Die Werbung auf der Rückseite der aktuellen spielbox hat mich neugierig gemacht. So ein gewagtes Design hatte ich bisher nur Videospielen zugetraut, aber mit T.I.M.E. Stories von Asmodee scheint unser geliebtes Hobby Brettspiele einen weiteren Schritt in Richtung Innovation zu machen. Dabei ist das Spiel vielmehr ein Spielsystem mit einer Grundbox und Story-Erweiterungsboxen, die man dann nachkaufen kann.
In der Grundbox ist eine Mission namens "Nervenheilanstalt" schon enthalten und zwar in Form von 120+ Karten. Drei Story-Erweiterungsboxen sind schon angekündigt, die dann ganz eigene Missionen und damit auch neue Kartenpacks mitbringen. Die Spielzeit einer solchen Mission soll bei rund sechs Stunden liegen, wobei man den Fortschritt in einer Mission mit Hilfe des Schachtel-Inlays abspeichern und später dann fortsetzen kann. Innerhalb einer Mission durchläuft man mehrere Durchgänge der Story, weil wir als Zeitreisende eben immer wieder an den Anfangspunkt zurückgesetzt werden. Mit mehr Wissen und Erfahrung (und Gegenständen?) können wir die Story immer gezielter beeinflussen und schliesslich die Mission lösen und damit gewinnen.
Da wir pro Durchgang einen teils immer wieder neuen Teil der Story erleben und bis zum Ende nicht wirklich jeden Storyzweig vollständig mitbekommen, könnte man meinen, dass man so eine Mission mehrmals spielen kann. Allerdings wird der Wiederspielwert einer Mission bei BGG eher gering eingeschätzt und mit dem wiederholten Durchspielen eines Videospiels verglichen. Beim erneuten Durchspiel hat man zwar eventuell andere Charaktere und damit andere Randbedingungen und entdeckt eventuell auch Storyzweige, die man vorab noch nicht erlebt hat. Aber die eigentliche Story und auch die Auflösung bleibt gleich.
Somit wären wir auch schon beim aktuell heftigst diskutierten Kritikpunkt (auf BGG). Die Grundbox kostet 40 Euro und bietet nur eine Mission. Die Erweiterungen mit jeweils einer weiteren Mission kosten 25 Euro. Die Erste davon soll es direkt zum Verkaufsstart der Grundbox geben, die zweite Erweiterung dann Ende 2015 und die dritte Erweiterung dann Anfang 2016 - rund alle drei Monate neuen Nachschub zur Zeitreisende.
Dagegen stehen die teils euphorischen Ersteindrücke von denjenigen, die T.I.M.E. Stories schon anspielen konnten. Preiswert ist so ein Spielerlebnis nicht und wenn sich der Wiederspielwert in arg enge Grenzen hält, sollte man sich auch bestens überlegen, mit wem man in eine Mission startet. Weil wer will sich schon durch eine blöde Stimmung in der Spielrunde oder nervige Mitspieler seine Story versauen?
Um den Kreis zu schliessen: Tragedy Looper benutzt auf den ersten Blick ein vergleichbares Konzept. Zeitreisende durchleben eine Mission und kehren immer wieder an den Ausgangspunkt der Story zurück, um es im nächsten Durchlauf noch besser zu machen. Allerdings kennt Tragedy Looper einen Gegenspieler, der von einem der Spieler gesteuert wird und aktiv dagegen anspielt, dass die anderen Spieler die Story gemeinsam lösen. Wobei Story bei Tragedy Lopper fast schon zu hoch gegriffen ist, denn es geht eher um den deduktiven Ansatz, eine Situation zu verstehen und herauszufinden, wer von den durch den Gegenspieler gesteuerten Charaktere welche Rolle spielt und wer zum Beispiel der Mörder ist. Dazu bietet Tragedy Looper 10 verschiedene Szenarien, die man in der selben Spielrunde ebenfalls auch nur einmal spielen kann, während sich der Gegenspieler durchaus neue Gegner suchen kann, denn nur er kennt vorab die ganzen Zusammenhänge des gewählten Szenarios.
Der Ansatz von T.I.M.E. Stories ist aber weniger in den deduktiven Mechanismen begründet, sondern eher in der Story selbst. Eine Story, die durch 120+ Karten erzählt wird, die alle aufwändig gestaltet sind. Deshalb wird es auch wohl kaum so einfach wie bei Tragedy Looper neue Missionen bzw Szenarien aus Fanhand geben. Bei Tragedy Looper erfindet man eine kurze Rahmenhandlung, legt die beteiligten Charaktere fest und welche Rolle die spielen. Das alles lässt sich auf einem kurzen Schmierzettel festhalten. Mal eben für T.I.M.E. Stories die notwendigen 120+ Karten zu entwerfen und umzusetzen, ist schon eine ganz andere Grössenordnung und damit werden die verlangten 25 Euro pro Erweiterungspack auch leichter verdaulicher.
Als Freund von neuen Spielideen werde ich mir sicher T.I.M.E. Stories kaufen. Ob sich eine begeisterte Spielrunde dafür zusammentrommeln lässt, ist dann eine ganz eigene Frage. Was meint Ihr? Interessiert Euch das Spiel fernab der typischen Eurogames oder winkt ihr eher ab?
Cu / Ralf
PS: Wenn ich was falsch wiedergegeben habe, bitte einfach korrigieren, denn die Infos zu T.I.M.E. Stories sind aktuell noch recht wage, teils missverständlich bis wiedersprüchlich. Fest steht zumindest, dass es eine komplett deutschsprachige Version geben wird und das ist bei den Textmengen sicherlich gut. Und jetzt muss ich endlich mal Tragedy Looper auf den Tisch bringen, irgendwann -sic- !