Es heißt Brettspiel

  • [mod] aus Terra Mystica digital


    Es heisst "Brettspiel". Das zentrale Wesen des "Brettspiels" ist Haptik.


    Warum sollte sich ein Brettspiel grundsätzlich entmaterialisieren und seiner eigenen Idee berauben wollen?
    Was addiert die Körperlosigkeit des Brettspiels der Idee von "Brettspiel" hinzu?
    Warum überhaupt noch "Brettspiel", wenn das Gleiche ohne Brett prima digital funktioniert?
    Warum Vinyl, wenn es doch auch datenkomprimiert geht?
    Warum küssen? Ist das überhaupt noch zeitgemäss?
    Wie wäre es mit einer "digitalen Umsetzung" von Sex?
    Man bräuchte keine Körpersäfte mehr: Schweiss, Blut, Tränen, Sperma - alles digitalisieren.
    Wozu braucht man einen Körper, wenn es digital körperlos doch viel besser gefällt?
    Wozu braucht man das anfassbare Leben, wenn der unfassbare Tod doch viel schöner ist?


    Digitales Brettspiel.
    Körperlose Freunde.
    Imaginäre Beziehungen.

  • Schön geschrieben... Sinn macht es trotzdem keinen.
    Das Brettspiel gibt es weiterhin und jeder, der es schafft genug Freunde zu motivieren und zusammen an den Tisch für eine Runde Terra Mystica zu bekommen, kann es als Brettspiel haptisch erleben und genießen.
    Die Tatsache, dass es mir sehr viel Spaß macht dieses Spiel als Brettspiel zu spielen, ist kein Argument gegen eine digitale Umsetzung und die damit verbundene Erweiterung der Möglichkeiten es zu spielen. Es ist also nur eine zusätzliche Möglichkeit und nicht ein Austausch oder das Ersetzen von Brettspielen.


    Ich gebe dir vollkommen recht, dass reines Spielen am PC nicht gut für die Gesellschaft ist. Eine Ergänzung als digitale Umsetzung ist aber nicht der Tot des Brettspiels.

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  • @Flundi
    Weil ich so mit meinen Freunden in Erfurt, Hamburg, Berlin und wo noch überall Terra Mystica spielen kann!


    Ich habe gestern Abend Star Wars: Imperial Assault gespielt. Toll! Ich LIEBE die Haptik von Brettspielen!
    Aber ich sehe parallel gleichzeitig das Problem, dass ich bestimmte Spiele eben fast nie spielen kann. Wenn ich schon mal in Hamburg oder Berlin bin, dann gibt es so viele andere Dinge zu tun, als ein Brettspiel zu spielen...


    Daher finde ich die die Existenzberechtigung sehr wohl gegeben.


  • @Flundi
    warum Telefon? - man kann doch direkt miteinander reden
    warum Auto, Fahrrad, Tretroller? - man kann doch selbst laufen
    warum Fernsehen? - man kann doch selbst nach Aleppo gehen und sich das anschauen
    warum Geld? - früher hat man doch auch Ware gegen Ware getauscht


    Jeder sollte sein Leben so leben, wie er das gerne möchte - und braucht sich nicht dafür zu rechtfertigen, wenn er anderen dabei nichts tut ... :)


    Ich glaube nicht, daß jemand wirklich objektiv sein kann - alle Meinungen sind subjektiv.
    Natürlich gilt das auch für mich.

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  • warum Telefon? - man kann doch direkt miteinander redenwarum Auto, Fahrrad, Tretroller? - man kann doch selbst laufen
    warum Fernsehen? - man kann doch selbst nach Aleppo gehen und sich das anschauen
    warum Geld? - früher hat man doch auch Ware gegen Ware getauscht


    Jeder sollte sein Leben so leben, wie er das gerne möchte - und braucht sich nicht dafür zu rechtfertigen, wenn er anderen dabei nichts tut ... :)

    Die Idee eines Brettspiels ist Haptik.


    Ein digitalisiertes Brettspiel ist aber kein Brettspiel mehr, sondern ein Videospiel. Man kann ein Brettspiel nicht digitalisieren, ohne es seiner Haptik (Grundidee) zu berauben.


    Die Entsprechung zum Fahrrad wäre digitales Radfahren am Computer, um von A nach B zu kommen. Das kann kaum gelingen. Digitales Radfahren ist "auf der Stelle treten".


