Schlechtes Wetter am Wochenende. Beste Voraussetzungen für einen langen Spieleabend mit genau einem Spiel: Warhammer Quest – Shadows over Hammerhal.
Cinderfall-District, Hammerhal-Aqusha. Arvious Sunhelm, Lord-Castellant der Stormcast Eternals, und sein guter Freund und begabter Schmied Golnir Coalbeard, begeben sich in die Tiefen weitgehend unbekannter Katakomben unter der Stadt. Begleitet werden sie von Alnaryn, erfahrener Kämpfer und Wissender der Elfen, sowie von dem Piraten Vizrin Kyre. Während die drei Erstgenannten in ihrem Motiv weitgehend übereinstimmen – die Bekämpfung eines Kultes des Chaosgottes Tzeentch, der den Untergang der Stadt in ihrer derzeitigen Form herbeiführen möchte – sind Kyre’s Motive weniger edel: ihm geht es in erster Linie um Profit und Rache. Rache dafür, dass ein nicht unerheblicher Teil seines Vermögens durch Verrat und Paktieren einiger seiner Untergebenen mit besagtem Kult in Flammen aufging. Nach einer Verfolgungsjagd quer durch die Stadt führte sie Archimain, der Greifenhund des Lord-Castellant, in ein heruntergekommenes Gebäude, in dem nicht nur Tzeentch-Kultisten zu finden waren, sondern auch ein versteckter Eingang in das unter Hammerhal liegende Labyrinth aus Katakomben – in dem Archimain, kaum war der Zugang geöffnet, auch schon verschwand... Es galt nun also zunächst einmal, Archimain wiederzufinden. Sein schrilles, aufgeregtes Kreischen war stets leiser geworden und mittlerweile gar nicht mehr zu hören.
Die Treppe führte in die Tiefe und endete in einem grossen Raum, von dem aus Türen in alle Himmelsrichtungen abgingen. Ein schneller Blick zeigte, dass neben der, durch die sie gekommen waren, nur eine weitere Türe deutliche Abnutzungsspuren aufwies. Um das Überraschungsmoment auf ihrer Seite zu behalten, beschlossen die vier Gefährten, dass die am wenigsten benutzte Tür wohl der sinnvollste Weg sei. „Wenig benutzt“ hiess jedoch nicht „gar nicht benutzt“, und so sahen sie sich vier Tzeentch-Kultisten gegenüber, die durchaus geübt im Umgang mit ihren Waffen waren und offenbar als Wachen abgestellt waren. Eine Aufgabe, der die Kultisten mit Freude und Kompetenz nachkamen: bereits nach kurzer Zeit war Coalbeard schwer verletzt, Alaryn stark in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkt, Sunhelm und Kyre angekratzt. Die Kultisten dagegen hatten mit ihrer verworrenen, verdrehten Magie auch noch einen Pink Horror beschworen, der mit seligem Lachen ganze Räume mit rosarotem Feuer füllte. Nur dank Kyre’s Kampfkünsten und Sunhelms Laterne, der Sigmar’s Licht innewohnt, war dieser Kampf noch zum Erfolg geworden. Die kurz darauf eintreffende Verstärkung der Tzeentch-Anhänger, vermutlich angelockt vom Kampflärm, setzte den Helden jedoch erneut schwer zu. Dass auch diese Anwender verbotener Magie wieder einen Pink Horror in die Welt beschwören konnten, erleichterte es nicht unbedingt. Schliesslich war es geschafft – die Helden reinigten Waffen und Rüstungen, Coalbeard lud nach. Er hatte viel geschossen, aber wenig getroffen. Offenbar doch etwas zuviel Zwergenbier, aber zum Erkunden der Katakomben reichte es schon noch....
Die vier Helden durchschritten Raum um Raum, manche davon seit Jahrhunderten nicht mehr betreten und von rachsüchtigen Geistern heimgesucht. Andere angefüllt mit den Knochen zahlloser unglücklicher, vergessener Abenteurer. Wieder andere unerträglich heiss oder mit gefährlich schmalen Passagen über tödliche Abgründe.
Nach einer scheinbaren Ewigkeit in der Dunkelheit der Katakomben kehrten sie zur Erholung nach Cinderfall zurück. Coalbeard hatte von irgendwoher einige Fässer Zwergenbier aufgetrieben und veranstaltete einen Trinkwettbewerb (den er natürlich auch gewann) und Sunhelm hielt es für angemessen, der örtlichen Kapelle einen Besuch abzustatten. Alaryn dagegen setzte lieber auf Alchemie statt auf göttlichen Beistand und kaufte einen Bullgor-Trank, den er beim nächsten handfesten Schwertkampf einzusetzten gedachte. Kyre zog es wenig überraschend zum Hafen, wo er bei einem alten Handelspartner einen überteuerten kleinen Zauber kaufte – was er seinem Gegenüber jedoch nicht verübelte; immerhin hatte er ihn auch schon häufig genug über den Tisch gezogen in seiner langen, erfolgreichen Karriere als Piratenkapitän.
Und damit endet die Geschichte für heute.
Was also kann Warhammer Quest – Shadows over Hammerhal, und was kann es nicht?
Darüber möchte ich mir noch kein Urteil erlauben. Aber inzwischen reicht es zumindest für einen ersten Eindruck.
