Nach nunmehr 7 Spielen schien es mir nun langsam mal Zeit, eine Spielebesprechung zu MERCS – Recon zu verfassen.
Und was wäre da besser geeignet zum Einstieg als ein Spielbericht?
Das KemVar-Team, bestehend aus Shock, Heavy, Leader, Assassin und Engineer findet sich also im Eingangsbereich eines Bürogebäudes wieder, das höchstwahrscheinlich einem Konkurrenzkonzern gehören dürfte. Das Einsatzteam kümmert das nicht weiter – sie wissen nur, dass sich hier ein Techniker befindet, der hochsensible Informationen über KemVar-Projekte gestohlen hat. Und deshalb eliminiert werden muss. Die firmeneigene Fernaufklärung liefert Daten zu Positionen von gegnerischen Agenten, eine konkrete Bedrohungseinschätzung muss aber visuell erfolgen. Der genaue Aufenthaltsort des Technikers ist leider nicht genau bekannt, es können aber anhand des thermischen Profils vier Subjekte verfolgt werden, die in Frage kommen.
Die Ausgangssituation: Die Agent-Discs (rot, blau, schwarz) noch unbewegt - sie werden im nächsten Schritt anhand einer Bewegungskarte bewegt. Entweder nach Orange oder nach Weiss - sieht man nicht gut, aber die Räume haben alle Kreise mit einer weissen und einer orangen Hälfte.
Gibt es zwei valide Optionen, wird gewürfelt: bei Leerseite nach oben/unten, bei Treffersymbol links/rechts.
Grüne Fragezeichen sind mögliche Aufenthaltsorte des Technikers. Sie werden in dieser Mission ebenfalls nach den Regeln für Agent-Discs bewegt.
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Da zu erwarten ist, dass der Sicherheitsdienst sowieso vor erfolgreichem Abschluss der Mission von der Anwesen des Teams erfährt, wird beschlossen, Geschwindigkeit über Heimlichkeit zu stellen. Agenten werden schnellstmöglich visuell identifiziert, ihr Bedrohungswert eingeschätzt und der Situation angemessene Massnahmen ergriffen. Konkret bedeutet dies, dass Angestellte nach Möglichkeit gefangengenommen und verhört werden, bei zu hohem Aufwand oder zu viel Security in der Nähe aber das Vorwärtskommen anderweitig sichergestellt wird.
Kaum hat das Team den Eingangsbereich verlassen, stolpern ihnen auch schon die ersten Angestellten vor die Füsse, die im Angesicht eines schwer bewaffneten Einsatzteams wenig überraschend vor Schreck erstarren. Sie werden gefangengenommen, der Assassine – wie immer sehr überzeugend im Gespräch mit potentiellen Informanten – erhält von einem Wissenschaftler zudem noch wertvolle Informationen über das generelle Layout der Büros im Gebäude. Ein Wissen, was ihnen später noch zu Gute kommen würde. Währenddessen scannt Shock schonmal einige der potentiellen Zielpersonen, leider mit negativen Ergebnissen.
Der bis anhin zügige Einsatz kommt jetzt aber ins Stocken: eine ganze Gruppe Angestellter kommt auf dem Weg zur Kaffeepause aus einem Büro und blockiert den Flur. Schlimmer jedoch: sie wenden sich zur Flucht. Der Teamleader macht eindeutig klar: das Letzte, was er haben möchte, ist eine Horde panischer Angestellter, die dem Sicherheitsdienst klar machen, dass hier mehr nötig ist als die paar mit Pistolen bewaffneten Hanseln, die derzeit versuchen, dem Mercs-Einsatzteam Einhalt zu gebieten. In Konsequenz wechselt der Modus Operandi: Shock prügelt sich seinen Weg rücksichtslos durch die Gruppe Angestellter, und der erste zivile Verlust ist zu beklagen. Der Assassine nimmt einen weiteren gefangen, bekommt jedoch keine neuen Informationen. In der Zwischen haben die regulären Wachleute mitbekommen, dass da irgendetwas ganz und gar nicht dem normalen Büroalltag entspricht – und laufen Leader und Engineer ins Feuer. Unglücklicherweise befand sich dazwischen ein weiterer Zivilist. Die Einrichtung kommt auch nicht ganz unbeschadet davon.
Etwas fortgeschrittener Spielverlauf, etwa dritte Runde.
Es sind mehrere Angestellte und SecFor I aufgedeckt, das Gebäude hat bereits Schaden genommen. Die vielen Verluste unten im Casualty Pool werden mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür sorgen, dass der Security Level (links oben) auf Level 3 ansteigt.
Knapp im Bild noch die Tokens beim Heavy: er steigt in der Priorität stark an, da er mehrfach innerhalb einer Runde angegriffen hat und zudem auch noch einen Zivilist erschossen hat.