    Das Telefon nimmt der Kommunikation nichts weg, sondern addiert Kommunikation hinzu. Ein digitalisiertes Brettspiel nimmt etwas weg, um vermeintlich etwas hinzuzuaddieren. Der Aspekt "Überbrückung von Entfernung" mag ein Gewinn sein, entspricht aber nicht der Idee von Brettspiel, die Menschen gemeinsam, physisch und haptisch an den Tisch bringen soll.


    Die von Dir genannten Gegenbeispiele sind daher ungeeignet, da ihre Erfindung aus sich heraus Sinn ergibt. Ein digitales Brettspiel ist maximal ein Paradoxon.

  • Das Telefon nimmt der Kommunikation nichts weg, sondern addiert Kommunikation hinzu.

    WTF? Gestik, Mimik? Ganz zu schweigen davon, dass digitalisierte Sprache am anderen Ende nicht 1:1 ankommen kann...


    Ein Brettspiel ist nicht nur Haptik. Genaugenommen ist ein Brettspiel vor allem erst mal ein Gedanke, eine Idee und wird erst später haptisch. Dann lebt es von den (oft genug geistigen) Interaktionen der Mitspieler. Natürlich fehlt den digitalen Varianten etwas, aber die Grundidee, miteinander etwas zu spielen, ist nach wie vor vorhanden.


    Die Entsprechung zum Fahrrad wäre digitales Radfahren am Computer, um von A nach B zu kommen. Das kann kaum gelingen. Digitales Radfahren ist "auf der Stelle treten".

    Das bessere Beispiel wäre ein Rollentrainer: Man fährt physisch Rad, legt aber keine Strecke zurück, sieht und spürt keine Natur, kann niemanden überholen etc. => Es ist Rad fahren, aber eben ohne die üblichen "Begleiterscheinungen". => Mancher mag’s, mancher nicht. Selbiges gilt für digitale Umsetzungen von Brettspielen.

    Einmal editiert, zuletzt von yzemaze ()

  • Die Idee eines Brettspiels ist Haptik.

    für mich nicht.
    Ich finde, die Idee eines Brettspiels ist "Spielen".

    Ein digitalisiertes Brettspiel ist aber kein Brettspiel mehr, sondern ein Videospiel. Man kann ein Brettspiel nicht digitalisieren, ohne es seiner Haptik (Grundidee) zu berauben.

    nein, siehe oben.

    Die Entsprechung zum Fahrrad wäre digitales Radfahren am Computer, um von A nach B zu kommen. Das kann kaum gelingen. Digitales Radfahren ist "auf der Stelle treten".

    Die Grundidee eines Fahrrads ist, sich fortzubewegen - die Entsprechung nennt man "Laufen".

    Das Telefon nimmt der Kommunikation nichts weg, sondern addiert Kommunikation hinzu. Ein digitalisiertes Brettspiel nimmt etwas weg, um vermeintlich etwas hinzuzuaddieren. Der Aspekt "Überbrückung von Entfernung" mag ein Gewinn sein, entspricht aber nicht der Idee von Brettspiel, die Menschen gemeinsam, physisch und haptisch an den Tisch bringen soll.

    Ein digitalisiertes Brettspiel fügt etwas hinzu, wie auch das Telefon.
    Meine Idee vom Brettspiel ist eine andere als Deine.

    Die von Dir genannten Gegenbeispiele sind daher ungeeignet, da ihre Erfindung aus sich heraus Sinn ergibt. Ein digitales Brettspiel ist maximal ein Paradoxon.

    Ein digitales Brettspiel ergibt von sich heraus Sinn, wie auch das Telefon und das Fahrrad.
    Ein Paradoxon ist diese Diskussion - deshalb wende ich mich für die nächsten Stunden einer VASL-Partie zu: das ist eine ASL-Brettspiel-Partie mit einem Schweden aus Schweden, der wie ich gerade Zeit und Lust zum Spielen hat, aber nicht genügend Zeit, um mal schnell mit dem Fahrrad vorbeizukommen ... :D


    Ich glaube nicht, daß jemand wirklich objektiv sein kann - alle Meinungen sind subjektiv.
    Natürlich gilt das auch für mich.

    Einmal editiert, zuletzt von Warbear ()

  • Hi,
    Ist es das?
    Das wage ich aber zu bezweifeln.


