte Langeweile. Mit einem Zeitlimit von 2 Sekunden, sieht das aber sicher anders aus. Ein "wer ist dran" oder die Frage "bin ich?" wird sofort Sanktioniert.


    Wieso sollte das kein Spiel sein? Ich jetzt auch nicht mein Ding, käme aber nie auf die Idee zu behaupten das es kein Spiel wäre. Letztendlich ist es nix anderes als Kingdom-Builder, nur in einem Bruchteil der Zeit.


    Atti

  • Ich war mit dabei und muss nochmal hervorheben, dass dieses keinerlei Entscheidungsmöglichkeiten bietet. Nicht nur wenig, keine! Wir haben mehrmals ungläubig die Regeln konsolidiert, weil wir uns sicher waren, etwas falsch gemacht zu haben, dies war aber nicht der Fall. Also was soll so ein "Spiel"?


    Wenn ich so recht überlege, erinnert es eher an Puzzle, da ist auch alles vorgegeben, nur die Reihenfolge der Teile ist zufällig, genau wie die Karten bei Schlafmütze. Aber bei einem Puzzle entsteht wenigstens ein schönes Bild.

  • Hi,


    Wenn man den Zeitfaktor nicht einbezieht und es nicht als Wettbewerb ansieht mag das stimmen.


    Atti

  • steht denn in den Regeln etwas von schnell spielen und Sanktionen für langsames Spiel? Wenn nicht muss ich zustimmen, dass das nicht wirklich ein Spiel ist. (Das es mit leicht anderen Regeln doch spaßig sein kann, ist für mich kein echtes Argument - bei anderen Spielen erwarte ich auch, dass alles in den Regeln steht, was nötig ist um das Spiel zu genießen. )

  • Spielen im allgemeinen ist doch erstmal Selbstzweck und wird zum Vergnügen ausgeführt. Dabei kommt es erstmal nicht auf Inhalte an, das wir diese dabei als essentiell erachten und demzufolge reininterpretieren, ist eine andere Sache. Aus dieser Sicht heraus, wäre das obige Beispiel für mich auch kein "richtiges" Spiel. Ebensowenig das von mir schon im Wochenthread genannte "The Game"...

    Bitte senden Sie mir Ihre E-Mail doppelt, ich brauche eine fürs Archiv :/

  • Wie seht ihr das? Was sind eure einfachen Kriterien, die ihr an ein Spiel stellt?

    Für mich ist es dann ein Spiel, wenn es 1. eine Form von Regel und Mechanik hat und 2. mir mit anderen Spaß bereitet.
    Zusammen mit Dir wäre Schlafmütze für mich auch kein Spiel mangels Spaß. Zusammen mit meinen Großeltern (RIP) wäre es in deren betagten Tagen vielleicht ein Spiel gewesen, an dem sich die gesamte Familie beteiligen kann. Zusammen mit meiner Tochter verlässt es wohl das Stadium Spiel und würde als "Babykram" abgetan werden.

  • Kenne das Spiel nicht, aber nach der Beschreibung erinnert es mich ein wenig an Skip-Bo. Nach der Beschreibung würde ich auch sagen, dass es sicher Leute für solche Spiele gibt. Von dieser Art "Beschäftigung", denn spielen ist es aus meiner Definition nicht, gibt es viele Spiele. Bsw. auch Skip-Bo, was sehr erfolgreich ist und beispielsweise sehr gerne von meiner Oma gespielt wird... Immer dann, wenn ich da bin... *seufz* :mmhh:

  • Ich hab das DIng in Nürnberg von Amigo erhalten und finde, das es seine Berechtgung hat. In gewissen Kreisen halt.


    Mal weniger vom hohen Ross runterschauen, sondern auch mal dran denken, das es Leute gibt, denen Carcassonne schon zu komplex ist


    Schlafmütze - Ein Amigo Kartenspiel - Tequilas Welt

    Ich will mich ja auch nicht aufspielen und sitze ganz sicher nicht auf dem "hohen Ross", aber für mich stellte sich da eben echt die Frage, in wie weit das noch ein "Spiel" und eben nicht nur "Beschäftigung" ist wie z.B. diese Geduldsdinger aus Metall, die man irgendwie auseinander und wieder zusammensetzen soll.


