Beiträge von Countrysidepop

    Ich kann die guten Bewertungen auf BGG null nachvollziehen und vermute dahinter hart gesagt blindes Fanboytum.

    Deine schlechte Bewertung für Trismegistus klingt danach als sei sie durch Deine Aufzählung faktisch belegbar und gibt sich damit den Anschein des Objektiven. Das ist sie aber nicht. Deine Vernichtung und persönliche Auslöschung des Spiels ist nur das Gegenteil von dem, was Du etwas waghalsig "blindes Fanboytum" nennst. Nennen wir das Gegenteil Deines Fanboytums an dieser Stelle freundschaftlich-spielerisch und mit einem Augenzwinkern den "notorischen Kritiker". Im schlimmsten Fall eines Forensikers sind beide Spielarten innerhalb der Idee von Polarität nur zwei Kehrseiten der gleichen Medaille.


    Ich könnte an dieser Stelle explizit darstellen und inhaltlich begründen, WARUM ich das Spiel ganz großartig finde und ihm großzügig seine art-directorischen Fehltritte verzeihe, denn dafür kann die Spielidee selbst nichts. Auch die "Unvollkommenheit" des Spiels macht mir nichts aus. Why? Antwort: Weil das Spiel mein HERZ berührt. Ist das tatsächlich möglich? Ja, denn faszinierte Herzen gehen eigene Wege und lassen sich nicht abhalten. Mögen alle auf dieser Welt Trismegistus Scheiße finden, ich brauche nur zwei Spieler in meinem spielenden Umkreis, die es gut finden. Dann kümmert mich auch keine Skalierung, weil die Hexenküche dann nur uns Dreien gehört. Alchemie ist eine geheime, verborgene Kunst, der Zutritt bleibt vielen verwehrt. Und dies macht Trismegistus ganz hervorragend, denn es ist selbst das alchemistische Paradoxon, das es abzubilden versucht. Das ist mit dem Verstand nicht erfassbar, weil der Verstand dazu neigt, für alles gute Gründe zu finden. Wie gesagt: Trismegistus sucht sich seine Freunde selbst aus. Auch wenn das Spiel die Ratio fordert, so ist es im Kern eine fantastische Frechheit.


    Herzensangelegenheiten lassen sich übrigens in den meisten Fällen nicht begründen: Manche Frauen haben faktisch nachweisbar Hakennasen, Segelohren, dünne Haare, hängende Brüste und fette Pferdeärsche und ich finde sie trotzdem geil. Wenn das Fanboytum ist, dann bin ich gerne Fanboy und überlasse die Perfektion dem Kritiker.

    Die DFL würde die Überprüfung durch VAR sehr gerne stark beschleunigen indem das „Review“ am Spielfeldrand gestrichen wird, und eben der Video- Schiedsrichter entscheidet. Dann gäbe es überhaupt keine Zeit für Werbung. Gegen diese Regelung gibt es starken Widerstand im Schiedsrichterwesen und teilweise beim DFB. Eine Macht- und letztlich sportphilosophische Frage.

    Geduld. Kommt Zeit, kommt Werbeeinspielung. Das muss zunächst kein Clip sein. Wir reden hier zunächst von Ticker, eingesuperten Zeilen, Logos etc. Das ist keine sportphilosophische Frage, sondern eine Frage, wo und wie die Kuh noch weiter gemolken werden kann.

    Der VAR ist nur ein Zwischenschritt. Und er ist vor allem nicht dafür gemacht, den Fußball "gerechter" zu machen. "Gerechtigkeit" war noch nie das Ziel rechter, neoliberaler Ökonomie. "Endziel" ist es, VAR für Werbeeinspielungen zu nutzen, denen der dumme Konsument nicht mehr ausweichen kann. Das werden mediamäßig sehr teure Werbeplätze. Die Umsetzung dieser Geldquelle geschieht nur darum zeitverzögert, weil über die Einführung in kleinen Häppchen das Volk den Dreck besser frisst. Große Scheiße auf dem Teller mag keiner, aber mit dem Teelöffel serviert, ist es nur noch halb so schlimm. Ich kenne viele "Befürworter" von VAR, die das "gerechter" finden. Argumentation geschluckt und internalisiert. Das gleiche Prinzip der Einführung/Abschaffung in Happen findet sich z.B. bei der schrittweisen Abschaffung von Demokratie und Volkseigentum, z.B. weg von sozialer Marktwirtschaft hin zum Wirtschaftslobbyismus der Eliten.