    Atti


    Zumindest ist das meine These oder mein Verständnis von Brettspiel: Gemeinsam mit Menschen spielen, um das Spielen mit Menschen und nicht des Spiels willen. Das Brettspiel ist nur das Mittel zur Begegnung, nicht sein Zweck. Anders herum würde der Mensch das Mittel zum Zweck des Brettspiels werden und die Idee in sein Gegenteil pervertieren.


    Aber um @yzemaze Gedanken aufzugreifen: Ein Spiel mag erst einmal eine Idee sein, die sich dann als Brettspiel oder meinetwegen auch als Videospiel umsetzen lässt. Aber die Umsetzung von Brettspiel beinhaltet die physische, haptische Begegnung von Menschen. Das ist der Daseinszweck eines Brettspiels. Es gibt keinen Sex ohne Körper.


    Telefon: Die Einbusse von Gestik und Mimik nimmt das Telefon zugunsten von verbaler Kommunikation über Entfernungen in Kauf.


    Das "digitalisierte Brettspiel" nimmt den Verlust von Haptik und Physis in Kauf, um Entfernung zu überbrücken. Es ist aber dann eben kein Brettspiel mehr in seinem Wesenszweck.

  • @Flundi
    Betrachtest du Fernschach o. ä. als Brettspiel? (Warum? Warum nicht?)

  • Für mich konkurriert das online Spiel überhaupt nicht mit dem Brettspiel. Ganz klar: Brettspielen ist toller. Weil es haptisch und optisch toll ist, weil jeder auf das gleiche Medium schaut.
    Ich würde mich nie zu viert mit 4 Handys um einen Tisch setzen und via App spielen.


    Die App ist toll, wenn man nicht konventionell brettspielen kann, aber es trotzdem gerne würde. Weil nicht alle Spieler anwesend sein können oder weil der Ort das Aufbauen eines Spielplans nicht erlaubt.
    Die App erlaubt es mit Spielern aus einer anderen Stadt oder gar Land zu spielen, bekanten oder unbekannten.
    Oder morgens in der Bahn ein paar Züge zu machen.


    Persönlich spiele ich Terra Mystica sehr gerne online (bisher natürlich nicht in der App, sondern auf terra.snellman.net).
    In einer meiner Partien, die gerade laufen, spiele ich gegen einen Japaner, einen Taiwanesen und einen US-Amerikaner - auch das finde ich toll. :)

  • Hi,


    Das ist eine interessante, wenngleich sehr eingeschränkte Sichtweise.
    Deiner These zur Folge ist ein Brettspiel, welches zB als Solo-Spiel konzipiert ist kein Brettspiel.
    Der gesellschaftliche Aspekt bei Brettspielen ist nicht von der Hand zu weisen, und auch ich weiss ihn sehr zu schätzen (weswegen ich Digitale Umsetzung auch per se erstmal ablehne) - ihn als Haupt oder gar einzigen Zweck hinzustellen ist zwar einfach, aber nichtsdestotrotz falsch.
    Für jeden hat ein Brettspiel einen anderen Zweck und das pauschal und generell abzusprechen grenzt echt an Ignoranz.
    Nur weil es anders ist, ist es nicht gleich falsch.


    Atti

  • @Flundi
    Betrachtest du Fernschach o. ä. als Brettspiel? (Warum? Warum nicht?)

    Fernschach ist für mich kein Schach, weil Schach die Begegnung von zwei Menschen beinhaltet, die sich gegenseitig beobachten, taxieren, beäugen: Schweiss auf der Stirn. Nervosität. Ruhe, Unruhe. Hunger. Durst. Die direkte Begegnung ist Teil des Spiels jenseits der konkreten Regeln des Spiels.

  • Hi,


    Lass mich raten: Du hast noch nie im Leben eine Partie Schach gespielt?!


    Du hast ziemlich romantische Vorstellungen in diese Beziehung... herrlich.


    Atti

  • Ich habe absolut nichts gegen die Digitalisierung von Brettspielen und sehe solche Angebote eher als Ergänzung denn als Ersatz. Online Implementierungen sind toll, um ein Spiel kennen zu lernen, Routine zu entwickeln, oder ganz simpel, um mehr Optionen bezüglich der Mitspieler zu haben. Nichtsdestotrotz machen mir die digitalen Versionen in den meisten Fällen deutlich weniger Spaß, als das gleiche Spiel in geselliger Runde mit Feunden. Einfach weil das drumherum fehlt, ich mich bei live Spielen oft langweile bis ich wieder am Zug bin, oder mich bei rundenbasierten Partien mit den ständigen Unterbrechungen nicht gleichermaßen auf das Spiel einlassen kann, wie wenn es physisch vor mir läge.