    @Attila und @Fluxx und Herbert: Wenn es ein Zeitlimit geben würde, wäre ich da ja glücklich. Das ist aber nicht der Fall bei Schlafmütze. Ich kann also immer ganz entspannt schauen, ob meine Karte passt.


    Gibt es denn noch andere Spiele dieser Art, also wirklich ohne Entscheidungsfreiheit? Bei Love Letter hab ich das ja z.B. begrenzt auch, wenn ich die Prinzessin auf der Hand habe und gezwungen werde, die zweite Karte dadurch immer auszuspielen. Aber zumindest muss ich da unter dem Tisch die Karten mal "umsortieren", damit es niemand der anderen merkt...
    Bei Patiencen ist es ja auch vorgeschrieben, wie man etwas auslegt, aber ich kann zumindest bei einer leeren Spalte auswählen, welche der offenen Kartenreihen ich dort ablege, um die darunterliegende Reihe zu öffnen.

  • Wenn ich die Anforderung ein wenig anders stelle (Gibt es Spiele, die bestimmte Züge einfach voraussetzen, weil ich sonst verliere - Solang mein Gegner keinen Fehler macht) würde ich zumindest Toc Tac Toe noch nennen wollen. Als Stasrtspieler MUSS ich in die Mitte gehen, um eine Siegchance zu haben, als Zweiter MUSS ich ein Eckfeld besetzen, sonst habe ich verloren. Alle anderen Züge danach haben nur eine Bedeutung, wenn der Gegner einen Fehler macht.


    Ich hab eine Spielgruppe mit zwei meiner nachbarn, die absolut Spielunafin sind. Denen kann ich mit Love Letter oder Schlafmütze kommen, da haben die Spaß mit. Bucket King 3D war noch in Ordnung, Kinf of New York schon viel uz weit draussen für die Jungs.


    Also ja, solche Spiele haben natürlich eine Berechtigung. Halt nur nicht unbedingt in einem Haushalt mit zerspielten Twilight Imperium und einem ASL-Ordner ...

    Nur noch Fischkrieger (und Blogger...)

  • Gibt es denn noch andere Spiele dieser Art, also wirklich ohne Entscheidungsfreiheit? Bei Love Letter hab ich das ja z.B. begrenzt auch, wenn ich die Prinzessin auf der Hand habe und gezwungen werde, die zweite Karte dadurch immer auszuspielen. Aber zumindest muss ich da unter dem Tisch die Karten mal "umsortieren", damit es niemand der anderen merkt...

    Wenn Loveletter für dich dazu zählt, wird Kingdom Builder für dich auch passen: Zieh eine Karte und spiele sie.


    Letztendlich passen auch viele Kinderspiele und Sportspiele dazu.


    - Tennis: Schlag den Ball auf die andere Seite in das Feld.
    - Dart: Wirf in die 3x 20 ...
    - Hüpfkästchen - Hüpf den vorgegeben Weg ...
    - Kakerlakensalat - deck eine Karte auf und sag das Gemüse


    Oder nehmen wir Memory: Ist Memory nicht letztendlich eine Art Pacience?


    Der Punkt ist: Alle hier genannten Spiele haben trotz allem eine Entscheidungsfreiheit.

    Alle anderen Züge danach haben nur eine Bedeutung, wenn der Gegner einen Fehler macht.


    Das kann so nicht stimmen, denn diese Aussage impliziert das man selber keinen Fehler machen kann. Und das ist falsch.


    Ich definiere ein Spiel für mich so: Solange ich fehler machen kann, ist es für mich auch ein Spiel.
    Und wenn man fehler machen kann, gibt es auch einen Einscheidungsspielraum. Und das ist bei allen hier genannten Spielen der Fall. Es wurde schon mehrfach geschrieben, das man bei Schlafmütze keine Entscheidungen treffen kann/muss. Das mehrfache wiederholen von falschen Aussagen macht sie nicht richtig. Natürlich trifft man auch in dem Spiel Schlafmütze Entscheidungen.