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Das Feuern automatischer Waffen, der Lärm zusammenbrechender Büroeinrichtung und die Berichte panischer Angestellter führen dazu, dass das Wachpersonal mit besserer Ausrüstung anrückt und der Verstärkung für alle Fälle auch schonmal Bescheid gesagt hat. Im Kreuzfeuer von Sturmgewehren und Shotguns wird das Gebäude weiter demoliert, die Security verliert noch mehr Leute, und erneut ist ein Zivilist irgendwie dazwischen geraten. Die Mission gerät langsam ausser Kontrolle, und der Techniker erfreut sich noch bester Gesundheit. Zu allem Überfluss steht auch noch ein wie Espenlaub zitternder Wissenschaftler zwischen dem Mercs-Team und dem Raum, in dem sich ihr Ziel versteckt. Der Assassine räumt ihn ohne Blutvergiessen aus dem Weg, aber sinnvolle Information ist nicht aus ihm rauszubekommen. Der Rest des Teams zieht sich taktisch in Richtung des grossen Raums zurück und bereitet die Erstürmung vor – unter Ignoranz der anrückenden Sicherheitsleute. Mission ist Mission.
Das Team hat sich festgerannt. Der Security-Level ist auf 5 (Maximum) gestiegen, das Gebäude ist mehrfach beschädigt, und neue Security ist bereits da. Sie könnte zwar in einer Runde beseitigt werden, aber dann würde sich die Situation in der nachfolgenden Runde sehr ähnlich darstellen. Dem Ziel keinen Schritt näher, dafür aber mit noch mehr Security am Hals.
Bleibt noch die Flucht nach vorn, in den Raum mit dem letzten grünen Fragezeichen.
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Die Situation ist inzwischen völlig eskaliert. In dem Raum wird das KemVar-Team nicht nur von einem Techniker, sondern von einer ganzen Horde schwerst bewaffneter Sicherheitsleute erwartet. Shock reagiert, bevor die Gegner sich richtig von ihrer Überraschung erholen können, und schalte einen Gegner in einer für ihn sehr günstigen Positionen aus. Danach entwickelt sich ein wildes Feuergefecht, das die Mercs zwar knapp gewinnen, aber unter hohen Kosten: das komplette Team ist schwer verwundet.
Der Techniker fällt im Kugelhagel ebenfalls – immerhin. Mission erfüllt. Jetzt heisst es „nur noch“: Extraktionspunkt erreichen.
Das "Breach & Clear", die Erstürmung eines Raums, in dem sich ein Missionziel und/oder Gegner befinden.
Dies ist als separates "Minispiel" ausgelagert. Wer daran teilnimmt will gut überlegt sein, und die Priorität sollte im Vorfeld so geplant sein, dass die Mercs jeweils an den gewünschten Positionen stehen. Im Beispiel hier habe ich bei der Planung mit dem Assassinen (links unten) ziemlich versagt - so spät in der Reihenfolge bringt er nichts mehr.
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In Anbetracht der Tatsache, dass mittlerweile das gesamte Gebäude auf höchster Alarmstufe ist, kein leichtes Unterfangen. Die Security drängt unerbittlich nach, und jeder Schritt in Richtung Flucht muss teuer erkauft werden. Die letzten Hemmungen sind gefallen, und auch der Heavy feuert aus allen Rohren, mit beträchtlichen Kollateralschäden. An allen Ecken und Enden sind Wände, Decken, Böden und Mobiliar zerstört, stellenweise hat der Boden komplett nachgegeben. Aber es hilft nichts: Stück für Stück wird das Team vom Sicherheitsdienst auseinandergenommen. Zuerst fällt der Assassine, dann der Leader, gefolgt vom Engineer. Im Kreuzfeuer von Sturmgewehr und Shotguns fällt schliesslich auch noch der Heavy, kurz vor dem rettenden Ausgang. Einzig Shock schafft es gerade noch rechtzeitig aus dem Gebäude, bevor es endgültig abgeriegelt wird, kann sich aber kaum noch auf den Beinen halten.
Mission gewonnen.
Das Spielende.
Shock hat es tatsächlich bis zum Ausgang geschafft, aber der Rest des Teams ist am Boden. Wäre die schwarze Agent-Disc oberhalb des grossen Raums noch aufgedeckt worden, hätte ich zudem wahrscheinlich verloren, weil zu viele SecFor IV Einheiten aufgetaucht wären.
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Mir gefällt das Spiel bisher immens – ich denke, das klang beim Spielbericht durch.
Es kombiniert verdeckte Bewegung von Gegnern a la Space Hulk mit Team-Management, modularem Spielfeld, Interaktion mit Spielfeldelementen (Gefangennahme und Befragung von Angestellten, Interagieren mit Orten – war hier jetzt nicht dabei, Schäden) und Vorausplanung ganz hervorragend – Mechanismen und Setting passen super zusammen.
