"Moderierte" Verhandlungsphase

  • Gibt es ein Spiel, in dem es Verhandlungen gibt, diese sind aber nicht völlig frei?
    In dem Absprachen und Verträge in irgendeiner Form "bindend" sind?
    Mit Regeln, wie sowas abzulaufen hat, eventuell gar Spielmaterial?


    Mal ein paar Beispiele, was ich nicht will:
    #EisernerThron - Du kannst ein Bündnis jederzeit kippen. Die Regel sagt sowieso nur, "ihr könnt verhandeln", aber nicht, wann, wie, warum und worum etc. Gerne passiert es, dass eine Absprache nur eine halbe Runde lang anhält.
    #Spartacus - Es gibt zwar eine Phase dafür, aber wieder ist alles völlig frei.
    Du kannst jemandem Unterstützung zusagen, um von seiner Macht zu profitieren, und mit der selben Aktion schadest du ihm dann.
    Oder später, wenn er eine Gegenleistung einfordert, dann lachst du ihm ins Gesicht und zeigst ihm den Stinkefinger.
    Ohne Konsequenzen, außer dass er dir vermutlich nie mehr helfen wird.


    Ich bastle gerade an einem Spiel, in dem "Zusagen" physischer Natur sind, also Spielmaterial.
    "Okay, ich helfe dir jetzt, dafür gibst du mir aber bitte eine Zusage."
    Das Ding kann ich dann irgendwann später zurückgeben, um den Besitzer zur Unterstützung zu zwingen.
    Spieler sollen auch sowas können wie "Heiraten", um Zusagen auszutauschen, also ein Bündnis für die Zukunft zu untermauern.
    Alternativ darf ich natürlich auch weiterhin auf reiner Vertrauensbasis oder gegen andere Ressourcen helfen, aber ich habe als "ultima ratio" eben die Möglichkeit, mein Gegenüber festzunageln.
    (Was btw, neben x Siegpunkten und y Gold, auch eine dritte Siegbedingung werden soll, der "Littlefinger" Sieg: von jedem Spieler x "Zusagen" gesammelt haben)


    (Das Konzept hat noch ein paar Haken, aber es macht schon ungefähr, was ich will)


    Gibt es so einen Ansatz schon? Und wenn, in welchem Spiel?

    Ich würde gerne anschauen, wie es dort gelöst ist.

    Mein Blog (Illustrationen, Brettspieldesign, Angespielte Spiele)

  • Bei #LaCosaNostra werden u.A. auch bindende Absprachen gemacht, hier kann man Marker auf Karten in der Auslage anderer Spieler legen, um sie sofort oder später zu nutzen (und dann den Marker wieder zu entfernen). Wenn es nicht gerade ein Tausch Marker bei mir gegen Marker bei Dir ist, ist es in diesem Spiel jedoch nicht bindend: Ein "ich geb dir nach Nutzung die Hälfte des Gewinns, wenn Gewinn" ist nicht bindend, weil hierfür eben kein Marker gelegt werden kann.


    Fief wäre was "heiraten" angeht wohl das interessanteste

    Cardboard Games Master Race

  • Gibt es ein Spiel, in dem es Verhandlungen gibt, diese sind aber nicht völlig frei?
    In dem Absprachen und Verträge in irgendeiner Form "bindend" sind?
    Mit Regeln, wie sowas abzulaufen hat, eventuell gar Spielmaterial?

    Geht zwar nicht in die Richtung, die du vermutlich hören willst, aber (fast) jedes beliebige Auktionsverfahren ist eine feste, geregelte Form zum Abschluss eines bindenden Vertrages. Wobei da natürlich eher die Art und Weise der Preisfindung festgelegt ist und weniger das, wie man die Einhaltung der Abmachung überwachen kann bzw. welche Konsequenzen bei Nichteinhaltung drohen. Wenn ich dich recht verstanden habe, geht es dir ja eher darum.

  • Bei Virgin Queen und Here I Stand gibt es eine Verhandlungs- oder Diplomatiephase und die dort verabredeten Bündnisse, Heiraten, Kriegs- und Friedenserklärungen werden an deren Ende von den jeweiligen Parteien bestätigt oder aber auch abgelehnt. Das macht Absprachen zwar somit nicht per se bindend wenn eine Power die hinter der erklärenden Power sitzt diese nicht bestätigt, aber falls doch, müssen beide Seiten diese dann im Spiel einhalten.

    The dice decide my fate. And that's a shame.

  • Heiraten? Littlefinger? GoT? :) Klingt interessant...


    Schau Dir mal die Eclipse Bündnismechanik an (Inklusive Erweiterung). Man kann gemeinsam Siegen / es gibt Mali bei Verstoss und man hat recht schöne / viele Vorteile. Ist aber auch nur rudimentär das, was Du verwirklichen willst...

