An Infamous Traffic

  • Hi,


    Nach langer Wartezeit war es heute endlich so weit: "An Infamous Traffic" von Cole Wehrle bei "Holland Spiele" wurde in 3er Besetzung 5 bis 6 mal gespielt.
    Darauf aufmerksam wurde ich über den sehr empfehlenswerten "Heavy Cardboard" Podcast von Edward und Amanda Uhler - dort war nämlich An Infamous Traffic für den Heavy Cardboard "Golden Elephant Award" nominiert - eine kleine Trophäe für sehr anspruchsvolle Spiele außerhalb des Mainstreams, für die Industrie wahrscheinlich ziemlich unbedeutend, für den interessierten Geek von komplexen Spielen aber mMn sowas wie Sundance und Cannes zusammen ;)


    Also, was passiert bei An Infamous Traffic?
    Jeder Spieler übernimmt die Rolle eines britischen Unternehmers um einerseits China zu destabilisieren und andererseits selber dabei den großen Reibach zu machen.
    Überraschenderweise gewinnt nach 4 Runden der Spieler mit den meisten Siegpunkten. Klingt erstmals nach 0815 Spiel, ist es aber bei weitem nicht!
    Das Spiel kann auch frühzeitig beendet werden, wenn es nämlich den Chinesen reicht und sie eine Revolution anzetteln - in diesem Fall gewinnt dann der Spieler, der die meisten Unternehmen zu diesem Zeitpunkt in China platziert hat, und so für die beste Ausgangsposition für den Neustart gesorgt hat.
    In unseren Partien wurde zweimal mit der Revolution beendet, der Rest verlief "nach Plan" und wurde durch Siegpunkte ausgemacht - Rekord dabei waren heiße 8 Punkte ;)


    Was passiert da jetzt genau?
    Prinzipiell verläuft das Spiel nach relativ wenigen, aber nicht sehr eingängigen Regeln (das Regelheft umfaßt nur 9 Seiten). Wenn man am Zug ist, führt man eine von 5 möglichen Aktionen durch:


    1. Unternehmen in seine "Holdings" bringen
    Entweder investiere ich in Händler, Schiffe oder Opium. Dabei werden dann einfach die entsprechenden Counter von unterhalb des Spielertableaus auf die obere Seite gelegt und sind ab diesem Zeitpunkt verfügbar. Das etwas andere Gefühl dabei: wir bezahlen das ganze nicht mit Cash, sondern jede Gesellschaft hat ihren Wert - und genau dieser Wert ist unser Zahlungsmittel. Will ich z.B. in Flotten investieren, nehme ich mir den entsprechenden Counter und verringere dabei den Wert meiner Gesellschaft.
    Blöderweise beginnt jede Gesellschaft mit einem Wert von 0 - kann aber bis negativ 4 spekulieren.
    Investments sind aber gleichzeitig beschränkt - je höher der Wert meiner Gesellschaft, desto mehr Investments kann ich machen - ein Investment ist aber immer möglich, maximal 5 sind schaffbar (Rekord bei uns waren 4 Investments bei einem Wert von 7)


    2. Unternehmen auf den Plan/nach China bringen
    Sollte man diverse Unternehmen in seinen Holdings haben, kann man sie jetzt auf den Spielplan nach China setzen. Dabei gibt es einige Bedingungen die erfüllt sein müssen, damit man seinen Counter auch platzieren darf. Das wichtigste dabei: die "opportunity". In einigen Regionen liegen Würfel aus - diese Würfel müssen mit mindestens einem Würfel aus dem Vorrat übereinstimmen, um überhaupt die Möglichkeit zu haben, einen Counter in diese Region zu legen. Der Würfel-Vorrat wird bereits vor dem Spiel definiert und ist somit keine Überraschung - auch wenn es das noch werden kann ;)
    In den Regionen befinden sich sogenannte "Supply-Lines" - sollte zu irgend einem Zeitpunkt so eine Supply-Line vollendet sein, kommt es zu einer kurzen Zwischenwertung - das ist auch die einzige Möglichkeit, wie man den Wert seiner Gesellschaft erhöhen kann. Die Supply-Lines umfassen dabei ein Kontingent von 4 - 6 Feldern. Um so eine Linie zu befüllen benötigt es einerseits Opium, andererseits eine Flotte und dazu noch eventuell Händler, Bürokraten und/oder Schmuggler.
    Dummerweise geben die Würfel in den Regionen nicht nur die "opportunity" an sondern bestimmen auch gleichzeitig die Nachfrage, die es zu erfüllen gilt. Und ausschließlich nur, wenn die gelieferten Waren gleich oder niedriger als der Bedarf sind, kann man liefern und den Wert seiner Gesellschaft erhöhen.