    Half Man, half Bear, half Pig!

  • Deiner These zur Folge ist ein Brettspiel, welches zB als Solo-Spiel konzipiert ist kein Brettspiel.

    Das stimmt. Ich persönlich spiele auch keine Solospiele am Brett. Ich finde es aber völlig in Ordnung, wenn andere Spieler das tun. Aber es ist eben nicht die Idee von Brettspiel wie ich sie verstehe.


    Ignorant von mir ist also nur, dass ich meine These als absolut postuliert habe, nicht jedoch mein Umgang mit Anderen und ihrem anderen Umgang mit Brettspiel. Von mir aus kann jeder Terra Mystica auch digital spielen, auch wenn ich persönlich Brettspiel digital absurd finde. Für Deinen Hinweis auf meine Hybris bin ich Dir also dankbar.


    Daher mal offener gefragt: Gibt es eine allgemeingültige Definition von Brettspiel, die seine digitale Umsetzung mit einbezieht?

  • Daher mal offener gefragt: Gibt es eine allgemeingültige Definition von Brettspiel, die seine digitale Umsetzung mit einbezieht?

    Ja: Brettspiel. ^^


    Für mich ist auch ein Kartenspiel eine Unterkategorie von "Brettspiel" - auch, wenn es kein "Brett" gibt...

  • Die digitale Umsetzung unserer analogen Lieblinge ist doch eine sinnvolle Ergänzung. Zum einen ermöglicht es dir ein Spiel mit einem entfernten gegenüber (wie Warbear momentan), zum anderen kannst du auch mal ohne deine Truppe entspannt ein Spielchen machen. Entweder weil es dir einfach Spass macht, oder du möchtest mal bestimmte Sachen probieren die du am Tisch nicht machen würdest.
    Sieh es mal andersrum: Wenn du nicht wüßtest das es für z.B. TM ein Brettspiel gibt, dann das aber mitbekommst, könnte es doch auch sein, das du es dir evtl. als Brettspiel kaufst...
    Ich spiele auch gern mal die digitale Version eines Brettspiels, einfach weil ich dann gerade drauf Lust habe und es der Spontanität wegen nicht anders machen kann.


    Wie wäre es mit einer "digitalen Umsetzung" von Sex?

    Da wird schon kräftig dran gearbeitet, der kommende "Thrill" der Branche - und nein - nichts für mich! ;)

    Bitte senden Sie mir Ihre E-Mail doppelt, ich brauche eine fürs Archiv :/

  • Du hast noch nie im Leben eine Partie Schach gespielt?!


    Du hast ziemlich romantische Vorstellungen in diese Beziehung... herrlich.

    Ich habe Schach gespielt, bis ich meinen Vater besiegt habe. Da war ich zwölf.


    Meine zugegebenermassen romantischen Vorstellungen von einem ziemlich verkopften und antrainierten Spiel enthält tatsächlich Physis.

  • Ich würde nie "nie" sagen. Wer weiß, was noch kommt?

    Fügen wir ein kleines "aktuell" ein.
    Welche digitale Spiele man längerfristig auf welchen Medien spielen können wird, kann man natürlich nicht sagen.


    Prinzipiell bin ich gemeinsamem digitalen Spielen nicht abgeneigt, alte PC-Spiele wie Worms 2 (Hotseat), Need for Speed (geteilter Bildschirm) oder Fifa (gegeneinander) habe ich früher gern gespielt.

  • Digitalisierte Brettspiele sind denke ich ein logischer Schritt. Für stehen da erst am Anfang, aber was uns durch die Digitalisierung im Allgemeinen noch erwartet, ist spannend bisweilen gruselig. Nur auf Brettspiele bezogen teile ich die Sorge von Flundi ein wenig. Wenn man sich mal anguckt warum man früher bei einer Konsole zusammen gekommen ist. Vier Controller und Mario. Oder FIFA. Splitscreen-Ballereien oder eben LAN-Partys. Heute bleibt jeder zu Hause und spielt über das Internet. Hat seinen Vorteil, weil ich so viel unkomplizierter mit Menschen spielen kann oder mit Freunden die ganz woanders wohnen. Da der Mensch faul ist und gerne Zeit spart, bleiben jetzt aber auch Leute zu Hause, die sich besuchen könnten. Ergo gibt es kaum lokale Koop-Spiele noch Splitscreen-Modis, obwohl die Fernseher immer größer werden. Dazu habe ich auch mal was geschrieben.


