Welche Spiele von heute sind morgen Klassiker?

  • Meinst Du damit, dass Du den Begriff heute anders verwendest als damals?

    Nein. Der Begriff (= Wortbedeutung) "Klassiker" ist für mich gleich geblieben. Nur erfüllen heutige Spiele nicht die Kriterien, die im jetzigen Rückblick auf Spiele vor 35 Jahren diese zu Klassikern gemacht haben. Eben auch, weil das Umfeld damals ein ganz anderes war. Ein Umfeld, das Klassiker ermöglicht hat. Wenn wir weitere 35 Jahre abwarten, dann sehe ich das eventuell anders, weil sich bis dahin die Brettspiele und die Freizeitgestaltung damit eventuell so weit gewandelt haben, dass heutige Spiele aus der Sichtweise in 35 Jahren dann ebenfalls Klassiker-Kriterien erfüllen.


    Siedler von Catan wird eventuell als Klassiker seiner Zeit gewerten werden können, eben weil es über die Freak-Grenzen unseres Hobbys bekannt ist und gespielt wird. Aber ein Splendor oder gar ein Terra Mystica irgendwann mal als Klassiker zu bezeichnen? Ne, da fehlt dann doch was.

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  • Für mich ist die Verbreitung das entscheidende Kriterium. Die Verbreitung entsteht für mich als Kombination aus Klasse, Verfügbarkeit und Auswahlmöglichkeit.


    Meiner Meinung nach kann ein Vielspielerspiel niemals ein typischer Klassiker werden - und deshalb finden hier auch alle die richtigen Klassiker blöd. Auch früher gab es durch Avalon Hill ja schon lange und anspruchsvollere Spiele, aber diese waren der breiten Masse gänzlich unbekannt. Bei einem richtigen Klassiker kann aus meiner Sicht ein nennenswerter Anteil der Normalbevölkerung mit dem Namen etwas anfangen, idealerweise haben sogar viele das Spiel schon gespielt.


    Mädn, Monopoly, Risiko - DAS sind richtige Klassiker! Ich möchte (auch) keines der Spiele mehr spielen. Diese Spiele haben es aber geschafft, viele Menschen zu unterhalten. Ich bewege mich in einem spielerischen Segment, in das kaum jemand, der nicht Vielspieler ist, Einblicke hat. Ich habe etliche Freunde und Familienmitglieder, die gerne spielen - aber die haben in keinster Weise eine Ahnung davon, was im Vielspielerbereich passiert!


    Wenn ich "heute" mal gaaaaanz weit bis in die 90er Jahre dehne und nur Spiele mit mindestens mäßigem Anspruch betrachte, bleiben aus meiner Sicht höchsten Spiele wie Siedler, Carcassonne, Dominion (und mit Abstrichen El Grande) übrig, die eine Chance darauf haben, einmal Klassiker genannt werden zu dürfen. Das sind die Spiele, die in Spielgeschäften bedingungslos erhältlich sind, die es durch umfangreiches Marketing und unendliche Erweiterungswut geschafft haben, sich in den Köpfen der Leute zu verankern. Diese Spiele kennen vielleicht nicht die Großeltern, aber die Eltern, Onkel und Tanten kennen und schenken sie.


    Wenn ich mit Wenig-Spielern über das Spielen spreche, sind das die Titel, die man in deren Regalen findet. Das ist auch okay (und aus meiner Sicht eine klare Weiterentwicklung zu Mädn und Monopoly).


    Das zum Thema Bekanntheit. Die Verfügbarkeit hatte ich ja auch schon angerissen. "Unsere" Spiele sind zwar über das Internet gut (ausreichend) verfügbar, aber die Masse wird wahrscheinlich in den Spielwarenabteilungen von kaufhof, karstadt und Co. gemacht, und da sieht es dann ja schon dünn aus. Dort ist der Ladenplatz eben auch begrenzt und das schränkt die Auswahlmöglichkeit eben extrem ein.


    Die Auswahlmöglichkeit hat sich wahrscheinlich am stärksten verändert. Ich habe das Gefühl, dass im Vergleich zu früher unglaublich viel mehr Spiele veröffentlicht werden. Das liegt daran, dass es immer mehr Autoren gibt (und hier spreche ich nur vom Vielspielerbereich, denn nur da kenne ich mich etwas aus). Früher war der Kreis überschaubar, es gab die bekannten Größen (Kramer, Kiesling, Teuber, Knizia - später Feld, Rosenber & Co), die von ihrem Business leben konnten. Durch den vergleichsweise überschaubaren Schöpferkreis war auch die Anzahl an neuen Titeln noch verdaulich - und dadurch hatte jedes Spiel ausreichend zuspruch der Spieler und die Verlage konnten vernünftie Stückzahlen produzieren.