    Atti

  • ...Gibt es denn noch andere Spiele dieser Art, also wirklich ohne Entscheidungsfreiheit?


    Eine Menge Kinderspiele basieren nur auf würfeln und abzählen, z.B. das berühmte Leiterspiel. Reaktionsspiele, wie Spitz-pass-auf, Geistesblitz oder auch Looping-Loui, haben keine Entscheidungsfreiheit. Auch bei Quartett ist die Entscheidungsfreiheit nicht sehr groß.

  • Ein Spiel ist eine Folge interessanter Entscheidungen.



    Bei Looping-Louie muss ich mich entscheiden zu welchen Zeitpunkt ich mein Paddel hochschlagen möchte.
    Zu der Entscheidung kommt bei Geschicklichkeitsspielen noch hinzu, dass man diese Entscheidung auch ausführen (können) muss.
    Bspw. "ich schlage es so hoch, dass der nächste Spieler ein Huhn verliert" - mag deine Entscheidung sein, aber ich hadere immer wieder damit, das so auch auszuführen ;)
    Also entscheide ich mich ständig um und passe den Abschlagzeitpunkt meinen Beobachtungen an.


    Wobei Geschicklichkeitsspiele in der Tat da etwas speziell sind.
    Micro Games (Love Letter) haben ihren Witz doch gerade daran, dass sie sehr wenig Entscheidungsmöglichkeiten bieten aber dennoch interessant sind.
    Einige überschreiten dabei für mich die Grenze zu "trivial" leider und sind dann für mich nicht mehr interessant.


    Love Letter zieht seine Faszination daraus, dass du dich bei unbekannter Spielsituation entscheiden musst. Passt gut zur kurzen Spieldauer, würde es 1 Std. dauern würde ich wohl nie wieder spielen...

  • - Kakerlakensalat - deck eine Karte auf und sag das Gemüse

    Hast du da nich etwas unterschlagen?


    - Man hat nur 2 Sekunden für die Antwort
    - Liegt das Gemüse bereits aus, muss man eines der drei anderen im Spiel vorkommenden sagen
    - Liegt eine bestimmte Karte aus wird ein zweiter Stapel eröffnet, der obige Regel noch erschwert


    Ich möchte jetzt das Spiel nicht verteidigen (irgendwie bekomme ich Hirnknoten davon), jedoch werden hier die nicht vorhandenen Entscheidungen durch schnelles Denken und Handeln aufgewogen. Wenn ich das bei Schlafmütze richtig verstanden habe gibt es dort weder Entscheidungen, noch Druck...

  • Für mich ist etwas ein Spiel, wenn ich Entscheidungsmöglichkeiten habe. Das müssen nicht immer viele sein (Im Biergarten sind halt andere Spiele angesagt, als bei einem Spieleabend), aber gelegentlich habe ich das Gefühl, "ich werde gespielt". (Beim eingangs erwähnten Spiel würde es mir sicher so gehen). Naja, so ein Spiel hat man dann halt zweimal gespielt: Zum ersten und zum letzten Mal...

  • Hi,


    Wenn es keine Entscheidungsmöglichkeit gäbe, dann könnte man auch keinen Fehler machen. Das kann man aber in diesem Spiel. Also MUSS es Entscheidungsmöglichkeiten geben.


    Atti

  • Ich habe selten eine so lange Diskussion gesehen, bei der überwiegend von Leuten diskutiert wurde, die das Spiel überhaupt nicht kennen. Ich kam gestern in den Genuss. Schon erstaunlich, was erfahrene Spieler alles übersehen ... Wir hatten viel Spaß damit und die Graphiken sind einfach herrlich. Kein Brainburner, aber ein netter "Filler", keiner, den ich mir kaufen würde, aber sicherlich ein Spiel für die richtige Runde. Und - ja, Atti hat Recht - man kann Fehler machen ...


    Gruß vom
    Spielteufel

    :jester:


    Mein Verhalten ist vielleicht manchmal taktisch unklug, dafür aber emotional notwendig