    Top 10 (jeweils ohne Reihenfolge)

  • Das gibt jetzt evtl. einige Lacher oder verwirrte Gesichtsausdrücke: im original #Munckin gibt es die Knieschützer der Verführung. Wer diese besitzt darf einen Mitspieler im Kampf dazu zwingen ihm zu helfen :wikinger:


    Je nach Thema deines Spiels wäre sowas ja auch möglich:


    Die Gunst des Königs. Wer diese Karte besitzt kann einen beliebigen Mitspieler zu einem Handel zwingen (Handelsregeln...). Anschließend bekommt der erzwungene Handelspartner diese Karte. Oder sie wird zurück in die Auslage gelegt und kann dann neu gekauft werden.

  • Bei MIL(1049) gab es auch sehr interessante Verbindungen.
    Man konnte andere Spieler zu Vasallen machen, was auf der einen Seite einen Teil ihres Ertrags abzweigte; auf der anderen Seite waren die Vasallen allerdings vor feindlichen Übergriffen geschützt, bzw. haben das Militär des Schutzherren heran gezogen.
    Ich meine, es gab dann auch noch Verbindungen über Hochzeiten...


    Auch schön bei Ehre der Samurai - dort hat man eine Auslage für den eigenen Daimyo, und eine Auslage für den eigenen Samurai.
    Attentate konnten dazu führen, dass entweder der Samurai, oder aber der Daimyo das Zeitliche segnete. Dann durfte man eine neue Daimyo oder Samurai Karte spielen - die jeweiligen Auslagen waren aber dahin.


    Nun konnte man aber auch als Ronin, also als Samurai, der seinen Daimyo verloren hat, seine Gefolgschaft dem Daimyo eines anderen Spielers erklären! Das durfte nicht abgelehnt werden.
    Und in Folge dessen konnte man den Samurai des anderen Spielers meucheln, was den Daimyo zu einem selbst wechseln liess.


    Unabhängig davon hat aber das Bündnis auch immer einen Vorteil gehabt: Die militärische Stärke des Samurai, der sich zum Daimyo erklärte, wurde dort aufaddiert und hat diesem Spieler wiederum zu Ehre gereicht...

  • Bei #Senji (Senji | Board Game | BoardGameGeek) gabe es so etwas. Man konnte verschiedene Absprachen treffen, die z.T. auch durch Karten unterstützt wurden.
    Wenn man einem Mitspieler eine Geiselkarte gegeben hat, dann war das quasi ein Nicht-angriffsversprechen. Wenn man später im Spiel einen Spieler angegriffen hat, der eine Geisel von einem besaß, so hat man Ehrenpunkte (=Siegpunkte) verloren. Beim Opa, der nur 1EP wert war, konnte man das evtl noch riskieren, wenn die Vorteile groß genug waren, beim eigenen Bruder/Sohn, die dann 4-5 EP wert waren, kostet einen so ein Angriff meistens den Spielsieg. Gemein war dabei, dass ein Mitspieler - ohne das eigene Wissen - die Geisel auch an dritte weitergeben konnten. Wenn man dann diese dritte Person angegriffen hat, dann hat die plötzlich die Geisel aufgedeckt und man war seiner Ehre beraubt. Umgekehrt gab s aber auch irgendwelche Anreize für den Gegner die Geisel wider frei zu lassen und dafür Punkte zu bekommen.


    Außerdem konnte man noch Handelsabkommen schließen - wenn ich später im Spiel die Handelskarte von Spieler A ausgespielt hab, musste dieser mir X Warenkarten (genauer Hanafuda-Karten) geben (abhängig vom Wert des Abkommens) und ich durfte eine davon behalten.


    Die dritte Kartensorte waren Kampfbündnisse - ich kann die ampfarte eines Mitspielers später einsetzen um in einem Kampf einen Vorteil zu erhalten. Natürlich ging das nicht gegen den Spieler, dem die Karte gehörte. Allerdings konnten zwei Spieler gleichzeitig davon profitieren. Der unterstützende Spieler hatte aber keinerlei Nachteil daraus (was ich immer etwas schwach fand, da das das einzige Versprechen war, dass man ohne persönliches Risiko abgeben konnte.)


    Das ganze war auch sehr asymmetrisch - man konnte durchaus Handelsversprechen gegen Geisel tauschen.


    Das Konzept dieser Karten fand ich damals total genial. Leider hat das Spiel insgesamt ein paar Schwächen, so dass es sich nie richtig durchsetzen konnte. Aber da waren viele gute Ideen drin. Ich hatte damals auch überlegt mir daraus ein eigenes Game of Thrones Spiel zu basteln, das neben thematischen Umbenennungen auch ein wenig am Regelwerk feilt. Habe das aber leider nie gemacht.



    edit: Hatte gerade ein deja vu: [2018] A Song of Ice and Fire

    Einmal editiert, zuletzt von Fluxx ()

  • Werden nicht bei Diplomacy Verträge schriftlich bestätigt?