    3. Verschwörungen
    Auf dem Spielplan befinden sich 8 Verschwörungskreise die mit unterschiedlichen Möglichkeiten bestückt sind. Will ich mich an den Verschwörungen beteiligen, nehme ich einfach alle Counter aus einem Kreis und platziere sie auf dem Plan.
    Dabei gibt es Schmuggler und Missionare die die Nachfrage in den Regionen erhöhen und zusätzlich die "opportunity" erweitern können - dazu werden dann Würfel aus dem Vorrat genommen, gewürfelt und in die jeweilige Region gelegt - das ist auch die einzige Situation in der gewürfelt wird.
    Chinesische Polizisten können Schmuggler und Missionare entfernen und so auch Nachfrage und Opportunity wieder reduzieren.
    Bürokraten können Supply-Lines schneller vervollständigen aber auch durch unterschiedliche Werte dafür sorgen, dass eine Überproduktion ein Ausliefern unmöglich macht.
    Britische Truppen können gesammelt werden, um bei einer Mehrheit den Ausgang eines Opiumkrieges zu beeinflussen.


    4. einen eigenen Preis reduzieren
    Bis jetzt noch unerwähnt: der Preis eines Unternehmens das in China platziert wird, wird vom jeweiligen Spieler selbst bestimmt. Ich kann mich also entscheiden, ob mein Opium 0,1,2 oder 3 "revenue" wert ist. Bei "An Infamous Traffic" ist es allerdings erlaubt, dass ich den festgesetzten Preis eines Mitspieler einfach unterbieten kann, und so seinen Counter gegen meinen - sofern der Wert niedriger ist - austauschen darf. Um dem entgegen zu wirken kann es manchmal Sinn machen, den eigenen Wert eines Unternehmens zu reduzieren.


    5. Passen
    Einfach beschließen, auszusteigen. Allerdings gibt es selbst da einen kleinen Kniff:
    der erste Spieler der passt wird Startspieler für die nächste Runde, der zweite Spieler der passt, bestimmt die Richtung in der in der nächsten Runde gespielt wird (also im oder gegen den Uhrzeigersinn)
    Außerdem kann ich beim Passen meinen zukünftigen Nachfolger nach London schicken, um dort eventuell noch einen Preis/eine Belohnung einzuheimsen.
    Auch das ist für mich neuartig und genial: jede Runde werden zu Beginn Preise verdeckt ausgelegt (einer weniger als Mitspieler). Zu Beginn der Runde darf ich mir einen Preis davon ansehen - die Werte der Preise rangieren dabei von -1 bis 3. Beim Passen entscheide ich dann auch somit, ob ich mit meinem Nachfolger ins Rennen um diese Preise gehe - der im Wert höchste Nachfolger hat die erste Wahl usw. Allerdings kenne ich ja genau nur einen Marker dieser Preise - was wenn dieser negativ war, oder 0 - beginne ich zu gambeln und hoffe darauf, dass der/die anderen Marker höher sind? Warte ich ab, was meine Mitspieler machen und probiere dann eventuell den Wert meines Nachfolgers zu erhöhen? Da entspinnt sich ein nettes, kleines, psychologisches Spielchen...
    Dazu muss man auch sagen, dass diese Preise die Haupteinnahmequelle für Siegpunkte sind.