    Daniele Tascini hat mit MARCO POLO, KONZIL DER VIER, T’ZOLKIN und TEOTIHUACAN alleine und in Kooperation mit anderen Autoren aus der Italo-Szene mehrere ausgesprochene persönliche Lieblingsspiele von mir und von allgemeiner Anerkennung geschaffen. Das macht ihn zu einem Lieblingsautor der Zeit. Mit viel Vorfreude blickten Fanboys wie ich daher auf den nächsten Zungenbrecher: TRISMEGISTUS reicht sprechverhaspelmäßig T’ZOLKIN und TEOTIHUACAN problemlos das Wasser.


    Angesiedelt in einer schön häßlichen Alchemistenküche aus tiefstem Mittelalter brodelt man sich in Phiolen den Stein der Weisen – die rudimentäre, hölzerne Brett-Art-Gestaltung passt wie der Faust zu Mephisto. Tascini-üblich hirnvertrackt verzahnt sich die Spielstruktur von TRISMEGISTUS nicht nur aussprachlich, sondern auch inhaltlich im Kopf zu einem kleinen Knoten. Einmal mehr werden Aktionswürfel mit leicht verwechselbaren Symbolen genommen und damit diverse Dinge getan, die hier den alchemistischen Prozess ankurbeln sollen: man muss sich z.B. Kupfer, Zinn und Eisen beschaffen, das Zeug zu besserem Material verabreiten, es transmutieren - wofür man wiederum Elemente wie Schwefel und Äther braucht, die man sich natürlich auch mühsam beschaffen muss. Desweiteren will man Experimente für Siegpunkte durchführen, sich Formeln erschließen und allerhand dienliche Dinge triggern und erleidet dennoch Mangel. Vor allem aber eben die bereits erwähnte Denkverstopfung. Das Übliche ist auch hier das Neue.


    TRISMEGISTUS ist ein tolles Spiel, aber es macht dem ungeübten Tascini-Spieler den Einstieg nicht gerade leicht. Eloquenz hat andere Brettspielnamen. Kein Wunder: Alchemie ist komplexe Chemie, die sich qualvoll in neue Stoffe transformiert. Einige Dinge in TRISMEGISTUS laufen mit Absicht gegenläufig. Ein roter Würfel bringt z.B. Blei ins Labor auf dem schwarzen Transmutationspfad, aber für eine schwarze Transmutation von Blei braucht man eben einen schwarzen Würfel. Und zum Transmutationsprozess brauche ich auch gerade noch unbedingt Äther, weil ich auf der Meisterleiste des Elements Luft nach oben will, ich habe aber nur Kack-Schwefel in meinem persönlichen Vorrat. So geht es dann die ganze Zeit. Und das nervt Spielertypen, die keine Zauberlehrlinge sein und nicht lange fackeln wollen.


    TRISMEGISTUS ist ein eckiges, denkkantiges, thematisch aber durchaus stimmiges Gebilde, welches sich seine Freunde selbst aussucht. Wer will, der findet Fehler: die Regel lässt Fragen offen, die Farben auf den Spielermaterialien sind nicht kongruent, eine Spielerhilfe hätte im Konglomerat aus Machtaktionen, freien Aktionen und Reaktionen durchaus geholfen. Jenseits davon erfüllt TRISMEGISTUS jedoch alle Erwartungen an einen echten Tascini, an ein Expertenspiel und ein knorriges Charakterspiel wie z.B. PANAMAX ohne diese zeitgeistige Hochglanzmanie. Der Stein des Weisen im Schaffenswerk des Lieblingsautors ist TRISMEGISTUS am Ende nicht, aber den Stein des Weisen haben auch die Alchemisten bis heute nicht gefunden. Insofern passt auch das. Mein Platz im Kabuff von TRISMEGISTUS bleibt besetzt, Mitalchemisten sind Willkommen.

    München ist traditionell SPD-Hochburg.

    Der FC Bayern hat mit dem Beginn seiner wirtschaftsmonopolistischen Ära in der BL immer die Nähe zur CSU gesucht und umgekehrt. Die SPD ist spätesten seit Schröder nur noch das billige Abziehbild einer "besseren" CDU, das traditionelle Arbeiterschaft verkauft und einen Teil der Gesellschaft bewusst mit Hartz IV abgeschrieben und einem liberalen Markt geopfert hat. Dafür verschwindet sie nun von der politischen Bildfläche. Insofern wäre selbst auf der Symbolebene die SPD für den FCB kein Verbesserungsmerkmal.