    Das klingt sehr nach Hausregel. Der Sinn von Diplomacy ist ja gerade, nicht zu wissen, welcher Absprache man trauen kann.

  • Ich danke euch recht herzlich, war klar, dass man sich da wieder auf die Unknowns Community verlassen kann. :)


    Es sind defintiv ein paar dabei, wo ich jetzt wohl tief ins Regelwerk blicken muss. Ich hoffe, BGG hilft mir mit den Regeln von #Eclipse, #Mil und vor allem #Senji, die gehen gefühlt am ehesten in die Richtung, die ich im Sinn habe.


    Bei mir/uns wird es vor allem um Politik im römischen Senat gehen. Ich habe bei einem Kumpel einen wunderschönen und historisch sehr akkuraten Proto aufgetrieben, der aber leider ein paar frustierende Haken bei den Verhandlungselementen hat, à la: "Leihst du mir deine Legionen?" "Ja, wir sind ja Partner." "Danke, ich gebe sie dir aber nicht mehr zurück." ;)
    Da kamen wir auf die Idee, ein Spiel daraus zu bauen, in dem Zusagen tatsächlich mit Verträgen belegt werden, und das hat sich dann irgendwie verselbständigt.

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  • Allianzen via Austausch von Markern bei #Eclipse (da kann man auch Botschafter tauschen)

    Gerade bei Eclipse und der Eclipse-Erweiterung finde ich das super gelöst. Sonst ist bei solchen Spielen eigentlich immer derjenige stark im Nachteil, der in einem Bündnis betrogen und an einer verletztlichen Stelle angegriffen wird - das sorgt dann für viel Misstrauen und oft passives/vorsichtiges Spiel. In Eclipse ist es gut denkbar ein Bündnis mal zu brechen, es muss sich aber wirklich lohnen, und unter Umständen auch mal denkbar eine Allianz aufzulösen (wenn auch schon sehr - evtl. etwas zu - teuer).
    Denke wichtig ist hier, dass man einen Gewissen Schwellenwert an "Nutzen" schafft, der nötig ist, damit es sich lohnt ein Bündnis wieder zu brechen. Das kann ein Bonus sein, den man wieder abgeben muss (etwa die Botschafter in Eclipse oder die Siegpunkte für die Allianz in der Erweiterung), oder ein Malus den man beim Brechen bekommt (Verrätermarke in Eclipse oder negative Siegpunkte durch gebrochene Allianzen), oder vielleicht ein Bonus, den der Betrogene bekommt. Wenn es diesen Schwellenwert nicht gibt, ist der Punkt an dem man eine Allianz schmerzfrei wieder bricht oft etwas zu schnell erreicht.

  • Sonst ist bei solchen Spielen eigentlich immer derjenige stark im Nachteil, der in einem Bündnis betrogen und an einer verletztlichen Stelle angegriffen wird - das sorgt dann für viel Misstrauen und oft passives/vorsichtiges Spiel.

    Ein Hauptproblem von Spielen mit "Diplomatie" ist imho, dass es am Ende doch wieder nur einen Sieger geben kann - schlimmstenfalls, wenn alle sowieso dieselbe solitäre Siegbedingung haben (ewa "kontrolliere 7 Burgen"). Das sorgt automatisch dafür, dass Bündnisse brechen müssen... und dass es doch wieder zu einem "bash the leader" kommt.


    Zu "richtiger" Diplomatie kann es ja eigentlich nur kommen, wenn wir uns mit unterschiedlichen Dingen zufrieden geben.


    Einer will auf den Thron.
    Einer will einfach nur reich werden.
    Einer will militärische Allmacht.
    Einer will möglichst viele Gebiete beherrschen.
    Einer will der Vasall des mächtigsten Spielers werden.
    Einer will mit möglichst vielen Spielern verbündet sein.
    ...


    Natürlich können/müssen solche Ziele untereinander verknüpft sein:


    Vielleicht hilft es ungemein, eine große Armee zu haben, wenn man den Thron oder viele Gebiete will.
    Vielleicht hilft der Thron massiv dabei, "mit allen verbündet" zu sein...
    Viele Gebiete bringen mehr Geld.
    Mehr Geld bringt mehr Truppen.
    Geld und Truppen helfen, sich als Vasall anzudienen, und selbstverständlich sorgt das Vasallentum dafür, dass dein Chef mächtiger wird.
    ...


    Spannend ist auch die Frage, ob man solche Siegbedingungen dann geheim oder offen, festgelegt oder flexibel regelt.