    Sodala, das war mal im Groben, was man in dem Spiel so macht. Aber wie fühlt sich das Spiel nun an?
    Der Einstieg gestaltete sich bei uns ein bisschen holprig. Obwohl die Regeln relativ kurz sind, gibt es doch einige Ausnahmen und Kleinigkeiten die man gerne vergisst bzw. immer wieder mal nachlesen muss. Viel schwieriger ist es allerdings, zu verstehen, was man eigentlich so macht und was das für Auswirkungen hat. Bei An Infamous Traffic gibt es tatsächlich solche Situationen, wo eine kleine, vielleicht auch unüberlegte Aktion, 2 Runden später eine unglaubliche Auswirkung entfalten kann und man dann nur noch mit offenem Mund staunt und überrascht ist.
    Zusätzlich ist das Spiel hundsgemein und man spielt nur auf Konfrontation - vielleicht ist es manchmal sinnvoll ein kurzes Bündins mit einem Mitspieler einzugehen, allerdings nur um einen größeren Vorteil daraus zu ziehen und ihm gleich hinterher mit diesem Vorteil mal richtig eins reinwürgen zu können. Oh, Spieler A hat endlich genug Nachfrage und opportunity in einer Region geschaffen? Dem hau ich mit einer Polizeiaktion das gleich wieder zusammen! Oder Spieler B konnte endlich Opportunity in einer Region schaffen um sein mühsam verdientes Opium zu platzieren - ein gut gespielter Schmuggler wird das gleich wieder zerstören... :)
    Man muss teilweise schon fest schlucken oder mal ein herzhaftes "Du fieses Arschloch" raushauen um seinen Frust zu ertragen - allerdings läßt eine Retourkutsche meist nicht lange auf sich warten und man selbst wird Opfer verbaler Attacken - herrlich!
    Auffallend war auch, dass sich wirklich jede Partie komplett anders entwickelt hat. Durch die Verschwörungen, den Würfelvorrat, die Mitspielerentscheidungen usw. wird garantiert kein Spiel wie das andere verlaufen. Die zweite Partie hat bei uns ca. 20 Minuten gedauert, da der geplante und eingetretene Opiumkrieg unerwartet in einer Revolution geendet hat, und so Spieler Nummer 3 mit 2 Unternehmen am Plan einfach gewonnen hat. Somit umfaßt die Spieldauer 20 - 120 Minuten, je nachdem was in China so abgeht.
    Etwas negativ waren zwei Partien, wo schon relativ schnell der Gewinner feststand - wir haben dann aber einfach den Sieger vorzeitig erklärt und die nächste Partie begonnen - somit hab ich auch damit kein Problem.
    In diesem Spiel sind so viele tolle, für mich neuartige Kniffe und Entscheidungen versammelt, dass ich wirklich jedem, der nur annähernd mal was anderes probieren mag, An Infamous Traffic nur wärmstens an Herz legen kann.
    Wer nicht die (stinkige ;) ) gedruckte Version aus Amiland importieren mag, kann sich auch die Print and Play Files kaufen und selbst basteln.


    Wer sich mal einen Einblick auf Video holen mag:



    Wer Heavy Cardboard noch nicht kennt, sollte auch mal unbedingt dort reinhören:


    Heavy Cardboard


    Und wer gleich bestellen mag:


    Holland Spiele


    So, sollte das wirklich jemand alles gelesen (und auch verstanden haben ;) ) - Danke dafür! :)


    Zeit fürs Bett,


    LG


    Lukas


    PS: @Kaermo
    Zumindest AIT werd ich mal behalten :D

  • Danke für den interessanten Bericht, das alles klingt sehr spannend. Die Beschreibung erinnert mich vom Spielgefühl an Pax Porfiriana auch da haut man sich die ganze Zeit in die Fresse, es können ziemlich überraschende Wendungen auftreten und jedes Spiel verläuft anders.
    Hast du ein Gefühl dafür, ob das Spiel auch zu zweit gut funktionieren könnte?
    Hast du das Spiel direkt beim Verlag gekauft?

