Wie im Flug. Vier Messetag und der Pressetag vorab sind vorbei, die SPIEL 2016 ist Geschichte. Ein Geschichte, die sich in Bezug der Neuheiten arg im Mittelmaß abgespielt hat, mit einigen Ausreissern nach oben und unten. Eine Geschichte, die allerdings noch längst nicht zu Ende erzählt ist. Denn was in den kommenden Wochen folgt, dass ist der Praxistest auf den eigenen Spieltischen und ob die Ersteindrücke und Blindkäufe der Messe das halten können, was wir uns alle in der Euphorie des Neuen davon versprochen hatten.
[eAlbum=17,'slideshow','left'][/eAlbum]Aya von Blackrock Games : Durch die aktuelle Fairplay und eine vereinzelte Höchstwertung dort bin ich erst auf das Spiel aufmerksam geworden. Innerhalb 2x 10 Minuten Sanduhrzeit begeben wir uns gemeinsam auf Foto-Expedition. Immer dem Fluss entlang, während wechselnde Landschaften und manchmal auch Tiere an uns vorbeiziehen. Spielerisch ist das als Domino-Echtzeit-Kooperations-Spiel aufgebaut. Da die Regelerklärung uns im gebrochenen englisch-französisch vorgetragen wurde, bin ich gar nicht mal so sicher, ob wir Aya überhaupt regelkonform gespielt haben. In den Grundzügen sicher, in den Details wahrscheinlich nicht. Egal, mir hat dieses gemeinsame Gruppenerlebnis Spass gemacht, was dann auch zum Kauf führte.
In der Bildergalerie seht Ihr übrigens die Grossversion. Im Vergleich dazu ist aber auch die geöffnete Schachtel mit dem kleineren Material abgebildet, mit dem Ihr zu Hause spielen werdet. Die Grossversion stand leider nicht zum Verkauf, hatte aber auch den Nachteil, dass unser Tisch fast schon zu klein war für die wuchtigen Holzdominosteine und ein Herübergreifen akute Einsturzgefahr bedeutete. Somit könnte es sich mit der Kaufversion sogar noch entspannter spielen.
Der Zeitdruck ist trotzdem da, denn wir bauen von unserem Startpunkt aus eine Dominostrecke, die sich auch verzweigen wird und damit Platz für neue Landschaftstypen bietet. Taucht ein Dominostein mit Foto-Icon auf, wird ein passendes Tier auf die Dominos gelegt. Das alles machen wir reihum, immer nur einen Stein zeitgleich als Aktion. Wollen oder können wir den Stein nicht anlegen, landet der auf unserem persönlichen Ablagestapel. Da wir zudem von unserer Sitzposition nicht die komplette Expeditionsstrecke einsehen können, meistens nur Holzrückseiten erkennen, müssen wir schon ausreichend miteinander reden, wo denn jetzt was hinpassen könnte. Ob wir wirklich Steine weiterreichen dürfen, Steine umsetzen dürfen und Steine auch erstmal ins Niemandland setzen dürfen, ist in der Erklärung leider etwas untergegangen. Allerdings war das Spiel robust genug, diese Detailunschärfen aufzufangen.
Am Ende der 20 Minuten wird die Dominostrecke gestartet, der Startstein umgeworfen. Wenn es stockt, hangelt es Minuspunkte und am Ende wird irgendwie irgendwas abgerechnet, was mit Wegstrecke und Tierfotos zu tun haben muss. Zumindest haben wir uns ein "Very well" mit drei Sternchen eingehandelt und 42 erinnerte Punkte erreicht. Ein Button als Belohnung begleitet uns zudem durch den letzten Messetag. Aya ist anders und das ist schon mal gut. Da Aya zudem noch Spass macht, ist eigentlich alles gesagt. Jetzt hoffe ich nur, dass es in allen Details richtig gespielt, ebenso viel Spass macht. Zumindest kann man es auch alleine spielen in einer Solovariante oder eben in maximaler Fünferrunde. Genau wegen solchen besonderen Spielen mag ich die Spielemesse.