    Zitat

    Denke wichtig ist hier, dass man einen Gewissen Schwellenwert an "Nutzen" schafft, der nötig ist, damit es sich lohnt ein Bündnis wieder zu brechen. Das kann ein Bonus sein, den man wieder abgeben muss (etwa die Botschafter in Eclipse oder die Siegpunkte für die Allianz in der Erweiterung), oder ein Malus den man beim Brechen bekommt (Verrätermarke in Eclipse oder negative Siegpunkte durch gebrochene Allianzen), oder vielleicht ein Bonus, den der Betrogene bekommt. Wenn es diesen Schwellenwert nicht gibt, ist der Punkt an dem man eine Allianz schmerzfrei wieder bricht oft etwas zu schnell erreicht.

    Die Bestraftung fürs Brechen passiert ja meist auf der Metaebene, dir traut einfach keiner mehr. Das ist etwas, das man wohl immer obendrauf rechnen muss, wenn man diese "Schwellenwerte an Nutzen" austariert.

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  • Die Bestraftung fürs Brechen passiert ja meist auf der Metaebene, dir traut einfach keiner mehr.

    Ist das wirklich so? Wenn die Spieler entsprechend die Regeln verinnerlicht haben, d.h. weniger moralisch, sondern eher innerhalb der Regeln denken, dann könnte es genauso gut eine andere Reaktion geben, nämlich diese: "Der Verratene ist selbst schuld, wenn er dem vermeintlichen Bündnispartner so eine offene Flanke bietet. Der Verräter hat alles richtig gemacht, ich hätte es genauso gemacht." Bei entsprechend niedrigen Kostenschwellen ist dann auch ein Zusatz nicht mehr weit: "Hätte der Verratene halt selbst früher den späteren Verräter verraten müssen. War doch klar, dass es an dieser Front früher oder später knallt." So ähnlich läuft's unter guten Spielern beim Urvater der Diplomatiespieler, nämlich #Diplomacy. Man verübelt keinem Mitspieler einen Verrat, weil's halt zum Spieledesign fest dazu gehört.


    Das ist etwas, das man wohl immer obendrauf rechnen muss, wenn man diese "Schwellenwerte an Nutzen" austariert.

    Genau damit wäre ich aus oben genannten Gründen vorsichtig. Wenn man als Spieleautor das Brechen von Bündnissen erlaubt, dann müssen die Spieler, die so ein Spiel spielen, auch damit klar kommen können, dass Bündnisse gebrochen werden. Wenn man die Metaebene bei den Kosten einpreist, verzerrt das nur alles. Als Spieleautor sollte einem dann aber auch klar sein, dass man sowieso ein Spiel für eine Minderheit der Spieler entwickelt, denn im Sinne des Massengeschmacks "fair" sind solche Spiele nicht mehr, sobald ganz offiziell Bündnisse gebrochen werden können.

  • Wenn die Spieler entsprechend die Regeln verinnerlicht haben, d.h. weniger moralisch, sondern eher innerhalb der Regeln denken, dann könnte es genauso gut eine andere Reaktion geben, nämlich diese: "Der Verratene ist selbst schuld, wenn er dem vermeintlichen Bündnispartner so eine offene Flanke bietet. Der Verräter hat alles richtig gemacht, ich hätte es genauso gemacht." Bei entsprechend niedrigen Kostenschwellen ist dann auch ein Zusatz nicht mehr weit: "Hätte der Verratene halt selbst früher den späteren Verräter verraten müssen. War doch klar, dass es an dieser Front früher oder später knallt." So ähnlich läuft's unter guten Spielern beim Urvater der Diplomatiespieler, nämlich #Diplomacy. Man verübelt keinem Mitspieler einen Verrat, weil's halt zum Spieledesign fest dazu gehört.

    Ganz so einfach ist es aber nicht. Bleiben wir beim Beispiel Diplomacy. 2 Nachbarstaaten, sagen wir Russland und Türkei, verbünden sich. Natürlich muss sich nun jeder immer noch fragen, ob er seinem Verbündeten gegenüber eine offene Flanke anbietet oder einen Sicherheitszug macht, weil er dem Frieden nicht traut. Nehmen wir an, Russland vertraut dem Türken (bzw. er riskiert es einfach), lässt seine Flanke Richtung Türkei offen und zieht alles nach Westen. Der Türke dagegen bleibt vorsichtig und macht einen Sicherheitszug, ohne den Russen anzugreifen, aber zumindest öffnet er die Flanke Richtung Russland nicht.