  • Hi,


    Einen Vergleich mit den Pax Spielen kann ich (noch) nicht ziehen - Pax Renaissance sollte aber spätestens nächste Woche bei mir eintrudeln.


    Zu zweit kann ich mir AIT nicht vorstellen, da das Spiel eindeutig von der hohen Interaktion lebt. Cole Wehrle hat auch selbst gemeint, dass es zu zweit zwar funktioniert, aber mehr auch nicht - erst ab 3 Spielern soll es wirklich gut werden (wobei laut BGG dder Sweetspot bei 4 Spielern liegt), und genau so schätze ich das auch ein.


    Und ja, ich habe beim Verlag direkt bestellt.
    Dabei muss aber erwähnt sein, dass es ein wirklich winziger Verlag ist und die Materialqualität halt so gar nicht mit den Standards größerer Verlage mithalten kann. Der Spielplan besteht aus zwei Papierteilen (Plexiglas notwendig), die Counter sind zwar schön dick aber der Aufdruck ist teilweise etwas verwaschen. Würfel und Holzklötzchen liegen in gewohnter Qualität bei.
    Allerdings soll bald ein Plan aus einem, gefalteten Blatt Standard werden -- mich stören die zwei Teile allerdings gar nicht.
    Also wer bastelaffin ist, kommt wahrscheinlich auf eine ähnliche Qualität mit den PnP Files.


    LG

  • Jo, das Ding ist wirklich was besonderes! Hab mir gestern im Nachtdienst auch das zweite HC Video angeschaut - wirklich erstaunlich, wie unterschiedlich sich die einzelnen Partien entwickeln.


    Und John Company ist auch schon vorbestellt :)


    LG

  • So, wie Du dort das Spielgefühl von An Infamous Traffic rüberbringst, habe ich gehofft, dass John Company für mich wird...
    Aber vielleicht sollte ich lieber jetzt das AIT PnP kaufen

    Cardboard Games Master Race

  • @Exhibitchee
    Was spricht gegen An Infamous Traffic UND John Company? :D


    Ich würde John Company als das komplexere Spiel einschätzen - und mir scheint, als würde bei JC recht viel verhandelt werden, das Verhandlungselement ist bei AIF ist gering und geht eher in die Richtung: Bittteeee, mach das jetzt nicht! ;)
    JC, glaube ich, wird deswegen erst ab 4 Spielern seinen vollen Reiz entfalten, während man bei AIF schon zu dritt mächtig Spass hat (wobei ich auf die erste 4er Runde auch schon sehr gespannt bin)


    LG

  • Hi,


    Bei uns wieder drei Partien An Infamous Traffic.
    Erste Partie konnte ich mit einem gut getimten Opiumkrieg und einer darauffolgenden Revolution für mich entsscheiden - Yeah.
    In der zweiten Partie kam die Revolution für uns völlig überraschen aus dem Nichts - unglaublich, was ein, zwei unbedarft gesetzte Missionare so anrichten können... :) Sieg für Spieler Gelb (nicht ich ;) )
    In der dritten Partie hat sich Spieler 1 vor lauter Gier auf ein 3 SP Plättchen bereits in Turn 1 aus dem Spiel geschossen und ich habe - aus lauter Angst mein 3er Schiff zu verlieren - Spieler 2 eine Steilvorlage gegeben, die von ihm souverän in den unaufhaltbaren Sieg verwandelt wurde. Ein Opiumkrieg konnte trotz harten Verhandlungen zwischen den 3 beteiligten Partein nicht durchgesetzt werden


    Das Spiel wird von Partie zu Partie immer besser und spannender - und trotzdem passieren immer noch völlig überraschende Dinge, einfach herrlich! Gestern wurde auch immer wieder untereinander verhandelt und so ist noch eine interessante Eben dazugekommen. Es wird endlich Zeit für die erste 4er Partie...