    Aber durch solche „Kleinigkeiten“ die ich für absolut vermeidbar halte, wird einem (also zumindest mir) die Spiellaune ein Stück weit vermiest, sehr sehr schade.

    Auf BGG gibt es eine Deutsche Spielerhilfe. Sie ist übersichtlich auch nicht ideal, hilft Dir aber zunächst weiter.

    Eine Schokoladenfabrik als Brettspielthema klingt natürlich sofort schmackhaft. Das englische CHOCOLATE FACTORY bedient sich dieses thematischen Leckerbissens und verhandelt auch ganz konkret und spieltechnisch den Betrieb einer Schokoladenfabrik im wahrsten Sinne: auf einem Fließband in seiner kleinen Fabrik produziert man in einer qualitativ aufsteigenden Warenkette beginnend mit einer Kakaobohne diverse Schoko-Produkte, an deren Ende eine Pralinenschachtel steht.


    Dabei wird Fließband tatsächlich zu einer ganz konkreten, physischen Angelegenheit, die man als Conveyer Tiles durch seine süße Playerboardfabrik schiebt und dadurch industrielle Food-Production haptisch wird. Die hergestellten Produkte werden an Cornershops geliefert - entweder in der eigenen Auslage oder an für alle zugängliche Kaufhäuser, um Kohle zu verdienen und am Ende der Zuckerbäckerkarriere der erfolgreichste Chocolatier zu werden. Allerdings braucht man dafür den passenden Angestellten, der einem Zugang zum gewünschten Department Store verschafft. Dazu gibt es in den Kaufhäusern noch ein interessantes Mehrheitengerangel, das sich durchaus auch böse gestalten kann, weil man ebenfalls liefernde Mitspieler vor allem gegen Ende der Partie aus den Punkterängen drücken kann.


    CHOCOLATE FACTORY sieht süß aus mit seinen formidablen Sweets aus Wood und ist doch ruppiger als es zunächst den unschuldigen Anschein hat. Die Umtauschaktionen in der eigenen Fabrik erfordern Konzentration und Koordination, bei der man durchaus auch in eine AP mit Fehlerkette abrutschen kann. CHOCOLATE FACTORY hat auch ohne Innovation alle köstlichen Zutaten für ein gutes, gängiges Eurogame und überzeugt durch einen stimmigen Mix aus Thema und Getriebe. Trotz mechanischen Machens schmeckt das Spiel tatsächlich nach Schokolade und schlägt in dieser Hinsicht das themenmäßig vergleichbare CUPCAKE EMPIRE.


    CHOCOLATE FACTORY bleibt dennoch ein kleines, feines Liebhaberspiel, das sich erproben muss. Möglicherweise führt die klassische Startspielerweitergabe im Uhrzeigersinn zu kleinen Zwängen, die durch einen positiven Gesamteindruck versüßt werden.

    Ich sehe das nicht so. Ich mag Mombasa und finde Great Western Trail super! Blackout ist nicht so mein Fall. Maracaibo heute zum ersten Mal fand ich richtig gut.

    Von den drei großen Pfister-Spielen enthält MARACAIBO auch die wenigsten Elemente aus BLACKOUT. MARACAIBO hat viel von GWT und einiges von MOMBASA. Mir ging es bei meiner atmosphärischen Skizze mehr darum ein Grundgefühl zu malen, das MARACAIBO auslöst, wenn man die drei anderen Spiele kennt. Überhaupt sind meine Texte oftmals mehr Gemälde einer Ausstellung und keine konkrete chemische Aufschlüsselung.

