#Churchill liegt nun schon eine ganze Weile auf dem Stapel meiner ungespielten Spiele…
… gestern aber kam es zur Premiere. Zu dritt wagten wir uns an das Trainingsszenario, wohl wissend, dass die angegebene Spielzeit von rund 60 bis 90 Minuten von uns nicht zu packen sein würde (was sich auch bewahrheitet hat). Am Ende waren wir mit Regelkunde bestimmt 3,5 Stunden unterwegs. Aber bis auf den unerfreulichen Umstand, dass 2/3 der Spieler heute Morgen früh raus mussten, hatten wir große Freude an dem Spiel.
Churchill von GMT Games ist ein Politikspiel, dass wie es der Titel schon erahnen lässt, in die 2. Weltkriegs-Schublade passt. Ungewöhnlich für ein Spiel dieser historischen Einordnung ist jedoch, dass nicht die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Alliierten und den Achsen-Mächten im Mittelpunkt stehen, sondern die politischen Auseinandersetzungen der „Großen Drei“ (Churchill, Roosevelt/ Truman und Stalin) und deren Ringen um eine Neuordnung der Welt während einer Vielzahl von Konferenzen. Je nach gewähltem Szenario spielt man 3, 5 bzw. 10 Konferenzen.
Ein Co-Sim will Churchill sicher nicht sein. Aber Konflikte, kriegerischer Art, gibt es natürlich trotzdem. Die Abwicklung ist jedoch sehr abstrakt gehalten. Es gibt mehrere Frontabschnitte (Westeuropa, Osteuropa, Mittelmeer und diverse Pazifikbereiche) an denen die Alliierten gleichzeitig agieren müssen. Hier gilt es, vorhandene Ressourcen geschickt einzusetzen, um die Frontmarker in Richtung der Achsenmächte (Deutschland bzw. Japan) zu bewegen. Erreicht ein Frontmarker das Heimatland, gibt die jeweilige Achsenmacht auf. Haben beiden Achsenmächte kapituliert, ist das Spiel vorbei und der Sieger wird anhand von Siegpunkten bestimmt. Alternativ endet das Spiel nach Abwicklung der letzten Konferenz.
Der eigentliche Mittelpunkt des Spiels sind aber die Verhandlungen (man denke an Teheran, Moskau, London, oder Potsdam). Dazu schickt jeder Spieler eine Entourage aus zufällig bestimmten 7 Mitgliedern (= Handkarten) der Regierung zu der jeweiligen Konferenz. Jeder Regierungsbeamte hat einen Stärkewert zwischen 1 und 5. Und dieser Stärkewert gibt an, wie gut eben jene Person am Verhandlungstisch ist. Die Spieler wählen zu Beginn jeder Konferenz aus einer Vielzahl von zur Verfügung stehenden Agendas (wirtschaftliche Unterstützung, militärische Unterstützung, außenpolitische Untersttzung, Eröffnen einer zweiten Front und und und) 7 Themen aus. Diese Themen werden dann während der Konferenz diskutiert, indem man eine seiner Handkarten ausspielt und die Agenda entsprechend des Stärkewertes auf einer Skala zwischen den Mächten vor und zurück bewegt. Am Ende wird bestimmt, wer die meisten Themen für sich „gewinnen“ konnte. Die Agendas wiederum haben Einfluss auf die Konflikte in Europa und Asien, gilt es doch die Achsenmächte gemeinsam in die Knie zu zwingen und gleichzeitig seine eigene Position in der Welt nachhaltig zu sichern. Wie können die Auswirkungen aussehen? Der Amerikaner kann erzwungenermaßen genötigt sein, an Fronten auszuhelfen, wo sie es eigentlich gar nicht wollen. Alliierte können Produktionsmarker an andere Möchte abgeben. Die Mächte können Einfluss in Ländern Europas oder in Kolonien im Pazifik geltend machen. An der A-Bombe kann geforscht werden. Und und und.
Erstes Fazit:
Wir fanden Churchill sehr kurzweilig und die Fokussierung auf die Konferenzphase und anschließender Umsetzung der Ergebnisse auf die Fronten sehr originell und spannend. Einschränkend muss ich jedoch sagen, dass die Möglichkeiten und Verkettungen von Entscheidungen und Auswirkungen mehr oder weniger erst im letzten Drittel des Spiels deutlich wurden. Aber dafür flutschte die letzte Konferenz dann auch schon deutlich geschmeidiger als beispielsweise die erste. Das Abwegen, wann man gemeinsam an einem Strang ziehen sollte und wann man an sich denken sollte, fiel uns noch schwer. Das kann allerdings auch an dem Trainingsszenario gelegen haben. Die meisten Entscheidungen sind (im Herbst 1944) eben bereits gefallen, so dass dieses Abwegen in den Hintergrund gerückt ist. Da die Siegpunkte erst am Ende des Spiels festgestellt werden, tappt man bis dahin (insbesondere als Neuling) sehr im Dunkeln, wer denn gerade führt. Und da es am Ende doch für eine ganze Menge an Sachen Siegpunkte gibt, „droht“ die eine oder andere Überraschung. Ob uns das so gefällt, wissen wir noch nicht. Vielleicht probieren wir mal die optionale Variante, wo die Siegpunkte direkt festgehalten werden.
Unser dreistimmiges einhelliges Urteil: Churchill soll wieder auf den Tisch. Dann aber im Campaign-Szenario mit voller Entwicklungsfreiheit. Und dafür wählen wir einen Freitag, denn das wird garantiert ein langes Vergnügen werden.
Wie sind eure Erfahrungen mit "Churchill"? Es ist ja hier im Forum vergleichsweise ruhig um dieses Spiel - mal abgesehen von dem Thread Churchill VS Twilight Struggle.