    Was mir auch immer wieder auffällt: obwohl das Spiel so brutal und hundsgemein ist, verlief es bis jetzt immer sehr ruhig und entspannt und ohne große (negative) Anspannungen - keine roten Köpfe und keine Streiterein, da ist es bei uns schon bei harmloseren Spielen zu wilderen Auseinandersetzungen gekommen :)


    Noch ein paar Tipps für Neueinsteiger:
    - unterschätze nie die Macht eines Opiumkrieges - die Revolution ist schneller da, als man schauen kann
    - ja nicht vergessen: Conspiracy kostet was, sobald ein oder mehr Spieler gepasst haben (ist uns mittlerweile schon sehr oft passiert)
    - auch Schmuggler und Bürokraten können underselling machen, bzw. unterboten werden
    - jeder(!) platzierte Counter - auch auf einem auf den ersten Blick völlig unbedeutenden Platz - kann riesengroße Auswirkungen haben


    AIF hat sich definitiv in meine Top 5 gespielt... :)


    LG

  • Ich kann @Seppules Meinung übrigens bestätigen... Endlich mal wieder ein Spiel das fasziniert und begeistert (auch wenn es stinkt)...


    Ich freue mich ja sowas von auf John Company! :rolleyes:

    Ich bin auch schon TOTAL heiß drauf.

    Das hier ist mein Privat-Account. Alle hier geäußerten Meinungen sind nur meine privaten Meinungen und geben nicht die Meinung von Frosted Games wieder.

    Wenn ihr Fragen zu Frosted Games habt, bitte: FrostedGames

  • Bin jetzt fertig mit dem PnP Basteln, nachdem ich erst nochmal am PDF ein bisschen gedreht habe...


    Der Spielplan gefällt mir noch nicht so ganz (faltet sich zweimal, wie ein Leporello) aber am meisten Arbeit waren auch die Marker.
    War dann kurz davor die auch noch zu clippen, bis mir wieder auffiel, dass ja in den Ecken Informationen stehen

    Cardboard Games Master Race

  • Thread-Nekromantie...


    Heute abend gespielt: #AnInfamousTraffic als 4er. Ich fand's klasse, ein anderer würde es gerne nochmal spielen, zwei anderen hat es nicht so gefallen. War auch irgendwie eine komische Partie. Dass AIT-Partien sich völlig unterschiedlich entwickeln könnten, wusste ich vorher. Aber das selbst zu erleben, ist nochmal ein bisschen was anderes als alles, was man sich vorher angelesen oder ausgedacht hat...


    In unserer Partie kamen in Runde 1 und 2 jeweils nur einmal Qing-Forces mit Polizei-Aktion in die conspiracy circles, aber dafür viele schwarze Counter. Die Würfel auf dem Plan und die Würfel im Dice Pool waren oft unterschiedlich, also wenig opportunity. Es wurde ein bisschen destruktiv gespielt und demzufolge waren in Runde 3 irgendwann 10 schwarze Counter auf dem Brett außerhalb erfüllter supply chains. Also Revolution, ausgelöst durch einen Spieler, der dann gesagt hat "nach Siegpunkten gewinnen kann ich nicht mehr, also Revolution, dann bin ich Zweiter". Also am Ende Sieg durch: ein einziger Counter auf dem Brett und Tie-Breaker meiste Prize-Tokens gewonnen. Ich wusste, dass sowas passieren kann, aber für alle anderen fühlte sich das schon sehr komisch an...


    Im Nachhinein kann man natürlich sagen, dass jeder etwas unglücklich gespielt hat, ich auch. Ich hätte als Führender nach Siegpunkten (das Spiel gut vorbereitet zu haben, zahlt sich hier definitiv aus!) in Runde 3 mehr oder weniger sofort passen müssen, um den anderen die conspiracy-Aktion teuer zu machen. Aber genau wegen dieser komplett verqueren Zusammenhänge mit Zwang zum Um-die-Ecke-Denken hat mir das Spiel eigentlich sehr gut gefallen. Sehr anspruchsvoll, sehr interaktiv, sehr thematisch, eigentlich genau mein Ding. Okay, auf der anderen Seite gibt es die äußere Erscheinung. Die ist unter aller Sau definitiv keine Werbung für das Spiel. Genau deshalb ist auch sehr fraglich, ob und wann ich das Spiel nochmal auf den Tisch kriegen werde. Aber schauen wir mal, ich werde es wieder versuchen...