    Frankfurt - das ist der ganz spezielle Tiegel, den die sehr klischierte, aber im Kern treffende Netflix Serie Skyline zu erfassen versuchte und den man vermutlich so in Deutschland in Teilen nur noch in Berliner Bezirken findet. Kovac hat doch überhaupt nicht in das schicke, überkandidelte, keimbefreite München gepasst. Bayern, das ist erzkonservative, tradierte, arrogante Lederhosen-CSU. Kovac und Frankfurt dagegen waren wie für einander geschaffen und fanden sich in einer wundersamen Synergie wieder: in das spezielle Biotop aus Bankengeld, Drogen, hohem Migrationsanteil, dem typisch Frankfurt Bonames-Ghetto-haften, der gedrungenen City, dem Frankfurter Widerspruch zwischen Hochhaus-Wohlstand und sozialem Brennpunkt , dem latent "jugoslawischen" Spielstil aus Kampf, Härte, Agressivität, Fan-Wucht und latenter Kriminalität passten die Kovac-Bros wie die Faust aufs Auge. Es ist wie Daniel bereits treffend bemerkte eine poetische Ironie des Schicksals, das es ausgerechnet die Eintracht war, die Kovac an seinen Wechselfehler zu den Saubermännern und Großkopfeten erinnerte.

    MetalPirate : 'Einfluss geltend machen' trifft es leider nicht. Man kämpft ja an der Seite einer Nation, kann so die Machtverhältnisse beeinflussen und erhält (als Dank) Einfluss bei der Nation. Es ist schon 'Kämpfen', aber eben in einer großen Schlacht auf der Seite einer Nation, und diese Schlacht wird eben nicht dargestellt.

    Vielleicht sollte man über das Kämpfen gar nicht reden, erst wenn man die Regeln detailliert erklärt. Sonst gibt's nur Missverständnisse

    Das Wort "Kampf" ist vermutlich dem "Abenteuer-Thema" geschuldet. Vielleicht ist "Bündnis" hier ein Begriff, der sich besser eignet.

    Bis zur Spiel 19 war Crystal Palace wohl nur Fußballfans unter den Brettspielern ein Begriff. Der Crystal Palace FC ist ein im damaligen, gleichnamigen Kristallpalast gegründeter Fußballclub aus dem Süden Londons. Der im viktorianischen Baustil errichtete Kristallpalast im Hyde Park war 1851 Ort der Weltausstellung und fiel 1936 nach einem Feuerbrand dem Tod zum Opfer.


    Besagte Weltausstellung ist auch Thema dieses fulminanten Eurogames in höheren Hirnwindungen. Das Thema Weltausstellung fand bereits in BRUXELLES 1893 und WELTAUSSTELLUNG 1893 seine bildungsbürgerliche Verwendung und eignet sich natürlich hervorragend, um neue Denkwelten zu eröffnen und geil illustrierte, phantasievolle Artefakte zu kreieren. Um diese Welt dreht sich auch CRYSTAL PALACE, wo man sich als Nation auf die bevorstehende „Great Exhibition of the Works of Industry of All Nations" vorbereitet.


    Dazu liegen jede Menge Boards auf dem Tisch, die man mit seinen Würfelworkern besuchen kann. Und auch das Platzgerangel und der Geldmangel sind formal ein alter Zylinder. Dennoch sticht CRYSTAL PALACE aus dem Genre schon nach der ersten Partie verhaltensauffällig wie anspruchsvoll hervor. Das beginnt beim Planen der kostenpflichtigen Würfel zum Augenpreis und endet auf dem mühevollen Kletterast der Werbetrommelleiste. In CP wimmelt es von Optionen. Doch all die Optionen, Optionen, Optionen vermitteln in keiner Phase das Gefühl von Beliebigkeit und sind fein aufeinander abgestimmt und gekonnt komplex verzahnt. Gleichzeitig ist das Spiel schnell verständlich und gut erklärbärbar und bietet dem Experten von Beginn an so viele Baustellen mit Stellschrauben wie sich Spielbretter auf dem Tisch tummeln.


    Carsten Laubers Weltausstellung eröffnet einen potenziellen Kosmos an Möglichkeiten inklusive Angst vor lähmenden Grüblern. Es gibt zu viel zu tun und genug zu optimieren ohne auf einen grünen Zweig zu kommen. Und dies in vielen unterschiedlichen Bereichen. So betrachtet findet sich dann auch das Thema Ausstellung inhaltlich in diesem großen Mechanik-Zahnrad wieder, welches übrigens auch visuell exquisit und ikonographisch vorbildlich daherkommt: CP ist selbst eine Ausstellung auf dem Spieltisch. Man möchte so gerne all die schönen Plätze besuchen und dies als Erster und Einziger. Jedes Board ein gefühltes Minigame. Wenn das so weiter geht, könnte CP länger als ein Spielejahr Anerkennung und Besucher finden.

