Vorneweg: Als Fan von Aufbaustratgiespielen finde ich die Kolonisten ein Klassespiel. Mit dem PC-Spiel Anno 1602 als Ideengeber habe ich damals (schon knapp 20 Jahre her...) Wochen und Monate meiner Lebenszeit verbracht...
Für mich ist das Spiel das beste Solitärspiel das mir unter die Finger gekommen ist. Habe nun schon mehrere Komplett-Partien hinter mir. Aber auch zu zweit gefällt es mir sehr gut. Man hat einen ständigen Vergleich mit dem Gegner. Welche Strategie verfolgt dieser? Wie weit ist der mit seiner Entwicklung? Man kann zwar nicht an einem Abend eine komplette Partie spielen. Das stellt aber kein Problem dar. Einfach liegenlassen und am nächsten Tag weiterspielen. Alternativ Fotos vom Spielstand machen (geht bei diesem Spiel problemlos, je ein Foto der persönlichen Auslage sowie vom Spielbrett).
Lediglich mit drei oder gar mit mit vier Spielern möchte das Spiel nicht spielen. Dafür ist die Downtime viel zu lang. Von der Spieldauer einer Komplett-Partie gar nicht zu reden...
Was ich super bei diesem Spiel finde, sind die Kolonien. Insgesamt gibt es davon 9 Stück, und in jedem Spiel sind davon vier (ab Epoche 3 noch eine fünfte) im Einsatz.
Diese Kolonien beeinflussen massiv die Strategie. Wenn man schon ein paar Partien hinter sich hat, kann man gezielt mit einem "Masterplan" an das Spiel rangehen. Und dieser Plan sieht je nach Kombination der zufällig gezogenen Kolonien anders aus. Genau das macht das Spiel so reizvoll.
Dabei habe ich nun festgestellt, dass die Kolonien unterschiedlich stark sind. Dies führt dazu, dass man nicht bei allen Kolonien eine Botschaft baut. Kostet recht viel und nimmt wertvollen Bauplatz in Anspruch. Und nicht bei allen genutzten Kolonien ist es sinvoll, diese auf die höchste Stufe auszubauen. Mit der Zeit entwickelt man so seine persönlichen Vorlieben. Manche Kolonien sind "must haves", mache lässt man fast immer links liegen.
Ich habe mal ein persönliches Ranking der Kolonien aufgestellt:
Platz 9: Kolonie der Lohnarbeiter
Diese Kolonie habe ich nur einmal verwendet. Den Nutzen schätze ich sehr gering ein. Bürger als Bauern, bzw. Kaufleute als Bürger zu verwenden braucht man eigentlich nicht, schon wegen der höheren Versorgung. Eher schon umgekehrt. Aber nur ein Bauer als Bürger (ab Stufe 2): ziemlich witzlos. Reizvoller ist es zwei Bürger als Kaufleute einzusetzen, vor allem beim Gestüt (Erhöhung der Reichweite) oder bei der Pension (weiterer Pöppel). Da dies erst ab Stufe vier möglich ist: zu spät und zu teuer.
Diese Kolonie ist höchstens interessant wegen dem Lohnarbeiter (Stufe 2). Beim Solospiel ist dieser aber wertlos.
Platz 8: Kolonie der Lords
Der Hauptnutzen der Kolonie besteht darin Plättchen "durchzulaufen" ohne die Aktion ausführen zu müssen (man bekommt dafür eine Bonusware). Dies ist manchmal notwendig, wenn ansonsten bestimmte Aktionsfelder nicht erreichen zu sind. Ist aber die Kolonie der Gesandten im Spiel, braucht man diese Eigenschaft nicht. Bei drei oder vier Spielern stelle ich mir aber die Stufe zwei durchaus interessant vor. Man erspart sich die Abgabe, wenn man auf von Mitspielern besetzte Felder möchte. Im Solospiel aber habe ich deswegen diese Kolonie noch nie benutzt.
Platz 7: Kolonie der Alchemisten
Diese Kolonie nutze ich manchmal im Solospiel, und immer im Mehrpersonenspiel. Aber nur bis Stufe 2. Gerade in den ersten zwei Epochen ist es schon praktisch, wenn man bei Erhalt zwischen Holz und Lehm tauschen kann, bzw. ab Stufe 2 zwischen Bretter und Ziegel. Darüber hinaus ist bei mehr Spielern der Alchemist sehr nützlich. Man kann dann eine zusätzliche Aktion ausführen (allerdings nur wenn ein Pöppel eines Mitspielers erreichbar ist, und man die Aktion brauchen kann). Im Solospiel ist der Alchemist wertlos. Hier allerdings finde ich die Anregung von @Hunter&Cron gut, bei einem Solspiel die Regel einzuführen, die Aktion der eigenen Spielfigur zu kopieren (Toller Videoblog übrigens des Solospiels von Hunter. Sehr zu empfehlen!).