    Das ist so ein Spiel, das einem noch ein paar Tage durch den Kopf gehen wird. Und sowas ist meistens ein gutes Zeichen.



    PS: Gerade zuhause nochmal nachgezählt. 64 Token, 8 Polizei-Aktionen, 24 schwarze Token (8 Missionare + 16 Schmuggler). 14 in Runde 1 auf dem Brett, äh: auf dem Papier, jeweils +8 in Runde 2/3. Also knapp die Hälfte draußen in Runde 3. Revolution möglich wenn: schwarz minus Polizei <= 10 minus eventueller Hafenöffnungen. Theoretisch fehlt links noch ein "minus Schmuggler in kompletten Versorgungsketten", aber da sich die Versorgungsketten durch Polizeiaktionen aufbrechen lassen, ist das de facto nicht so wirklich relevant, wenn auch aktiv gegeneinander gespielt wird. (Und so soll es sein, AIT ist schließlich kein Coop-Spiel.) Damit ist eine Revolution, auch "Revolution aus Versehen", gar nicht mal soooo unwahrscheinlich. Wer das nicht haben will, weil er nach Siegpunkten führt, der muss aktiv die Polizei in den Bergen von Weitfortistan, d.h. irgendo im Inland, wo definitiv nix los ist, auf gewollt erfolglose Opium-Suche schicken, einfach um den gefährlichen Counter zu deaktivieren. Also effektiv eine Aktion verschwenden. Auch eine sehr interessante Form von Catch-Up-Mechanismus... Und das in einem Nerd-Expertenspiel, wo diese Nerds doch eigentlich so stolz darauf sind, Catch-Up-Mechanismen doof zu finden...

  • In der Nacht und heute morgen unter der Dusche ist mir das Spiel nochmal durch den Kopf gegangen. Gestern abend beim Aufschreiben war ein Fehler drin. Der Führende muss natürlich die Qing-Plättchen mit Polizei-Aktion nicht ins nirgendwo setzen, sondern damit harmlose Missionare verhaften lassen, damit Würfel zurück in den Dice Pool kommen. Missionare und nicht Schmuggler, weil Schmuggler an Versorgungslinien mitarbeiten und deren Zustandekommen auch in seinem Interesse liegt. Ändert nicht an der Grundaussage, dass er aktiv gegen die Möglichkeit der Revolution arbeiten muss. Er muss auf Möglichkeiten verzichten, die ihm selbst mehr nutzen würden und/oder früh passen. Unter dem Strich kostet es ihn bessere Aktionen, was einem Catch Up Mechanismus gleichkommt.


    Das Spiel hat auch eine interessante Meta-Ebene. Wenn im 4er Spiel einer nach Punkten klar führt und die Mitspieler kennen das Spiel halbwegs, dann muss der Führende hoffen, dass eher viele Polizei-Aktionen ausliegen. Sonst wird es die Revolution geben. Insgesamt hat das Design so einige, schön verkoppelte Gleichgewichtssysteme, wo ein Ausschlag hier dafür sorgt, dass man ganz wo anders gegensteuern muss. Absolutes Expertenspiel.


    Was das Spiel aufgrund des Designs auch hat, ist ein ganz erhebliches Kingmaking-Potenzial. Das ist nicht unbekannt in Spielen, die wenig Siegpunkte haben (AIT kann man mit ~5 SP gewinnen) und ebenfalls üblich in Spielen mit zwei komplett verschiedenen Siegkriterien je nach Spielverlauf (hier: normalerweise Siegpunkt nach 4 Runden, aber sofortiges Spielende bei Revolution und Gewinn durch meiste Counter auf dem Plan). Bei AIT ist jeder bis zum Schluss im Rennen um den Sieg und das spitzt sich dann vermutlich in gewisser Normalität darauf zu, dass ein Spieler entscheiden kann, ob Spieler X über Bedingung A gewinnt oder Spieler Y über B. Das kann ich bei AIT aber akzeptieren, weil das Thema so extrem stark ist, auch in den Mechanismen drin. Das Spiel ist auch ein bisschen Geschichte spielerisch erleben und dabei lernen.