    Im vollen Mechanismen-Zutatengemisch von MARACAIBO von Alexander Pfister finden sich drei Spiele: MOMBASA, GREAT WESTERN TRAIL und BLACKOUT HONGKONG von Alexander Pfister. Mit diesen Zitaten seiner eigenen drei Hochprozentigen ist die Spiel 19-Neuheit MARACAIBO bereits gut skizziert. Wer mit einem der drei Spiele ein Problem hat, der hat auf jeden Fall auch eines mit MARACAIBO.


    Als Selbstreferenz und Zitatsammlung aus den drei Brocken ist MARACAIBO logischerweise der schwerste. MARACAIBO muss viel tragen: z.B. die Leisten aus MOMBASA, den Trail aus GWT und die Entdeckungsplättchen aus BLACKOUT, hier als Quests unterwegs. Dazu kommen noch die inzwischen typischen multifunktionalen Pfister-Karten und ein multioptionales Freischaltboard. Grundschulkenntnisse der drei genannten Werke aus dem Portfolio des Euro-Tüftlers erleichtern den Einstieg in MARACAIBO, das langsam und schleppend beginnt und irgendwann anfängt überbordend zu flirren. Je größer die eigene Kartenauslage, desto unübersichtlicher das Handling.


    MARACAIBO ist viel, hat viel und will alles gleichzeitig. Über den Kampagnen-Modus sprechen wir hier erst gar nicht. In der letzten Runde fährt das Piratenschiff schwer bepackt durch die Karibik. Man kann aber ordentlich Wind in die Segel geben und das Runden- und Spielende forcieren, wenn man will. Überhaupt ist es schön mal wieder als Pirat unterwegs zu sehen. Die cortezhafte Entdeckerleiste schlägt als weitere Bonus-Leiste eine Schneise in den Dschungel der Vielzahl.


    Man könnte Pfister vorhalten, dass MARACAIBO nicht Neues bietet, weil es sich eben ausschließlich aus der eigenen Küche speist. MARACAIBO ist Kumulation und schön überfütterter Endpunkt im Eurogamekunstschaffen von Alexander Pfister und Wahnwitz des Erfinders. Beim Blick in die Zukunft darf man sich fragen: Was nun, Herr Pfister? Noch so eine Hybrid-Box aus MOMBASA, GWT, BLACKOUT und MARACAIBO und der Euro-Experte sinkt mit seiner Pfister-Spielesammlung auf den Grund des Marianengrabens.

    Die reflexartige, automatisierte Betrachtungskette aus "nicht neu/kenne ich/brauch ich nicht" ist nicht meine Welt. Das liegt daran, dass ich persönlich die Dinge grundsätzlich mehr kontextualisiert als zielorientiert betrachte. So übersieht die knochenartige Beurteilung im Falle von YA die Tatsache, dass das Spiel einen autobiographischen und damit sehr lebendigen Hintergrund hat. Der Mann stammt selbst aus Whitehorse und der Vater des Erfinders war Besitzer von Yukon Airways. Das Spiel ist demnach eine Abbildungsskizze von Kindheit und gleichzeitige ihre Hommage, was den programmatischen Faktensammler jedoch null interessiert. So der Autor im Vorwort: "Ich widme das Spiel meinem Vater, der mir gezeigt hat, wie man schwebt". Wer da keine Gänsehaut bekommt, ist tot und kriecht bereits auf dem Boden. In meiner These macht die Seele eines Spiels eben diesen feinen, nicht beweisbaren Unterschied aus. Gut zu sehen beispielsweise bei K2 oder auch FLÜGELSCHLAG. "Kritiker", die nur auf Mechanismen glotzen, werden an diesem Teil der Welt und an YA weniger Freude haben.

    Ich habe auch lange rumgemacht bis ich den Dreh raushatte.


    Meine Technik:


    Das Playerboard zunächst auf eine sehr feste Unterlage legen, z.B. ein Fensterbrett. Kein Holz verwenden, das hinterlässt Druckstellen. Öse von hinten in das Loch einstecken. Danach zunächst den Zeiger vorsichtig auf den Rand der Öse drücken. Die Ösen sind unterschiedlich gestanzt, daher ruhig aus der Masse eine geeignete aussuchen, auf die der Zeiger dann auch passt. Dann von oben vorsichtig den Stift aufdrücken. Ich habe die Pappscheiben verwendet und hatte damit keine Probleme. Alle Zeiger sitzen nun fest und lassen sich gut bewegen.