Es scheint auf den ersten Blick recht simpel und verleitet zu planlosem Vorgehen. Ein Fehler, den ich in den ersten beiden Spielen auch gemacht habe, und mit zwei krachenden Fehlschlägen entlohnt wurde. Danach habe ich bewusster, taktischer gespielt. Und trotzdem waren es wieder Niederlagen – auch wegen Pech beim Kartenziehen oder Würfeln, aber das dürfte der kleinere Anteil gewesen sein. Hauptsächlich waren es wohl einfach schlechte Entscheidungen meinerseits: zu lange rumgetrödelt, nicht auf die Priorität (die sowohl die Zugreihenfolge bestimmt als auch vorgibt, wen die Security angreift) geachtet, Gebäudeschaden falsch genutzt, etc.
Das wird langsam besser, aber ein Spaziergang ist das Spiel noch lange nicht – eine gewonnene Mission muss man sich hart erarbeiten. Und wie in jedem ordentlichen Ameritrash-Spiel gibt es natürlich auch hier die Missionen, die man wegen eines misslungenen Würfelwurfs verliert.
Allerdings leidet es doch auch stellenweise noch sehr unter nicht eindeutigen Regelpassagen oder von den Regeln nicht abgedeckten Sonderfällen. Das stört den Spielfluss vor allem an Anfang doch erheblich. Mittlerweile wird es besser, und das inoffizielle FAQ auf BGG immer länger. Trotzdem gibt es immer mal wieder Sonderfälle, die nicht sofort anhand der Regeln geklärt werden können. Der wenig strukturierte Aufbau des Regelhefts macht das nicht unbedingt besser.
Ein weiteres Problem ist die offensichtliche Benachteiligung von Nahkämpfern gegenüber Fernkämpfern. Zwar ist jeder Merc auf seine Weise ein Spezialist und besonders gut in einer bestimmten Aufgabe, aber die meisten können doch auch ausserhalb dieser spezifischen Ausgabe noch in einer Art und Weise agieren, dass der Spieler Spass damit hat. Spielt man sowieso alleine oder zu zweit und kontrolliert mehrere Mercs ist das weniger ein Problem. Bei Vollbesetzung (5 Spieler) dagegen schon. Ich sehe ehrlich gesagt nicht, wie jemand mit nur einem Nahkämpfer wirklich Spass hat – zu speziell das Aufgabengebiet. Ich habe mir mit Hausregeln abgeholfen, die den Nahkämpfern nun ermöglichen, im normalen Spiel auch etwas mehr einzugreifen. Es ist immer noch teuer und riskant, aber nun zumindest eine Option – was es zuvor nicht wirklich war.
Dann ist da noch das Spielmaterial.
Ich würde es als qualitativ passabel bezeichnen. Die grafische Gestaltung ist schön, aber die Qualität lässt manchmal schon ein bisschen zu wünschen übrig. Tokens in Hell-Violett und Dunkel-Violett (statt Violett und Blau), überall „Pappstaub“ (mangels eines besseren Worts…) auf den Räumen und Tokens, allgemein relativ dünne Trägermaterialien für die Spielplanteile mit schnell einsetzenden Abnutzungserscheinungen (man sieht es z.B. an dem grossen Raum auf den Fotos im Spielbericht), Farbabweichungen zwischen den Räumen und Rahmenteilen von Box 1 (Counter Threat) und Box 2 (Assassination Protocol) und zu guter Letzt Minis, die nicht so hochwertig sind, wie ich das gerne gehabt hätte und irgendwo auch erwartet hatte. Sie sind ok, aber mehr nicht. Ich habe ein Vergleichsbild gemacht und bei BGG hochgeladen – ich verlinke hier der Einfachheit halber mal darauf.
Was mich persönlich auch noch etwas stört ist der rasante Anstieg des Security Tracks, d.h. wie schnell die Security härter wird. Hier haben meiner Meinung nach die niedrigeren Levels etwas zu wenig Bedeutung – zumindest basierend auf den bisher gespielten Partien. Das Spiel scheint in zwei Stufen zu funktionieren: es ist noch nichts passiert und man geht so umsichtig vor, dass es auch vorerst einmal dabei bleibt. Oder es eskaliert innerhalb kürzerster Zeit massiv, und man ist innerhalb von 2-3 Runden von Security Level 1 beim Maximum und wird von SecFor IV Einheiten regelrecht überrannt.
Es ist nicht so, dass es nicht funktionieren würde – Teil des Spiels ist es, dieses Eskalationsrisiko zu managen. Aber ich hätte es schön gefunden, wenn die Stufen dazwischen etwas mehr Relevanz bekommen hätten.
Trotzdem – für mich ist es mein bisheriges Highlight im zugegebenermassen noch jungen Spielejahr 2016. Ein kooperativer Bastard aus Space Hulk und Earth Reborn, mit ein paar Anleihen aus Tabletop-Systemen und einem schnellen, involvierenden Spielgefühl.
Das Spiel hat definitiv Potential – sie müssen nur die Regel- und Produktionsprobleme in den Griff bekommen.
Ist nun doch länger geworden als gedacht. Aber ich hoffe, es war zumindest interessant und unterhaltsam.