    Fazit: Der Russe breitet sich schneller aus und profitiert mehr davon, eine offene Flanke geboten zu haben, als der Türke. Das heißt, die offene Flanke ist nicht per so schlecht. Sie ist ein Risiko. Manchmal wird ein solches Risiko belohnt, manchmal bestraft, nämlich wenn in obigem Beispiel der Türke komplett nach Russland zieht. Der Russe wird zwar in dem Fall nach der Partie dem Türken dessen Verrat nicht verübeln, weil es zum Spieldesign gehört, wie du richtig sagst. Aber innerhalb dieser Partie wird der Russe dem Türken vermutlich kein zweites Mal mehr trauen.


    Hat der Türke deshalb alles richtig gemacht? Das ist auch nicht so einfach zu beantworten, denn evtl. hat er nun keine Freunde mehr, je nach sonstigem Spielverlauf.


    Meines Erachtens kann man Diplomacy nur gewinnen, wenn man länger als 1-2 Züge über 1-2 Verbündete verfügt. Dazu muss man über mehrere Züge hinweg Vertrauen aufbauen - wohlwissend, dass man jederzeit ein Messer in seinem Rücken spüren kann.


    Bei meiner allerersten Dippy-Partie per Post vor ca. 30 Jahren lief es so: Türkei und Russland hatten sich verbündet, ich war einer der beiden, weiß aber heute nicht mehr, welcher. Ist auch egal. Die Partie lief gut und wir wurden beide immer stärker. Wir achteten darauf, dass wir beide gleich schnell wuchsen und einigten uns früh auf das Ziel, die Partie mit 17:17 und somit einem gemeinsamen Sieg zu beenden.


    Irgendwann, als wir beide jeder ca. 13 oder 14 Zentren hatten, sah ich für mich den Zeitpunkt gekommen, das Bündnis zu brechen, bevor es der andere tut und ich der Dumme bin. Mein bis dato Verbündeter hatte nicht damit gerechnet, mein Hinterhalt war erfolgreich und es war klar, ich würde die Partie nun gewinnen. Doch mein Ex-Verbündeter nahm das persönlich. Er hatte wirklich daran geglaubt, wir würden auf ein 17:17 spielen. Wie langweilig ...


    Er sprach danach nie wieder ein Wort mit mir und weigerte sich, noch mal irgendein Postspiel mitzuspielen, an dem auch ich teilnahm. Aus meiner Sicht hat er das Prinzip von Diplomacy nicht verstanden.


    Aber ich glaube, ich bin jetzt irgendwie vom Thema abgekommen ...

  • Ich habe Dippy ja noch in der Schule gespielt, jeden Morgen gab es die neue Auswertung, und über die Jahre gab es zwei Spieler, die sich in keiner Partie je verraten hatten.
    Die haben so nicht immer gewonnen, klar, aber es hat sich gezeigt, dass sie langfristig dadurch einen echten Vorteil hatten. :)

    UpLive [bgg for trade] - einfach anschreiben, wenn Dich davon was interessiert!

  • Ein Hauptproblem von Spielen mit "Diplomatie" ist imho, dass es am Ende doch wieder nur einen Sieger geben kann - schlimmstenfalls, wenn alle sowieso dieselbe solitäre Siegbedingung haben (ewa "kontrolliere 7 Burgen"). Das sorgt automatisch dafür, dass Bündnisse brechen müssen... und dass es doch wieder zu einem "bash the leader" kommt.

    Bei der Eclipse-Erweiterung kann man auch gemeinsam gewinnen (Summe der Siegpunkte einer Allianz durch Anzahl der Mitglieder).
    Denkbar wäre analog, dass eine Allianz aus zwei Spielern 12 oder 13 Burgen kontrollieren müsste.

    Spannend ist auch die Frage, ob man solche Siegbedingungen dann geheim oder offen, festgelegt oder flexibel regelt.

    Geheime Siegbedingungen fand ich bisher immer furchtbar (#Risiko, #ScheibenweltAnkhMorphok). Wenn irgendwer völlig unerwartet seine Siegbedingung aufdeckt ist das mies für den Spannungsbogen, wenn jeder nur spielt um alle denkbaren Siegbedingungen abzuwenden, wird's furchtbar zäh.

    Die Bestraftung fürs Brechen passiert ja meist auf der Metaebene, dir traut einfach keiner mehr. Das ist etwas, das man wohl immer obendrauf rechnen muss, wenn man diese "Schwellenwerte an Nutzen" austariert.

    Das mag bei einem sehr langen Spiel mit häufigen Bündnisphasen vielleicht der Fall sein, je nachdem wie emotional/sozial die anderen Spieler spielen. Bei einem Spiel wie dem Eisernen Thron habe ich Bündnisse immer als kurzfristrige Kosten/Nutzenabwägung erlebt. Ich würde nicht mit jemandem ein Bündnis eingehen, nur weil er bisher immer nett war und problemlos auch mit dem eifrigsten Eidbrecher, wenn er mittelfristig kein Interesse an einem Bündnisbruch haben kann.