    Gerade in den letzten Jahren (und es geht immer weiter) wollen aber immer mehr Spieler sich ihren Traum erfüllen und selber ein Spiel herausbringen - weil sie es können! Diese "Autoren" können ganz anders an ihr Projekt herangehen, denn sie müssen keine Gewinne erzielen. Wahrscheinlich ist es für gestandene Verlage günstiger, diese Spiele aufzulegen (nur meine Vermutung, dass einfach auch die Zahlungen viel geringer sind), sodass auch kleinere Produktionsmengen produziert werden können - oder wenn sich kein Verlag findet, kann eben jeder selber z.B. über Kickstarter sein "Baby" verkaufen. Wahrscheilich wächst der markt an neuen Spielen stärker als die Anzahl neuer Spieler, sodass sich die Aufmerksamkeit der Spieler nur noch einem Bruchteil des Marktes widmen kann - was wiederum zu niedrigeren Produktionsgrößen der einzelnen Titel führt.


    Ich vereinfache jetzt sehr stark, aber früher gab es hat ein Spiel pro grobem Segment: Würfelbasiertes Rennen (Mädn), Krieg (Risiko), Wirtschaft (Monopoly) und Strategie (Schach). Diese Spiele konnten so Konkurrenzlos zum Klassiker werden. Heute werden alle Genres beliebig kombiniert und die Themenvielfalt (ob aufgesetzt oder nicht) nimmt schon erstaunliche Ausmaße an. Und wenn es eine Nische gibt, die noch nicht besetzt ist, kommt ein neuer Hobby-Autor und erfindet ein neues Spiel - bis sich dann die Spielergemeinde entscheiden kann, auf welcher Südseeinsel es das strategische card-driven Civ-Spiel spielen möchte...


    Dann hat jedes Spiel halt nur 500 Käufer, aber dafür kann sich jeder Spieler mechanisch und thematisch beliebig ausleben und in seine Welt abtauchen - aber dass so noch Spiele wie früher entstehen, die jeder kennt, wird aus meiner Sicht immer schwieriger. Nicht umsonst ist das neueste meiner "heutigen" Spiele mit Klassiker-Chance (Dominion) auch schon fast 10 Jahre alt...

  • Für mich ist die Verbreitung das entscheidende Kriterium.

    Das sehe ich ganz anders. Meiner Meinung nach ist es absolut nicht notwendig, dass die Bevölkerung tief genug durchdrungen werden muss, um einmal als "Klassiker" zu gelten. Ich denke nicht, dass der durchschnittliche Passant auf deutschen Straßen beispielsweie Mania Mansion/Day of the Tentacle, Ulysses oder Akira auch nur halbwegs korrekt dem Videospiel-, Literatur-, oder Mangagenre zuordnen kann - obwohl es alles Klassiker in ihrer Kategorie sind.
    Daher glaube ich fest, dass Spiele wie Siedler von Catan, Carcassone, Caylus, Agricola, Alien Frontiers oder Dominion in ein paar Jahrzehnten als Klassiker gelten. Möglicherweise nur in unserer Nische, aber in so einer landen alle früher oder später einmal :D

    Half Man, half Bear, half Pig!

  • Meiner Meinung nach ist es absolut nicht notwendig, dass die Bevölkerung tief genug durchdrungen werden muss, um einmal als "Klassiker" zu gelten. Ich denke nicht, dass der durchschnittliche Passant auf deutschen Straßen beispielsweie Mania Mansion/Day of the Tentacle, Ulysses oder Akira auch nur halbwegs korrekt dem Videospiel-, Literatur-, oder Mangagenre zuordnen kann - obwohl es alles Klassiker in ihrer Kategorie sind.

    Zirkelschluß - Du benutzt Beispiele, die keine Klassiker im eigentlichen Sinne sind, um darzulegen, dass sie nicht unter die Definition fallen. :)
    Als Klassiker im Videospielbereich fällt mir nur PAC MAN ein. Und AKIRA hat es ja zum Leidwesen vieler Mangafans immerhin in die Kinos geschafft. :sonne:

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  • Vielleicht auch ganz interessant in diesem Zusammenhang: Welche Spiele mit Veröffentlichungsjahr ab 2010 haben bei BGG am meisten Bewertungen?