[eAlbum=16,'slideshow','left'][/eAlbum]La Granja: No Siesta : Ein Kennerspiel als Würfelspiel eingedampft. Von La Granja übernommen ist die typische Grafik vom stets erstaunlichen Harald Lieske, somit ist der optische Wiedererkennungseffekt hoch und die Messlatte sitzt durch den Quervergleich umso höher. Auch hier bauen wir unseren Bauernhof aus, liefern Waren an den Markt und erstmals auch in die Ferne. Spielerisch bilden die Würfel den Mittelpunkt - wer hätte es auch vom einem Würfelspiel anders erwartet? Der Startspieler würfelt, sucht sich einen davon aus und die Mitspieler folgen mit der Aussucherei. Danach wird der Rest erneut gewürfelt, ausgesucht und der allerletzte Würfel nochmals gewürfelt und gilt dann für alle Mitspieler.
Gab es in La Granja die Zuordnung Augenzahl zu Aktionsart, sind jetzt die Waren direkt auf die Würfelseiten gedruckt. Wer sich die Bilder genau anschaut, wird feststellen, wie die Würfel nach einem Messe-Dauereinsatz aussehen. Zu Hause wird das durchaus länger dauern, um diesen Abnutzungsgrad zu erreichen, aber dauerhaft haltbar ist schlicht anders. Ich hoffe, dass da Blackfire entweder bei Bedarf austauscht oder nachbessert. Aber zurück zum Spiel, denn dort legt man seine Aktionsscheiben auf die entsprechenden Felder seiner eigenen kleinen Ablage ab und trägt danach die Würfelerträge auf seinen Hofzettel ein. Blöd, wenn man zu viel bekommt, aber zu wenig Scheiben zur Verfügung hat. Dann heisst es Siesta machen und über diese Leiste sich neue Scheiben freispielen.
Auf dem Hofzettel gibt es diverse Abstreichzonen, die über Dachausbauten einmalige Vorteile und über Helfer dauerhafte Vorteile bieten. Wir können ebenso nach und nach Eselskarren füllen, aber bitte schön der Reihe nach. Wer da zuerst liefern kann, dem winken mehr Siegpunkte als den langsamen Mitspielern. Auch kann man auf eine bestimmte Häufung von Würfelsymbolen zocken, was viele Punkte bringt oder einfach sammeln was da so kommt, was bescheidene Siegpunkte bedeutet. Am Ende wird der Hofzettel abgerechnet und der Sieger steht fest.
Tja, die verkürzte Demosession hat mich in meiner Meinung arg zwiegespalten zurückgelassen. Ich mag das Brettspiel La Granja, auch wenn die Regelerklärung für Neulinge etwas mühsam ist durch die vielen Details. Das No Siesta Würfelspiel ist da sehr einfach gehalten im Regelwerk, bietet durchaus ein paar gute Mechanismen, aber wirkt wenig frisch. An der Grafik habe ich mich längst in La Granja satt gesehen, Felder abkreuzen anhand Würfelsymbole ist schlicht altbacken und direkte Interaktion fand für mich nicht spürbar statt. Somit ist No Siesta eher was für Aufbauspieler, die mal schnell ein Hauch von La Granja haben wollen und gerne würfeln. Mir war das allerdings zu wenig, denn Teile davon habe ich schon zu oft in anderen Würfelspielen gesehen, während mir die neuen Mechanismen zu wenig im Vordergrund stehen. Sicher keineswegs ein schlechtes Spiel, nur reicht ein "nur ganz gut" für mich nicht mehr aus, damit ich solche Spiele in meine Sammlung aufnehme. Wird aber sicher seine Fans finden und innerhalb des Genres sicher auch empfehlenswert.
[eAlbum=18,'slideshow','left'][/eAlbum]Aurimentic von Nikamundus : Ein seltsamer Name, ein Erstlingswerk fernab der Bildungsspiele, die der Autor bisher bediente, und dazu ein Standort in Halle 4, den wohl viele übersehen haben. So türmten sich auch am Sonntagabend noch arg viele ungekaufte Spieleschachteln der Hallendecke entgegen. Dabei hat Aurimentic durchaus verdient, von uns Vielspielern beachtet zu werden. Mit 45 Euro allerdings nicht billig, dafür stimmt aber die Ausstattung aus Holz und dicker Pappe. Es fühlt sich gut und wertig an und wenn neben der Materialmenge zudem das Spiel an sich herausfordernd Spielspass verbreiten kann, ist das ein guter Gegenwert. Wurde deshalb auch gleich zweifach in unserer Demorunde gekauft.