  • Bezüglich des Brechens von Vereinbarungen:


    Das Spiel sollte den Rahmen setzen, was möglich/ erlaubt ist, und was nicht. Grundsätzlich sind sehr verschiedene Ansätze möglich, es muss nicht zwangsweise ein "everything goes" sein, vor allem, wenn man nicht möchte, daß Spieler untergebuttert werden, oder daß der Verhandlungsaspekt das Spiel dominiert.


    Sehr sympathisch finde ich beispielsweise auch den, bisher noch nicht genannten, Ansatz , welchen Ora et Labora geht.
    Man darf Dinge des Mitspielers nutzen, gegen Bezahlung (von welcher der Mitspieler u.U. nicht einmal etwas hat). Dadurch, daß diesbezüglich Waffengleichheit herrscht, ist es jedoch für alle Spieler kalkulierbar und kann sogar eine absehbare Notwendigkeit sein.

  • Bzgl. des eingangs erwähnten Beispiels mit den verliehenen Soldaten, für deren Rückgabe es keinen relevanten Grund gab, würde mir folgendes einfallen:


    Einheiten werden inkl. Führungspersonal verliehen, welches selbstverständlich Haus-/ Fraktions-/ was auch immer gebunden ist. Somit gibt der Eigentümer diese de facto nie wirklich aus der Hand und es kommt gar nicht erst die Frage auf, ob er diese zurückfordern kann.
    Evtl. gibt er diese auch gar nicht physisch weg, sondern tut mit seinem Spielmatetial nur, worum ihn sein Mitspieler bittet?



    Unterhaltskosten, welche der Ausleihende zumindest teilweise trägt, und/oder ansteigende Erfahrung für kämpfende Truppen, "Gewinnbeteiligung" des Eigentümers am Erfolg von Kampagnen, etc. könnten Anreize zu deren Verleih, als auch zu deren Rückgabe sein.

  • So, ein erster Prototyp ist gebaut.


    Spielidee – Imperium Romanum | Peters kleine Spielewelt


    Gespielt wird über Aktionskarten mit je zwei Verwendungsmöglichkeiten.

    Die einfache Funktion kann man immer machen.
    Die andere, meist stärkere Funktion ist an das innehaben eines passenden Amtes oder "Zustimmung" von anderen Spielern gebunden.


    Es gibt 4 Wege, deine Zustimmung zu erhalten:

    1. Du möchtest Geld dafür.

    2. Du möchtest einen Teil meiner Wählerstimmen dafür.

    3. Du möchtest einen "Blankoscheck" (in deiner oder meiner Farbe).

    --- in meiner Farbe: du darfst dann irgendwann einmal meine Zustimmung erzwingen, was auch immer du vorhast.

    --- in deiner Farbe: wenn selbiges schonmal andersrum passiert ist, zwinge ich dich nun.

    4. Du hilfst einfach so (zum Beispiel, damit ein anderer Spieler nicht für die Zustimmung bezahlt wird)


    Mir war wichtig, dass alles sofort passiert und damit greifbar ist.

    Geld wird sofort ausgezahlt, Wählerstimmen werden sofort "eingeloggt" und sind dann in dieser Runde unantastbar.


    Wer Versprechen auf zukünftige Zusammenarbeit tätigen möchte, der nutze "Blankoschecks" dafür.

    Hier kommt dann das übliche Risiko eines freien Verhandlungsspiels:

    "Aber wir hatten doch gesagt, dass du das dafür nutzt..." - "Ja, hatten wir, aber jetzt finde ich das hier interessanter."

    Ganz ohne solche Geschichten wollte ich auch nicht spielen.


    ---


    Meine Hauptsorge ist momentan, dass solche Verhandlungen zeitlich ausarten.

    Gegenmittel, die schon da sind bzw die ich testen möchte:


    1. Oft genug wird man einfach die Oben-Aktion nutzen wollen.

    2. Nicht jeder ist ein potentieller Verhandlungspartner.

    Spieler, die für Ämter kandidieren, müssen ihre passenden Stimmen sofort einloggen.

    Spieler, die nicht kandidieren, profitieren nicht von deinen Stimmen.

    Spieler, die alle ihre Spielsteine in Umlauf haben, können gar kein Geld annehmen.


    3. Man fragt einfach in die Runde, und jeder darf genau eine Forderung stellen.

    4. "Negativauktionen" à la...

    A: "Ich biete 2 Denare für Unterstützung bei meinem tollen neuen Gesetz."

    B: "Bin dabei."

    C: "Ich mach's schon für 1 Denar."


    5. Konsul/Volkstribun moderieren Diskussionen in den jeweiligen Kammern und können sie auch abwürgen.


    6. falls alle Stricke reißen: Die Spieler sind verpflichtet, angebotene "Blankoschecks" anzunehmen.