Der mit Abstand wichtigste Aspekt:
Das Spiel steht und fällt mit dem Spielleiter. Darin waren sich alle einig.
Man kann es als Brettspiel spielen, sich strikt an Regelheft und Mechanik orientieren, die Aktionen durchwürfeln. Dann wird man es einmal spielen und danach wohl nie wieder anfassen. Die Mechanik ist simpel, häufig beliebig, repetitiv. Man könnte sagen: stumpf. Und zu allem Überfluss braucht sie auch noch einen Spielleiter, der über weite Strecken noch nicht einmal grossartig zu tun hat, weil keine Gegner auf dem Spielfeld sind. Oder man macht sich die Mühe und liest die 30 A4-Seiten Hintergrundgeschichte, die das Spiel mitbringt. Man schmückt die Beschreibungen etwas aus, fügt welche ein, wo es keine hat, verknüpft Räume miteinander, beschreibt Gegner- und Heldenaktionen, stellt einen Spielleiterschirm auf, etc. Dann fängt das Spiel an zu leben.
Das ist nun natürlich kein Alleinstellungsmerkmal. Wenn man sich mit irgendeinem Dungeoncrawler diese Mühe macht, dann hebt man bei den meisten davon das Spielgefühl auf eine neue Ebene. Shadows over Hammerhal macht es aber mir zumindest ein bisschen einfacher als bei anderen Spielen dieser Art.
Zum Einen sind die verschiedenen Regionen des Dungeons schon gut ausgearbeitet und nicht so generisch-langweilig wie Descent 1 oder so angefüllt mit Zeitdruck wie Descent 2 / Imperial Assault. Zum Anderen bringt es viel Hintergrund mit, der die Stadt und das Setting für den Spielleiter sehr viel greifbarer macht als eine Kurzbeschreibung der x-ten „Rette XY / Töte Z“-Quest. Dazu trägt zudem auch die Struktur des Dungeons selbst viel bei: es gibt keine Quest 1, 2, 3, etc. Es gibt nur verschiedene Treppen, die man hinabgehen kann, durchaus auch mal mehrere von einer Region aus. Diese führen in neue Bereiche des Dungeons, die manchmal Sackgassen sind, andere Male effektiv Korridore, wieder andere Male Verzweigungen mit noch mehr Treppen. Es ist im Endeffekt ein grosses, zusammenhängendes Dungeon.
Schliesslich noch der Spielfluss selbst. Shadows over Hammerhal kann z.T. über lange Strecken komplett ohne Kämpfe auskommen. Es hat einfach keine Gegner auf dem Spielfeld. Hier und da hat es mal Fallen, aber effektiv wäre der Spielleiter dort weitgehend arbeitslos. Entweder man langweilt sich also (und die Spieler gleich noch mit), oder man versucht sich eben doch mal an der Erzählerrolle. Was in unserem Fall dazu führte, dass die Helden tatsächlich den Teil des Dungeons am liebsten mochten, in dem sie über 2 Stunden lang keinen einzigen Kampf ausgefochten haben.
Aktuell ist das Fazit hier jedenfalls begeistert.
Das Spiel ist spannend, es fühlt sich lebendig an, ist freier, flexibler und abwechslungsreicher als Silvertower. Und alle wollen unbedingt weiterspielen, denn es hat sich niemand auch nur eine Sekunde gelangweilt. Spielleiter (ich) eingeschlossen. Die simple Mechanik (mehr oder weniger identisch zu Silvertower) störte dagegen niemand, im Gegenteil: sie war dem Spielerlebnis nicht im Weg.
Aber:
Shadows over Hammerhal ist meiner Meinung nach nur mit Vorsicht zu geniessen.
Es hat etliche Schwachpunkte, und es gibt viele gute und mechanisch weit bessere Alternativen. Der Levelup ist zäh und das in diesem Genre sehr geschätzte Gefühl der Charakterverbesserung stellt sich nicht unbedingt ein, Schätze sind grösstenteils Wegwerfgegenstände, die Stadt bietet auch nur noch mehr Zufallsereignisse.
Dazu kommt, dass es eigentlich erst zusammen mit Silvertower wirklich Sinn macht, da man nicht nur die Gegner aus Silvertower auch als exotische Gegner in Shadows over Hammerhal nutzen kann, sondern die in Hammerhal enthaltenen Tzeentch-Kultisten eben auch die Pink Horrors aus Silvertower beschwören können.
Und während Silvertower noch Miniaturen hat, die speziell für dieses Spiel entwickelt wurden, nutzt Hammerhal reguläre Minis. Das ist einerseits gut, weil es sehr viel mehr Individualisierung beim Bau ermöglicht. Andererseits verkompliziert es aber denselben auch enorm – etwas Erfahrung im Zusammenbau von Miniaturen ist hier definitiv ratsam.
Die grösste Stärke von Shadows over Hammerhal ist Storytelling, insbesondere abseits von Kämpfen. Und es ist gleichzeitig seine grösste Schwäche. Von mir deshalb sicher keine uneingeschränkte Empfehlung, vielleicht noch nicht einmal eine Empfehlung. Aber auch der Hinweis: wenn es funktioniert und Spielleiter und Gruppe passen, dann ist es schon wirklich sehr gut.