    Das dies nun so extrem bei Brettspielen ausartet glaube ich nicht. Und ein "Terra Mystica Online" kann Leute zusammen bringen, die es sonst nicht spielen könnten. Von daher absolut positiv. Schlimm wäre es allerdings wenn plötzlich die heimische Spielgruppe am Tablet ihre Runde spielt, weil das einfacher ist und man die Session zwischen anderen wichtigen Dingen besser reinquetschen kann.

  • Wie den meisten hier, ist mir persönlich eine Partie gespielt am Tisch im Kreise Gleichgesinnter natürlich am liebsten, doch da das nicht immer und überall für jeden machbar ist, stellen digitale Umsetzungen von Brettspielen eine geeignete Ergänzung dar (auch wenn ich persönlich sie nicht nutze ;) ). Ich will aber nochmal auf deine Grundthese zurück kommen.


    Es heisst "Brettspiel". Das zentrale Wesen des "Brettspiels" ist Haptik.


    Und genau das zweifle ich an und bemühe einfach mal Wikipedia und zitiere aus der Begriffserklärung für "Haptik":


    "Als haptische Wahrnehmung (griech.: ἁπτός haptόs „fühlbar“, ἁπτικός haptikόs „zum Berühren geeignet“) bezeichnet man das tastende „Begreifen“ im Wortsinne, also die Wahrnehmung durch aktive Exploration im Unterschied zur taktilen Wahrnehmung, bei der das wahrnehmende Subjekt passiv berührt wird. " (aus Wikipedia)


    Es mag zwar Spiele geben, die ein stark auf die haptische Wahrnehmung ausgelegtes Konzept bieten, wie z.B. Dschamal Dschamál | Board Game | BoardGameGeek oder auch Dr. Shark Dr. Shark | Board Game | BoardGameGeek , aber die Haptik ist sicher nicht das "zentrale Wesen" des Brettspiels allgemein. (allerdings gebe ich zu, das Elemente, die auf die haptische Wahrnehmung abzielen, bei einer digitalen Umsetzung fast zwangsläufig wegfallen müssen). Am Beispiel von Schach hast du geschrieben:


    Fernschach ist für mich kein Schach, weil Schach die Begegnung von zwei Menschen beinhaltet, die sich gegenseitig beobachten, taxieren, beäugen: Schweiss auf der Stirn. Nervosität. Ruhe, Unruhe. Hunger. Durst. Die direkte Begegnung ist Teil des Spiels jenseits der konkreten Regeln des Spiels.


    Taxieren, beäugen - all das ist keine haptische Wahrnehmung des Mitspielers (dazu müsstest du ihn schon betasten - aber damit wären wir wieder bei den Bettspielen aus einem Nachbarthread ^^ ). Aber ich (und - so denke ich jedenfalls - fast alle hier) stimme dir voll und ganz zu, was diesen Punkt betrifft: Die direkte Begegnung ist Teil des Spiels jenseits der konkreten Regeln des Spiels. Eine digitale Umsetzung verliert ganz sicher etwas gegenüber der direkten Begegnung am Spieltisch, ist aber, wie mehrfach hier angeklungen, eine gute Alternative

    Gruß aus Frankfurt, Helmut

  • [mod] aus Terra Mystica digital


    Warum sollte sich ein Brettspiel grundsätzlich entmaterialisieren und seiner eigenen Idee berauben wollen?

    Lustig, dabei sind Brettspiele ja bereits entmaterialisierte Abbildungen der Wirklichkeit auf eine virtuelle Welt aus Pappe und Holzklötzchen. Warum Meeple-Schafe gegen Lehm-Klötze tauschen? Echtes Feeling gibt es nur mit echten Schafen und echtem Lehm.

  • ....Gesellschaftsspiel.... :huh: ...


    ...und ist eine digitale Version eines Brettspiels nicht einfach eine Form der "Umsetzung".


    Per Definition muss man Flundi recht geben. BRETTspiel.


    Anders ist es mit dem Buch. Das gibt es in digitaler Form. Und der Name schließt das auch nicht aus.


