Nachdem ich die Abende (bzw. Nächte ) am Wochenende mit Frostpunk (Solospiel) verbrach habe, sortiere ich mal meine Eindrücke.
Übersetzung & Anleitung:
Ich hatte mich schon geärgert, als ich gemerkt hattee, dass ich doch nicht die englische Version bestellt hatte. Die Übersetzung der Texte ist aber gelungen. Leider haben sich ein paar Fehler eingeschlichen (bspw. M027 "Es gibt Problem, um die wir uns kümmern müsst.").
Richtig genervt bin ich, dass "Sawmill" auf den Gebäudeplättchen wörtlich übersetzt wurde - Sägemühle.
Dass vieles in der Anleitung und auf Karten als Frage formuliert ist, macht die Sache für mich eher verwirrender statt einfacher. Aber die Anleitung ist gut; die Details, die offen bleiben, konnte ich mir erschließen. Die Symbole habe ich ja vorab schon gelobt, wie erwartet sind die im Spiel sehr hilfreich.
Material Grundbox und Erweiterung:
Ich mag das Material und Design, auf den ersten Blick ist alles sehr wertig. Ich muss allerdings sagen dass einige Tableaus sich deutlich wölben und vom Tisch abstehen.
Die Holzmarker aus der Erweiterung sind etwas enttäuschend. Der weiße Aufdruck sieht unsauber aus und ist beim Hungermarker beschädigt, dazu hat die Zentrierung nicht überall geklappt. Die Hoffnungs-/Unzufriedenheitsmarker sind sehr groß und dadurch unhandlicher als sie sein müssten. Dass der Friedhofsmarker nicht ebenfalls als Holzscheibe beiliegt, ist unverständlich (und wieso ist der Marker viel größer als seine Felder?). Die Karten weichen in der Sättigung leicht ab, sodass man die Erweiterungskarten oft schon an der Rückseite erkennen kann.
Kurz gesagt: Ich finde das Matrial der Grundbox sehr ansprechend. Durch die Holzsteine der Eweiterung wird das Spiel insgesamt aufgewertet, allerdings bleibt da die Qualität deutlich hinter dem zurück, was ich erwartet hätte.
Der Inhalt der Erweiterung:
Ich mag die enthaltenen Technologien und Gesetze, die neue taktische Möglichkeiten eröffnen und für Abwechslung sorgen. Die neuen Gruppenkarten, die das Spiel noch schwerer machen, werde ich aber wahrscheinlich nie verwenden.
Aufbau und Inlay: Der Aufbau dauert mit etwas Übung rund 25 Minuten und das Inlay hilft dabei kein Stück.
Das Spiel:
Auf meinem großen Tisch hat alles Platz, aber es dauert, bis man über alle Decks und Auslagen den Überblick hat. Es hängt gefühlt alles mit allem zusammen. Trotzdem sind Ablauf und die Aktionsmöglickeiten schnell verinnerlicht. Schon nach den ersten Stunden musste ich höchstens mal bei den Gebäudeeffekten was nachschlagen und spiele ausschließlich mit der kleinen Übersichtskarte für die Phasen.
Ich habe drei Spiele bis zum bitteren Ende gespielt (einmal ca. Runde 7, einmal Runde 10, einmal Runde 4) und mehrere Spiele angefangen (und nach wenigen Runden abgebrochen). Einmal habe ich verloren wegen zu wenig Hoffnung, einmal wegen zu viel Unzufriedenheit, einmal ist der Generator explodiert.
Schon die Frage, welche Bürgerkarte ich am Anfang des Spiels abwerfe, ist knifflig. Hier wird eine gute Kenntnis des Spiel vorausgesetzt, wenn man seine Startsituation möglichst gut nutzen will.
Auch wenn es acht andere Phasen gibt, die Aktionsphase ist das eigentlich Herzstück des Spiels. Hier will man tausend Dinge tun, muss sich aber auf 8 Aktionen beschränken (in vielen Runden waren es bei mir sogar weniger, weil durch Karteneffekte ständig ein Bürger erschöpft war).
Ich mache es inzwischen so, dass ich die Aktionsphase erst komplett plane, indem ich die Bürger auf die Aktionsfelder lege und sie dann nach und nach aufstelle und die entsprechenden Züge ausführe. Ressourcen, die ich ausgebe, lege ich auf den Ablagestapel der Wetterkarten und räume sie erst am Ende der Phase weg - so kann ich einen Zug immer nochmal zurücksetzen (oder wenn es sein muss die komplette Aktionsphase), wenn ich mich verrechnet habe.
