Hallo zusammen!
Hier gibt es ja einige, die beruflich mit dem Thema zu tun haben, aber jeder von uns ist bestimmt schon über das (von mir) sog. "Regelheft-Deutsch" gestolpert. Ich frage mich manchmal, warum so ziemlich alle Regelhefte einen teilweise abstrus komplexen oder komplizierten Stil an den Tag legen. Schwergewichte wie Arkham Horror sind dazu auch noch recht unlogisch aufgebaut, aber so ziemlich jedes andere Spiel hat so seine Feinheiten im Regelheft, bei denen ich einfach nicht verstehe warum sie da sind.
Als guter "Spielleiter" bringe ich mir alle Spiele immer erst selbst bei, um sie dann anschließend einer Gruppe zu erklären. Meiner Meinung nach ist es der größte Spaßkiller, wenn man als Gruppe vor einem Spiel sitzt, einer versucht zu erklären und andauernd wieder im Regelheft nachlesen muss. Und dabei fällt mir immer wieder auf, dass ich Leuten Spiele wie Arkham Horror oder World of Warcraft (wie lieben und spielen es auch immer noch!) in wenigen Sätzen erklären kann, wenn ich sie anders aufbaue als im Regelheft beschrieben. Sicherlich läuft dann auch vieles parallel, aber es macht ja auch keinen Sinn jemandem das ganze Spiel vorher zu erklären, weil er dann zu Beginn wieder die Hälfte vergessen hat. Gerade in Kooperativen Spielen wie AH ist das recht einfach. Nach einer Grundsatzerklärung über das Thema und die grundsätzliche Aufgabe, über Equipment und Proben kann man schon direkt loslegen. "Jetzt fängt die Unterhaltsphase an. Hast Du bei dir bei "Unterhalt" was stehen? *neuer Spieler wird aktiv* Dann bekommst du X aus dem Vorrat. Bei mir steht ..., also nehme ich Y." Fertig. Im Regelheft nimmt eine solche Passage aber gern mal eine halbe Seite ein.
Bei WoW ist es ziemlich ähnlich. 35 (große) Seiten Regelheft. Aber nachdem ich mich einmal durchgebissen hatte, konnte ich es unserer Spielerunde innerhalb von 15 Minuten erklären. Leute, die WoW kannten, waren sogar noch früher spielbereit. Neulingen musste man die Charakterentwicklung und -Restriktionen natürlich erst erklären. Aber auch da zeigte sich wieder: Es gibt 2 Arten von Fähigkeiten: Welche, die man 1x zahlt und besitzt und andere, für die man bei jeder Benutzung Mana zahlen muss. Allein diese Unterscheidung nimmt im Regelheft fast eine ganze Seite ein.
Sicherlich ist die Zielgruppe von Regelheften auch der DAU (kommt aus dem Software- bzw. Usability-Bereich und steht für "Dümmster anzunehmender User" und ist keinesfalls bösartig gemeint). Aber ich habe das Gefühl, als wären manche Anleitungen absichtlich verkompliziert, fast schon mathematisch aufgebaut. Beispiel wieder Arkham Horror: Die Reihenfolge von Schleich-, Horror- und Kampfprobe ist total konfus aufgebaut und nimmt wieder sehr viel Platz ein.
Zusammengefasst - und das fällt einem eigentlich viel leichter, wenn man es sich in der Realität mal vorstellt - ist es aber total simpel zu behalten: Zuerst versucht man vorbei zu schleichen - Dabei muss das Ergebnis der Schleich-Probe höher ausfallen aus die Aufmerksamkeit des Monsters. Gelingt einem das nicht, springt einem der Werwolf ins Gesicht und schlägt/beißt sofort zu, man kassiert Schaden. Weil man sich so erschrickt, dass man plötzlich von einem Werwolf angesprungen wird, muss überprüft werden ob man vom Horror/Schrecken übermannt wird. Wenn man darunter nicht zusammenbricht, beginnt der Kampf.
Diese kleine Zusammenfassung wird im Regelheft mit sage und schreibe 4135 Zeichen (ohne Leerzeichen!) erklärt. Natürlich ist AH ein Extremfall, aber mir ist schon oft aufgefallen, dass viele unterschiedliche Spiele ihre Regeln unglaublich kompliziert aufbauen, anstatt es mit realistischen Beispielen zu belegen. Als würde ich an dem Spielmechanismus festgekrallt, der doch eigentlich da ist um etwas realistisches zu Abstrahieren.
Ich habe für eine eigene Idee ein Regelheft geschrieben, bei dem ich versucht habe mich daran anzulehnen - soll ja auch professionell wirken In der Passage ging es um die Ziel/Laufpriorität einer KI-gesteuerten Figur. Genauer gesagt um einen Lehrer, der Nachtwache auf den Fluren eines Internats hielt. Als ich meiner Freundin die unterschiedlichen Prioritäten und Verhaltensweisen (Gehen/Durchsuchen/Rennen/Verfolgen) im Bezug auf üblichen Weg, offene Türen und gesichtete Schüler vorlas, verstand sie nur Bahnhof. Als ich ihr dann erklärte: "Stell dir vor, Du bist ein Lehrer auf Patrouille. Du gehst deinen normalen Weg. Steht irgendwo eine Tür offen, die nicht offen stehen sollte, gehst Du im normalen Tempo dorthin. Siehst Du plötzlich einen Schüler, der ja eigentlich im Bett liegen sollte, rennst du ihm hinterher und die Tür oder dein normaler Weg sind dir egal. Verlierst Du ihn aus der Sicht, findest aber eine offene Tür, gehst Du dort rein und suchst nach ihm. Verlierst du den Schüler und findest weder einen anderen Schüler noch eine offene Tür, hast Du keine andere Wahl und gehst deinen Weg weiter." Das wiederum klang dann ziemlich logisch.
Oft ergeben sich auch die Zusammenhänge nicht. Als ich einem Freund, der nichts mit Zombies am Hut hatte, Zombicide erklärte, war ihm völlig unverständlich, wieso er sich nicht einfach aus einer Zombie-Zone herausbewegen konnte. Ich habe ihm den Text aus dem Regelheft vorgelesen, der das ganze recht theoretisch mit "Beim Verlassen einer Zone für jeden Zombie innerhalb der Zone +1 Aktion auf die Bewegung". Die einfache Erklärung dabei war: "...die halten dich halt fest und du musst dich losreißen." "Achsooo! Klingt logisch!"
Ein positives Beispiel dafür ist z.B. Blood Rage. Das Spiel kommt mit einer Mini-Erklärung aus und die Anleitungen der Erweiterungen sogar mit wenigen Sätzen, die jeder sofort versteht.
Sicherlich macht sich dabei die Qualität einer hochwertigen Redaktion bemerkbar, die sich wirklich mit dem Thema auseinandersetzt anstatt ein Regelheft einfach zu übersetzen oder Notizen aus dem Designprozess zu übernehmen. Aber wieso ist das bei einem Gros der Produkte der Fall?