    Aber Moment. Ist Brett nicht einfach erstmal nur Brett. Das Spiel bringt die Gesellschaft.


    Mein Kopf zwirbelt...

    be careful or be roadkill

  • Brettspiele sind schon zu Zeiten entstanden, als es die Möglichkeit der Umsetzung in digitaler Form noch nicht gab.
    Somit ist für mich eine digitale Umsetzung nur die Version eines Brettspiels mit Nutzung eines anderen Mediums.


    Ob das gut, besser oder schlicht blöd ist, muss der Einzelfall entscheiden.
    So sind die meisten Brettspiele ja nicht mit dem Gedanken entwickelt worden, auch perfekt als digitale Umsetzung zu funktionieren. Sondern eben mit den begrenzten Möglichkeiten, die einem real existierende Materialen bieten inklusive der Handhabung damit. In einer digitalen Umsetzung wird nur ein Abbild dieses Materials verwendet und Handhabung genutzt, die auf den Abspielgeräten möglich und durch die Abspielgeräte bedingt anders ist.


    Ich persönlich bevorzuge echte Videospiele, die auch als Videospiele erdacht wurden und das Medium ausnutzen. Ebenso wie ich Brettspiele am Spieltisch spiele.

    Content-Nachschlag gefällig? Brettspieltag.de – Das etwas andere Boulevard-Magazin der versammelten Brettspiel-Szene

  • @el_Bemblo
    Deine Argumentation mit Buch und Brett ist nicht schlüssig! Denn wenn ich das BRETTspiel auf meinem Tablet spiele, ist das auch ein "Brett"! ;)


    @brettundpad.de
    Ich finde, Du bist sehr überheblich, wenn Du absolut behauptest, es wäre "schlimm", wenn sich die heimische Spielgruppe nur noch digital trifft. Das Du das nicht magst ist ja in Ordnung. Es aber per se zu verteufeln finde ich nicht in Ordnung.
    Seit geraumer Zeit gibt es viele Tischrollenspiel-Runden, die online spielen. Das funktioniert sehr gut, und während ich selbst mir ein solches Spielen nicht vorstellen kann, bringt es offenbar sehr vielen Menschen Spaß. Auch, weil mehr Zeit zum Spielen bleibt, und weniger mit Fahren verbracht wird!


    Jedem das Seine - aber das die Spielkultur unter digitalen Umsetzungen leidet, das halte ich doch für sehr übertrieben!

  • aber das die Spielkultur unter digitalen Umsetzungen leidet, das halte ich doch für sehr übertrieben!

    Man müsste vor allem auch den gegenteiligen Effekt betrachten: Dadurch, dass man mittlerweile quasi überall spielen kann, wäre es doch verwunderlich wenn absolut gesehen, nicht auch tatsächlich immer mehr Leute spielen. Naturgemäß nicht unbedingt Brettspiele oder digitale Ableger dieser, aber immerhin wird überhaupt gespielt.
    Ich bin mir sicher, dass der Anteil der spielenden Erwachsenen hauptsächlich durch die Verbreitung digitaler Gerätschaften in den letzten Jahren stetig gestiegen ist. Ich halte es für durchaus denkbar, dass von diesen Leuten auch einige zu "Brettspielern" geworden sind oder noch werden. Hier könnten Apps von Brettspielen auch für den Einstieg sorgen und so Menschen zu unserem Hobby bringen, die sonst nicht im Traum daran gedacht hätten, jemals Brettspiele zu spielen - natürlich am Tisch und mit anderen Menschen.

  • Ich habe Schach gespielt, bis ich meinen Vater besiegt habe. Da war ich zwölf.
    Meine zugegebenermassen romantischen Vorstellungen von einem ziemlich verkopften und antrainierten Spiel enthält tatsächlich Physis.


    ...und immerhin gibt es ja auch sowas wie Schachboxen, wo die Physis sogar mitentscheidender Teil des Spiels ist:


    [Blockierte Grafik: http://cdn.salzburg.com/nachrichten/uploads/pics/2014-11/orginal/schachboxen-erst-auf-die-matte-dann-schachmatt-41-55603588.jpg]

  • @brettundpad.de
    Ich finde, Du bist sehr überheblich, wenn Du absolut behauptest, es wäre "schlimm", wenn sich die heimische Spielgruppe nur noch digital trifft.