    Fällt euch noch was ein?

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  • Ja, wie wäre es mit Blindem bieten?

    Die Forderungen werden verdeckt gewählt und gleichzeitig aufgedeckt. Der Spieler sucht dann das Angebot raus, das für ihn am Günstigsten erscheint...

    Hmmm. Da bräuchte ich dann wieder Material dafür, Marker für alle möglichen Zahlenkombinationen à la "3 Stimmen", "2 Denare" usw.

    Und wenn alle verdeckt ein Gebot abgeben, dann ist das zwar auch irgendwie eine Form von "Kommunikation", aber keine direkte. Ein bisschen Feilschen und Verhandeln muss schon drin sein.


    Trotzdem Danke, ich behalte es im Hinterkopf! :)

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  • Wie wäre es mit einer Sanduhr für die Verhandlungsphase ?

    Ich glaube, ich würde das als "Belästigung" auffassen. ;)


    ---


    Die ersten paar Testspiele sind durch.


    Es gab natürlich wieder mal ein paar völlige Fehlgriffe meinerseits bei den zahlenbasierten Dingen.

    • Legionen bauten sich zu langsam auf / Kämpfe waren zu blutig / es gab zu wenig Punkte dafür. An wenigstens einer dieser Schrauben muss ich drehen.
    • Wir waren tendenziell etwas zu reich an Denaren, ich brauche eine weitere Möglichkeit zum Geldausgeben oder muss den Rundenablauf "4 Aktionen/1mal automatisches Einkommen" anpassen oder das Einkommen an manchen Stellen runtersetzen.
    • Der Zahlenraum bei den Siegpunkten ist zu klein. "1 oder 3 Siegpunkte" ist zum Beispiel ein viel größerer Sprung als "3 oder 5" (x3 gegen x1,67). Sowas passiert mir immer wieder, das sollte ich wirklich von Anfang an beachten, weil es total vermeidbar ist.

    Aber das kriegt man alles ausgelotet. War mir daher völlig egal. ;)

    Wichtig war mir nur "Spielt sich das Spiel einigermaßen rund?" und "Passieren prinzipiell spannende Dinge?".


    ---

    Angepasstes Regelgerüst für die Verhandlungen


    Jeder Spieler erhält zu Beginn (Spieleranzahl -1) x 2 Blankoschecks in seiner Farbe, bzw "für jeden Mitspieler zwei".

    Wenn ich in der Aktionsphase etwas machen will, das Zustimmung benötigt:

    1. Die anderen Spieler dürfen Forderungen stellen, in Geld, Stimmen oder Blankoschecks meiner Farbe.

    Sie dürfen sich gegenseitig unterbieten, aber auch sagen "Nein, hier helfe ich definitiv nicht".

    Ich darf dabei natürlich ein bisschen mitreden und irgendwelche Ideen vortragen.

    2. Dann zahle ich ausreichend vielen Spielern das geforderte, oder falls ich kann, zwinge ich sie per Blankoscheck ihrer Farbe zur Mithilfe.

    Wenns nicht klappen will, mache ich die einfache Aktion meiner Karte, und wenn auch das nicht geht, muss ich sie eben ungenutzt abwerfen. Das Leben ist kein Ponyhof.

    Wahlphase:

    Wir wählen nacheinander die vier Ämter. Die Stimmen, die noch nicht entschieden sind, können umworben werden, wieder mit Geld, Wählerstimmen in den darauf folgenden Wahlen, Blankoschecks. Blankoschecks des Spielers, um den geworben wird, erzwingen hier nichts, können aber angeboten werden.

    Ein Spieler darf seine Stimmen auch verfallen lassen (wobei das effektiv eine Entscheidung für den bisher Führenden bedeutet).

    Der amtierende Volkstribun / Konsul moderiert, damit es nicht ausufert.

    Bei Unentschieden gibt es eine blinde Auktion um den Wahlsieg, "Denare in Faust an die Bank".

    ---

    Vorläufige Ergebnisse:


    Lange Liste, eher Notizen für mich, aber ich dachte, vielleicht interessiert es ja jemanden.

    Vielleicht hat gar jemand etwas Hilfreiches beizutragen... bitte! ;)


    1. Was kann ein Blankoscheck?

    Was ich sofort unterbinden musste, waren Handlungen, die ein bisschen an "instant counterspells" erinnern.

    "Hier hast du einen Blankoscheck wieder, du gehst jetzt nicht mit Peter auf einen Feldzug".

    Nur wer an der Reihe ist, darf Blankoschecks einlösen, und auch nur für die Zustimmung, eine Aktion machen zu dürfen, nicht für "was in der Aktion passiert".