  • MetalPirate

    Du meinst das Äußere sei keine gute Werbung für das Spiel, meinst Du damit das Material oder die Optik?

    Über die Optik ist ne Diskussion ja müßig, ich finde sie hervorragend.

    Was das Material angeht, da bot sich auch wegen des hohen Preises von AIT das 14$ - PnP an; ich finde meine Ausgabe ist wunderbar bespielbar, unsere zweite Version noch besser als meine erste. Eventuell hat der Käufer meiner ersten Version ja noch ein Kommentar dazu. Ich habe bisher erst ein Spiel gesehen, wie man es von Hollandspiele bekommt, da ist mMn mit wenig Aufwand schon mehr zuhause zu basteln...

    In den PDFs hab ich außerdem die Englischen Texte übersetzt, das ist natürlich ganz nett. Wer keine Lust auf PnP hat, für den fällt es natürlich weg, ebenso zwecklos für euch, die ihr das Spiel ja schon habt Da es ein Cole Wehrle Spiel ist, könnt ich mir inzwischen aber vorstellen, dass es nochmal irgendwo, vielleicht bei ihm selbst, in schön nachgedruckt wird. (Weiß aber gerade nicht, ob eine Neuveröffentlichung eventuell schon irgendwo ausgeschlossen wurde)



    Weiterhin sehe ich auch viel Kingmaking Potential im Spiel. Aber:

    Ich kann mich in meinen Runden nur an Kingmaker erinnern, die sich dadurch wie in deiner Runde auch eine gute Position gegeben haben, zumeist Platz 2 - nicht an Spieler, die irgendwie abgeschlagen waren und unabhängig von der Kingmaker-Aktion auf dem letzten oder vorletzten Platz landen. Eben weil es diese Situation auch selten gibt - wie Du sagtest, der Zwang zum Gleichgewicht ist schön eingebaut.


    Das unterscheidet dieses Spiel mMn deutlich von anderen Spielen, in denen Kingmaker ein echtes Problem sein kann.

    Cardboard Games Master Race

    2 Mal editiert, zuletzt von Exhibitchee ()

  • Du meinst das Äußere sei keine gute Werbung für das Spiel, meinst Du damit das Material oder die Optik?

    Beides. Das fängt an beim Papier-Spielplan, geht über das Grafikdesign vom Autor höchstselbst auf ordentlichem Amateur-Niveau (aber eben nicht wirklich professionell) und hört noch lange nicht auf beim Startspielermarker als Counter in Fingernagelgröße. Beim Startspielermarker würde dir z.B. jeder Grafikdesigner erklären, dass dort bei dieser Mini-Größe nicht noch wichtige Information untergebracht werden kann, nämlich Spielrichtung durch leicht unterschiedlich aussehende Vorder- und Rückseite. Deshalb geht hier auch kein Ersetzen durch: "Unser Startspielerstein ist jetzt <beliebigesObjekt>."


    Wer regelmäßig mit solchem Material zu tun hat, also insbesondere natürlich die Cosim-Fraktion, für den ist das sicher alles kein Problem. Aber in meiner Euro-lastigen Runde behaupte ich mal, dass die beiden, denen das Spiel am Ende nicht so gefallen hat, im Prinzip schon mit einer negativen Grundeinstellung ihren ersten Zug gemacht haben, und das lag im wesentlichen an der Optik. Es gibt keine zweite Chance für einen guten ersten Eindruck.

  • FYI: Going out of print December 7 =>

    After Traffic, Cole continued to move from strength-to-strength, creating games that were both critical and commercial successes: John Company, Root, and Pax Pamir 2e. With the success of that last one, in particular, published through Cole's own company Wehrlegig via a quarter-million dollar kickstarter campaign, Mary and I knew going into 2019 that it likely wouldn't be in Cole's interest to renew the license for Traffic with us when it expired. We exchanged emails about it over this summer. Cole acknowledged that he would derive much greater benefit not renewing the license, but said, essentially, "I don't want to do anything that's going to hurt your company. If it will help you, let's renew."