    Ich würde es absolut schlimm finden, was ist daran überheblich? Ich habe doch in meinem Post klar gemacht das ich es per se nicht verteufel?! Ich selber kenne Pen & Paper Gruppen aus allen Teilen Deutschlands die online zusammen kommen. Wer wäre ich das zu verteufeln? Es gibt einen Markt für digitale Brettspiele und es hat definitiv seine Vorteile!


    Ich mag nur das gesellige Beisammensein am Tisch, den direkten Kontakt. Für mich würde da absolut etwas fehlen wenn ich nur noch per Tablet "Brettspiele" spielen würde. Ich sehe "meine" Leute schon online per Voicechat bei Videospielen und bin absolut happy das wir in unserem Kreis immer mehr Leute für Brettspiele begeistern konnten und man sich wirklich trifft. Weg vom Smartphone, weg von der Konsole, sich aktiv treffen und Zeit nehmen. Ich denke das ist auch einer der Gründe warum Brettspiele immer erfolrgreicher werden, weil es um uns herum schon digital genug wird.


    Dazu habe ich dann den Bezug zu Videospielen genommen, wo durch die Online-Komponente gewisse lokale Spielereien verdrängt wurden. Das finde ich manchmal auch Schade. Nun kommt noch VR dazu. Vielleicht hast du von der Umsetzung des Brettspiels Werwölfe gehört? Ja, klar, das ist witzig und ich kann mit meinem Avatar und Freunden auf der ganzen Welt Werwölfe spielen. Ich verteufel das nicht, so lange mich noch meine Freunde besuchen und ich sie.

  • Ich finde digitale Umsetzungen von Gesellschaftsspielen sind für mich ein absoluter Gewinn:


    • Ich kann die gelernten Regeln am Beispiel verinnerlichen, damit die Erstpartie am Tisch flüssig läuft und ich mir schon vorher eventuelle oder aufkommende Fragen beantworten (lassen) kann.
    • Ich kann austesten, ob bestimmte Spiele überhaupt etwas für mich sind, ohne am Ende lustlos eine Partie am Tisch spielen zu müssen und mich bis zum Ende zu quälen, weil es eben genau nicht meins ist.
    • Ich kann gerade bei Kartenspielen die einzelnen Karten kennenlernen. Das mag für einige als Vorteil gegenüber anderen gelten. Aber ich kenne Leute, die bestimmte Spiele schon gefühlt 100 x gespielt haben, die wissen, welche Kombinationen gut oder gar extrem gut sind und dann die Mitspieler abzocken. Aus der Warte gesehen nenne ich das eher aufholen... Oft ist es auch gut, einfach nur zu wissen, was andere Karten können. Ich bin durchaus ein sehr fairer Mitspieler und weise im Spiel die anderen darauf hin, was Karten für Funktionen haben können und wie sich das auf die gerade ausgespielte Karte auswirken könnte (wenn ein Spieler dabei ist, der das Spiel nicht kennt).
    • Ich kann mit Freunden (und auch Unbekannten) auf der ganzen Welt spielen und damit Nähe schaffen, die die Entfernung eigentlich nimmt. Es gibt an der Stelle keine Grenzen. Keine Vorurteile. 2-10000 Leute, die gerade das gleiche machen wollen kommen zusammen, egal, was sie anhaben, wie sie aussehen, wo sie sind (puh. Bilder im Kopf.... wo ist nur die Delete-Taste???)
    • (Karten-) Spiele mit hohem Verwaltungsaufwand spiele ich teilweise sogar lieber am Tablet als auf dem Tisch (z.B. Ascension). 1,5 Stunden am Tisch, 20 Minuten am iPad. Kein Hin- und Herzählen von irgendwelchen Kampf- oder Machtpunkten. Kein andauerndes Mischen, die KI kann englisch - meine Mitspieler manchmal nicht (und die deutsche Umsetzung von Ascension sollte gar nicht existieren...)
    • Ich kann auch dann eine Partie spielen, wenn mir justament die Mitspieler fehlen. Zum Beispiel, wenn ich krank bin und eigentlich nichts tun kann außer dumm rumzuliegen. (OK, ein Buch lesen geht immer. Ist aber nichts für jeden. Fernsehen? Tagsüber für mich ein Albtraum!) Wenn ich wieder einmal viel zu früh wach werde und niemanden im Haus wecken möchte. Wenn ich, schon passiert, insgesamt 4 Stunden (anstatt 15 Minuten) in der U-Bahn festhänge. Wenn ich in den Urlaub fahre und mein Gepäcklimit nicht mein Lieblingsspiel mitzunehmen erlaubt (btw: ich würde mich über Funkenschlag als App freuen).