    Sowas darf es leider vermutlich nicht geben:

    • "Du gibst mir deine Legionen mit"
    • "Du wählst mich jetzt sofort"
    • "Mach jetzt gefälligst eine andere Aktion"
    • "Du hilfst diesem Spieler jetzt nicht"
    • "ich zahle dir fünf Geld, wenn du mir meinen Blankoscheck wiedergibst, damit würde ich mich besser fühlen"

    Derlei Dinge hörten sich zwar nach interessanten Ideen an, aber es klappt bisher überhaupt nicht, beziehungsweise bräuchte es unsagbar viele Sonderregelungen, Reihenfolgeregelungen, Spezialfälle, Abgrenzungen usw. Das verheddert sich völlig. Keep it simple.


    2. "Eingeschränktes Verhandeln" ist im Einstieg ein bisschen "gewöhnungsbedürftig".



    Die Spieler - mich eingeschlossen - verhandeln automatisch frei, wollen alles mögliche sofort tun, beugen sich gegen ein Regelgerüst.

    "Ich mache jetzt die freie Aktion x. Und nebenbei... wenn du mich hier wählst, wähle ich dich dort. Und nächste Runde wollte ich kämpfen, da brauche ich deine Unterstützung, sagen wir mal 3 Denare? Ich zahle dir also jetzt 3 Denare, wir loggen schon mal die Wählerstimmen ein, und nächste Runde gibst du mir deine Legionen... Deal?"

    "Äh... mach doch bitte erstmal Aktion x. Der Rest ist hochspannend, das darfst du auch alles sagen, aber das findet jetzt nicht statt."

    Man hat Angst, etwas zu verpassen, später nicht mehr gefragt zu werden. Aber dabei vergisst man, dass die anderen das auch nicht dürfen. ;)


    3. Zeitlich sprengt es nicht den Rahmen.

    Viele Aktionen fallen unter "ich mache das, was man immer darf" oder "ich mache die Aktion über mein Amt, dann brauche ich euch sowieso nicht fragen. Hier, schluckt ein Gesetz!".

    Darüber brauche ich mir glaubich keine Sorgen machen. Bei 4 Aktionen pro Spieler wird vielleicht 1mal verhandelt, das sollte passen.


    4. Blankoschecks machen Angst.

    Die Spieler streuben sich zunächst (erwartungsgemäß), anderen Spielern "Blankoschecks" auszustellen.

    Aber wenn es einmal passiert ist, sehen sie, so schlimm ist es auch nicht.

    Eventuell gebe ich jedem Spieler zu Beginn einen Chip des rechten Nachbarn oder so, damit es schon zu Beginn passiert und diese Erkenntnis früher eintritt.


    5. Es passieren spannende Dinge.

    Es ist ein ständiges "Geben und Nehmen", stets in der Hoffnung, mehr aus einem Deal rauszuschlagen als der andere.

    Es lohnt sich also glaubich, dranzubleiben. :)


    6. Kommunikation ja, aber nicht nur.

    Wenn ich damit fertig bin, bringt das eventuell den Vorteil mit, dass etwas wortkargere Spieler nicht außen vor bleiben.

    Bzw dass äußerst wortgewandte Spieler nicht tun und lassen können, was sie wollen, wie das manchmal in Diplomatiespielen passiert.


    7. Bündnisse sind möglich.

    Entscheidungen à la "mit wem möchte ich lieber zusammenarbeiten" finden immer noch statt. Man kann es sich auch immer noch mit Vertragspartnern "verscherzen".


    8. Freies und festes Verhandeln, geht beides?

    Ich habe immer noch ein paar kleinere "freie Verhandlungselemente" drin. Die funktionieren, beißen sich aber ein bisschen mit den fest geregelten Elementen, weil man jetzt auf einmal doch gewisse Freiheiten hat. Hier muss ich zumindest aufmerksam beobachten, wenn nicht gar mit der Schere ran.


    9. Passen

    Ich brauche eine "Ich passe" Option bzw eine Möglichkeit, eine einzelne Karte in die nächste Runde mitzunehmen.

    Manche Karten sind situativ unbrauchbar, man will sie aber für später behalten.


    10. Immer Auktionen bei der Wahl?

    Eventuell - mit dickem Fragezeichen - knalle ich auf Wahlen immer irgendeine Form von blinder Auktion obendrauf.

    zB ein Gebot um 3 neutrale Wähler.

    Das ist dann a) eine Möglichkeit, Geld auszugeben und b) stehen die Ergebnisse nicht allzu früh fest.


    11. Wahlen/Angebote nicht zu kleinteilig

    Die Wählerstimmen sollten wahrscheinlich im Block vergeben werden, kein "ich biete 2 von meinen 4 Stimmen an".

    Mein Blog (Illustrationen, Brettspieldesign, Angespielte Spiele)