Die Hintergrundstory habe ich leider entweder im Halbschlaf des für mich fünften Messetagen vergessen oder unser Erklärbär hat die nur kurz und damit für mich zu kurz angerissen. Dafür war die kommende Stunde aber einzigartig und gehört zu eines meiner besten Messeerlebnisse dieses Jahres. Denn so intensiv auf uns eingehend und die Partie begleitend, uns aber zeitgleich spielerischen Freiraum lassend, habe ich selten bis noch nie eine Spielerklärung erlebt. Wenn ich hier von Herzblut eines Erklärbärens schreibe, meine ich das durchaus wörtlich und als absolutes Kompliment. Dankeschön. Dabei war es noch nicht einmal der Autor selbst. Es entwickelte sich ein Fachgespräch auf Augenhöhe, in dem wir alle relevanten Spieldetails erlebt haben, aber nie mit zu viel Details auf einmal überschüttet wurden. Zudem bekamen wir einen Einblick in die taktischen Tiefen des Spiels, was alles in welchen Situationen möglich wäre und welche Auswirkungen das hätte. Begeisternd und diese Begeisterung hat sicher auch zur Kaufentscheidung beigetragen.
Im Spiel selbst liegen mehr Inseln aus, als Mitspieler dabei sind. Ein Starthaus markiert den Besitzanspruch auf eine Insel. Unterschiedliche Startrohstoffe sorgen für individuelle erste Spielzüge. Am Ende gilt es, der reichste Spieler zu sein, in Kombination aus dem wertvollsten Inselbesitz und seinem angehäuften Geldvorrat. Geld werfen Anpflanzungsfelder ab, aus vier Rohstoffen im Quadrat angepflanzt. Wertvoll werden Inseln durch Kristalle und in Besitz nimmt man die Inseln über eine Mehrheit an Häusern und Festungstürmen. Alles ist dabei wie immer knapp.
Beginnend mit dem eigenen Spielzug wird die Wetterveränderung ausgewürfelt und welche Zusatzrohstoffe man bekommt. Das sorgt für ein wenig Unwägbarkeit, die dem ansonsten gut durchplanbaren Spiel gut tut. Ein Unwetter kann ganze Landstriche verwüsten und Anpflanzungen entfernen. Wer auf sicheren Grund baut, ist hingegen geschützt, aber in der Ausbreitung arg eingeschränkt. Zudem kann sich durch den Würfelwurf ändern, auf welchen Landschaftstyp gepflanzt werden darf. Wer mag und kann, ändert durch Anpflanzungen auf magischen Feldern den zu bebauenden Landschaftstyp und sorgt zudem dafür, dass Unwetter andere Landschaftsytpen verwüsten.
Wer andere Anpflanzungen zweiseitig umschliesst, der wandelt diese alte Anpflanzung in die aktuelle Anpflanzung um. Auf diese Art kann man Spielzüge sparen, aber auch gut die lieben Mitspieler vor zu viel Geldregen bewahren, denn nur vollständige Anpflanzungen bringen Reichtum ein. Da man allerdings mit neutralen Spielsteinen pflanzt, gehört einem das alles nicht einfach so automatisch. Stattdessen muss man sein Besitz- und damit Ernterecht einer Insel aktiv durch Häuser- und Festungsbau zementieren. Klar, dass diese Gebäude auch Rohstoffe verschlingen, die man lieber in Ausbau investieren will.
So entwickelt sich ein äusserst taktischer und konfrontativer Mehrkampf, um die besten Inseln. Durch die Entkopplung zwischen Anpflanzungen und Inselbesitz, darf man sich nie sicher fühlen, dass man von Anfang bis Spielende nur für sich anpflanzt. Denn zu gute Inseln locken Neider an, die entweder eine Übernahme planen oder die Verwüstung der Anpflanzungen, in dem die bedrohten Landschaftsfelder auf der Unwettertafel ebenso gezielt angesteuert werden. Der Rest erledigt dann die Zufallswahrscheinlichkeit des Unwetterwürfels.