    Ich hatte diesmal Ohrenstöpsel dabei, der aus den Menschenmassen einen stillen, schleppenden See machte. So ohne Ton und als buddhistischer Mönch bekommt der Anblick in den Messehallen etwas von einer Theaterkulisse.


    Ich mag den neuen Eingang Ost und die Garderobe dort. Ich mag das Bunte, Schrille, Jahrmarkt- und Kirmeshafte und warte jedes Jahr darauf, dass mir Pinocchio mit Eselsohren über den Weg läuft. Essen ist eine riesengroße Zirkusveranstaltung, eine wunderbare Illusion.


    Ich mag es Spiele frisch mitzunehmen wie frisch gebackene Brötchen vom Bäcker, obwohl überteuert bis zur Unverschämtheit. Dafür brauche ich vieles nicht, was sich andere Menschen halt so alles an Irrelevanzen kaufen. Daher lasse ich mir den unvernünftig-lockeren Geldbeutel als Passion einmal im Jahr gefallen und kreiere mir Essen als selbst gemachtes, vorgezogenes Weihnachtserlebnis. Meine lieben Neuheiten werde ich zunächst nur in gemäßigten Runden spielen, damit sie nicht gleich kritisch in die Expertisen-Tonne getreten werden, da sonst die Gefahr besteht, dass mir der Weihnachtsspaß schnell abhanden kommt und in eine vorgezogene Januardepression im November mündet.


    Ich bin froh in den Presseraum flüchten zu können. Dort gibt es saubere Toiletten und nur das leise Tippen auf Tastaturen. Frisch gestärkt mit etwas Ruhe und überzuckertem Apfelsaft und typischem billigem Konferenz-Kaffee geht es dann wieder hinaus auf den schwarz-grauen Fliesenboden. Ich mag es, wie der Boden glänzt. In der Neuheiten-Schau kann ich mir alles in Ruhe ansehen ohne von schwarz gekleideten Rucksack-Zwergen mit Ziegenbärten angerempelt zu werden.


    Ob ich im nächsten Jahr wieder nach Essen fahre, weiß ich heute noch nicht. Vielleicht werde ich doch noch ein vernünftiger Kaufmann und spare ein paar geile Euros, indem ich darauf warte, bis es die Spiele "günstiger gibt". Von dem gesparten Geld kaufe ich mir dann etwas Vernünftigeres als Brettspiele. z.B. Lebensmittel vom Bio-Bauern.

    Auf der Berlin-Con wurde ich Zeuge, dass eine 4er-Partie fast fünf Stunden dauerte. Ich kann daher aus zweiter Hand bestätigen: Kein Spiel, das man mit Grüblern spielen sollte ...

    Mir gefällt in diesem Zusammenhang vor allem das Wort "Zeuge".

    Wenn selbstverständlicher Kundenservice zum erwähnenswerten Extra wird, dann ist schon etwas faul.

    Schwerkraft ist ein reiner Kaufmannsverlag. Spiele sind hier nur das Mittel zum Zweck. Es geht um Asche.


    Das diametrale Gegenteil ist zum Beispiel Feuerland. Die wirken sympathisch. Warum? Weil das verkaufte Produkt immer noch Leidenschaft ist. Das zeigt sich dann im Umgang und im Service.


    Schwerkraft strahlt auf mich eine innere Haltung von Geiz, Pfennigfuchserei und Hybris aus. Das wird sich vermutlich erst ändern, wenn der Erfolg ausbleibt und eine Zwangskatharsis einsetzt.

    Keine Spielregel, keine "Meinung anderer", keine Rezension, keine Referenz ersetzt am Ende selber spielen. Die Bezugnahme auf bereits "Gespieltes" und der oftmals daraus resultierende Reflex im Vorfeld "das ist ja wie das und das kenne ich langweilig gähn" ist tückisch und alle scheinbar rational-logischen Argumente verschleiern den darin enthaltenden Tod, weil im Reflex die Tendenz liegt, die Erfahrung der Vergangenheit auf die Gegenwart zu übertragen und das "Spielgefühl" durch diese "Erfahrung" zu ersetzen. Das Phänomen nennt sich dann oft "Fachmann". Kinder machen das übrigens nicht. Sie gehen an jedes neue Spiel neu dran.