    Wer möchte, kann ja mal raten, was in der Liste der Spiele ab 2010 mit über 20000 Bewertungen oben auftauchen könnte, bevor er den Spoiler öffnet. Es sind 14 Titel, wieviele davon kann man richtig erraten?

    Trotz der sicher vorhandenen US-Lastigkeit von BGG (für uns hier in Deutschland ist das sicher nicht repräsentativ) finde ich ein paar Sachen ganz interessant. (Auch wieder im Spoiler, weil Namen genannt werden und sonst der Spoiler oben sinnlos wäre.)

  • und Netrunner sehe ich auch in einer zumindest vergleichbaren Liga. Das Spiel an sich finde ich durch kürzere Spieldauer und Zufallselemente ein gutes Stück leichter, aber rein von der Zugänglichkeit fand ich Netrunner deutlich anspruchsvoller zu lernen als TM.

  • Also die BGG Wertung ist wohl eine recht untaugliches Mittel für die Bestimmung von Klassikern.


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    Zur Definition würde ich auch eher aus Wikipedia herauskopieren wollen:
    "Im kulturgeschichtlichen Sinne sind Klassiker Werke u. a. der Musik, der Malerei, der Filmkunst u. s. f. von überragender, allgemein anerkannter Bedeutung."


    Die allgemeine Anerkennung des Kulturgutes, sehe ich da als relevant.


    Und so kommen wir zu den alten Verdächtigen (Schach, Go, Monopoly, usw), ein paar jüngeren (Magic, Siedler, Carcassonne, El Grande, ?)


    Und um der Spekulation vom Diskussionsersteller noch zu folgen: "Welche Spiele von heute sind morgen Klassiker? " -- ich sehe heute gar kein Spiel, welches auch nur annähernd einen vergleichbaren Impact auf das Hobby Spielen hat, um sich da einreihen zu dürfen.
    Am ehesten - wenn 2008 noch als "Heute" durchgeht - sehe ich bei Dominion das Potential dafür.

    Mit der Nase auf meinem smarten Device getippt.

    Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass das :?: entfernt werden muss

  • Also die BGG Wertung ist wohl eine recht untaugliches Mittel für die Bestimmung von Klassikern.


    Sonst würd ich meinen - hier, die Klassiker der Literatur! Amazon.de Bestseller: Die beliebtesten Artikel in Bücher

    EINSPRUCH - Euer Ehren!


    Es ist eben BGG und nicht "Amazon.de Bestseller: Die beliebtesten Artikel in Spielwaren". In die BGG Top 100 muss man erstmal reinkommen. Dazu muss es nicht nur oft verkauft werden sondern auch noch oft gespielt und gut bewertet! Und dann muss man sich da 20 Jahre halten. Dann ist man ein Klassiker!


    Ein Äquivalent zu BGG in der Welt der Bücher kenne ich zu meinem bedauern nicht (sollte es eines geben: her damit!). Aber abgesehen davon: würde sich ein Buchtitel für 20 Jahre in den Top10 der Amazon-Bestseller halten, so wäre das wohl auch ein Klassiker (natürlich nicht im Sinne der Weimarer Klassik).

    Gruß aus dem Münsterland
    Herbert

    ______________________________

    I'm old enough to know what's wise
    and young enough not to choose it

  • Wenn man in Spielerezensionen, Besprechungen, Diskussion häufig hört oder Neulinge über ein Spiel sagen "Das ist wie in Spiel X", dann ist das ein relativ guter Hinweis darauf, dass Spiel X ein Klassiker ist.


    Was Terra Mystica ist, kann ich einem Nichtspieler oft ganz grob mit "das ist wie Siedler von Catan bloß viel komplexer und mit weniger Glück" erklären. Den Klassiker Siedler von Catan kennt er.
    Wenn Spiele mit Deckbuilding besprochen werden, fällt der Vergleich mit Dominion, bei Sammelkarten mit Magic.


    Was ein Klassiker ist, hängt natürlich auch vom Personenkreis ab - Nichtspieler werden ein Puerto Rico oft nicht kennen, für einen Spieler ist es ein Klassiker, wenn man Rollen auswählt, dann ist das wie in Puerto Rico.