Was sich hier eventuell trocken-verkopft liest, spielt sich spannend, flüssig bis zügig und sehr interaktiv-konfrontativ. Wenn man selbst nicht am Zug ist, ist man trotzdem interessiert, wie sich die Situation ändern wird, denn die zu bepflanzende Fläche ist arg begrenzt und was die lieben Mitspieler machen, kann später zu meinem Eigentum werden, wenn ich darauf hinarbeite. Eine Vielfalt an Möglichkeiten bietet sich da, durch doppelseitige Inselteile unterstützt und mit einer alternativen Wetter-Anbau-Tabelle nochmals variiert. Auf der einen Seite sich die Elemente und Mechanismen vertraut, anderseits aber auch erfrischend anders und neu in der Summe. Wobei mir besonders gefällt, dass die Summe klein gehalten wurde. In die Falle des Mechanismen-Overkills ist der Autor zum Glück nicht getappert und auch deshalb spielt es sich so rund. Wäre es bei einem Grossverlag veröffentlicht worden, es hätte garantiert in den Wertungslisten ganz weit vorne mitgespielt in der Liga von Great Western Trail und First Class. So ist es hingegen noch ein Geheimtipp, den ich gerne weitererzähle.
Persönliches Fazit vom Messe-Sonntag : Im Rückblick fand ich den Sonntag am entspanntesten. Viele sehr gute bis gute Spiele gespielt und eine tolle Zeit erlebt auf der Messe. Lag es daran, dass wir zügig zu Mittag von Halle 3 in die fernen Hallen 4+6+7 abgewandert sind? Oder haben wir das ganze Mittelmaß schon die Tage vorab weggespielt? Zudem haben wir mit Meeple Wars sowie Kreo zwei weitere Messe-Highlights entdeckt - im vorbeigehen und ungeplant.
Kreo ist ein kooperatives Kartenspiel in der Liga von Hanabi, spielt sich aber ganz anders. Die Kommunikation untereinander ist ausschliesslich durch einen vorab aufgeteilten Vorrat an Steinchen geregelt und erlaubt auch nur bestimmte interaktive Sonderaktionen. Ansonsten ist absolutes Schweigen angesagt. Herrlich. Wir bauen gemeinsam an einer sich tiefer verästelnden Kartenauslage und sind von Gegnerkarten auf unserer Hand bedroht. Da alle Karten im Spiel sind, ist klar, was alles kommt, nur eben nicht wann. Herausfordernd schwierig, weil wir zeitgleich und geheim die zu spielende Karte auswählen und dann reihum aufdecken. Wer da zu wenig kommuniziert hat, im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten, der verliert und will es direkt nochmals besser machen.
Meeple Wars ist ein konfrontatives Spiel um Landnahme und Zerstörung. Allerdings hält sich das alles im Rahmen, der durch elegante Spielmechanismen vorgegeben ist. So schalten wir stufenweise Runde für Runde Aktionen frei, bauen unsere Stadt mit Gebäuden aus, die uns andere Aktionen bieten und breiten uns auf dem Plan aus, um da Flaggenpositionen zu besetzen oder fremde Städte zu belagern. Da wir nur begrenzt Meeple haben und bis zu drei Feinden gegenüberstehen, will das eigene Vorgehen gut geplant sein. Lange Denkpausen gibt es allerdings nicht, da nach den ersten Runden Eingewöhnungszeit die Icons und Möglichkeiten schnell klar werden und sich dann die Taktik auf dieser Grundlage entfalten kann. Spielenswert und für mich das bessere Inis, um den Quervergleich im selben Genre zu ziehen.
Wie mein komplettes Messefazit aussieht, das muss ich noch mindestens eine Nacht sacken lassen. So oder so war die SPIEL 2016 geprägt vom Überfluss - an Spielen, an Besuchern und stets das blöde Kopfgefühl, viel mehr nicht gesehen zu haben, als man selbst gesehen hat. Für mich hat die Messe die Gute-Gefühl-Grösse leider überschritten. Wachstum ist nicht alles, wenn ein ungutes Bauchgefühl sich mit tollen Erlebnissen mixt. Wenn es so weitergeht, werde ich mich in den kommenden Jahren weiter auf einen engen Messebereich fokussieren und den Rest kommenden Spieletreffs und anderen Neuheiten-Veranstaltungen überlassen. Der Kontrollverlust über den Spielemarkt ist inzwischen Realität geworden. Das muss man wohl schlicht so hinnehmen.