    Dennoch, und ich glaube, da sind sich in diesem Forum eigentlich alle einig:


    Es geht nichts über ein gepflegtes Spielen in angenehmer Umgebung und mit netten echten Mitspielern. Das möchte ich in keinem Fall missen und werde hoffentlich auch in 40 oder gar 50 Jahren noch fleissig Spielen - vermutlich dann aber nur noch mein Takenoko-Großspiel, damit ich noch was erkennen und die Teile greifen kann :)

    Was man ernst meint, sagt man am Besten im Spaß (Wilhelm Busch)

  • Der Aspekt "Überbrückung von Entfernung" mag ein Gewinn sein, entspricht aber nicht der Idee von Brettspiel, die Menschen gemeinsam, physisch und haptisch an den Tisch bringen soll.

    Wieso ziehst du die Grenze so eng? Ist es nicht auch schön, wenn man befreundet ist und weit voneinenander entfernt wohnt, und trotzdem gemeinsam ein Spiel spielen kann? Warum darf dies nicht auch ein digitalisiertes Brettspiel sein? Auch, als es das noch nicht gab, haben Leute Postspiele gespielt. Jetzt ist es eben ein anderes Medium. Die Post ist tot, das Internet verbindet.


    Ich kann deinen Punkt durchaus verstehen, aber für mich endet er zu schnell. Es kommt mir so vor, als wäre es "deine" Idee von Brettspiel. Meine Idee deckt sich mir deiner nur teilweise.

  • Es kommt mir so vor, als wäre es "deine" Idee von Brettspiel. Meine Idee deckt sich mir deiner nur teilweise


    Habe doch weiter oben meinen sonnenköniglichen Absolutismus bereits zugegeben. :party2:


    Ich werde heute Abend zur Strafe eine Parte Mea Culpa spielen - ganz allein, obwohl ich viel lieber mit meinen echten Freunden spielen würde.

  • Habe doch weiter oben meinen sonnenköniglichen Absolutismus bereits zugegeben.

    Ich bitte um Verzeihung. Ich habe wohl übersehen, dass da noch mehr Beiträge waren. Hatte die Seite ein wenig offen und war am überlegen, ob ich was schreiben soll oder nicht.


    Ich würde übrigens jederzeit (örtliche Nähe vorausgesetzt) mit dir am Tisch die Klingen kreuzen! :)

  • Ein digitales Brettspiel ergibt von sich heraus Sinn, wie auch das Telefon und das Fahrrad.
    Ein Paradoxon ist diese Diskussion - deshalb wende ich mich für die nächsten Stunden einer VASL-Partie zu: das ist eine ASL-Brettspiel-Partie mit einem Schweden aus Schweden, der wie ich gerade Zeit und Lust zum Spielen hat, aber nicht genügend Zeit, um mal schnell mit dem Fahrrad vorbeizukommen ... :D

    So, jetzt ist 4 Stunden später, und ich hatte viel Spielvergügen mit meinem schwedischen Bekannten - wir haben eine laufende ASL-Partie beendet und eine neue angefangen. Ein gelungener Tag bisher.


    Eine Alternative hätte ich nicht gehabt, denn in unserem Dorf gibt es weder andere Rentner und langbeinige Blondinen, die für ein haptisches Spiel zur Verfügung gestanden hätten. :D


    Ich bleibe also dabei: für mich ist das eine völlig überflüssige Sommerloch-Diskussion, und Diskussionen nur um des Diskutierens wegen sind für mich pure Zeitverschwendung.
    Da lese ich jetzt doch lieber die Regeln für unser nächstes haptisches Spielvergnügen am Wochenende ... :)


    Ich glaube nicht, daß jemand wirklich objektiv sein kann - alle Meinungen sind subjektiv.
    Natürlich gilt das auch für mich.


  • So, jetzt ist 4 Stunden später, und ich hatte viel Spielvergügen mit meinem schwedischen Bekannten - wir haben eine laufende ASL-Partie beendet und eine neue angefangen. Ein gelungener Tag bisher.

    Witziger Zufall: Ich hatte in der gleichen Zeit 2x sehr unterhaltsamen Sex mit einer langbeinigen Blondine aus der Großstadt.


    Sie möchte wieder. Spielen.