Platz 6: Kolonie der Industriellen
Diese Kolonie verwende ich eigentlich immer. Der Nutzen (in der Produktionsphase Holz in Bretter und ab Stufe zwei Lehm/Holz in Ziegel zu tauschen) ist zwar nicht besonders groß, aber vor allem in Epoche eins und zwei spart man sich die Umtauschfelder. Ab Epoche drei ist der Nutzen nur noch begrenzt, da man dann einen sehr hohen Verbrauch an Bretter und Ziegel hat, und man auf die Umtauschfelder dann eh muss.
Platz 5: Kolonie der Altruisten
Baue ich immer bis zur höchsten Stufe aus. Die Almosen jede Runde nimmt man immer gerne mit. Vor allem bei Stufe vier Eisen+Nahrung+Kleidung+Werkzeug.
Ganz besonders wertvoll ist die Rabatt-Eigenschaft der Altruisten-Spielfigur!
Platz 4: Kolonie der Gelehrten
Schon die erste Stufe ist sehr stark. Jede Runde zusätzlich eine Anschaffungskarte. Außerdem erspart man sich den Bau der Bibliothek. Und zusätzlich den Bauplatz dieser.
Aber auch Stufe zwei: eine Anschaffung bei Erwerb sofort auspielen, bei Institut sogar zwei (Das Institut habe ich am Anfang total unterschätzt. Inzwischen baue ich dies immer. Ich spiele aber mit der Regel, bei Anschaffungen immer ein Rabatt von einem Werkzeug zu bekommen. Das wird zwar in der Regel nicht erwähnt, die Grafik des Plättchens ist hier aber eindeutig).
Und Stufe drei: Springen zum Entwickler, sehr nützlich wegen Stufe eins, aber auch als indirekte Sprungfunktion zu dessen Nachbarfeldern.
Stufe vier allerdings lohnt sich meiner Meinung nach nicht.
Platz 3: Kolonie der Lageristen
Eine Grundregel dieses Spiels lautet. Egal wieviel Lager-/Speicherplatz man hat: Er reicht nie aus! Je mehr, desto besser.
Eine weitere starke Eigenschaft (ab Stufe zwei): die Möglichkeit jederzeit ein Lager in ein anderes Gebäude zu tauschen. Ohne extra Aktion. Über diesen Weg hole ich mir zum Beispiel immer eine Manufaktur (oder zwei... oder drei...). Dies ist um einiges biliger als der Neubau des Lagers.
Platz 2: Kolonie der Gesandten
Schon die Stufe 3 (Erhöhung der Reichweite) ist Gold wert. Ich schaue eigentlich immer, dass ich diese in der ersten Runde von Epoche drei baue. Man erspart sich dann den mühsamen und sehr aufwendigen Bau des Gestüts, welcher oft erst in der letzten Runde der dritten Epoche möglich ist. Dabei braucht man diese Eigenschaft schon wesentlich früher.
Aber auch schon die erste Stufe ist stark: Einsatz eines zweiten Pöppels.
Platz 1: Kolonie der Händler
Das ist meiner Meinung nach die stärkste Kolonie. Und zwar mit Abstand. Wenn diese dabei ist, ändert das total die Strategie des Spiels. Ich konzentriere mich dabei fast ausschließlich auf den Bau von mindestens zwei Erzminen. Besser: drei. Und zusätzlich mindestens zwei Manufakturen mit Bürger. Das produzierte Eisenerz kann dann (per Marktaktion) in jeden Rohstoff getauscht werden. Da man, um an die unterschiedlichen Bauplätze zu gelangen, immer zuerst an einen Markplatz springen muss, kostet der Tausch auch fast keine Extra-Aktion.
Fazit:
- Die Kolonien auf Platz 8 und 9 verwende ich fast nie
- Die Kolonien auf den Plätzen 5, 6 und 7 liegen für mich in der Kategorie "nice to have".
- Die Kolonien 2, 3 und 4 sind meiner Meinung nach sehr starke Kolonien. Über die Reihenfolge untereinander kann man sicherlich streiten.
- Eine Sonderstellung nimmt für mich die Kolonie der Händler ein. Zum einen ist es meiner Meinung nach die mit Abstand stärkste Kolonie. Und zum anderen verändert diese die Grundstatik des Spiels. Mit dieser Kolonie hole ich erfahrungsgemäß ca. 50 Punkte mehr als ohne diese Kolonie.
Ach ja, falls es jemand interessiert: meine Ergebnisse liegen im Solospiel inzwischen so im Bereich von ca. 450 bis 500 Punkte. Je nach Kolonienkombination. Mit Händler manchmal sogar darüber. Im Zwei-Personenspiel etwas weniger.