    Vielspielerspiele von heute (201Xer Jahre) denen ich über längere Zeit einen Klassikerstatus zutrauen würde wären Terra Mystica, BuBu, Eclipse, Marco Polo, Mage Knight, Waterdeep, evtl. Concordia.
    Bei heute ganz heißen Spielen wie Scythe, Terraforming Mars, GWT, Mombasa usw. bin ich mir nicht so sicher, ob sie wirklich die Jahre überdauern.


    Glaube z.b. Wikinger (in D vergriffen, wenig präsent) oder Kardinal und König (vergriffen, die China-Neuauflage "Han" bliebt relativ unbeachtet) haben für mich nicht wirklich Klassikerstatus.
    Agricola, TM und Puerto Rico sind natürlich ganz klar mit die großen Strategieklassiker.

  • Ich finde, dass eigentlich hier aneinander vorbeigeredet wurde.
    Wer will denn überhaupt einen Klassiker definieren?
    Wird hier von uns Spielern gesprochen? Die , die sich eh ihr eigenes Klassiker-Genre schaffen? Und das zu recht? Das wird der normale Mitbürger nur mit einem achselzuckenden Lächeln abtun.
    Oder von der Bevölkerung, die sich durch Massentauglichkeit ihren Klassiker schafft. Da werden wir nur mit den Augen rollen.


    Hier wurde soviel interessantes zu diesem Thema geschrieben, dass ich nun selber nicht mehr zu einem Fazit für mich kommen kann.


    Meine Sammlung umfaßt nun knapp 400 Spiele und ich würde nie auf die Idee kommen, eines davon als Klassiker zu ernennen. Warum?
    Nicht jedes Spiel funktioniert in jeder Runde. Ist es deswegen schlecht und wird dadurch nicht mehr aufgelegt? Wird es deswegen nicht zum Klassiker?
    Wir ziehen immer mal wieder eines heraus (im Moment Caylus) und merken, wie schön ein altes Spiel mal wieder sein kann und was für Erinnerungen dabei hochkommen.
    In diesem Fall meine frührere Gruppe, von denen schon einige gar nicht mehr unter uns weilen.
    Wird daraus ein Klassiker?
    Für mich ist Klassik etwas "altes". Wird aber nicht durch Qualität geprägt.
    Aber muss das wirklich so sein oder definiere ich da etwas falsch?



    Der Gernspieler

    Wenn immer der Klügere nachgibt, wird nur dummes getan!


  • Wir ziehen immer mal wieder eines heraus (im Moment Caylus) und merken, wie schön ein altes Spiel mal wieder sein kann und was für Erinnerungen dabei hochkommen.
    In diesem Fall meine frührere Gruppe, von denen schon einige gar nicht mehr unter uns weilen.
    Wird daraus ein Klassiker?

    Für mich eigentlich schon: Früher gerne gespielt, heute immer noch gut und macht Spaß (plus die Erinnerungen. Wenn man dann mit dem Spiel nicht die einzige Gruppe auf dem Planeten ist, ist das schon irgendwie ein Klassiker. Aber stimmt schon, Brettspielen ist ein Hobby mit begrenzter Reichweite, da kann man schön streiten, was alles Klassiker ist und was nicht.

  • Und generell:


    Früher erklärte man einem Nichtspieler, "das ist etwa wie Monoply, Mädn..." heute eben auch "Das ist wie Siedler oder wie Carcassonne".


    Frappierend finde ich Erfahrungen derart, dass Nicht-/Wenigspielern, wenn man bei einem Spiel mit sechseckigen Feldern beobachtet wird, nachfragen
    ob das Spiel wie Siedler ist. Für diese Gruppe sind sechseckige Planteile eins zu eins mit Siedler verknüpft...

    Ich gebe hier, auch wenn ich es im Text nicht explizit erwähne, immer meine persönliche Meinung wieder.

  • Frappierend finde ich Erfahrungen derart, dass Nicht-/Wenigspielern, wenn man bei einem Spiel mit sechseckigen Feldern beobachtet wird, nachfragen
    ob das Spiel wie Siedler ist. Für diese Gruppe sind sechseckige Planteile eins zu eins mit Siedler verknüpft...

    Naja, dafür glauben Großstadtkinder ja auch, dass Kühe lila sind ... ;)

    Gruß aus Frankfurt, Helmut