    That was a lot of money to leave on the table like that. It was another act of kindness, and one I found deeply moving. But Mary and I didn't want him to do that, and so are letting the license expire after this year's Hollandays Sale.

  • Das ist groß... Ich hab höchsten Respekt vor Tom und Marry. Auch wenn es mich immer wieder hart trifft so schwer an die Spiele heranzukommen. 80€ für ne Papermap undnnen Sheet counter und n paar Karten ist hart wenn ich es jn den USA zu 40 dollar bekommen würde

  • Wie zu erwarten war. Ich habe mein An Infamous Traffic schon Ende letzten Jahres verkauft.

    Ob ich bei einer neuen Version mit dabei mit, bleibt trotzdem abzuwarten. Die alte Version war schwer auf den Tisch zu kriegen, was natürlich auch, aber eben nicht nur an der besseren Prototypen-Qualität des Materials lag.

  • Da hoffe ich doch auf eine Spielworxx-Ausgabe.

    Gruß aus dem Münsterland
    Herbert

    ______________________________

    I'm old enough to know what's wise
    and young enough not to choose it

  • Wie zu erwarten war. Ich habe mein An Infamous Traffic schon Ende letzten Jahres verkauft.

    Ob ich bei einer neuen Version mit dabei mit, bleibt trotzdem abzuwarten. Die alte Version war schwer auf den Tisch zu kriegen, was natürlich auch, aber eben nicht nur an der besseren Prototypen-Qualität des Materials lag.

    🙄


    Ist doch aber schön, wenn die Leute, für die da kein Drankommen war, nächstes Jahr die Möglichkeit haben, eine vielleicht ähnlich aufgehübschte Version wie die anderen beiden Wehrle-Spiele zu bekommen.

  • Ich hoffe, du hast im Blick, was für Preise dafür aufgerufen werden...
    ...habe kurz überlegt, aber bin noch nicht bereit, meines herzugeben...

    Wer Smilies nutzt, um Ironie zu verdeutlichen, nimmt Anderen den Spaß, sich zu irren.

    Über den Narr wird nur so lange gelacht, bis man selbst Ziel seiner Zunge wird!

    :jester:

  • Möchte jemand das Spiel vielleicht wieder loswerden oder weiß wo man es noch erwerben kann?

    Neu gibt es das Spiel nicht mehr.
    Gesuche sonst gerne im Markt einstellen - oder mit unbestimmt langem Atem auf die 2nd Edition warten.

    Warte auf: Cross Bronx Expressway | A Gest of Robin Hood | Kingdoms Forlorn | The Queens Dilemma | Coalitions: Realpolitik | Koriko: A Magical Year | Apex: Legends | Defenders of the Wild | Molly House | A Very Civil Whist | Arcs | Ahoy (DE)

  • Gestern Abend wurde im Wherelgig-Jahresupdate nochmal bestätigt, dass #AnInfamousTraffic2ed s nach #MollyHouse mit vollem Schwung das nächste Projekt von Cole seien wird. Crowdfunding Ende des Jahres wirkte nicht unrealistisch und Cole hatte angeküdnigt, dass die Veränderungen zur ersten Auflage kleiner seien werden als bei #PaxPamir und #JohnCompany.

    Warte auf: Cross Bronx Expressway | A Gest of Robin Hood | Kingdoms Forlorn | The Queens Dilemma | Coalitions: Realpolitik | Koriko: A Magical Year | Apex: Legends | Defenders of the Wild | Molly House | A Very Civil Whist | Arcs | Ahoy (DE)

  • Gut zu wissen. Danke für die Info!
    Falls jemand nicht so lange warten kann - ich hätte dann eines abzugeben!

    Wer Smilies nutzt, um Ironie zu verdeutlichen, nimmt Anderen den Spaß, sich zu irren.

    Über den Narr wird nur so lange gelacht, bis man selbst Ziel seiner Zunge wird!

    :jester:

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