Zu den Karten: Die Texte transportieren viel Atmosphäre. Die Mechanik, dass sich die Konsequenzen der Morgenkarten erst später auswirken, bringt Spannung ins Spiel. Der Nachteil dabei ist, dass Runde um Runde vergehen kann, ohne dass die entsprechende Karte gezogen wird. Das hat mir in einem Spiel das Genick gebrochen, weil Ressourcen so lange blockiert waren, bis die entsprechende Karte sie wieder verfügbar gemacht hätte. Manche Optionen auf den Karten sind an Bedingungen geknüpft. Dadurch hat man tlw. keine echte Auswahl, das würde ich mir anders wünschen (bspw. hatte ich erst 1 Mal die Voraussetzung aktive Gerechtigkeit erfüllt und dann kam in dem Spiel gar keine Karte, wo ich sie gebraucht hätte). Die Konsequenzkarten durch die Gesetze sorgen für zusätzliche Abwechslung, machen den Dämmerungsstapel allerdings auch noch weniger berechenbar.
Leicht passiert es, dass man seine Ressourcen für die nächste Runde schon genau kalkuliert hat, durch eine gezogene Karte die Planungen aber wieder zunichte gemacht werden, weil plötzlich andere Baustellen wichtiger sind. Das macht einerseits den Reiz des Spiels aus, kann aber frustrierend sein. Vor allem, weil das Spiel den Schneeballeffekt fest eingebaut hat. Wenn man schon viel Unzufriedenheit hat, macht es das Spiel noch schwerer, wieder in den grünen Bereich zu kommen. Hat man aber viel Hoffnung, dann teilt das Spiel Vorteile aus.
Es gibt keine Aufholmechanismen. Eine einzelne Karte im entscheidenden Moment kann einen guten Bonus bringen, oder jede Hoffnung auf einen Sieg zerstören. (Es kann sein, dass das in der zweiten Spielhälfte weniger ins Gewicht fällt, wenn man sich bereits eine funktionierende Wirtschaft aufbauen konnte - gelungen ist mir das bisher nicht.)
Mein Zwischenfazit
Frostpunk bringt die Atmosphäre und Mechaniken des Computerspiels sehr gut rüber. Auch die Verzahnung und Komplexität gefällt mir sehr gut.
Dazu ist es schwer, richtig schwer! Eine falsche Entscheidung und man ist tot - nur merkt man es unter Umständen noch nicht sofort. Ich halte es für extrem unwahrscheinlich, dass man die erste(n) Partie(n) gewinnen kann. Da muss es schon sehr, sehr gut laufen (oder man macht Spielfehler zu seinen Gunsten). Wie gesagt, der Schneeballeffekt ist da, auch im Positiven. Von daher mag ich es nicht völlig ausschließen. Aber das Spiel verzeiht keinen Fehler. Das erste Szenario halte ich aus dem Grund für denkbar ungeeignet, um Neulinge in das Spiel einzuführen.
Schade, dass es kein Einführungsspiel gibt, das noch nicht verlangt, sämtliche taktischen Möglichkeiten durchdrungen zu haben und Aktionen, Gesetze, Bürgerkarten und Technologien mit maximaler Effizienz auszuspielen. Wenigstens eine Gruppenkarte für ein leichteres Spiel hätte beigelegt werden können. Die steile Lernkurve sehe ich bei der langen Spieldauer als starken Negativpunkt.
Frostpunk ist ein gutes, vielleicht sogar ein sehr gutes Spiel. Eine Befürchtung habe ich allerdings, nach dem was ich bisher gesehen habe: Entscheidet am Ende womöglich der Zufallsfaktor viel mehr über Sieg und Niederlage als das taktische Geschick der Spieler? Ich hoffe sehr, dass es anders ist.
Wir werden es auf jeden Fall auch noch in der Gruppe ausprobieren. Da Robinson Crusoe immer gut ankam, bin ich sicher, dass auch Frostpunk zünden wird, obwohl außer mir keiner das PC Spiel kennt. Der Zeitbedarf macht es aber - leider - eher zu einem Solospiel.
Ben2: Für die englische Ausgabe gibt es ein Paket, um eigene Szenarios zu basteln. Macht ihr eure Grafikelemente ebenfalls öffentlich zugänglich?